Verwaltungsrecht

Fehlende Glaubwürdigkeit bei der Darstellung eines Verfolgungsschicksals

Aktenzeichen  M 17 S 17.40627

Datum:
8.6.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO VwGO § 80 Abs. 5, § 166
GG GG Art. 16a
AsylG AsylG § 3, § 36 Abs. 4
ZPO ZPO § 114

 

Leitsatz

Tenor

I.
Die Anträge auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage sowie auf Gewährung von Prozesskostenhilfe werden abgelehnt.
II.
Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Gründe

I.
Der Antragsteller ist Staatsangehöriger von … und sunnitischen Glaubens. Er reiste nach eigenen Angaben am … Januar 2014 mit einem Visum in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte am 19. Februar 2014 Asylantrag.
Bei der Anhörung beim Bundesamt für … (Bundesamt) am … Oktober 2016 gab der Antragsteller im Wesentlichen an, dass er seine Wunschuniversität nicht bekommen habe, weil er Muslim sei. Aus diesem Grund sei er 1999 nach Australien zum Studieren gegangen. Als er 2005 zurückgekehrt sei, seien seine australischen Abschlüsse nicht anerkannt worden. Daher habe er ein Fernstudium absolviert und anschließend ein kleines Internetcafé eröffnet. Der militärische Geheimdienst habe ständig Fragen gestellt, ihn schikaniert und seine Webseite zensieren wollen. Er habe sich daher entschlossen, 2009 das Internetcafé zu schließen und eine Arbeit in einem Hotel erhalten. In seiner Freizeit habe er Jugendlichen Englischsowie Computer- und Internetgrundkenntnisse beigebracht. Die Bezirksverwaltung aus der Militärregierung sei dagegen gewesen und zusätzlich sei ihm vorgeworfen worden, muslimische Propaganda zu verbreiten, Buddhisten zu missionieren und buddhistische Frauen mit muslimischen Männern zu verkuppeln. 2013 habe es Zusammenstöße zwischen Buddhisten und Muslimen gegeben. Es habe Unruhen in … gegeben und er sei nachts mit weiteren Jugendlichen, auch buddhistischen Mönchen, dort hingegangen, um zu helfen. Er habe organisiert, dass betroffene Muslime versteckt würden, sowie einen Informationsaustausch und Hilfeaufrufe über das Internet gestartet. Aus diesem Grund sei er zur Stadtverwaltung vorgeladen worden. Er sei beschimpft worden und man habe gefordert, dass er seine Schule sofort schließen solle, weil er unautorisierten muslimischen Unterricht gebe. Ansonsten würden die Behörden diese zwangsweise schließen. Er habe trotzdem weiter gemacht und später erfahren, dass seine Schüler und die …-Helfer verhaftet worden seien. Am 11. November 2013 seien zwei Militärwagen zu seiner Haustür gekommen, um seine Schule zu schließen. Es sei zu Unruhen gekommen, da Schüler und Eltern gegen die Schließung protestiert hätten. Der Kläger habe das Haus durch die Hintertür verlassen und sich fast zwei Monate versteckt. Anschließend sei er ins Ausland gegangen.
Mit Bescheid vom 16. Mai 2017, per Einschreiben am 17. Mai 2017 zur Post gegeben, lehnte das Bundesamt die Anträge auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (Nr. 1), auf Asylanerkennung (Nr. 2) und auf subsidiären Schutz (Nr. 3) als offensichtlich unbegründet ab und stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) nicht vorliegen (Nr. 4). Der Antragsteller wurde aufgefordert, innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe dieser Entscheidung die Bundesrepublik Deutschland zu verlassen, anderenfalls wurde ihm die Abschiebung nach … bzw. in einen anderen Staat, in den er einreisen darf oder der zu seiner Rückübernahme verpflichtet ist, angedroht (Nr. 5). Zudem wurde das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Nr. 6).
