Verwaltungsrecht

Feststellungsklage, Qualifizierter Mietspiegel, Keine Klagebefugnis

Aktenzeichen  M 12 K 19.2017

Datum:
8.10.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 43413
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 42 Abs. 2
VwGO § 43 Abs. 1
BGB § 558d
ZPO § 292

 

Leitsatz

Die verwaltungsgerichtliche Kontrolle eines qualifizierten Mietspiegels nach § 558d BGB ist unzulässig. Effektiver Rechtsschutz besteht vor den Zivilgerichten.

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

I.
Die Klage auf Feststellung, dass es sich beim Münchener Mietspiegel 2019 nicht um einen qualifizierten Mietspiegel i.S.d. § 558d Bürgerliches Gesetzbuch – BGB – handelt, ist unzulässig.
Nach § 43 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – kann die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses oder der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat. Nach § 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO kann die Feststellung nicht begehrt werden, soweit der Kläger seine Rechte durch Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann oder hätte verfolgen können.
1. Die Feststellung der Nichtigkeit eines Verwaltungsaktes kommt hier von vornherein nicht in Betracht. Der Mietspiegel stellt mangels unmittelbarer Regelungswirkung nach außen keinen Verwaltungsakt i.S.d. Art. 35 Satz 1 Bayerisches Verwaltungsverfahrensgesetz – BayVwVfG – oder eine Allgemeinverfügung nach Art. 35 Satz 2 BayVwVfG dar; gleiches gilt hinsichtlich des Anerkenntnisses der Beklagten, dass der Mietspiegel ein qualifizierter Mietspiegel ist (vgl. eingehend: Brünig, NZM 2003, 921 ).
2. Die Klage ist indes auch nicht nach § 43 Abs. 1 Alt. 1 VwGO zulässig.
a) Unter einem feststellungsfähigen Rechtsverhältnis sind die rechtlichen Beziehungen zu verstehen, die sich aus einem konkreten Sachverhalt aufgrund einer öffentlich-rechtlichen Norm für das Verhältnis von (natürlichen oder juristischen) Personen untereinander oder einer Person zu einer Sache ergeben, kraft deren eine der beteiligten Personen etwas Bestimmtes tun muss, kann oder darf oder nicht zu tun braucht (vgl. BVerwG, U.v. 26.1.1996 – 8 C 19/94 – NJW 1996, 2046; U.v. 28.1.2010 – 8 C 19/09 – NVwZ 2010, 1300 Rn. 24 m.w.N.). Gegenstand der Feststellungsklage muss ein streitiges konkretes Rechtsverhältnis sein, d.h. es muss „in Anwendung einer Rechtsnorm auf einen bestimmten bereits überschaubaren Sachverhalt streitig” sein (BVerwG BVerwG, U.v. 13.10.1971 – VI C 57.66 38, 346 – Buchholz 232 § 123 BBG Nr. 8 m.w.N.; BVerwG, U.v. 30.5.1985 – 3 C 53.84 – Buchholz 418.32 AMG Nr. 13). Unabhängig von der Frage der Konkretisierung des Rechtsverhältnisses setzt ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis voraus, dass zwischen den Parteien dieses Rechtsverhältnisses ein Meinungsstreit besteht, aus dem heraus sich eine Seite berühmt, ein bestimmtes Tun oder Unterlassen der anderen Seite verlangen zu können. Es müssen sich also aus dieser Rechtsbeziehung heraus bestimmte Rechtsfolgen ergeben können, was wiederum die Anwendung von bestimmten Normen auf den konkreten Sachverhalt voraussetzt (BVerwG, U.v. 23.01.1992 – 3 C 50/89 – NVwZ 1993, 64). Daran fehlt es, wenn nur abstrakte Rechtsfragen wie die Gültigkeit einer Norm zur Entscheidung gestellt werden (BVerwG, U.v. 28.1.2010, a.a.O.). Dies gilt auch für Klagebegehren, die auf die Feststellung der Rechtswidrigkeit, der Unwirksamkeit, Nichtigkeit etc. eines bestimmten Verwaltungshandelns abzielen, wie sich schon aus dem Umkehrschluss zu § 43 Abs. 1 Alt. 2 VwGO zeigt. Hierbei geht es um die rechtliche Qualifikation, d.h. um Eigenschaften von Verwaltungsmaßnahmen, die für sich genommen kein Rechtsverhältnis darstellen und als solche nicht Gegenstand der Feststellungsklage sein können (Möstl in: BeckOK VwGO, 56. Ed. 1.10.2020, § 43 Rn. 4; Sodan in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 43 Rn. 35; Happ in: Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 43 Rn. 16 m.w.N.).
