Verwaltungsrecht

Folgeantrag – Asylverfahren

Aktenzeichen  M 18 E 17.48266

Datum:
4.2.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 41596
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 80 Abs. 5,§ 88,§ 123
AsylG § 31 Abs. 3,§ 71 Abs. 1
AufenthG § 60 Abs. 5,Abs. 7
EMRK Art. 3
ZPO § 580, § 920 Abs. 2
VwVfG § 51 Abs. 1,Abs. 3

 

Leitsatz

Tenor

I. Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen Ziffer 1 des Bescheides des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 15. September 2017 wird abgelehnt.
II. Die Antragsgegnerin wird im Wege einer einstweiligen Anordnung gemäß § 123 VwGO verpflichtet, gegenüber der zuständigen Ausländerbehörde zu erklären, dass die Abschiebung des Antragstellers bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung über die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG im Hauptsacheverfahren vorläufig nicht vollzogen werden darf.
III. Die Kosten des Verfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

Gründe

I.
Der Antragsteller begehrt einstweiligen Rechtsschutz gegen den Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) vom 15. September 2017 mit dem sowohl sein Folgeantrag als unzulässig als auch der Antrag auf Änderung der Feststellungen zu § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG abgelehnt wurden.
Der Antragsteller ist afghanischer Staatsangehöriger. Er reiste im Januar 2016 in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte am 17. Mai 2016 bei dem Bundesamt einen Asylantrag.
Bei seiner Anhörung am 10. November 2016 gab der Antragsteller zu seinem Verfolgungsschicksal insbesondere an, dass sein Vater ein Geldwechselbüro betrieben habe. Der Antragsteller habe im Betrieb mitgearbeitet. Sein Vater sei 2015 getötet worden. Er sei gefoltert und ermordet auf der Straße aufgefunden worden. Nach einem Monat hätten die Leute, die seinen Vater getötet hätten, auch den Nachbarn getötet; auch ihn habe man tot vorgefunden. Der Antragsteller habe einen Monat die Arbeit des Vaters fortgeführt. Eines Tages sei ein Mann zu ihm gekommen und habe gesagt, er solle zu seinem Auto kommen und dort im Auto Geld wechseln. Der Antragsteller sei dann einige Schritte auf das Auto zugegangen. Er habe dort aber zwei Männer gesehen, die gefährlich ausgesehen hätten und sei daraufhin weggelaufen. Im Folgenden sei er, auf den Rat des Onkels und mit dessen Hilfe, gemeinsam mit seinem Bruder geflohen. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Niederschrift verwiesen.
Mit Bescheid vom 19. Mai 2017 lehnte das Bundesamt den Asylantrag des Antragstellers ab. Der Bescheid kam am 24. Mai 2017 mit dem Hinweis „Adressat unter der angegebenen Anschrift nicht zu ermitteln“ an das Bundesamt zurück.
Der Antragsteller stellte am 4. September 2017 bei dem Bundesamt einen Folgeantrag und begründete diesen ausschließlich damit, dass er den Bescheid nicht rechtzeitig erhalten habe.
Mit streitgegenständlichem Bescheid vom 15. September 2017 lehnte das Bundesamt den Folgeantrag des Antragstellers als unzulässig ab (Ziffer 1 des Bescheids) und lehnte zudem den Antrag auf Abänderung des Bescheids vom 19. Mai 2017 bezüglich der Feststellungen zu § 60 Abs. 5 und Abs. 7 AufenthG ab (Ziffer 2 des Bescheids). Zur Begründung wurde ausgeführt, dass kein Wiederaufgreifensgrund gegeben sei, da sich der Sachvortrag darauf beschränke, dass der Antragsteller den Bescheid im Erstverfahren nicht rechtzeitig erhalten habe. Gründe für eine Abänderung der bisherigen Entscheidung zu § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG lägen nicht vor.
