Verwaltungsrecht

Faktischer Vollzug, Fremdenverkehrssatzung, Genehmigung zur Begründung von Wohnungs- und Teileigentum

Aktenzeichen  M 1 SN 21.1198

Datum:
22.3.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 16383
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 80 Abs. 5
BauGB § 22
GBO § 53

 

Leitsatz

Tenor

I. Es wird festgestellt, dass die Klage vom 16. Oktober 2019 gegen den Bescheid vom 19. September 2019 aufschiebende Wirkung hat. Im Übrigen wird der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 7.500,- EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller wendet sich gegen den faktischen Vollzug der Erteilung einer Genehmigung zur Begründung von Wohnungs- oder Teileigentum.
Die Beigeladene beantragte am 29. April 2019 die Genehmigung zur Errichtung eines Doppelhauses mit jeweils drei Wohneinheiten auf dem Grundstück FlNr. 1567/3 Gemarkung … Der Antrag wurde unter dem 13. Juni 2019 dahingehend abgeändert, dass nunmehr zwei Wohnungen je Doppelhaushälfte vorgesehen wurden. Unter dem 9. Mai 2019 beantragte die Beigeladene ferner die Erteilung einer Genehmigung nach § 22 Abs. 5 BauGB für die Begründung von Wohnungs- oder Teileigentum.
Das Grundstück liegt im Geltungsbereich der Satzung über die Sicherung der Zweckbestimmung für den Fremdenverkehr vom 15. November 1994. Nach § 2 Nr. 1 der Satzung unterliegen im Geltungsbereich der Satzung die Begründung oder Teilung von Wohnungs- oder Teileigentum dem Genehmigungsvorbehalt nach § 22 BauGB.
Mit Schreiben vom 17. Mai 2019 teilte der Antragsteller mit, dass die Zustimmung zur Genehmigung nicht erteilt werde, da dem Bauantrag zur Errichtung von zwei Doppelhaushälften in der Sitzung des Gemeinderates vom 14. Mai 2019 das Einvernehmen nach § 36 BauGB verweigert wurde. Der Beschluss wurde in der Sitzung des Marktgemeinderates vom 30. Juli 2019 nochmals bestätigt.
Mit Bescheid vom 19. September 2019 genehmigte das Landratsamt die Begründung von Wohnungseigentum oder Teileigentum auf dem Grundstück FlNr. 1567/3 Gem. … nach § 22 Abs. 4 ff. BauGB i.V.m. § 2 Nr. 1 der Satzung des Marktes Grassau über die Sicherung der Zweckbestimmung für den Fremdenverkehr (Ziffer 1). Das fehlende gemeindliche Einvernehmen wurde ersetzt (Ziffer 2).
Am 16. Oktober 2019 erhob der Antragsteller Klage (M 1 K 19.5216) und beantragte, den Bescheid vom 13. September 2019 aufzuheben.