Ausgehend davon begehrt der Kläger mit seinem ausdrücklich gestellten Klageantrag schon nicht die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines konkreten Rechtsverhältnisses. Die so zur Entscheidung gestellte Frage, ob der von der Beklagten aufgestellte Mietspiegel ein qualifizierter Mietspiegel i.S.d. § 558d Abs. 1 BGB ist, zielt auf die rechtliche Qualifikation des Verwaltungshandlens als solche ab, die für sich genommen kein Rechtsverhältnis darstellt. Die Gültigkeit eines kommunalen Mietspiegels insgesamt kann zudem mangels hinreichender Konkretisierung des streitigen Anwendungsbereichs nicht zum Gegenstand einer nach § 43 Abs. 1 VwGO statthaften Feststellungsklage gemacht werden. Ein kommunaler Mietspiegel begründet noch keine konkreten Rechtsbeziehungen mit Blick auf einen bereits überschaubaren Sachverhalt. Er enthält – insoweit einer Verwaltungsvorschrift vergleichbar – abstrakt generelle Angaben der ortsüblichen Vergleichsmieten allgemein umschriebener Kategorien von Wohnungen. Das steht einer Feststellung seiner Unwirksamkeit jedenfalls durch eine allgemeine Feststellungsklage zum Verwaltungsgericht insgesamt ebenso wie einer Feststellung der Ungültigkeit von Verwaltungsvorschriften nach § 43 Abs. 1 VwGO entgegen (BVerwG, U.v. 26.1.1996 – 8 C 19/94 – NJW 1996, 2046 ).
b) Bei Auslegung des klägerischen Begehrens (§ 88 VwGO) anhand der Klagebegründung begehrt der Kläger jedoch im Ergebnis die Feststellung, dass die Beklagte nicht befugt gewesen ist, den Mietspiegel wegen der als fehlerhaft angesehenen Erstellung als qualifiziert anzuerkennen, mithin eine entsprechende Willenserklärung abzugeben, bzw. die Feststellung, dass er infolge der Anerkennung durch die Beklagte nicht verpflichtet ist, die an das Bestehen eines qualifizierten Mietspiegels knüpfenden mietrechtlichen Folgen zu tragen (vgl. zu einer solchen Auslegung Happ a.a.O.; ebenso BVerwG, U.v. 28.1.2010 – 8 C 19/09 – NVwZ 2010, 1300 Rn. 26).
aa) So verstanden kann sich allerdings allein mit Blick auf das im Eigentum des Klägers stehende und mit einem Wohnhaus bebaute Grundstück überhaupt ein mögliches Rechtsverhältnis zur Beklagten ergeben (BVerwG, U.v. 26.1.1996 – 8 C 19/94 – NJW 1996, 2046 ; ebenso wohl BayVGH, U.v. 14.6.1994 – 24 B 93.3620 – juris Rn. 23). Nur in Bezug auf die vermieteten oder zu vermietenden Wohnungen des Klägers werden diesem durch das Bestehen eines als qualifiziert anerkannten Mietspiegels von Gesetzes wegen Pflichten auferlegt.
Aber auch ungeachtet dessen ist die Klage unzulässig. Dem Kläger fehlt die Klagebefugnis. Ein Rechtsschutzbegehren ist ohne Rücksicht auf die Klageart nur dann zulässig, wenn es sich auf Rechte stützt, die gerade dem Kläger zustehen können (st. Rspr., vgl. BVerwG, U.v. 26.1.1996 – 8 C 19/94 – NJW 1996, 2046 m.w.N.; U.v. 27. 5. 2009 – 8 C 10/08 – NVwZ 2009, 1305 ). Zwar ist das in § 43 Abs. 1 VwGO geforderte berechtigte Interesse an der begehrten Feststellung nicht gleichbedeutend mit einem “rechtlichen Interesse“, sondern schließt darüber hinaus jedes als schutzwürdig anzuerkennende Interesse, insbesondere auch wirtschaftlicher oder ideeller Art, ein. Daraus folgt indessen nicht, dass jeder in diesem Sinne Interessierte auch ohne eigene Rechtsbetroffenheit Feststellungsklage erheben kann. Auf diese Klage ist vielmehr – wie das Bundesverwaltungsgericht in ständiger Rechtsprechung entschieden hat (vgl. BVerwG, U.v. 6.2.1986 – 5 C 40/84 – juris; U.v. 26.1.1996 – 8 C 19/94 – NJW 1996, 2046 m.w.N.; U.v. 10.7.2001 – 1 C 35/00 – NVwZ 2001, 1396 ; U.v. 27. 