Verwaltungsrecht

Fehlende Klagebefugnis des Nutzers eines Brunnens auf Planergänzung – Inertabfalldeponie

Aktenzeichen  M 17 K 15.3501

Datum:
7.4.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
WHG WHG § 8 Abs. 1, § 46 Abs. 1 S. 1 Nr. 1
BayVwVfG BayVwVfG Art. 75 Abs. 1a S. 2
GG GG Art. 2 Abs. 2 S. 1
VwGO VwGO § 42 Abs. 2

 

Leitsatz

Wurde dem Nutzer eines Brunnens keine wasserrechtliche Erlaubnis oder Bewilligung für die Wasserentnahme erteilt, hat dieser keine Abwehransprüche im Hinblick auf Maßnahmen, die die Menge und Güte des geschöpften Wassers beeinträchtigen können. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Die Klage wird abgewiesen.
II.
Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu tragen.
III.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der jeweilige Kostengläubiger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die Klage ist bereits unzulässig, da dem Kläger die Klagebefugnis fehlt:
1. Gemäß § 42 Abs. 2 VwGO ist eine Klage nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, in seinen Rechten verletzt zu sein. Es reicht dabei aus, dass eine Verletzung seiner Rechte möglich ist, d. h. die Darlegung des Klägers muss ergeben, dass nicht offensichtlich und eindeutig nach keiner Betrachtungsweise die vom Kläger behaupteten Rechte nicht bestehen oder ihm nicht zustehen können (Happ in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 42 Rn. 93 m. w. N.). Vorliegend begehrt der Kläger eine Ergänzung der Plangenehmigung im Wege der Verpflichtungsklage, so dass er nur klagebefugt ist, wenn er ein subjektives Recht auf diese Ergänzung haben kann (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 42 Rn. 92).
2. Ein derartiges Recht auf Planergänzung im Sinne eines Anspruchs ist vorliegend aber nach keiner denkbaren Betrachtungsweise gegeben:
Die Klägerseite machte in der mündlichen Verhandlung geltend, dass sich ein Anspruch auf Ergänzung der streitgegenständlichen Plangenehmigung aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG ergebe, wonach jeder das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit hat. Eine Beeinträchtigung des Grundwassers durch die streitgegenständliche Deponie hätte auch eine Beeinträchtigung des Brunnens zur Folge, aus dem der Kläger sein Trinkwasser bezieht, so dass seine Gesundheit beeinträchtigt werden könne.
Dem kann jedoch nicht gefolgt werden:
a) Zum einen kann aufgrund potentieller Gesundheitsgefährdungen durch den Verbrauch des Wassers aus einem Brunnen eine Rechtsbetroffenheit des Klägers nur bejaht werden, wenn diesem ein subjektives Recht im Hinblick auf Menge und Güte des Wassers seines Brunnens zusteht. Wenn dem Betreffenden keine wasserrechtliche Erlaubnis oder Bewilligung für die Wasserentnahme erteilt wurde, hat dieser daher auch keine (Abwehr-)Ansprüche im Hinblick auf Maßnahmen, die die Menge und Güte des geschöpften Wassers beeinträchtigen können (NdsOVG, B.v. 24.1.1986 – 7 OVG B 39/85 – DÖV 1986 386).
So verhält es sich aber hier:
aa) Da durch den Brunnen … – wie vom Beklagten in der mündlichen Verhandlung unbestritten ausgeführt wurde – mehrere Anwesen erschlossen werden, greift die Ausnahmeregelung des § 46 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 WHG nicht. Dieser privilegiert schon nach seinem Wortlaut nur die Einzelhaushaltung, so dass eine gemeinsame Entnahme für mehrere Haushalte nicht darunter fällt (Sieder/Zeitler/Dahme, WHG, Stand September 2015, § 46 WHG Rn. 18) und es somit bei der grundsätzlichen Erlaubnis- bzw. Bewilligungspflicht nach § 8 Abs. 1 WHG i. V. m. § 9 Abs. 1 Nr. 5 WHG bleibt.
bb) Im vorliegenden Fall liegt dem Beklagten aber nach dessen Angaben in der mündlichen Verhandlung lediglich eine Bohranzeige, nicht jedoch eine wasserrechtliche Genehmigung für die Wasserentnahme vor. Dies wurde von Klägerseite auch nicht substantiiert bestritten.
cc) Selbst wenn der Beklagte eine wasserrechtliche Erlaubnis oder Bewilligung für die Grundwasserentnahme am Brunnen … erteilt hätte, wäre diese dem Bruder des Klägers als Eigentümer des Grundstücks, auf dem sich der Brunnen befindet, erteilt worden und nicht dem Kläger selbst. Damit könnte nach der oben zitierten Rechtsprechung auch allenfalls sein Bruder und nicht er selbst Ansprüche geltend machen, so dass auch nur Ersterer klagebefugt wäre.
