Verwaltungsrecht

Fälligstellung eines Zwangsgeldes und erneute Zwangsgeldanordnung, Tätigwerden einer Verwaltungsgemeinschaft im übertragenen Wirkungskreis, Anordnung zur Haltung eines großen Hundes (ausbruchssichere Unterbringung)

Aktenzeichen  AN 15 K 19.00963

Datum:
25.10.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 47157
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
LStVG Art. 18 Abs. 2
VwZVG Art. 31

 

Leitsatz

Tenor

1. Die Klagen werden abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die zulässigen Klagen sind unbegründet.
1. Die Klagen sind zulässig.
Hinsichtlich der Ziffer 1 des Klageantrags ist die allgemeine Feststellungsklage nach § 43 Abs. 1 VwGO statthaft, denn der Kläger begehrt die Feststellung, dass das im Bescheid der Beklagten vom 2. April 2019 angedrohte Zwangsgeld nicht fällig geworden ist. Somit ist zwischen den Beteiligten eine rechtliche Beziehung, die sich aus einem konkreten Sachverhalt aufgrund einer diesen Sachverhalt betreffenden öffentlichen Norm für das Verhältnis mehrerer Personen untereinander oder einer Person zu einer Sache ergibt, und damit ein Rechtsverhältnis streitig (BVerwG, U.v. 28.1.2010 – 8 C 19/09 – juris Rn. 24). Der Zulässigkeit der Feststellungsklage steht auch nicht § 43 Abs. 2 VwGO entgegen. Nach dieser Vorschrift kann die Feststellung nicht begehrt werden, soweit der Kläger seine Rechte durch Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann oder hätte verfolgen können. Eine Fälligkeitsmitteilung stellt keinen Verwaltungsakt i.S.d. Art. 35 S. 1 BayVwVfG, sondern nur die Mitteilung eines Bedingungseintritts dar und ist damit nicht mit einer Anfechtungsklage angreifbar (§ 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO). Nach Art. 31 Abs. 3 Satz 2 VwZVG liegt bereits in der Androhung eines Zwangsgeldes ein nach Maßgabe des Art. 23 Abs. 1 VwZVG vollstreckbarer, aber aufschiebend bedingter Leistungsbescheid. Wird die zu erfüllende Pflicht nicht innerhalb der Handlungsfrist des Art. 36 Abs. 1 Satz 2 VwZVG erfüllt bzw. die angeordnete Duldungs- oder Unterlassungspflicht nicht befolgt, wird die Zwangsgeldforderung gemäß Art. 31 Abs. 3 Satz 3 VwZVG zur Zahlung fällig (BayVerfGH v. 24.1.2007 – Vf. 50-VI/05 – juris Rn. 46; BayVGH, B.v. 16.10.2014 – 2 ZB 13.2466 – juris Rn. 3). Die Vollstreckung von fällig gewordenen Zwangsgeldern setzt nicht den Erlass weiterer Bescheide voraus, sondern kann unmittelbar aufgrund der erfolgten Androhung in die Wege geleitet werden. Die zeitlich nachfolgende Fälligkeitsmitteilung hat nur deklaratorische Wirkung und ist gesetzlich nicht vorgeschrieben (BayVGH, B.v. 21.1.2015 – 1 CE 14.2460, 1 CE 14.2520 – juris Rn. 10). Weiter hat der Kläger auch ein berechtigtes Interesse an der Feststellung des streitigen Rechtsverhältnisses i.S.d. § 43 Abs. 1 Satz 2 VwGO, da er ansonsten keine Möglichkeit hätte, gerichtlich klären zu lassen, ob er zur Zahlung des Zwangsgeldes verpflichtet ist.