Zur Begründung führte das Bundesamt insbesondere aus, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung des internationalen Schutzes und die Anerkennung als Asylberechtigter offensichtlich nicht vorlägen. Der Sachvortrag des Antragstellers genüge nicht den Kriterien einer glaubhaften Darstellung eines Verfolgungsschicksals. Seine Angaben widersprächen zum Teil jeglicher Lebenserfahrung, sie seien in sich widersprüchlich und nach Erkenntnissen des Bundesamts offensichtlich nicht die individuelle Geschichte des Antragstellers. Es sei lebensfremd, dass ein Antragsteller, der fünf Jahre in Australien studiert und später als Englischlehrer gearbeitet habe, nicht mitbekommen haben wolle, in welcher Botschaft er seine Fingerabdrücke abgegeben habe, da die jeweiligen Botschaften mit der Nationalflagge sowie einem deutlichen Schild gekennzeichnet seien. Darüber hinaus erscheine es absolut unplausibel, dass der Antragsteller auf seinen mehrstündigen Flügen nicht mitbekommen haben wolle, wohin sein Flug gehe, obwohl das Ziel mehrfach auf Englisch durchgesagt werde und die Anzeige auf den Bildschirmen wiederholt die Flugroute zeige. Der Antragsteller habe sich auch in erhebliche Widersprüche verwickelt. So habe er zum einen angegeben, sein Bruder lebe ebenfalls in Deutschland und habe hier geheiratet. In dem Anhörungsprotokoll des Bruders stehe jedoch, dass dieser bereits 2007 in … geheiratet habe. Dieser habe zudem angegeben, katholischer Christ zu sein, während der Antragsteller angegeben habe, seine Eltern seien Muslime und hätten ihm deshalb einen Namen gegeben, mit dem er als Muslim keine Probleme bekommen würde. Auch scheine es verwunderlich, dass der Bruder bei seiner Anhörung 2009 bei der Frage, ob er noch weitere Verwandte in seinem Heimatland habe, den Antragsteller nicht erwähnt habe. Erschwerend komme hinzu, dass dem Bundesamt Erkenntnisse vorlägen, dass die gleichen Fluchtgründe, die der Antragsteller vortrage, auch von anderen Asylantragstellern vorgetragen worden seien. Das Bundesamt gehe davon aus, dass die jeweiligen Antragsteller vorab von den Schleppern genauestens instruiert worden seien oder diese sich nach Ankunft in der Gemeinschaftsunterkunft entsprechend abgesprochen hätten. Aus diesen Gründen sei auch kein subsidiärer Schutz zu gewähren. Abschiebungsverbote lägen ebenfalls nicht vor. Die derzeitigen humanitären Bedingungen in … führten nicht zu der Annahme, dass bei einer Abschiebung eine Verletzung des Art. 3 EMRK vorliege. Individuelle gefahrerhöhende Umstände habe der Antragsteller weder vorgetragen noch lägen solche nach Erkenntnissen des Bundesamts vor. Der Antragsteller habe in Australien und … Studienabschlüsse erworben, Arbeitserfahrung in der Tourismusbranche gesammelt und in Deutschland neue Sprachkenntnisse hinzugewonnen, sodass davon auszugehen sei, dass er bei einer Rückkehr nach … sich eine wirtschaftliche Existenz aufbauen könne. Darüber hinaus habe der Antragsteller zu Hause noch ein familiäres Netzwerk, das ihn bei einer Rückkehr ebenfalls unterstützen könne. Dem Antragsteller drohe auch keine individuelle Gefahr für Leib oder Leben Hiergegen erhob der damalige Prozessbevollmächtigte des Klägers mit Schriftsatz vom 18. Mai 2017, beim Bayerischen Verwaltungsgericht München eingegangen am selben Tag, Klage (M 17 K 17.40626) und beantragte gleichzeitig,
die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen.
Zur Begründung wurde auf die bisherigen Erklärungen des Klägers im vorgerichtlichen Verfahren verwiesen sowie insbesondere ausgeführt, dass in … auch nach dem Regierungswechsel eine Anpassung der Gesetze nicht erfolgt sei. Behördenwillkür sei weit verbreitet und … sei weiterhin weit von einem Rechtsstaat entfernt. Die illegale Ausreise des Klägers werde in … als Straftat gewertet, sodass im Falle einer Rückkehr eine staatliche politische Verfolgung hinreichend wahrscheinlich sei.