Zur Begründung wurde unter anderem vorgetragen, durch die Ersetzung des gemeindlichen Einvernehmens sei der Antragsteller in seinen Rechten aus § 22 Abs. 5 Satz 1 BauGB, Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG, Art. 11 Abs. 2 Satz 2 BV verletzt. Die Verweigerung des gemeindlichen Einvernehmens sei rechtmäßig gewesen. Die klägerische Marktgemeinde werde durch den Fremdenverkehr überwiegend geprägt. Der Antragsteller sei seit 1968 als Luftkurort eingestuft und betreibe den Tourismus aktiv. Aufgrund dessen sei er Mitglied in vier Marketinggesellschaften. Der Kläger habe ferner ein ganzjähriges Veranstaltungsprogramm aufgelegt und organisiere ein tägliches Sportprogramm und Gästeführungen. Im Jahr 2018 hätten bei 44.753 Gästen insgesamt 174.928 Übernachtungen auf dem Gemeindegebiet verzeichnet werden können. Es werde ein Zuwachs der Übernachtungszahlen seit 2012 um 30% und der Gäste um 52% verzeichnet. Im Ort stünden 1435 Gästebetten zur Verfügung, die sich mit ca. 180 Behebungsbetrieben auf alle Ortsteile des Antragstellers verteilen würden. Bereits bei Satzungserlass habe der Antragsteller eine breite flächendeckende Streuung an Gästezimmern aufgewiesen. Auch die Anerkennung als Luftkurort habe schon zum Zeitpunkt des Satzungserlasses vorgelegen. Durch die Begründung von neuem Wohnungseigentum werde die Zweckbestimmung des Gebiets für den Fremdenverkehr beeinträchtigt, § 22 Abs. 4 Satz 1 BauGB. Eine Beeinträchtigung sei in der Regel dann anzunehmen, wenn in den Gebieten für den Fremdenverkehr eine eigentumsrechtlich selbstständig nutzbare Wohnung entstehe, weil nach der Vermutung des Gesetzgebers in diesen Fällen die so entstandene Wohneinheit als Nebenwohnung genutzt werde. Es entstünden sogenannte „Rollladensiedlungen“.
Am 19. November 2019 fand die Eintragung der Teilung nach § 8 WEG statt.
Mit Schriftsatz vom 4. März 2021 hat der Antragsteller in diesem Verfahren beim Bayerischen Verwaltungsgericht München einen Antrag im einstweiligen Rechtsschutz gestellt und beantragt zuletzt,
1. Es wird festgestellt, dass die Klage des Antragstellers vom 16.10.2019 vor dem Bayerischen Verwaltungsgericht München mit dem Aktenzeichen M 1 K 19.5216 gegen den Bescheid des Landratsamtes Traunstein an die … B. GmbH vom 13.09.2019 aufschiebende Wirkung seit Rechtshängigkeit hat.
2. Bis zur rechtskräftigen Entscheidung wird es dem Freistaat Bayern untersagt, die Auflassung des Miteigentumsanteils lfd. Nr. 1, Bestandsverzeichnis zum Grundbuch von Grassau, Blatt 5369, an S. J. R., geboren am 08.10.1951, ins Grundbuch einzutragen.
3. Bis zur rechtskräftigen Entscheidung wird es dem Freistaat Bayern untersagt, die Auflassung des Miteigentumsanteils lfd. Nr. 1, Bestandsverzeichnis zum Grundbuch von Grassau, Blatt 5370, an Dr. M. C., geb O., geboren am 14.03.1972 und Professor Dr. W. H. C., geboren am 15.03.1972, ins Grundbuch einzutragen.
4. Der Freistaat Bayern wird verpflichtet, bis zur rechtskräftigen Entscheidung einen Amtswiderspruch gegen die Richtigkeit folgender Grundbuchposition einzutragen: Grundbuch von Grassau, Blatt 5369, Bestandsverzeichnis, lfd. Nr. 1.
5. Der Freistaat Bayern wird verpflichtet, bis zur rechtskräftigen Entscheidung einen Amtswiderspruch gegen die Richtigkeit folgender Grundbuchposition einzutragen: Grundbuch von Grassau, Blatt 5370, Bestandsverzeichnis, lfd. Nr. 1.
