Aktenzeichen 3 ZB 18.897
BayVwVfG Art. 48, Art. 51
GG Art. 33 Abs. 5
BayBeamtVG Art. 26
Leitsatz
1. Der bloße Vortrag, die gewährte amtsunabhängige Mindestversorgung nach Art. 26 Abs. 5 BayBeamtVG sei nicht verfassungskonform und die amtsabhängige Mindestversorgung nicht richtig berechnet, ist für eine Zulassung der Berufung nicht ausreichend, da damit keine Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache erfolgt, sondern nur die Rechtswidrigkeit der gewährten Versorgung behauptet wird. (redaktioneller Leitsatz)
2. Eine rückwirkende Neufestsetzung bestandskräftig festgesetzter Versorgungsbezüge kommt nur in Frage, wenn die Aufrechterhaltung des Festsetzungsbescheids schlechthin unerträglich ist, was vorliegend nicht gegeben ist. (redaktioneller Leitsatz)
Verfahrensgang
2 K 17.162 2018-03-12 Urt VGAUGSBURG VG Augsburg
Tenor
I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Antragsverfahrens.
III. Der Streitwert für das Antragsverfahren wird auf 5.000,- €
festgesetzt.
Gründe
1. Der ausdrücklich lediglich auf die Zulassungsgründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO (grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache) sowie des § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO (besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten der Rechtssache) gestützte Antrag genügt nicht den Anforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO, weil nicht dargelegt wurde, woraus sich die vom Kläger geltend gemachten Zulassungsgründe ergeben sollten. Vielmehr behauptet er, dass die ihm gewährte amtsunabhängige Mindestversorgung nach Art. 26 Abs. 5 BayBeamtVG nicht verfassungskonform und die amtsabhängige Mindestversorgung nicht richtig berechnet sei. Damit wird aber keine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt, sondern nur die Rechtswidrigkeit der dem Kläger im Einzelfall gewährten Versorgung behauptet. Auch mit dem Hinweis auf das Alimentationsprinzip (Art. 33 Abs. 5 GG, Art. 95 Abs. 1 Satz 2 BV) bzw. auf die damit nach Ansicht des Klägers verbundenen verfassungsrechtlichen Fragen werden keine besonderen rechtlichen Schwierigkeiten dargelegt.
2. Aber auch wenn man das diesbezügliche Vorbringen zu Gunsten des Klägers als Geltendmachung ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des Urteils i.S.d. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO auslegt, bleibt der Zulassungsantrag ohne Erfolg.
Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts i.S.v. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO bestehen auf der Grundlage des Zulassungsvorbringens nicht. Solche sind nur zu bejahen, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird und die Zweifel an der Richtigkeit dieser Begründungselemente auf das Ergebnis durchschlagen. Dies ist vorliegend nicht der Fall.
Das Verwaltungsgericht hat die Klage des 1966 geborenen Klägers, der seit dem 1. September 1995 als Beamter, zuletzt im Amt eines Verwaltungsobersekretärs (BesGr A7/9), im Dienst der Beklagten stand und von ihr zum 1. März 2012 wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand versetzt wurde, die Beklagte zu verpflichten, seine Versorgungsbezüge rückwirkend zum 1. Dezember 2015 gesetzeskonform neu festzusetzen, abgewiesen, weil der Kläger mangels „Ermessensreduzierung auf Null“ keinen Anspruch auf Neufestsetzung seiner durch Bescheid vom 1. Februar 2012 bestandskräftig festgesetzten Versorgungsbezüge nach Art. 51 Abs. 5 i.V.m. Art. 48 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG besitze. Eine rückwirkende Neufestsetzung bestandskräftig festgesetzter Versorgungsbezüge komme nur in Frage, wenn die Aufrechterhaltung des Festsetzungsbescheids schlechthin unerträglich sei. Dies sei vorliegend nicht der Fall. Die Versorgungsbezüge seien gemäß den gesetzlichen Bestimmungen festgesetzt worden. Die Höhe des Ruhehalts bestimme sich nach Art. 26 Abs. 1 BayBeamtVG durch Anwendung eines Vomhundertsatzes (Ruhegehaltssatz) auf die ruhegehaltfähigen Bezüge i.S.d. Art. 12 BayBeamtVG unter Berücksichtigung eines Versorgungsabschlags nach Art. 26 Abs. 2 BayBeamtVG, soweit nicht die Mindestversorgung nach Art. 26 Abs. 5 BayBeamtVG vorteilhafter sei. Hiervon ausgehend habe die Beklagte die Versorgungsbezüge im Bescheid vom 1. Dezember 2012 und im Widerspruchsbescheid vom 9. August 2016 zutreffend berechnet. Hieraus ergebe sich, dass die amtsunabhängige Mindestversorgung gemäß Art. 26 Abs. 5 Satz 2 BayBeamtVG in Höhe von 65 v.H. der ruhegehaltfähigen Bezüge aus der Endstufe der BesGr A3 sowohl die erdienten Versorgungsbezüge des Klägers als auch die amtsabhängige Mindestversorgung entsprechend Art. 26 Abs. 5 Satz 1 BayBeamtVG (35 v.H. der ruhegehaltfähigen Bezüge nach Art. 12 BayBeamtVG) übersteige. Dies gelte auch dann, wenn man – wie vom Kläger gefordert – bei der Berechnung des erdienten Ruhegehalts aufgrund von dessen Schwerbehinderung den Versorgungsabschlag nicht in Ansatz bringe. Die amtsunabhängige Mindestversorgung stelle eine amtsangemessene Alimentation des Ruhestandsbeamten i.S.d. Art. 33 Abs. 5 GG, Art. 95 Abs. 1 Satz 2 BV sicher, wenn die von ihm erdiente Versorgung hierfür nicht ausreiche, und genüge damit den verfassungsrechtlichen Anforderungen an eine amtssowie bedarfsangemessene Versorgung. Auch das Vorbringen des Klägers, dass ihm monatlich unter Abzug der von ihm im Übrigen nicht belegten Ausgaben nur 672,- € für den Lebensbedarf verblieben, führe nicht zur Verfassungswidrigkeit der amtsunabhängigen Mindestversorgung, zumal diese den Sozialhilferegelsatz bei weitem übersteige.