5. 2009 – 8 C 10/08 – NVwZ 2009, 1305 ) – die Vorschrift des § 42 Abs. 2 VwGO entsprechend anzuwenden. Klagen auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses (§ 43 Abs. 1 Alt. 1 VwGO) sind nur zulässig, wenn der Kläger geltend machen kann, in seinen Rechten verletzt zu sein, entweder, weil er an dem festzustellenden Rechtsverhältnis selbst beteiligt ist oder weil von dem Rechtsverhältnis eigene Rechte abhängen (vgl. BVerwG, Buchholz 421.2 Hochschulrecht Nr. 106 S. 66 (68) und BVerwG, Buchholz 310 § 43 VwGO Nr. 69 S. 9 (24)).
Die Vorschriften über die Aufstellung, Veröffentlichung und Verwendbarkeit von Mietspiegeln begründen keine die Rechtsverfolgung vor den Verwaltungsgerichten ermöglichenden subjektiv-öffentlichen Rechte von Vermietern, die bereits ohne solche Rechte angemessen geschützt sind. Der Mietspiegel zeitigt nur als Tatbestandsvoraussetzung mietrechtlicher Vorschriften, soweit diese auf die ortsübliche Vergleichsmiete abstellen, Wirkungen. Nur im Rahmen dieser Vorschriften über das Zustimmungsverfahren zur Mieterhöhung (§ 558 ff. BGB) und bei der maximalen Wiedervermietungshöhe (§ 556d BGB) kommt ihm nach § 558d Abs. 3 BGB eine Vermutungswirkung zu (vgl. statt aller Börstinghaus in: Schmidt-Futterer, MietR, 14. Aufl. 2019, § 558d BGB Rn. 92). Darüber hinaus sind Mietspiegel in Ordnungswidrigkeitenverfahren nach § 5 Wirtschaftsstrafgesetz – WiStrG – von Bedeutung, ebenso bei der Fehlbelegungsabgabe. In diesen Fällen sind sie aber lediglich Teil der freien richterlichen Überzeugungsbildung ohne jede Vermutungswirkung (Börstinghaus a.a.O.). Seine im Unterschied zum einfachen Mietspiegel weitergehenden Wirkungen erschöpfen sich daher in der zwischen den privatrechtlichen Mietvertragsparteien vereinbarten Mietzinsabrede. Für Streitigkeiten über den Mietzins sind nach § 23 Nr. 2 Buchst. a) Gerichtsverfassungsgesetz indes die Amtsgerichte ausschließlich erstinstanzlich zuständig. Im Rahmen der konkreten mietrechtlichen Streitigkeit kann und muss ein Mietspiegel überprüft werden, sowohl was die Einhaltung der anerkannten wissenschaftlichen Grundsätze als Grundvoraussetzung für die Vermutungswirkung angeht (BGH, U.v. 21.11.2012 – VIII ZR 46/12 – NJW 2013, 775; U.v. 6.11.2013 – VIII ZR 346/12 – NJW 2014, 292) als auch im Hinblick auf die jeweilige Auslegung des Mietspiegels (BGH, U.v. 4.5.2011 – VIII ZR 227/10 – BeckRS 2011, 15961). Erst, wenn die Vermutungsgrundlagen, für deren Vorliegen diejenige Partei darlegungs- und beweispflichtig ist, die sich auf den Mietspiegel beruft, feststehen, greift die – dann nur noch schwer zu widerlegende – Vermutungswirkung nach § 558d Abs. 3 BGB i.V.m. § 292 Zivilprozessordnung – ZPO – (Börstinghaus a.a.O, Rn. 95 ff.).
Dem Kläger ist zwar zuzugeben, dass er ein erhebliches Interesse daran haben kann, einen qualifizierten Mietspiegel, dessen Angaben der ortsüblichen Vergleichsmieten er für fehlerhaft zu niedrig hält, bereits vor Mieterhöhungsverlangen bzw. Neuvermietung und zivilgerichtlichen Auseinandersetzungen darüber zu Fall zu bringen. Die Nachteile eines die Möglichkeiten der Rechtsverteidigung gleichsam verdoppelnden Rechtsschutzes, insbesondere die Gefahr planloser Doppelarbeit, einander widersprechender Entscheidungen, des Leerlaufs und der – in Zeiten knapper Ressourcen besonders zu vermeidenden – Inanspruchnahme staatlicher Rechtsschutzeinrichtungen im Übermaß, liegen jedoch auf der Hand. Das