Begründet wird dies im Wesentlichen damit, dass ungeachtet der am 16. Oktober 2019 erhobenen Klage das mit dem Vollzug des Kaufvertrages beauftragte Notariat den Genehmigungsbescheid dem Grundbuchamt vorgelegt habe. Daraufhin habe das Grundbuchamt am 19. November 2019 die Teilung nach § 8 Abs. 1 WEG vollzogen und die Wohnungs- und Teileigentumsgrundbücher für die Wohnungen Nr. 1 und Nr. 2 angelegt. Am 19. November 2019 sei für die Wohnung Nr. 2 eine Auflassungsvormerkung zugunsten von Dr. M. C. und Professor Dr. W. H. C. ins Grundbuch eingetragen worden. Am 31. Januar 2020 sei für die Wohnung Nr. 1 eine Auflassungsvormerkung zugunsten des Drittkäufers, S. J. R., ins Grundbuch eingetragen worden. Dies habe der Antragsteller erst mit E-Mail des Landratsamtes vom 1. Februar 2021 erfahren. Der Antrag sei zulässig und begründet. Beim Antrag zu 1) sei § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO analog einschlägig, da sich die Feststellung gegen den faktischen Vollzug eines nicht sofort vollziehbaren Verwaltungsaktes richte. Bei den Anträgen zu 2 bis 5 sei § 80 Abs. 5 Satz 3 VwGO analog einschlägig, wonach im Falle faktischen Vollzuges Maßnahmen zur Beseitigung bereits eingetretener Verzugsfolgen sowie das Unterbleiben weiterer Vollzugsmaßnahmen begehrt werden können. Das Recht des Antragstellers auf Einhaltung des Suspensiveffektes aus § 80 Abs. 1 Satz 1 VwGO werde durch den faktischen Vollzug verletzt. Durch die Schaffung von vollendeten Tatsachen werde das kommunale Selbstverwaltungsrecht verletzt. Ein Rechtsschutzbedürfnis liege vor. Der Antragsteller könne den Rechtsweg der freiwilligen Gerichtsbarkeit nicht beschreiten, da er beim Grundbuchamt lediglich die Eintragung eines Widerspruchs von Amts wegen anregen könne. Der Antrag sei begründet. Voraussetzung hierfür sei lediglich, dass eine Behörde einen nicht vollziehbaren Verwaltungsakt unter Missachtung des Suspensiveffektes vollziehe. Zudem werde nur geprüft, ob der Rechtsbehelf offensichtlich unzulässig ist. Die Drittanfechtungsklage gegen die Genehmigung nach § 22 Abs. 5 Satz 1 BauGB habe aufschiebende Wirkung. § 212a Abs. 1 BauGB finde keine Anwendung, da es sich bei der streitgegenständlichen Bescheidung nicht um eine bauaufsichtliche Zulassung handele. Ein weiterer Vollzug durch Eintragung der Auflassungen hinsichtlich beider Wohnungen stehe unmittelbar bevor. Das Grundbuchamt habe die vom Antragsteller beantragte Eintragung eines Widerspruchs mit Beschluss vom 18. Februar 2021 abgelehnt. § 22 Abs. 6 BauGB gebe dem Antragsteller keine gerichtliche Rechtsschutzmöglichkeit, sodass dieser nur die Möglichkeit habe, über § 80 Abs. 5 Satz 3 VwGO analog zu verhindern, dass das Wohnungseigentum gutgläubig erworben werde.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Es werde nicht für zielführend erachtet, wenn der Antragsteller nach mehr als einjähriger Verzögerung nach Eintragung der Auflassungsvormerkungen die Eintragung eines Widerspruchs begehrt. Die Vormerkung schütze üblicherweise vor Verfügungen im Grundbuch, die nach ihrer Eintragung erfolgen, selbst wenn es sich um einen Widerspruch handle. Ausgenommen sei hiervon lediglich der Amtswiderspruch nach § 53 GBO. Ausgehend von der Überlegung, dass auch im Falle eines Amtswiderspruchs die Gutglaubenswirkung nicht mehr durchbrochen werden könne, wäre sogar Erledigung des Rechtsstreits eingetreten, weil der Antragsteller durch sein Anfechtungsbegehren seine Rechtsstellung nicht mehr verbessern könne. Aufgrund dessen würde das Landratsamt auch kein Ersuchen an das Grundbuchamt nach § 22 Abs. 6 Satz 2 Hs. 1 BauGB richten. Soweit der Antragsteller darauf abziele, im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes vor dem Verwaltungsgericht unmittelbar auf etwaige Grundbucheintragungen einzuwirken, verkenne er, dass hierfür der Verwaltungsrechtsweg nicht eröffnet sei.