In Bezug auf die Ziffer 2 des Klageantrags ist die Klage als Anfechtungsklage statthaft, da es sich bei der erneuten Zwangsgeldandrohung vom 29. April 2019 um einen Verwaltungsakt handelt (Art. 31 Abs. 3 Satz 2 VwZVG). Diese Androhung hat sich durch die Erfüllung der Verpflichtung aus Ziffer 1 des Bescheids vom 2. April 2019, wonach die Anleinpflicht aus Ziffer 2 dieses Bescheids – für diese wurde das streitgegenständliche Zwangsgeld angedroht – nicht mehr zu beachten ist, wenn die ausbruchssichere Unterbringung der Hündin des Klägers auf dessen Grundstück gewährleistet ist, nicht vor Erlass des Urteils erledigt (§ 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO). Mit der Anordnung der ausbruchssicheren Unterbringung wird ein Dauerzustand angestrebt, der auch in der Zukunft Wirkung entfalten soll. Am Zusammenspiel der Ziffern 1 und 2 des Bescheids vom 2. April 2019 zeigt sich, dass der Kläger seine Hündin auf seinem Grundstück jedenfalls dann anleinen muss, wenn die ausbruchssichere Unterbringung nicht (mehr) gewährleistet ist.
2. Die Klagen sind jedoch unbegründet.
2.1 Richtige Beklagte ist die Verwaltungsgemeinschaft … selbst, da die Verwaltungsgemeinschaft … nicht als Behörde des Markt … gehandelt hat. Hinsichtlich der Feststellungsklage ist richtiger Beklagte derjenige Rechtsträger, demgegenüber das Bestehen bzw. Nichtbestehen des Rechtsverhältnisses festgestellt werden soll (Happ in: Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 43 Rn. 44). Die Anfechtungsklage ist gegen denjenigen zu richten, der den Verwaltungsakt erlassen hat (§ 78 Nr. 1 Hs. 1 VwGO).
Aufgrund der widersprüchlichen Angaben im Schreiben vom 29. April 2019 war dieses bezüglich des Handelnden entsprechend den §§ 133,157 BGB auszulegen. Die Kammer geht nach Auslegung des Schreibens davon aus, dass die Verwaltungsgemeinschaft … hier im übertragenen Wirkungskreis und damit als eigenständige Rechtsträgerin handelte, sodass die Klagen gegen diese selbst zu richten waren. Grundsätzlich kann eine Verwaltungsgemeinschaft selbst gemäß Art. 4 Abs. 1 Satz 1 VGemO oder als Behörde ihrer Mitgliedsgemeinde – hier des Markt … – handeln (Art. 4 Abs. 2 Sätze 2 und 3 VGemO). Abgrenzungskriterium ist dabei ein Handeln im eigenen oder übertragenen Wirkungskreis der Gemeinde (vgl. Art. 7 ff. GO). Zwar bezieht sich die Beklagte darauf, als Behörde des Markt … zu handeln und bringt dies auch in der Tenorierung des Bescheids vom 29. April 2019 entsprechend zum Ausdruck. Die gewichtigeren Gründe sprechen jedoch gegen die Annahme des Tätigwerdens im eigenen Wirkungskreis. Das Schreiben ist von dem Gemeinschaftsvorsitzenden unterschrieben und enthält keinen Hinweis, dass dieser in Wahrnehmung der „Bürofunktion“ der Verwaltungsgemeinschaft gehandelt hat. Das ist aber grundsätzlich nach außen – etwa durch den Zusatz „i.A.“ – kenntlich zu machen (Becker/Heckmann/Manssen/Kempen, Öffentliches Recht in Bayern, 7. Aufl. 2017, Rn. 566). Hinzu kommt die Verwendung des Siegels der Verwaltungsgemeinschaft. Außerdem wird der Briefkopf der Verwaltungsgemeinschaft … genutzt, wobei sämtliche Mitgliedsgemeinden lediglich aufgeführt, aber keine hervorgehoben ist. In der Rechtsbehelfsbelehrungwird die Verwaltungsgemeinschaft selbst als zu Beklagende genannt (vgl. § 58 Abs. 1 VwGO). Hätte die Verwaltungsgemeinschaft aber als Behörde des Markt … gehandelt, wäre dieser richtiger Beklagter und dementsprechend in der Rechtsbehelfsbelehrungzu benennen (Schober in: Widtmann/Grasser/Glaser, Bayerische Gemeindeordnung, Stand: 31. EL Februar 2021, Art. 4 VGemO Rn. 11).