Dies ist rechtlich nicht zu beanstanden. Das Verwaltungsgericht hat unter umfassender Anführung und Auswertung der hierzu ergangenen ober- und höchstgerichtlichen Rechtsprechung rechtsfehlerfrei einen Anspruch des Klägers auf Neufestsetzung seiner Versorgungsbezüge verneint. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird hierzu auf die zutreffenden Ausführungen in den Rn. 36-59 des erstinstanzlichen Urteils verwiesen.
Die hiergegen innerhalb der Frist des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO vorgebrachten Einwände begründen keine ernstlichen Zweifel an der Ergebnisrichtigkeit des Urteils i.S.d. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO.
Der Kläger setzt sich nicht mit der tragenden Begründung des Urteils auseinander, mangels einer „Ermessensreduzierung auf Null“ habe dieser keinen Anspruch auf Neufestsetzung der mit Bescheid vom 1. Februar 2012 bestandskräftig festgesetzten Versorgungsbezüge nach Art. 51 Abs. 5, Art. 48 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG. Danach besteht nur dann ausnahmsweise Anspruch auf Rücknahme eines rechtswidrigen Versorgungsfestsetzungsbescheids als Dauerverwaltungsakt (vgl. BVerwG, U.v. 25.10.2012 – 2 C 59.11 – juris Rn. 9), wenn dessen Aufrechterhaltung „schlechthin unerträglich“ wäre (vgl. BVerwG, U.v. 24.2.2011 – 2 C 50.09 – juris Rn. 11), was das Verwaltungsgericht vorliegend zu Recht verneint hat. Hiergegen trägt der Kläger nichts (substantiiert) vor, warum dies entgegen der Annahme des Erstgerichts beim Kläger trotzdem ausnahmsweise der Fall sein sollte.
Auch die wiederum nicht näher begründete Behauptung, die dem Kläger gewährte amtsunabhängige Mindestversorgung nach Art. 26 Abs. 5 Satz 2 BayBeamtVG sei nicht grundgesetzkonform und verstoße gegen das Alimentationsprinzip des Art. 33 Abs. 5 GG, ohne sich mit der ausführlichen Begründung des Verwaltungsgerichts und der von ihm hierzu angeführten ober- und höchstgerichtlichen Rechtsprechung auch nur ansatzweise auseinanderzusetzen, genügt nicht den Anforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO an die Darlegung ernstlicher Zweifel i.S.d. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Daran ändert auch der unsubstantiierte Hinweis auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 18. Dezember 2015 (Az.: 2 BvL 19/09 u.a. – BVerfGE 140, 240) zur amtsangemessenen Alimentation von (aktiven) Beamten und die Wiedergabe des Gehalts des verfassungsrechtlichen Alimentationsprinzips nichts.