b) Zum anderen kann sich die Klagebefugnis bei einer Verpflichtungsklage grundsätzlich nur aus – verfassungskonform auszulegenden – drittschützenden Normen des einfachen Rechts ergeben (vgl. a. Versteyl/Mann/Schomerus, KrWG, 3. Aufl. 2012, § 36 Rn. 108). Insbesondere enthält Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG, auf den sich die Klägerseite beruft, primär ein Abwehr- bzw. Freiheitsrecht (Jarass/Pieroth, Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, 13. Aufl. 2014, Art. 2 Rn. 80). Zwar ergibt sich aus dieser Vorschrift auch eine Pflicht des Staats, die körperliche Unversehrtheit zu schützen, dieser hat bei der Erfüllung dieser Schutzpflicht aber einen erheblichen Spielraum, so dass in der Regel nicht das Ergreifen einer bestimmten Maßnahme verlangt werden kann, wie sie hier von Klägerseite begehrt wird (Jarass/Pieroth, Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, 13. Aufl. 2014, Art. 2 Rn. 91f.). Im Übrigen können Grundrechte allenfalls dann subjektive Rechte begründen, wenn es an unterverfassungsrechtlichen Vorschriften fehlt, die dem Grundrechtsträger subjektive Rechte einräumen. Dies ist hier aber nicht der Fall, da § 36 Abs. 1 Nr. 4 KrWG, wonach eine Plangenehmigung nur erteilt werden darf, wenn keine nachteiligen Wirkungen auf das Recht eines anderen zu erwarten sind, drittschützend ist (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 20. Aufl. 2014, § 42 Rn. 121 ff.). Diese Vorschrift setzt aber gerade ein – hier nicht zu bejahendes (s.o. a) – Recht des Betroffenen voraus und gewährt im Übrigen keinen Anspruch auf das Ergreifen einer bestimmten Maßnahme, wie sie der Kläger begehrt.
Bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung, die eine Partei – hier die Beigeladene – begünstigen, die andere – hier den Kläger – belasten, sind Grundrechte zudem deswegen unbehelflich, weil eine Belastung nach dem Vorbehalt des Gesetzes nur dann erfolgen kann, wenn das einfache Gesetz die Behörde dazu befugt (Happ in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 42 Rn. 92). Die vom Kläger begehrte Planergänzung wäre für die Beigeladene aber belastend. Mit der Erfüllung einer etwaigen Schutzpflicht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG verbundene Eingriffe in Rechte Dritter bedürfen aber einer gesetzlichen Grundlage und können nicht unmittelbar auf diese Schutzpflicht gestützt werden (Jarass/Pieroth, Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, 13. Aufl. 2014, Art. 2 Rn. 92).
c) Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass selbst für den Fall, dass der Kläger einen Anspruch auf Ergänzung der streitgegenständlichen Plangenehmigung hätte, Art. 75 Abs. 1a Satz 2 BayVwVfG eine derartige Ergänzung nur bei erheblichen Abwägungsmängeln vorsieht. Von derartigen Mängeln kann hier aber nach keiner Betrachtungsweise ausgegangen werden. Insbesondere waren die Befürchtungen des Klägers, die Deponie könne sich auf das Grundwasser und damit auch auf das Trinkwasser seines Brunnens nachteilig auswirken, dem Beklagten bekannt und wurden von ihm im Rahmen der Plangenehmigung gewürdigt. Nachdem das Wasserwirtschaftsamt im Vorfeld beteiligt wurde und keine Bedenken gegen die Genehmigung der Inertabfalldeponie hatte, sondern vielmehr in mehreren Stellungnahmen ausführte, dass es eine Beeinflussung der Einzelwasserversorgung für unwahrscheinlich hält, konnte der Beklagte zu Recht davon ausgehen, dass die Belange der Beigeladenen sowie das öffentliche Interesse an einer derartigen Deponie höher zu gewichten sind. Bestätigt wurde dies im Übrigen durch die Ausführungen der Vertreter des Wasserwirtschaftsamts in der mündlichen Verhandlung am 7. April 2016. Im Hinblick auf die ausführlichen Stellungnahmen des Wasserwirtschaftsamts und die in den Jahren 2012 und 2013 bereits durchgeführten Grundwassermessungen ist auch nicht erkennbar, inwieweit weitere Grundwassermessungen, wie sie von Klägerseite begehrt werden, zu besseren, geschweige denn anderen Ergebnissen führen könnten.
Bei alledem ist auch zu berücksichtigen, dass es sich bei Inertabfällen schon begrifflich um Abfälle handelt, die keinen wesentlichen physikalischen, chemischen oder biologischen Veränderungen unterliegen, sich nicht auflösen, nicht brennen und nicht in anderer Weise physikalisch oder chemisch reagieren, sich nicht biologisch abbauen und andere Materialien, mit denen sie in Kontakt kommen, nicht in einer Weise beeinträchtigen, die zu nachteiligen Auswirkungen auf Mensch und Umwelt führen könnte. Zudem müssen die gesamte Auslaugbarkeit und der Schadstoffgehalt der Abfälle sowie die Ökotoxizität des Sickerwassers unerheblich sein und dürfen insbesondere nicht die Qualität von Oberflächen- oder Grundwasser gefährden (§ 3 Abs. 6 KrWG). Hinzu kommt, dass – wie das Wasserwirtschaftsamt in der mündlichen Verhandlung bestätigte – das Grundwasser primär durch Sickerwasser tangiert wird. Dieses ist aber nicht Gegenstand der streitgegenständlichen Plangenehmigung, sondern der gesondert erteilten wasserrechtlichen Erlaubnis (vgl. Nrn. 2.3, 3 der Plangenehmigung).
