Verwaltungsrecht

Feststellung von Abschiebungsverboten durch das BAMF

Aktenzeichen  2 B 17.30026

Datum:
17.5.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 20032
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
EMRK Art. 8
AufenthG § 60 Abs. 5
AsylG § 24 Abs. 2

 

Leitsatz

1 Die Zuständigkeit des BAMF im Rahmen eines Asylverfahrens über das Vorliegen eines nationalen Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 AufenthG zu entscheiden, erfasst nur zielstaatsbezogene Gefahren. (Rn. 12) (redaktioneller Leitsatz)
2 Das aus der Schutzzuerkennung bei einem Elternteil resultierende Bleiberecht und/oder die Achtung des Familienlebens iSd Art. 8 EMRK sind inlandsbezogene Vollstreckungshindernisse. (Rn. 12) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

AN 4 K 16.30145 2016-07-27 Urt VGANSBACH VG Ansbach

Tenor

I. Das Urteil des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 27. Juli 2016 wird dahingehend abgeändert, dass die Klage hinsichtlich der Klägerin zu 2 insgesamt abgewiesen wird.
II. Die Klägerin zu 1 trägt die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens zu 3/8, die Klägerin zu 2 zu 4/8 und die Beklagte zu 1/8. Die Klägerin zu 2 trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

Der Verwaltungsgerichtshof hält die Berufung einstimmig für begründet. Eine mündliche Verhandlung ist daher nicht erforderlich (§ 130a VwGO).
Die Berufung ist zulässig, insbesondere wurde sie noch rechtzeitig begründet. Nach § 124a Abs. 6 Satz 1 VwGO ist die Berufung in den Fällen des § 124a Abs. 5 VwGO innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung der Berufung zu begründen. Der Zulassungsbeschluss des Senats vom 10. Januar 2017 wurde, adressiert an das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Referat Prozessführung, Frankenstr. 201, 90461 Nürnberg, von diesem mit einem Eingangsstempel vom 18. Januar 2017 versehen. Das unterschriebene Empfangsbekenntnis nach § 174 ZPO datiert vom 18. Januar 2017. Der Eingangsstempel trägt die Ortsangabe „München“. Der Mitarbeiter der Bundesamtsaußenstelle München ist jedoch nach der behördlichen Geschäftsverteilung nicht dafür zuständig, die berufungsgerichtlichen Empfangsbekenntnisse zu den Verfahren zu vollziehen, in denen das Bundesamt Rechtsmittelführer ist. Dies obliegt dem dafür zuständigen Mitarbeiter im zuständigen Fachreferat Prozessführung. Nicht mit dem Eingang eines Urteils bei der Posteingangsstelle der Behörde, sondern erst mit seiner Empfangnahme und deren Bestätigung durch den hierfür zuständigen Bediensteten der Behörde ist die Zustellung gegen Empfangsbekenntnis bewirkt (vgl. BVerwG, B.v. 14.12.1989 – 9 B 466.89 – juris). Das zur Bearbeitung zuständige Fachreferat der Beklagten erlangte erst durch Übermittlung der Senatsverfügung vom 23. Februar 2017, die dem Referat Prozessführung am 7. März 2017 zuging, von dem Senatsbeschluss Kenntnis, mit dem die beantragte Berufung zugelassen wurde. Die Berufungsbegründung erfolgte mit Schriftsatz vom 7. März 2017, beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingegangen am 7. März 2017. Damit erfolgte die Berufungsbegründung noch rechtzeitig. Der Senat weist darauf hin, dass er erwägt, in Zukunft dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge im Berufungsverfahren nur noch gegen Postzustellungsurkunde zuzustellen.
Die Berufung ist auch begründet, weil die Klägerin zu 2 keinen Anspruch auf Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 AufenthG hat. Nach dieser Vorschrift darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 2015 zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist. Nach Art. 8 EMRK ist das jedem zustehende Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens, der Wohnung und der eigenen Korrespondenz geschützt. Eine Behörde darf in die Ausübung dieses Rechts nur eingreifen, soweit der Eingriff gesetzlich vorgesehen und in einer demokratischen Gesellschaft notwendig ist für die nationale oder öffentliche Sicherheit, für das wirtschaftliche Wohl des Landes, zur Aufrechterhaltung der Ordnung, zur Verhütung von Straftaten, zum Schutz der Gesundheit oder der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer. Für das Vorliegen des nationalen ausländerrechtlichen Abschiebeverbots des § 60 Abs. 5 AufenthG erfordert die Feststellung eines solchen Abschiebungshindernisses grundsätzlich eine von staatlicher Seite ausgehende oder zumindest zu verantwortende Gefährdung (vgl. BVerwG, U.v. 17.10.1995 – 9 C 15.95 – BVerwGE 99, 331). Der verbürgte Schutz und die in die Entscheidungszuständigkeit der Beklagten fallende Schutzfeststellung bezieht sich allein auf zielstaatsbezogen bestehende Gefährdungen (BVerwG, B.v. 6.6.2007 – 10 B 65.07 – BVerwGE 126, 192). Hindernisse, die einer Vollstreckung der Ausreisepflicht entgegenstehen, weil andernfalls ein geschütztes Rechtsgut im Bundesgebiet verletzt würde (inlandsbezogene Vollstreckungshindernisse) und ein aus einer Schutzzuerkennung bei einem Elternteil resultierendes Bleiberecht und/ oder die Achtung des Familienlebens im Sinn des Art. 8 EMRK kann keinen durch die Beklagte für die Person eines nahen Angehörigen festzustellenden Abschiebungsschutz vermitteln (vgl. Bergmann in Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 11. Aufl. 2016, § 60 AufenthG Rn. 47). Andere Umstände, die hier auf einen Anspruch auf das nationale ausländerrechtliche Abschiebungsverbot führen sollten, sind nicht dargelegt.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Das Verfahren ist gemäß § 83b AsylG gerichtskostenfrei. Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.
Die Revision war nicht zuzulassen, da keiner der Gründe des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.


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