Die Beigeladene beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Bezüglich des Antrags zu 1) fehle es bereits an einem Feststellungsinteresse, da keine der beteiligten Parteien bestreite, dass die Klage aufschiebende Wirkung habe. Hinsichtlich der Anträge zu 2) bis 5) fehle es dem Antragsteller am Rechtsschutzbedürfnis sowie der Antragsbefugnis. Im Verhältnis zwischen Antragsteller und Antragsgegner käme nur ein Widerspruch nach § 22 Abs. 6 Satz 2 BauGB in Betracht. Dessen Voraussetzungen lägen jedoch nicht vor. Die Vorschrift diene nicht dem Schutz der gemeindlichen Planungshoheit, sondern der Sicherung der Genehmigungspflicht. Der Antragsteller werde nicht in seinen Rechten verletzt, da das Grundbuchblatt auch nach Abschluss des Hauptsacheverfahrens vom Grundbuchamt von Amts wegen berichtigt werden könne. Sondereigentum sei bereits gebildet und die Auflassung verändere diesen Zustand nicht. Eine Änderung des Sondereigentums in einen bloßen Miteigentumsanteil könne auch nach Abschluss des Hauptsacheverfahrens erfolgen. Ferner liege die Entscheidung im Ermessen der Bauaufsichtsbehörde. Die Voraussetzungen des § 22 Abs. 6 BauGB lägen aber nicht vor, da das Grundbuchamt die Eintragung aufgrund der Genehmigung vorgenommen habe. Dieses sei hierbei an den Bescheid des Landratsamtes gebunden. § 22 Abs. 6 Satz 1 BauGB verlange nicht, dass dem Grundbuchamt die Unanfechtbarkeit nachgewiesen werde. Eine Ermessenreduzierung auf Null liege ferner nicht vor, da die Möglichkeit zur Eintragung eines Widerspruches nur den Sicherungsbelangen der Genehmigungspflicht diene. Da das Hauptsacheverfahren noch nicht abgeschlossen sei, sei derzeit unklar, ob das Grundbuchamt mit der Anlegung des Grundbuchblattes im Ergebnis richtig oder unrichtig liege. Sollte sich nach Abschluss des Hauptsacheverfahrens herausstellen, dass es inhaltlich falsch sei, sei das Grundbuch von Amts wegen zu berichtigen. Bei der Berichtigung des Grundbuchs sei zwischen dem Eigentum als solches und der Art des Eigentums zu unterscheiden. Vorliegend würde sich nur die Art des Eigentums ändern, nämlich ein fehlerhaft zugunsten der Beigeladenen eingetragenes Sondereigentum zu einer Eintragung als Eigentümerin von Miteigentum.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der vorgelegten Behördenakte sowie der Gerichtsakten in diesem Verfahren sowie im Verfahren M 1 K 19.5216 verwiesen.
II.
Der Antrag hat nur teilweise Erfolg. Der Antrag zu 1) ist zulässig und begründet, die Anträge zu 2) – 5) sind zwar zulässig, jedoch unbegründet.
1. Der Antrag zu 1) auf Feststellung, dass die Klage des Antragstellers aufschiebende Wirkung hat, hat Erfolg.
a. Der Antrag ist zulässig.
Insbesondere ist er in entsprechender Anwendung des § 80a Abs. 3 Satz 2 i.V.m. § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO statthaft. Wird ein belastender Verwaltungsakt unter Missachtung der aufschiebenden Wirkung eines dagegen eingelegten Rechtsbehelfs vollzogen (so genannte faktische Vollziehung), ist auf Antrag des Betroffenen in entsprechender Anwendung der §§ 80a Abs. 3 Satz 2, 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO festzustellen, dass der Rechtsbehelf aufschiebende Wirkung hat (vgl. BayVGH, B.v. 13.10.2010 – 14 CS 10.2198 – juris Rn. 18; OVG Münster, B.v. 29.5.2008 – 10 B 616/08 – NVwZ-RR 2008, 757; Schoch in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand: Juli 2020, § 80 Rn. 352 ff.).