Nach alledem sind keinerlei Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass der Erlass der streitgegenständlichen Plangenehmigung ohne die von Klägerseite begehrte Nebenbestimmung einen – erheblichen – Abwägungsfehler darstellen könnte.
Zudem regelt Art. 75 Abs. 1a Satz 2 BayVwVfG nur die Durchführung einer Planergänzung oder eines ergänzenden Verfahrens, durch die dann etwaige erhebliche Abwägungsmängel behoben werden. Selbst wenn man hier einen erheblichen Abwägungsmangel unterstellen würde, lägen keinerlei Anhaltspunkte dafür vor, dass eine Mängelbehebung ausschließlich durch die vom Kläger begehrte zusätzliche Nebenbestimmung möglich wäre, insoweit also eine Ermessensreduzierung auf Null vorliegt (vgl. a. Versteyl/Mann/Schomerus, KrWG, 3. Aufl. 2012, § 36 Rn. 108). Ganz im Gegenteil können Messungen, die – wie vom Kläger beantragt – vor dem Beginn der Abfalleinlagerungen erfolgen, keinen Aufschluss über Beeinträchtigungen der Trinkwasserversorgung durch eine zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht betriebene Deponie geben. Derartige Messungen dienen daher allenfalls dem Zweck einer Beweissicherung. Abgesehen davon, dass die Beigeladene in der mündlichen Verhandlung sowieso zugesichert hat, vor Beginn der Inbetriebnahme der Deponie zum Zwecke der Beweissicherung eine Nullmessung bezüglich der Beschaffenheit des Grundwassers durchzuführen, deren Ergebnis dem Wasserwirtschaftsamt mitgeteilt wird, dient eine derartige Beweissicherung nicht unmittelbar dem Schutz der Belange des Klägers, insbesondere dem Schutz vor Gesundheitsbeeinträchtigungen. Dass mit der vom Kläger begehrten Nebenbestimmung – und nur mit dieser – etwaige Mängel bei der Abwägung der entgegenstehenden Belange behoben werden könnten, erschließt sich daher nicht.
Nach alledem war die Klage mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. ZPO.
Rechtsmittelbelehrung:
Nach §§ 124, 124 a Abs. 4 VwGO können die Beteiligten die Zulassung der Berufung gegen dieses Urteil innerhalb eines Monats nach Zustellung beim Bayerischen Verwaltungsgericht München, Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München schriftlich beantragen. In dem Antrag ist das angefochtene Urteil zu bezeichnen. Dem Antrag sollen vier Abschriften beigefügt werden.
Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist bei dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof, Hausanschrift in München: Ludwigstraße 23, 80539 München, oder Postanschrift in München: Postfach 34 01 48, 80098 München Hausanschrift in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach einzureichen, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist.
Über die Zulassung der Berufung entscheidet der Bayerische Verwaltungsgerichtshof.
Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten, außer im Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Prozessbevollmächtigte zugelassen sind neben Rechtsanwälten und den in § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO genannten Rechtslehrern mit Befähigung zum Richteramt die in § 67 Abs. 4 Sätze 4 und 7 VwGO sowie in §§ 3, 5 RDGEG bezeichneten Personen und Organisationen.
Beschluss:
Der Streitwert wird auf EUR 15.000 EUR festgesetzt (§ 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz -GKG, i.V. m. Nr. 2.2.2 des Streitwertkatalogs).
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Beschluss steht den Beteiligten die Beschwerde an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zu, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes EUR 200,- übersteigt oder die Beschwerde zugelassen wurde. Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, beim Bayerischen Verwaltungsgericht München, Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.
Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde auch noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.
Der Beschwerdeschrift eines Beteiligten sollen Abschriften für die übrigen Beteiligten beigefügt werden.


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