Die Bevollmächtigten des Klägers erhoben am 27. September 2017 Klage und beantragten, den Bescheid vom 15. September 2017 aufzuheben und den Antragsgegner zu verpflichten, den Kläger als Asylberechtigten anzuerkennen und die Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 AsylG zuzuerkennen, hilfsweise, subsidiären Schutz gemäß § 4 AsylG zu gewähren, weiter hilfsweise, festzustellen, dass Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 5 und Abs. 7 AufenthG vorliegen (Verfahren M 18 K 17. 48190).
Des Weiteren beantragten sie,
der Antragsgegnerin aufzugeben, die Mitteilung gemäß § 71 Abs. 5 Satz 2 AsylG einstweilen zurückzunehmen und der Ausländerbehörde mitzuteilen, dass ein Asylfolgeverfahren durchgeführt wird, hilfsweise dass das Vorliegen von Abschiebungsverboten gemäß § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG geprüft werde.
In der Begründung führten sie ergänzend aus, dass, sollte das Gericht der Auffassung sein, dass ein Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO das richtige Rechtsmittel sei, dies hilfsweise beantragt werde. Ungeachtet der Formulierung des Eilantrags und ungeachtet der Frage, welche Antrag der richtige sei und wer die richtige Antragsgegnerin sei, werde das Gericht gebeten, die Anträge so auszulegen, dass das erkennbare Rechtsschutzziel, bis zur Entscheidung in der Hauptsache einstweilen nicht abgeschoben zu werden erreicht werde.
Mit Schreiben vom 2. Januar 2018 führten die Bevollmächtigten aus, dass der Antragsteller die Niederschrift vom 10. November 2016 in verschiedenen, einzelnen genannten Punkten ergänzen möchte. Zur Person seines Vaters ergänze der Antragsteller, dass dieser Polizist in leitender Funktion gewesen sei. Der Vater habe diese Arbeit aus Angst vor den Taliban und aus Sorge um seine Familie aufgegeben und dann die Wechselstube übernommen. Auch dies sei jedoch ein gefährlicher Beruf gewesen. Der Antragsteller selbst habe in amerikanischen Camps gejobbt und die Funktion des Gebetsausrufers in der Moschee ausgeübt. All diese Dinge habe er bei der Befragung nicht erzählt, da ihm die Bedeutung nicht bewusst gewesen sei und ihn die Situation während der Befragung geängstigt habe.
Ergänzend wurden Kopien von afghanischen Dokumenten vorgelegt, die den Polizeibericht über die Ermordung des Vaters des Klägers, den Obduktionsbericht des Vaters, den Polizeiausweis des Vaters sowie den Totenschein des Vaters darstellen sollten.
Die Antragsgegnerin legte die Behördenakte des Folgeantragsverfahrens elektronisch vor, eine Antragstellung unterblieb.
Mit Schreiben vom 24. Juli 2018 teilte die Regierung von Oberbayern – ZAB mit, dass sie die ausländerrechtliche Zuständigkeit für den Antragsteller übernommen habe.
Auf Bitten des Gerichts legte die Antragsgegnerin ergänzend die Behördenakten des Erstverfahrens elektronisch vor.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte, die Gerichtsakte im Hauptsacheverfahren (M 18 K 17.48190) sowie die Behördenakten Bezug genommen.
II.
Der nach § 88 VwGO auszulegende Antrag ist entsprechend der Tenorierung teilweise begründet.
Vorläufiger Rechtsschutz gegen einen ablehnenden Folgeantragsbescheid ohne erneute Abschiebungsandrohung erfolgt durch einen Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Anfechtungsklage gegen die Ablehnung des Folgeantrags (§ 71 AsylG) als unzulässig sowie durch einen Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz gemäß § 123 VwGO zur Sicherung von Ansprüchen des Antragstellers auf Feststellung der Voraussetzungen eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG (vgl. hierzu ausführlich VG München, B.v. 8.5.2017 – M 2 E 17.37375; B.v. 22.6.2017 – M 17 S 17.43925; VG Dresden, B.v. 11.9.2017 – 13 L 1004/17.A.; VG Würzburg, B.v. 10.10.2017 – W 8 E 17.33482; VG Münster, B.v. 24.11.2017 – 3 L 1944/17.A – jeweils juris; BeckOK, AuslR/Dickten, Stand 1.5.2018, § 71 Rn. 32ff m.w.N.).