2.2 Das angedrohte Zwangsgeld wurde durch die Beklagte zu Recht fällig gestellt, nachdem der Kläger gegen die ihm mit sofort vollziehbarem Bescheid der Beklagten vom 2. April 2019 auferlegte Verpflichtung, seine Hündin auf seinem Grundstück anzuleinen, bis diese dort ausbruchssicher verwahrt werden kann, verstoßen hat, indem die Hündin sich am 24. April 2019 unangeleint im klägerischen Garten aufgehalten hat.
Nach Art. 31 Abs. 3 Satz 3 VwZVG wird die Zwangsgeldforderung fällig, wenn die Vornahme-, Duldungs- oder Unterlassungspflicht nach Art. 31 Abs. 1 VwZVG nicht bis zum Ablauf der Frist des Art. 36 Abs. 1 Satz 2 VwZVG erfüllt wird. In dem gegen die Fälligkeitsmitteilung gerichteten Verfahren nach § 43 VwGO kommen als selbständige Rechtsverletzungen i.S.d. Art. 38 Abs. 3 VwZVG nur Umstände im Zusammenhang mit dem Bedingungseintritt nach Art. 31 Abs. 3 Satz 3 VwZVG in Betracht. Von Bedeutung ist namentlich die Frage, ob der Kläger seine Verpflichtung vollständig oder genügend erfüllt hat (BayVerfGH v. 24.1.2007 – Vf. 50-VI/05 – juris Rn. 48). Zusätzlich zu diesen im zweiten (Art. 23 ff. VwZVG) und dritten (Art. 29 ff. VwZVG) Abschnitt des VwZVG normierten besonderen Vollstreckungsvoraussetzungen müssen die allgemeinen Vollstreckungsvoraussetzungen gegeben sein (BayVGH, B.v. 4.7.2012 – 22 ZB 12.204 – juris Rn. 12). Sämtliche Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt.
2.2.1 Einer Anhörung vor Fälligstellung des Zwangsgeldes bedurfte es nicht. Da es sich bei dieser Mitteilung nicht um einen Verwaltungsakt handelt, folgt eine solche Verpflichtung nicht aus Art. 28 Abs. 1 BayVwVfG. Der Untersuchungsgrundsatz (Art. 24 BayVwVfG) wurde von der Beklagten durch das Abstellen auf das von der Zeugin … vorgelegte Lichtbild nicht verletzt. Die Behörde bestimmt gemäß Art. 24 Abs. 1 Satz 2 Hs. 1 BayVwVfG Art und Umfang der Ermittlungen, wobei die Tatsachenfeststellung einen Akt wertender Erkenntnis darstellt und eine volle Überzeugung von der Wahrheit, nicht lediglich der Wahrscheinlichkeit verlangt (Schneider in: Schoch/Schneider, VwVfG, Stand: Juli 2020, § 24 Rn. 112 ff.). Aufgrund des vorgelegten Lichtbilds zur Überzeugung zu gelangen, dass sich die Hündin am 24. April 2019 unangeleint im klägerischen Garten aufgehalten hat, ist nicht zu beanstanden. Auf dem Bild ist das Umherlaufen eines unangeleinten Hundes erkennbar. Dass die Beklagte als örtliche Behörde Ortskenntnis besitzt und somit das Bild dem klägerischen Grundstück zuordnen kann, ist anzunehmen. Darüber hinaus ist auch bei der Annahme der Notwendigkeit weiterer Ermittlungen eine Anhörung des Klägers aufgrund der Auswahlmöglichkeiten der Beklagten hinsichtlich der heranzuziehenden Beweismittel nicht zwingend (vgl. Art. 26 Abs. 1 BayVwVfG).
2.2.2 Mit dem Bescheid vom 2. April 2019 liegt ein wirksamer Grundverwaltungsakt vor, mit welchem eine Handlung – das Anleinen der Hündin – gefordert wird und dessen Befolgung dem Kläger tatsächlich und rechtlich möglich ist (Art. 18 Abs. 1 VwZVG). Der Bescheid ist nicht nichtig gemäß Art. 44 Abs. 1 BayVwVfG.