Ein solcher Fall ist gegeben. Es liegt mit der Genehmigung vom 19. September 2019 ein für den Antragsteller belastendender Verwaltungsakt mit Doppelwirkung vor, der aufgrund der Klage vom 16. Oktober 2019 der aufschiebenden Wirkung nach § 80 Abs. 1 VwGO unterliegt.
Nach § 80 Abs. 1 VwGO hat die Anfechtungsklage aufschiebende Wirkung, wenn nicht einer der Fälle des § 80 Abs. 2 VwGO vorliegt. Das gilt nach § 80 Abs. 1 Satz 2 VwGO auch bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung. Mangels Anordnung der sofortigen Vollziehung (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO) entfiele die aufschiebende Wirkung hier nur, wenn dies durch ein Bundes- oder Landesgesetz vorgeschrieben wäre (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO). Das ist aber nicht der Fall.
Nach § 212a Abs. 1 BauGB hat die Anfechtungsklage eines Dritten gegen die „bauaufsichtliche Zulassung eines Vorhabens” keine aufschiebende Wirkung. 212a Abs. 1 BauGB gilt für Vorhaben im Sinne von § 29 Abs. 1 BauGB, also solche Vorhaben, welche die Errichtung, Änderung oder Nutzungsänderung von baulichen Anlagen zum Gegenstand haben (vgl. hierzu ausführlich Kalb/Külpmann in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, 140. EL Okt. 2020, § 212a BauGB, Rn. 22 ff.). Die Genehmigung nach § 22 BauGB zur Begründung von Wohnung- oder Teileigentum wird von dieser Regelung nicht erfasst. Es handelt sich nicht um ein Vorhaben i.S.d. § 29 Abs. 1 BauGB, sondern um die Erteilung zur Genehmigung von Sondereigentum. § 212a BauGB findet daher keine Anwendung, so dass die aufschiebende Wirkung nicht entfallen ist.
Der Verwaltungsakt wurde mit der Teilung nach § 8 WEG und der Eintragung im Grundbuch am 19. November 2020 bereits vollzogen. Die Vollziehung des Verwaltungsaktes i.S.v. § 80 Abs. 1 VwGO bedeutet jegliches Gebrauchmachen von dem Verwaltungsakt, jegliche Verwirklichung seines materiellen Regelungsgehalts, gleichgültig, ob diese Verwirklichung durch die erlassende oder eine andere Behörde erfolgt, ob sie freiwillig oder zwangsweise geschieht, es einer behördlichen Ausführungsmaßnahme bedarf oder die Rechtswirkung durch den Verwaltungsakt selbst eintritt. Die aufschiebende Wirkung untersagt jedermann, aus dem angefochtenen Verwaltungsakt unmittelbare oder mittelbare, tatsächliche oder rechtliche Folgerungen gleich welcher Art zu ziehen (vgl. VGH BW, B.v. 22.2.2010 – 10 S 2702/09 -NVwZ-RR 2010, 463).
Es kann auch nicht angenommen werden, dass die Anfechtungsklage des Antragstellers gegen die Genehmigung vom 13. September 2019 offensichtlich unzulässig ist mit der Konsequenz, dass dieser keine aufschiebende Wirkung zukommt (hierzu BVerwG, U.v. 30.10.1992 – 7 C 24/92 – NJW 1993, 1610). Die Klage ist statthaft und wurde fristgerecht eingelegt. Auch kann eine Rechtsverletzung des Antragstellers in seiner Planungshoheit nach Art. 28 Abs. 2 GG nicht von vorneherein ausgeschlossen werden.