Zugunsten des Antragstellers hat das Gericht das Antragsbegehren des Antragstellers in diesem Sinne gemäß § 88 VwGO ausgelegt, auch wenn der Antragsteller anwaltlich vertreten ist und sich daher regelmäßig eher an seinen Anträgen festhalten lassen muss (Rennert in Eyermann, VwGO, 13. Auflage, § 88 Rn. 2). Denn die Frage, in welchem Verfahren einstweiliger Rechtsschutz anlässlich der Ablehnung eines Folgeantrags zu gewähren ist, ist nicht einfach zu beantworten und wird in der Rechtsprechung zum Teil unterschiedlich beantwortet, so dass eine großzügige Antragsauslegung geboten erscheint.
Der nach dieser Maßgabe zulässige Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Anfechtungsklage gegen Ziffer 1. des Bescheids vom 15. September 2017 ist unbegründet.
Für einen Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung einer Anfechtungsklage gegen eine Ablehnung eines Folgeantrags (§ 71 AsylG) als unzulässig gilt der Prüfungsmaßstab der „ernstlichen Zweifel“: Denn für Fälle, in denen mangels Vorliegen der Voraussetzungen des § 71 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG kein weiteres Asylverfahren durchgeführt wird, hat der Gesetzgeber durch die Regelungen in § 71 Abs. 4 i.V.m. § 36 Abs. 4 Satz 1 AsylG kraft einfachen Rechts für das gerichtliche Eilverfahren den Maßstab des Art. 16a Abs. 4 Satz 1 GG bestimmt. Das Verwaltungsgericht darf einstweiligen Rechtsschutz daher nur gewähren, wenn es ernstliche Zweifel daran hat, dass die Voraussetzungen des § 71 Abs. 1 Satz 1 AsylG i.V.m. § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG nicht vorliegen (BVerfG, B. v. 16.3.1999 – 2 BvR 2131/95 – juris Rn. 22; VG München, B.v. 8.5.2017 – M 2 E 17.37375 – juris Rn. 21).
Vorliegend bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Ziffer 1 des Bescheids vom 15. September 2017. Es erscheint nicht ernstlich fraglich, ob die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG für die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens, wie von dem Bundesamt angenommen, tatsächlich nicht vorliegen (§§ 29 Abs. 1 Nr. 5, 71 Abs. 1 Satz 1 AsylG).
Gemäß § 51 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 VwVfG müssen sich die Sach- oder Rechtslage nachträglich zugunsten des Antragstellers geändert haben (Nr. 1) oder neue Beweismittel vorliegen, die eine für ihn günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würden (Nr. 2) oder Wiederaufnahmegründe nach § 580 ZPO bestehen (Nr. 3). § 51 Abs. 1 VwVfG fordert einen schlüssigen Sachvortrag, der nicht von vornherein nach jeder vertretbaren Betrachtung ungeeignet sein darf, zur Asylberechtigung (Art. 16a GG) oder zur Zuerkennung des internationalen Schutzes (§§ 3 ff., 4 AsylG) zu verhelfen. Es genügt schon die Möglichkeit einer günstigeren Entscheidung aufgrund der geltend gemachten Wiederaufnahmegründe (dazu BVerfG, B. v. 3.3.2000 – 2 BvR 39/98 – juris Rn. 32 m.w.N.). Außerdem ist der Antrag gemäß § 51 Abs. 2 und 3 VwVfG nur zulässig, wenn der Betroffene ohne grobes Verschulden außerstande war, den Grund für das Wiederaufgreifen in dem früheren Verfahren geltend zu machen und er den Antrag binnen drei Monaten nach Kenntnis des Grundes für das Wiederaufgreifen gestellt hat.