Die Ziffer 2 des Bescheids vom 2. April 2019 wurde von der sachlich zuständigen Behörde – der Verwaltungsgemeinschaft … selbst – erlassen (Art. 18 Abs. 2 und 1 Satz 1 LStVG, Art. 4 Abs. 1 Satz 1 VGemO, Art. 7 GO). Auch dieser Bescheid enthält hinsichtlich des Handelnden widersprüchliche Angaben und ist daher auszulegen (§§ 133, 157 BGB). Unter Heranziehung der obigen Ausführungen sowie des in den Gründen des Bescheids enthaltenen Verweises auf das Tätigwerden im übertragenen Wirkungskreis kann auch hier davon ausgegangen werden, dass die Verwaltungsgemeinschaft … selbst den Bescheid vom 2. April 2019 erlassen hat. Anzumerken ist in diesem Zusammenhang, dass die auferlegten Haltungsauflagen sämtlich dem übertragenen Wirkungskreis zuzuordnen sind. Maßgeblich dafür sind der rechtliche Gesamtzusammenhang und die Schutzrichtung der Anordnungen. Es sollen damit nicht nur im Gemeindegebiet ansässige oder sich aufhaltende Personen, sondern alle Personen vor den Gefahren, die von der Hündin ausgehen, geschützt werden (BayVGH, B.v. 7.4.2004 – 24 CS 04.53 – NVwZ-RR 2004, 490 (491)).
Die Beklagte durfte die Ziffer 2 des Bescheids vom 2. April 2019 als grundstücksbezogene Anordnungen erlassen, obwohl sich der Beißvorfall vom 6. März 2019 außerhalb des klägerischen Grundstücks ereignet hatte. Rechtsgrundlage für diese Anordnung ist Art. 18 Abs. 2, Abs. 1 Satz 1 LStVG, dessen Voraussetzungen hier erfüllt sind. Nach dieser Vorschrift können die Gemeinden zur Verhütung von Gefahren für Leben, Gesundheit, Eigentum oder die öffentliche Reinlichkeit Anordnungen für den Einzelfall zur Haltung von Hunden treffen. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass von großen Hunden, die auf öffentlichen Straßen und Wegen mit relevantem Publikumsverkehr frei herumlaufen, in der Regel eine konkrete Gefahr für Leben und Gesundheit Dritter ausgeht, ohne dass es zu Beißvorfällen gekommen sein muss (vgl. BayVGH, B.v. 17.10.2018 – 10 CS 18.1717 – BeckRS 2018, 28749 Rn. 13). Vorliegend nahm die Beklagte den Beißvorfall vom 6. März 2019 zum Anlass, Anordnungen zur Hundehaltung zu treffen. Bei der klägerischen Hündin handelt es sich darüber hinaus um einen Rottweiler und damit um einen großen Hund im Sinne der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs. Nach dem FCI-Standard Nr. 147 weisen Hündinnen dieser Rasse eine Widerristhöhe zwischen 56 und 63 cm auf. Die Ermessensausübung durch die Beklagte erfolgte fehlerfrei. In Bezug auf das Entschließungsermessen ist aufgrund der vorstehend dargestellten von der Hündin des Klägers ausgehenden konkreten Gefahr von einem intendierten Ermessen auszugehen (Schwabenbauer in BeckOK PolR, Stand: 15.3.2021, Art. 18 PAG Rn. 98). Art. 18 Abs. 2 LStVG ermöglicht grundsätzlich das Treffen von Maßnahmen zur ausbruchssicheren Unterbringung (BayVGH, B.v. 13.1.2012 – 10 CS 11.2379 – juris Rn. 21). Für die Rechtmäßigkeit ist es ohne Belang, ob der Hund bereits sicher untergebracht ist. Entscheidend ist vielmehr, dass nach der Intention der Verfügung diese Unterbringung einen Dauerzustand herbeiführen soll, der auch in der Zukunft Wirkung entfaltet. Vorliegend erfolgte die Anordnung der ausbruchssicheren Unterbringung in Ziffer 1 des Bescheides; die Anordnung in Ziffer 