Der Antrag ist auch nicht wegen fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig. Das allgemeine Rechtsschutzinteresse fehlt nur dann, wenn der Antrag für den Betroffenen offensichtlich keinerlei rechtliche oder tatsächliche Vorteile bringen kann. Die Nutzlosigkeit muss dabei eindeutig sein; im Zweifel ist das Rechtsschutzinteresse zu bejahen (vgl. BVerwG, U.v. 11.12.2008 – 3 C 26/07 – NJW 2009, 1689; VGH BW, B.v. 22.2.2010 – 10 S 2702/09 – NVwZ-RR 2010, 463). Es bedarf hierfür kein Bestreiten der aufschiebenden Wirkung der Klage durch die Beteiligten, es genügt vielmehr das Vorliegen des faktischen Vollzugs.
b. Der Antrag ist auch in der Sache begründet.
Dies folgt bereits aus dem Umstand, dass die Anfechtungsklage des Antragstellers gegen die Genehmigung vom 13. September 2019 aufschiebende Wirkung entfaltet (vgl. hierzu Ziffer 1.a.). Im Verfahren auf Feststellung der aufschiebenden Wirkung eines Rechtsbehelfs findet eine Abwägung des Vollzugsinteresses der Beigeladenen und des individuellen Aussetzungsinteresses des Antragstellers nicht statt (vgl. VG Neustadt a.d. W.straße, B.v. 22.8.2017 – 5 L 764/17 – BeckRS 2017, 125629).
2. Die Anträge zu 2) und 3) sind zulässig, aber unbegründet.
a. Die Anträge sind statthaft.
Für die Konstellation des faktischen Vollzugs eines Verwaltungsakts mit Drittwirkung durch den begünstigten Adressaten des Verwaltungsakts, der die aufschiebende Wirkung des Rechtsbehelfs des Dritten missachtet, ergibt sich die entsprechende Rechtsgrundlage für die beantragte Vollzugsfolgenbeseitigung nicht aus § 80 Abs. 5 Satz 3 VwGO, sondern direkt aus § 80a VwGO. Nach § 80 a Abs. 3 Satz 1 VwGO kann das Gericht auf Antrag Maßnahmen nach § 80 a Abs. 1 und 2 VwGO ändern oder aufheben oder solche Maßnahmen treffen. § 80 Abs. 5 bis 8 VwGO gilt entsprechend. Gemäß § 80 a Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 VwGO kann daher das Gericht in den Fällen, in denen ein Dritter einen Rechtsbehelf gegen den an einen anderen gerichteten, diesen begünstigenden Verwaltungsakt einlegt, unter anderem einstweilige Maßnahmen zur Sicherung der Rechte des Dritten treffen. Damit verbunden ist die Befugnis des Gerichts, gleichsam parallel zu den aus der entsprechenden Anwendung des § 80 Abs. 5 Satz 1 und 3 VwGO folgenden Rechtsschutzmöglichkeiten auch bei faktischer Vollziehung eines Verwaltungsakts mit Drittwirkung die aufschiebende Wirkung des von dem Dritten erhobenen Widerspruchs festzustellen und Maßnahmen zu treffen, die auf die Beseitigung bereits eingetretener Vollzugsfolgen bzw. das Unterbleiben weiteren Vollzugs abzielen (vgl. VGH Kassel, B.v. 3.12.2002 – 8 TG 2177/02 – NVwZ-RR 2003, 345; VG Augsburg, B.v. 25.8.2005 – Au 5 S 05.709 – BeckRS 2005, 37464).
Auch die erforderliche Antragsbefugnis i.S.d. § 42 Abs. 2 VwGO analog, liegt vor, da nicht ausgeschlossen ist, dass der Antragsteller einen Anspruch auf Vollzugsfolgenbeseitigung besitzt.
b. Der Antrag ist jedoch unbegründet, da dem Antragsteller nach materiellem Recht kein Vollzugsfolgenbeseitigungsanspruch zusteht. Der Antragsteller kann nicht beanspruchen, dem Freistaat Bayern die Eintragung der Auflassungen in das Grundbuch zu untersagen.