Bundesverwaltungsgericht hat darauf seit jeher mit Nachdruck hingewiesen und aus diesem Grunde in ständiger Rechtsprechung sogar Klagen gegen behördliche Zustimmungen oder Genehmigungen zu privaten Rechtsgeschäften ohne eine angemessen deutliche Willensäußerung des Gesetzgebers in Richtung auf eine Zweigleisigkeit der Rechtsverfolgung für unzulässig erachtet, wenn der Betroffene die Einwendungen, mit denen er die Genehmigung oder Zustimmung abzuwehren sucht, in dem wegen des privaten Rechtsverhältnisses vor den ordentlichen Gerichten zu führenden Prozess erheben kann (vgl. u.a. BVerwG, U.v. 26.1.1996 – 8 C 19/94 – NJW 2046 , BVerwG, U.v. 15.11.1985 – 8 C 43/83 – NJW 1986, 1628, jeweils m.w.N.). Den gesetzlichen Bestimmungen betreffend den Mietspiegel und seine Wirkungen ist nicht zu entnehmen, dass Vermietern wie auch Mietern hieraus ein subjektiv-öffentliches Klagerecht eingeräumt werden sollte (vgl. VG Minden, U.v. 3.11.2003 – 3 K 920/02 – juris Rn. 30; OVG Münster, B.v. 22.8.2006 – 14 A 428/04 – NVWZ-RR 2007, 78; s. auch BVerwG, U.v. 26.1.1996 – 8 C 19/94 – NJW 2046 zu § 2 MHRG). Hinzu kommt die auch vom Kläger eingeräumte Tatsache, dass ein obsiegendes Urteil vor dem Verwaltungsgericht die zivilrechtliche Auseinandersetzung und erneute Prüfung durch die Zivilgerichte nicht obsolet machen würde, da das Zivilgericht im Streitfall mangels Rechtskrafterstreckung nicht an die Entscheidung des Verwaltungsgerichts gebunden wäre. Die vom Kläger angenommene faktische Breiten- oder Präjudizwirkung eines verwaltungsrechtlichen Urteils besagt daher nichts über einen Vorrang der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle gegenüber der inzidenten Kontrolle durch die gleichwertigen Zivilgerichte (vgl. auch BVerwG, U.v. 15.9.2014 – 8 B 30/14 – NVwZ-RR 2015, 69 Rn. 7; BVerwG, U.v. 23.8.2007 – 7 C 13.06 – juris Rn. 24). Die Möglichkeit einer Vielzahl an gerichtlichen Verfahren mit der Gefahr sich widerstreitender Ergebnisse ist dem grundsätzlich auf nachträglichen Individualrechtsschutz ausgerichteten Klagesystem immanent. Bei Verdopplung des Rechtswegs bestünde diese Gefahr jedoch umso mehr, ohne dass die Effektivität des Rechtsschutzes erhöht würde.
Auch aus Art. 14 Abs. 1 GG und Art. 19 Abs. 4 GG ergibt sich vorliegend keine Klagebefugnis. Unbestritten können durch einen fehlerhaften Mietspiegel die durch die Eigentumsgarantie geschützten vermögenswerten Positionen des Klägers betroffen sein. Daher muss der Kläger den Mietspiegel auf seine Richtigkeit hin überprüfen lassen können. Allerdings gebieten auch diese Grundrechte keine unmittelbare Kontrolle des behördlichen Handelns. Maßgeblich ist allein, dass dem Kläger effektiver Rechtsschutz zur Verfügung steht, ungeachtet durch welches Gericht. Vor diesem Hintergrund sind sogenannte atypische Feststellungsklagen etwa unmittelbar gegen den Normgeber (BVerwG, U.v. 28.1.2010 – 8 C 19/09 – NVwZ 2010, 1300) als auch im Fall der Allgemeinverbindlichkeitserklärung nach § 5 Tarifvertragsgesetz (BVerwG, U.v. 28.1.2010 – 8 C 38/09 – NZA 2010, 1137) anerkannt worden, obwohl zwischen den Beteiligten kein unmittelbares Rechtsverhältnis bestand, weil andernfalls kein effektiver Rechtsschutz zu erreichen gewesen wäre. Dabei ist aber auch zu sehen, dass in diesen Fällen jeweils unmittelbar auf die Rechtsstellung der Kläger eingewirkt wurde (durch unmittelbare Verpflichtung zur Zahlung eines Mindestlohns bzw. durch Bindung an einen bestimmten Tarifvertrag). Dies ist vorliegend nicht der Fall.