Soweit sich der Kläger weiter darauf beruft, dass die ihm gewährte amtsunabhängige Mindestversorgung als Verwaltungsobersekretär a.D. (BesGr A7/9) in keinster Weise amtsangemessen sei und deshalb gegen das Alimentationsprinzip verstoße, legt er nicht substantiiert dar, dass die gewährte Versorgung von derzeit 1.677,22 € brutto (entspricht 1.559,14 € netto, nicht nur 1.362,41 €, wie von ihm behauptet) nicht zur Bestreitung seines Lebensunterhalts genügt. Ausgehend von den von ihm geltend gemachten monatlichen Ausgaben, die er im Übrigen nicht vollständig nachgewiesen hat, verbleiben ihm danach insgesamt noch 818,65 € (und nicht nur 765,- €, wie von ihm behauptet) monatlich zum Leben, während der monatliche Sozialhilferegelsatz zur Sicherung des Existenzminimums aktuell 416,- € beträgt, so dass der Abstand der Versorgungsleistung zur Sozialhilfe mehr als gewahrt ist. Auch die absolute Höhe der dem Kläger gewährten amtsunabhängigen Mindestversorgung nach Art. 26 Abs. 5 Satz 2 Bay BeamtVG (d.h. 65 v.H. der ruhegehaltfähigen Bezüge aus der Endstufe der BesGr A3) von 1.677,22 € entspricht der Höhe der amtsunabhängigen Mindestversorgung für Bundesbeamte nach § 14 Abs. 4 Satz 2 BeamtVG von 1.645,76 €, die das Bundesverwaltungsgericht in seinem vom Verwaltungsgericht zitierten Urteil vom 23. Juni 2016 (Az.: 2 C 17.14 – BVerwGE 155, 280 Rn. 12) als verfassungskonform angesehen hat, und übersteigt noch die Höhe der in Hessen gezahlten amtsunabhängigen Mindestversorgung von 1.569,51 €. Dabei nimmt die amtsunabhängige Mindestversorgung durchaus an der durchschnittlichen Erhöhung der Dienst- und Versorgungsbezüge vor dem Hintergrund der allgemeinen Einkommensentwicklung teil; dass hierbei über die letzten 20 Jahre ein verfassungswidriges Ungleichgewicht eingetreten wäre, legt der Kläger nicht substantiiert dar.
Vor diesem Hintergrund ist das Verwaltungsgericht auch dem vom Kläger in der mündlichen Verhandlung am 26. Februar 2018 bedingt gestellten Beweisantrag, ein Sachverständigengutachten darüber einzuholen, dass die Mindestversorgung gemäß Art. 26 Abs. 5 BayBeamtVG nach Abzug von Kranken- und Pflegeversicherung, Steuer, Altersvorsorge und Wohnkosten nicht ausreiche, um das Existenzminimum zu wahren, mangels Entscheidungserheblichkeit zu Recht nicht nachgekommen. Auch die nunmehr erfolgte Anregung, mittels eines Sachverständigengutachtens Beweis darüber zu erheben, ob Art. 26 Abs. 5 BayBeamtVG verfassungskonform ist und dem Alimentationsprinzip des Art. 33 Abs. 5 GG entspricht, ist – unabhängig davon, dass im Zulassungsverfahren eine Beweiserhebung nicht in Betracht kommt – schon deshalb abzulehnen, weil sich die Amtsermittlungspflicht des § 86 Abs. 1 VwGO auf den Sachverhalt bezieht und das Gericht kein Sachverständigengutachten zu Fragen der Feststellung und Auslegung des anzuwendenden inländischen Rechts einholen kann (Geiger in Eyermann, VwGO, 14. Auflage 2014, § 86 Rn. 6).
Soweit der Kläger schließlich vorträgt, dass die amtsabhängige Mindestversorgung i.S.d. Art. 26 Abs. 5 Satz 1 BayBeamtVG von der Beklagten nicht richtig berechnet worden sei, verkennt er, dass er eine amtsunabhängige Mindestversorgung gemäß Art. 26 Abs. 5 Satz 2 BayBeamtVG erhält, für deren Höhe die von ihm genannten Umstände naturgemäß keine Rolle spielen können. Im Übrigen legt er auch nicht substantiiert dar, inwiefern sich bei Berücksichtigung der von ihm genannten Gründe eine gegenüber der ihm gewährten amtsunabhängigen Mindestversorgung höhere amtsabhängige Mindestversorgung bzw. ein höheres erdientes Ruhegehalt ergeben würde. Darüber hinaus würden sich auch unter Berücksichtigung der vom Kläger genannten Gründe (Schwerbehinderteneigenschaft, Verhältnis von Zurechnungszeit nach Art. 23 Abs. 1 BayBeamtVG zum Versorgungsabschlag nach Art. 26 Abs. 2 BayBeamtVG, Anrechnung von Schulausbildungs- und Studienzeiten nach Art. 20 BayBeamtVG, Antrag auf vorübergehende Erhöhung des Ruhegehaltssatzes nach Art. 27 BayBeamtVG, Nichtgewährung des Pflegezuschlags nach Art. 72 bzw. 73 BayBeamtVG) keine entscheidungserheblichen Auswirkungen auf die Höhe der amtsabhängigen Mindestversorgung bzw. des erdienten Ruhegehalts ergeben. Dazu wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die zutreffenden Ausführungen der Beklagten im Schriftsatz vom 17. Juli 2018 (S. 4) Bezug genommen.
3. Der Zulassungsantrag war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 2 VwGO abzulehnen. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 2 GKG (wie Vorinstanz).
Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird die Entscheidung des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).