Die materielle Grundlage für einen solchen Anspruch bildet der allgemeine Folgenbeseitigungsanspruch (vgl. BayVGH, B.v. 15.11.2018 – 21 CE 18.854 – juris Rn. 55; B.v. 30.7.2018 – 10 CE 18.769, 10 CS 18.773 – juris Rn. 15).
Zwar liegen die Voraussetzungen eines Vollzugsfolgenbeseitigungsanspruchs vor, da trotz Vorliegens der aufschiebenden Wirkung der Bescheid vom 13. September 2019 vollzogen wurde.
Rechtsfolge ist jedoch die Herstellung des status quo ante. § 80a Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 80a Abs. 1 Nr. 2 VwGO umfasst alle gerichtlichen Anordnungen, die zur Sicherung eines wirksamen Hauptsacherechtsschutzes und im Interesse der tatsächlichen Durchsetzung der aufschiebenden Wirkung auf die Rückgängigmachung und Beseitigung von Folgen der Verwirklichung des Verwaltungsakts zielen (Schoch in Schoch/Schneider, VwGO, Stand: Juli 2020, VwGO § 80 Rn. 344).
Die Untersagung der Eintragung der Auflassung stellt jedoch keine unmittelbare Folge des angefochtenen Verwaltungsaktes dar. Die Vollziehung des Verwaltungsaktes lag in der durchgeführten Eintragung der Begründung von Sondereigentum in das Grundbuch. Die Eintragung der Auflassung durch das Grundbuchamt, die der Antragsteller befürchtet, erfolgt jedoch nicht infolge der Genehmigung, sondern infolge eines notariell beurkundeten Kaufvertrages, der dem Grundbuchamt vorgelegt wird. Ein Vollzugsfolgenbeseitigungsanspruch ist auf die Beseitigung der unmittelbaren Folgen beschränkt. Die Auflassung selbst stellt nicht mehr den Vollzug des Bescheides dar. Bei der Untersagung der Eintragung der Auflassung würde es sich somit nicht um eine Vollzugsfolgenbeseitigung handeln, so dass ein dahingehender Anspruch abzulehnen ist.
3. Die Anträge zu 4) und 5) auf Verpflichtung des Freistaats Bayerns zur Eintragung eines Amtswiderspruchs sind zwar zulässig, aber ebenfalls unbegründet.
a. Die Anträge sind statthaft. Insoweit wird auf die Ausführungen unter Ziffer 2.a. verwiesen.
b. Die Anträge sind jedoch unbegründet.
Es gibt keinen Anspruch darauf, die Eintragung eines Amtswiderspruchs zu verlangen.
Gem. § 22 Abs. 6 Satz 2 BauGB kann die Baugenehmigungsbehörde, falls der Genehmigungsbescheid dem Grundbuchamt nicht vorgelegt wurde und dennoch eine Eintragung in das Grundbuch vorgenommen wurde, um die Eintragung eines Widerspruchs ersuchen. Der Antrag steht im Ermessen der Bauaufsichtsbehörde. Nach dem Wortlaut der Regelung erfordert diese nicht, dass das Grundbuchamt prüft, ob die Genehmigung bestandskräftig ist. Es genügt, wenn dieser der Genehmigungsbescheid vorgelegt wird. Im Antragsverfahren der §§ 13 ff. GBO besteht die Besonderheit, dass das Grundbuchamt keine eigenen Ermittlungen anstellen darf, sondern die Eintragung auf der Grundlage des ihm von den Beteiligten dargebrachten Sachverhalts vornehmen muss. War dieser unrichtig oder unvollständig und hat das Grundbuchamt hierauf das Gesetz richtig angewandt, so kommt die Eintragung eines Amtswiderspruchs nicht in Betracht (OLG Nürnberg, B.v. 15.3.2012 – 15 W 300/12 – NJOZ 2013, 490). Das ist nur dann anders, wenn der fehlerhafte Sachverhalt dem Grundbuchamt im Eintragungszeitpunkt bekannt oder bei gehöriger Prüfung – also im Falle fahrlässiger Unkenntnis – erkennbar gewesen wäre (Holzer in BeckOK GBO, 41. Ed. 1.2.2021, GBO § 53 Rn. 23). Die Genehmigung wurde dem Grundbuchamt vorgelegt. Auch ist nichts dafür ersichtlich, dass dem Grundbuchamt bekannt war, dass der Bescheid vom 13. September 2019 nicht bestandskräftig war, so dass die Voraussetzungen des § 22 Abs. 6 Satz 2 BauGB nicht vorliegen.