2 verfolgt den Zweck, dass unbeaufsichtigte Verlassen des Grundstücks durch die Hündin des Klägers bis zur Fertigstellung der ausbruchssicheren Unterbringung zu verhindern. Die Anordnung der ständigen Beaufsichtigung der Hündin stellt gegenüber der in Ziffer 2 des Bescheids vom 2. April 2019 enthaltenen Leinenpflicht auch kein milderes, gleich wirksames Mittel dar. Durch eine ständige Beaufsichtigung kann nicht in vergleichbarer Weise sichergestellt werden, dass die Hündin das Grundstück nicht ungewollt verlässt. Folgt sie den Befehlen des Beaufsichtigenden nicht – wie es die Zeugin in der mündlichen Verhandlung vom 25. Oktober 2021 beschrieben hat -, ist ein Verlassen des Grundstücks trotz Anwesenheit des Aufsehers denkbar. Angesichts der durch die Hündin drohenden konkreten Gefahren für die ranghohen Rechtsgüter des Lebens und der Gesundheit von Menschen (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) muss das Interesse des Klägers, seine Hündin ohne Einschränkungen auf seinem Grundstück halten zu dürfen (Art. 2 Abs. 1 GG), dahinter zurücktreten. Im Übrigen ist eine Nichtigkeit gemäß Art. 44 Abs. 1 BayVwVfG nur bei Offenkundigkeit eines Fehlers anzunehmen. Offenkundig ist die schwere Fehlerhaftigkeit einer Entscheidung nur dann, wenn sie für einen unvoreingenommenen, mit den in Betracht kommenden Umständen vertrauten, verständigen Beobachter ohne weiteres ersichtlich ist (BVerwG; B.v. 13.10.1986 – 6 P 14/84 – NVwZ 1987, 230 (230)). Im Rahmen von Ermessensentscheidungen ist jedoch regelmäßig lediglich von der Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes auszugehen. Eine Nichtigkeit kann nur bei Willkür angenommen werden (Herrmann in: Quaas/Zuck/Funke-Kaiser, Prozesse in Verwaltungssachen, 3. Aufl. 2018, Rn. 55). Anhaltspunkte für ein willkürliches Handeln der Beklagten bestehen nicht. Sollte dennoch von der Rechtswidrigkeit der Ziffer 2 des Bescheids vom 2. April 2019 ausgegangen werden, ist anzumerken, dass Voraussetzung für die Verwaltungsvollstreckung nicht die Rechtmäßigkeit, sondern die Wirksamkeit eines Verwaltungsaktes ist (Art. 18 Abs. 1 VwZVG).
2.2.3 Die Ziffer 2 des Bescheids vom 2. April 2019 konnte wegen der Anordnung des Sofortvollzugs in Ziffer 5 dieses Bescheids sofort vollzogen werden (Art. 19 Abs. 1 Nr. 2 VwZVG).
2.2.4 Nach Überzeugung des Gerichts hat der Kläger die ihm auferlegte Anleinpflicht am 24. April 2019 nicht beachtet. Bereits auf dem vorgelegten Lichtbild ist ein Hund erkennbar, der sich unangeleint auf einem eingezäunten Grundstück bewegt. Da der Kläger die Fertigstellung der ausbruchssicheren Unterbringung der Beklagten erst am 9. Juli 2019 anzeigte, kann vom Bestehen der Anleinpflicht am 24. April 2019 ausgegangen werden. Die Aussage der Zeugin … ist zudem glaubhaft, da sie frei von Widersprüchen und nachvollziehbar darlegte, von welchem Standort aus sie das Foto gemacht hat und die näheren Umstände – etwa das Ballspiel der Hündin – erklären konnte. Auch wenn sie die Geschädigte des Beißvorfalls vom 6. März 2019 ist, hat die Kammer keinen Belastungseifer erkennen können. Erst auf die Frage des Gerichts, warum sie Kenntnis von den Haltungsauflagen hat, verwies sie auf den Beißvorfall, ihre daraus resultierende Angst und die