Verwaltungsrecht

Fehlendes Rechtsschutzbedürfnis – Unbekannter Aufenthaltsort

Aktenzeichen  M 24 K 15.5799

Datum:
14.3.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO VwGO § 82 Abs. 1 S. 1

 

Leitsatz

Aus dem Untertauchen eines Klägers, dessen Klage darauf gerichtet ist, weiter im Bundesgebiet verbleiben zu dürfen, ist der Schluss zu ziehen, dass er an der Weiterverfolgung des gerichtlichen Verfahrens kein Interesse mehr hat. Somit fehlt es am erforderlichen Rechtsschutzbedürfnis (ebenso VGH München BeckRS 2014, 49132). (redaktioneller Leitsatz)
Die Vertretung durch einen Bevollmächtigten ändert am fehlenden Rechtsschutzbedürfnis bei Untertauchen nichts, da nach § 82 Abs. 1 S. 1 VwGO die Angabe einer ladungsfähigen Anschrift erforderlich ist (ebenso BVerwG NJW 1999, 989). (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Die Klage wird abgewiesen.
II.
Die Kläger haben die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Kläger dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

1. Über die Klage konnte nach vorheriger Anhörung gemäß § 84 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entschieden werden, da die Streitsache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist.
2. Das Verwaltungsgericht … ist zur Entscheidung über die Klage örtlich zuständig nach § 52 Nr. 2 Satz 3 VwGO. Es handelt sich vorliegend um eine Streitigkeit nach dem Asylgesetz, da Kern der Streitigkeit eine Vorschrift des Asylgesetzes, nämlich § 47 Abs. 1a Satz 1 AsylG, ist (BayVGH, B.v. 9.12.2005 – 21 CS 15.30249 – juris Rn. 4). Die Kläger hatten im maßgeblichen Zeitpunkt des Eintritts der Rechtshängigkeit (vgl. § 83 Satz 1 VwGO i. V. m. § 17 Abs. 1 Satz 1 des Gerichtsverfassungsgesetzes – GVG -) ihren Aufenthalt nach dem Asylgesetz im Regierungsbezirk … und damit im Gerichtsbezirk (Art. 1 Abs. 2 Nr. 1 des Gesetzes zur Ausführung der Verwaltungsgerichtsordnung – AGVwGO) zu nehmen.
Aufgrund des Übertragungsbeschlusses der Kammer vom 19. Februar 2016 ist der Einzelrichter zur Entscheidung über die Klage berufen (§ 76 Abs. 1 AsylG).
3. Die Klage hat keinen Erfolg, weil ihr zum maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt (§ 77 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 AsylG) das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis fehlt und sie damit bereits unzulässig (geworden) ist.
In Einklang mit Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz (GG) setzt jede an einen Antrag gebundene gerichtliche Entscheidung ein Rechtsschutzbedürfnis voraus. Nur derjenige, der mit dem von ihm angestrengten gerichtlichen Rechtsschutzverfahren ein rechtsschutzwürdiges Interesse verfolgt, hat einen Anspruch auf die gerichtliche Sachentscheidung. Fehlt es daran, so ist das prozessuale Begehren als unzulässig abzuweisen (BVerfG, B.v. 27.10.1998 – 2 BvR 2662/95 – juris Rn. 16 m. w. N.).
Das erforderliche Rechtsschutzinteresse kann im Laufe eines gerichtlichen Verfahrens entfallen. Vom Wegfall eines ursprünglich gegebenen Rechtsschutzbedürfnisses kann das Gericht im Einzelfall ausgehen, wenn das Verhalten eines rechtsschutzsuchenden Verfahrensbeteiligten Anlass zu der Annahme bietet, dass ihm an der Sachentscheidung des Gerichts nicht mehr gelegen ist (OVG NRW, B.v. 1.2.2002 – 21 A 1550/01.A – juris Rn. 5; BVerfG, B.v. 27.10.1998 – 2 BvR 2662/95 – juris Rn. 17; BayVGH, B.v. 20.12.1999 – 10 ZC 99.1418 – juris Rn. 3). Aus dem Untertauchen eines Klägers, dessen Klage darauf gerichtet ist, weiter im Bundesgebiet verbleiben zu dürfen, ist der Schluss zu ziehen, dass er an der Weiterverfolgung des gerichtlichen Verfahrens kein Interesse mehr hat (BayVGH, B.v. 6.3.2014 – 10 ZB 13.1862, juris Rn. 4 m. w. N.).
So verhält es sich hier. Die Kläger sind ausweislich der Mitteilung der Beklagten vom 3. März 2016 am 4. Februar 2016 freiwillig ausgereist. Ihr Aufenthaltsort ist dem Gericht nicht bekannt. Auch der Bevollmächtigte der Kläger konnte seinen Ausführungen im Schreiben vom 3. März 2016 zufolge den Kläger zu 1) nicht telefonisch erreichen und dem Gericht auch keine ladungsfähige Anschrift der Kläger bekanntgeben.
Die Kläger haben damit zu erkennen gegeben, dass sie an einer gerichtlichen Entscheidung darüber, ob sie ihren künftigen Wohnsitz in der Ankunfts- und Rückführungseinrichtung … in … zu nehmen haben, nicht (mehr) interessiert sind.
Etwas anderes gilt vorliegend auch nicht deshalb, weil die Kläger (weiterhin) von ihren Bevollmächtigten vertreten werden. Nach § 82 Abs. 1 Satz 1 VwGO muss die Klage nämlich unter anderem den Kläger bezeichnen – bei natürlichen Personen erfordert dies in der Regel die Angabe einer ladungsfähigen Wohnanschrift, also derjenigen Anschrift, unter der die Partei tatsächlich zu erreichen ist (BVerwG U.v. 13.04.1999 – 1 C 24/97 – NJW 1999, 989, juris Rn. 30 ff.). Dabei ist die Angabe einer Anschrift auch erforderlich, wenn die klagende Partei anwaltlich vertreten ist (BVerwG U.v. 13.04.1999, a. a. O., juris Rn. 39). Dasselbe gilt, wenn sich die Anschrift während des Verfahrens ändert (BVerwG U.v. 13.04.1999, a. a. O., juris Rn. 42).
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG).
5. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung ergibt sich aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 ff der Zivilprozessordnung (ZPO).


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