Gem. § 53 Abs. 1 Satz 1 GBO besteht ferner die Möglichkeit der Eintragung eines Widerspruchs von Amts wegen, wenn das Grundbuchamt unter Verletzung gesetzlicher Vorschriften eine Eintragung vorgenommen hat, durch die das Grundbuch unrichtig geworden ist. Die Eintragung eines Amtswiderspruchs gem. § 53 Abs. 1 GBO steht im Ermessen des Grundbuchamts und kann von Dritten angeregt werden. Gegen eine Ablehnung kann mit der Beschwerde nach § 71 GBO vor den Zivilgerichten vorgegangen werden. Die Eintragung eines Amtswiderspruchs kommt jedoch nur in Betracht, wenn sich die Prüfpflicht auf die verletzte Vorschrift erstreckt hat (vgl. Holzer in BeckO GBO, Stand: 1.2.2021, § 53 Rn. 19). Wie bereits dargelegt, erstreckte sich die Prüfpflicht des Grundbuchamts jedoch nicht auf die Bestandskraft der Genehmigung vom 13. September 2019. Ist ein Verschulden des Grundbuchamts ausgeschlossen und ergibt sich erst aus nachträglich zu den Akten gereichten Urkunden oder bekannt gewordenen Umständen, dass die der Eintragung zugrunde liegenden Unterlagen fehlerhaft waren, kann ein Amtswiderspruch mithin nicht eingetragen werden (Holzer in BeckOK GBO, Stand: 1.2.2021, § 53). Eine Verletzung gesetzlicher Vorschriften liegt deshalb nicht vor, wenn das Grundbuchamt auf den ihm unterbreiteten Sachverhalt das Gesetz zutreffend angewendet hat, dieser aber unrichtig gewesen ist, ohne dass dies dem zuständigen Rechtspfleger bekannt gewesen ist oder bei gehöriger Prüfung hätte erkannt werden müssen (OLG Schleswig, B.v. 18.1.2007 – 2 W 249/05 – NJOZ 2008, 148). Eine Verpflichtung gegenüber dem Grundbuchamt, dass dieses einen Amtswiderspruch einzutragen hat, kann daher nicht ausgesprochen werden.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 und Satz 3 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 52 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG i.V.m. Nrn. 1.5 und 9.10 des Streitwertkatalogs der Verwaltungsgerichtsbarkeit. Der Streitwert bei Ersetzung des gemeindlichen Einvernehmens beträgt in Hauptsacheverfahren 15.000,- Euro, in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes die Hälfte, 7.500,- Euro. Das Gericht geht daher davon aus, dass der erfolgreiche Feststellungsantrag kein eigenes Gewicht hat, das eine Kostenquotelung rechtfertigen würde. Die aufschiebende Wirkung der Klage war hier von allen Beteiligten unbestritten. Gemäß § 162 Abs. 3 VwGO waren auch die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen für erstattungsfähig zu erklären, da diese einen Antrag gestellt und sich damit einem Kostenrisiko ausgesetzt hat, § 154 Abs. 3 VwGO.


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