Nachfrage bei der Beklagten. Damit ist die Zeugin auch glaubwürdig. Die Verpflichtung zur sofortigen Erfüllung der Anleinpflicht verstößt nicht gegen Art. 36 Abs. 1 Satz 2 VwZVG, sodass die Befolgung dieser mit Zustellung des Bescheids am 3. April 2019 verlangt werden konnte (Art. 43 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG, Art. 2 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1 VwZVG).Die Fristbestimmung steht im pflichtgemäßen Ermessen der Behörde, wobei zu beachten ist, dass der Pflichtige die ihm auferlegte Verpflichtung nach allgemeiner Lebenserfahrung in der gesetzten Frist in persönlich zumutbarer Weise erfüllen können muss (Deusch/Burr in: BeckOK VwVfG, Stand: 1.7.2021, § 13 VwVG Rn. 9). Da der Pflichtige einer Duldungs- oder Unterlassungspflicht grundsätzlich sofort nachkommen kann, ist in diesen Fällen eine Fristsetzung nicht nötig (BayVGH, B.v. 15.6.2000 – 4 B 98.775 – NJW 2000, 3297 (3298)). Zwar wurde hier mit der Anleinpflicht eine Handlungspflicht gegenüber dem Kläger verfügt. Einer Frist zur Einräumung der Befolgung dieser bedurfte es aber nicht, da es dem Kläger jederzeit möglich ist, seine Hündin anzuleinen, sobald sie das Haus verlässt. Sinn und Zweck des Fristsetzungserfordernisses stehen daher der sofortigen Befolgung der Ziffer 2 des Bescheids nicht entgegen.
2.3 Die Klage ist auch in Bezug auf die erneute Zwangsgeldandrohung unbegründet. Der Bescheid der Beklagten vom 29. April 2019 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger unter Zugrundelegung des Prüfungsmaßstabs des Art. 38 Abs. 1 Satz 3 VwZVG, wonach Einwendungen nur gegen die Zwangsgeldandrohung, nicht aber gegen die bestandskräftige Grundverfügung erhoben werden können, nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
2.3.1 Die erneute Zwangsgeldandrohung findet ihre Rechtsgrundlage in Art. 29 Abs. 2 Nr. 1, 31 und 36 VwZVG. Es liegen sowohl die allgemeinen (Art. 18 ff. VwZVG) als auch die besonderen (Art. 29 ff. VwZVG) Vollstreckungsvoraussetzungen vor.
In formeller Hinsicht begegnet der Bescheid keinen Bedenken. Die sachliche Zuständigkeit richtet sich nach Art. 30 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Satz 1, Art. 20 Nr. 1 VwZVG. Sollte trotz der obigen Ausführungen davon ausgegangen werden, dass der Bescheid vom 2. April 2019 nicht von der Verwaltungsgemeinschaft … selbst, sondern von ihr als Behörde des Markt … erlassen worden ist, hat dies jedenfalls auf die sachliche Zuständigkeit hinsichtlich der Verwaltungsvollstreckung keine Auswirkungen. Wie aus dem Wortlaut der zitierten Normen ersichtlich wird, ist bezüglich der sachlichen Zuständigkeit auf die Erlassbehörde abzustellen. Einer Anhörung bedurfte es nicht (Art. 28 Abs. 2 Nr. 5 BayVwVfG).
Auch aus materiell-rechtlicher Sicht ist die erneute Zwangsgeldandrohung nicht zu beanstanden.
Der der Vollstreckung zugrundeliegende Grundverwaltungsakt vom 2. April 2019 ist im Zeitpunkt des Erlasses der Androhung am 29. April 2019 zwar noch nicht bestandskräftig (§§ 74 Abs. 1 Satz 2, 57 Abs. 2 VwGO, § 222 Abs. 2 ZPO, §§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 BGB), aufgrund der Anordnung des Sofortvollzugs (vgl. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO) jedoch vollstreckbar.