Zudem besteht effektiver Rechtsschutz durch die Zivilgerichtsbarkeit. Der Kläger kann dort sowohl auf Zustimmung zur Mieterhöhung als auch auf Zahlung der vereinbarten Miete klagen und sich ebenfalls gegen Einwendungen nach § 556g BGB zur Wehr setzen. Ebenso besteht die Möglichkeit, die Wirksamkeit der Mietzinsabsprache im Wege der zivilrechtlichen Feststellungsklage prüfen zu lassen (AG Neukölln, U.v. 8.9.2016 – 11 C 414/15 – juris; LG Berlin, U.v. 29.3.2017 – 65 S 424/16 – juris). Dem steht auch nicht entgegen, dass nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (U.v. 21.11.2012 – VIII ZR 46/12 – NJW 2013, 775; U.v. 6.11.2013 – VIII ZR 346/12 – NJW 2014, 292) eine Prüfung der Einhaltung der Grundlagen für die Vermutungswirkung des § 558d Abs. 3 BGB, also ob ein qualifizierter Mietspiegel i.S.d. § 558d Abs. 1 BGB vorliegt und die weiteren Voraussetzungen des § 558d Abs. 2 BGB eingehalten sind, nicht bereits auf einfaches Bestreiten hin überprüft werden, sondern ein substantiiertes Bestreiten unter Auseinandersetzung mit den öffentlich zugänglichen Informationen erfordert. Dies mag die Rechtsverfolgung zwar erschweren, der Kläger wird dadurch aber nicht vor unzumutbare Hürden gestellt, zumal er einen Anspruch auf Herausgabe bestimmter Daten über die Mietspiegelerstellung hat (BayVGH. U.v. 13.5.2019 – 4 B 18.1515 – BeckRS 2019, 17760). Die Rechtsprechung der Zivilgerichte zeigt zudem, dass Einwendungen gegen einen Mietspiegel nachgegangen werden (vgl. nur BGH, U.v. 6.11.2013 – VIII ZR 346/12 – NJW 2014, 292). Im Rahmen der zivilgerichtlichen Überprüfung werden auch seitens der Beklagten die erhobenen Daten in anonymisierter Form zur Verfügung gestellt (§ 6 der Haushaltsbefragungssatzung Mietspiegel 2019 vom 13.12.2017). Zudem sind die Zivilgerichte in der Lage, amtliche Auskünfte einzuholen oder die mit der Erstellung des Mietspiegels befassten Personen als sachverständige Zeugen zu vernehmen. Demgegenüber sind die Ermittlungsmöglichkeiten des Verwaltungsgerichts ungeachtet der in § 86 VwGO verankerten Amtsermittlungspflicht nicht derart weitreichender, als dass der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle ein wesentlicher Vorrang zukäme. Denn auch die Amtsermittlungspflicht findet ihre Grenzen dort, wo ohne jeden Anhaltspunkt gleichsam ungefragt auf Fehlersuche gegangen werden müsste (BVerwG, U.v. 7.9.1979 – 4 C 7.77 – Buchholz 406.11 § 10 BBauG Nr. 10; B.v. 1.4.1997 – 4 B 206.96 – Buchholz 406.11 § 10 BauGB Nr. 35; B.v. 20.6.2001 – 4 BN 21.01 – NVwZ 2002, 83, U.v. 17.4.2002 – 9 CN 1.01 – BeckRS 2002, 30253824). Es obläge daher auch im Verwaltungsprozess dem Kläger, substantiierte Einwendungen gegen den Mietspiegel zu erheben, selbst wenn insoweit weniger strenge Maßstäbe gelten sollten, als die zivilrechtliche Judikatur aufgestellt hat.
c) Ohne dass es hierauf noch entscheidungserheblich ankäme, hat der Kläger auch nicht dargelegt, dass sich das etwaig bestehende Rechtsverhältnis durch eine bevorstehende Neuvermietung bzw. Mieterhöhung bereits so konkretisiert hat, dass es auf die Anwendung des Mietspiegels ankommen würde. Der Kläger begehrt daher vorbeugenden Rechtsschutz, der der Verwaltungsgerichtsordnung jedoch grundsätzlich fremd ist (vgl. BVerwG, U.v. 23.6.2016 – BVerwG 2 C 18.15 – juris Rn. 19). Insbesondere vorbeugende Feststellungsklagen sind grundsätzlich nur zulässig, wenn der Verweis auf nachgängigen Rechtsschutz mit unzumutbaren Nachteilen für den Kläger verbunden wäre (BVerwG, U.v. 10.12.2015 – BVerwG 4 C 15.14 -, juris, Rn. 6). Dies ist hier aus den vorstehenden Erwägungen nicht der Fall.
II.
Nach alledem war die Klage mit der kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
III.
Die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.


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