Die Antragsgegnerin stellte keinen Antrag.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte in diesem Verfahren und im Verfahren M 17 K 17.40626 sowie auf die vorgelegte Behördenakte Bezug genommen.
II.
Der Antrag ist zulässig, aber unbegründet.
1. Der Antragsteller möchte erreichen, dass die kraft Gesetzes (§ 75 AsylG) ausgeschlossene aufschiebende Wirkung seiner Klage gegen den Bescheid vom 16. Mai 2017 nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO i.V.m. § 36 Abs. 3 AsylG angeordnet wird.
1.1 Gemäß Art. 16a GG, § 36 Abs. 4 AsylG kann das Verwaltungsgericht auf Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO die Aussetzung der Abschiebung anordnen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen. Im Rahmen der Entscheidung über einen solchen Antrag ist im Hinblick auf den durch Art. 19 Abs. 4 GG gebotenen effektiven Rechtsschutz zu prüfen, ob das Bundesamt zu Recht davon ausgegangen ist, dass der geltend gemachte Anspruch auf Asylanerkennung bzw. auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG offensichtlich nicht besteht – wobei eine nur summarische Prüfung nicht ausreicht – und ob dieser weiterhin Bestand haben kann (BVerfG, B.v. 2.5.1984 – 2 BvR 1413/83 – BVerfGE 67, 43). Offensichtlich unbegründet ist ein Asylantrag dann, wenn die Voraussetzungen für eine Anerkennung als Asylberechtigter (Art. 16a GG) und die Voraussetzungen des § 3 AsylG offensichtlich nicht vorliegen (§ 30 Abs. 1 AsylG). Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts liegen ernstliche Zweifel i.S.v. Art. 16a Abs. 4 Satz 1 GG vor, wenn erhebliche Gründe dafür sprechen, dass die Maßnahme einer rechtlichen Prüfung wahrscheinlich nicht standhält (BVerfG, U.v. 14.5.1996 – 2 BvR 1516/93 – BVerfGE 94, 166 ff.), was nach ständiger Rechtsprechung aber nicht anzunehmen ist, wenn an der Richtigkeit der tatsächlichen Feststellungen vernünftigerweise keine Zweifel bestehen, und sich bei einem solchen Sachverhalt nach allgemein anerkannter Rechtsauffassung die Abweisung geradezu aufdrängt (vgl. BVerfG, B.v. 5.2.1993 – 2 BvR 1294/92 – Inf-AuslR 1993, 196).
1.2 An der Rechtmäßigkeit der seitens des Bundesamts getroffenen Entscheidungen bestehen hier keine derartigen ernstlichen Zweifel. Das Gericht nimmt insoweit vollumfänglich auf die Ausführungen der Antragsgegnerin im angegriffenen Bescheid Bezug (§ 77 Abs. 2 AsylG). Weder in diesem Verfahren noch im Hauptsacheverfahren wurde der streitgegenständliche Bescheid, insbesondere die darin angeführten Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Antragstellers, substantiiert infrage gestellt.
2. Nach § 166 VwGO i.V.m. § 114 ZPO erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen oder wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.
Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt, da, wie bereits dargelegt, die Erfolgsaussichten der Klage nach summarischer Prüfung als gering zu bewerten sind. Zudem hat der Antragsteller bisher keine Erklärungen zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen abgegeben. Gemäß § 36 Abs. 3 Satz 5 AsylG soll die Entscheidung über einen Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO jedoch innerhalb einer Woche ergehen.
Die (gerichtskostenfreien, § 83b AsylG) Anträge waren daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen.
Dieser Beschluss ist gemäß § 80 AsylG unanfechtbar.


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