Für das Vorliegen von Ermessensfehlern bei der Auswahl des Zwangsmittels und dessen Höhe i.S.v. § 114 Satz 1 VwGO ist nichts ersichtlich. Die dem Kläger auferlegte Pflicht in Ziffer 2 des Bescheids vom 2. April 2019 stellt sich als eine Pflicht zu einer Handlung i.S.v. Art. 31 VwZVG dar, zu deren Erfüllung das Zwangsgeld gemäß Art. 31 Abs. 1 VwVZG das richtige und auch das mildeste Zwangsmittel ist. Die Höhe des angedrohten Zwangsgeldes von 500 EUR ist im Hinblick auf Art. 31 Abs. 2 Satz 2 und 4 VwZVG nicht zu beanstanden. Zuvor wurde dem Kläger bereits ein Zwangsgeld in Höhe von 300 EUR angedroht, von welchem er sich hatte nicht abschrecken lassen.
Der Setzung einer Erfüllungsfrist i.S.d. Art. 36 Abs. 1 VwZVG bedurfte es trotz auferlegter Handlungspflicht nicht; auf die obigen Ausführungen wird verwiesen. Zwangsmittel können gemäß Art. 37 Abs. 1 Satz 2 VwZVG so lange und so oft angewendet werden, bis die Verpflichtung erfüllt ist. Gemäß Art. 36 Abs. 6 Satz 2 VwZVG ist eine erneute Androhung eines Zwangsmittels erst dann zulässig, wenn die vorausgegangene Androhung des Zwangsmittels erfolglos geblieben ist. So liegt der Fall hier, da – wie sich den vorstehenden Ausführungen entnehmen lässt – der Kläger bereits am 24. April 2019 gegen die Grundverfügung verstoßen hat.
2.3.2 Die Gebührenerhebung in Ziffer 2 des Bescheids vom 29. April 2019 ist nicht zu beanstanden.
Diesbezüglich wurden in der erneuten Zwangsgeldandrohung ebenfalls widersprüchliche Angaben gemacht, weshalb auslegungsbedürftig ist (§§ 133,157 BGB), ob die Beklagte die Gebühren aufgrund der Aufgabenerfüllung im eigenen oder übertragenen Wirkungskreis erhob. Wie sich aus Art. 1 Abs. 1 Satz 1 KG ergibt, erheben die Behörden des Staates Kosten nach den Vorschriften des Kostengesetzes. Gemeinden nehmen diejenigen Aufgaben im staatlichen Auftrag war, die dem übertragenen Wirkungskreis zuzuordnen sind (Art. 8 Abs. 1 GO). Die Kostenerhebung für Amtshandlungen, die dem Bereich des eigenen Wirkungskreises zuzuordnen sind, erfolgt gemäß Art. 20 KG. Einerseits wird in der Begründung auf Art. 20 KG abgestellt, der die Kostenerhebung für Amtshandlungen im eigenen Wirkungskreis vorsieht, und auf das kommunale Kostenverzeichnis Bezug genommen (KommKVz, vgl. Anlage 2 zur Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums des Innern vom 20. Januar 1999, Az. I B 3-1052-4 (AllMBl. S. 135)). Andererseits wird für die Gebührenhöhe die Tarif-Nr. 2.II.1/2 herangezogen, die im staatlichen (vgl. Anlage zum KVz), aber nicht im kommunalen Kostenverzeichnis enthalten ist. Unter Heranziehung der obigen Ausführungen zur Auslegung des Bescheids vom 29. April 2019 geht die Kammer vorliegend ebenfalls vom Tätigwerden im übertragenen Wirkungskreis aus, sodass die festgesetzten Gebühren nicht in die Kasse des Markt … fließen (Art. 20 Abs. 1 Hs. 1 KG). Richtige Rechtsgrundlage für die Gebührenerhebung ist daher Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1, 6 Abs. 1 Satz 1 KG i.V.m. Nr. 1.I.8/1 KVz. Der im Bescheid vom 15. April 2019 enthaltene Verweis auf die Erhebung von Auslagen geht hingegen fehl, da nur Gebühren festgesetzt werden.
Die Gebührenhöhe von 50 EUR begegnet keinen Bedenken.
3. Die Kostenfolge der gerichtlichen Entscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Anordnungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit erfolgen aufgrund der §§ 167 VwGO, 708 Nr. 11, 711 ZPO.


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