Gemäß § 51 Abs. 3 Satz 2 VwVfG beginnt die Frist mit dem Tag, an dem der Betroffene von dem Grund für das Wiederaufgreifen Kenntnis erhalten hat. Bei (gegebenenfalls sich prozesshaft entwickelnden) Dauersachverhalten ist grundsätzlich die erstmalige Kenntnisnahme von den Umständen für den Fristbeginn maßgeblich. Das Erfordernis, die Frist nach § 51 Abs. 3 VwVfG einzuhalten, gilt auch für die sich prozesshaft entwickelnde Dauersachverhalte sowie Wiederaufgreifensgründe, die während des behördlichen oder gerichtlichen Verfahrens auftreten. Wenn der Dauersachverhalt einen Qualitätsumschlag erfährt, kann diese Frist erneut in Lauf gesetzt werden (BVerwG, U.v. 13.5.1993 – 9 C 49/92 – BVerwGE 92, 278). Bei der Folgeantragstellung müssen substantiiert und schlüssig, gegebenenfalls unter Darlegung von Beweismitteln, sowohl die geltend gemachten Wiederaufgreifensgründe als auch die Einhaltung der Frist dargelegt werden (Hailbronner, Ausländerrecht, Stand Juni 2016, § 71 AsylG, Rn. 41 ff.). Hinsichtlich § 51 Abs. 2 VwVfG ist dem Betreffenden in der Regel ein qualifizierter Schuldvorwurf zu machen, wenn er nicht alle bereits eingetretenen und auch bekannt gewordenen Umstände, die das persönliche Umfeld betreffen, bei den zuständigen Stellen vorbringt. Dem von Verfolgung konkret Bedrohten muss sich – auch wenn er mit den Einzelheiten konkreter Verfahrensabläufe nicht vertraut ist – bei einfachsten Überlegungen aufdrängen, dass er schon im ersten bzw. in früheren Verfahren gegenüber den zuständigen staatlichen Stellen alles zu sagen und vorzubringen hat, was für seine Verfolgung auch nur entfernt von Bedeutung sein kann.
Der Antragsteller hat den vorliegend genannten Voraussetzungen nicht genügt. Sein Folgeantrag vom 4. September 2017 enthält weder eine zum Vortrag im Erstverfahren ergänzende Begründung noch Ausführungen, warum der Vortrag nicht im damaligen Verfahren erfolgen konnte. Auf die erst im Rahmen der Klagebegründung vom 2. Januar 2018 erfolgte Begründung kann insoweit bereits wegen Ablauf der Frist nach § 51 Abs. 3 VwVfG nicht abgestellt werden. Die Argumentation des Antragstellers im Folgeverfahren, er habe den Bescheid vom 19. Mai 2017 nicht rechtzeitig erhalten habe, erscheint für das vorliegende Verfahren irrelevant. Vielmehr hätte der Antragsteller insoweit gegen den Bescheid vom 19. Mai 2017, sobald er davon Kenntnis erlangt hatte, Klage erheben und gegebenenfalls einen begründeten Wiedereinsetzungsantrag stellen müssen. In einem solchen Verfahren wäre dann sowohl die Wirksamkeit der Zustellung des Bescheides vom 19. Mai 2017 als auch dessen inhaltliche Richtigkeit zu überprüfen gewesen.
Der Antrag nach § 123 VwGO ist demgegenüber begründet. Der Antragsteller hat hinsichtlich des zu sichernden materiellen Anspruchs auf Feststellung der Voraussetzungen eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG die für Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund maßgeblichen Tatsachen hinreichend glaubhaft gemacht (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 ZPO).
Nach § 123 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO ist ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis begründet, wenn aufgrund einer summarischen Prüfung eine überwiegende Wahrscheinlichkeit für das Bestehen eines Anordnungsanspruchs spricht (BVerfG, B.v. 28.9.2009 – 1 BvR 1702/09 – juris Rn. 15, 24; BayVGH, B.v. 11.12.2013 – 7 CE 13.2063 – juris; Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Online-Kommentar, Stand: Juni 2017, § 123 Rn. 74 f.) und ein Anordnungsgrund gegeben ist. Voraussetzung des Erlasses einer einstweiligen Anordnung gemäß § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO ist mithin grundsätzlich, dass hinsichtlich der Hauptsache überwiegende Erfolgsaussichten bestehen (Kopp/Schenke, VwGO, 23. Aufl. 2017, § 123 Rn. 23 f.). Dabei muss unter dem Gesichtspunkt des Schutzes der Grundrechte der Grad der Wahrscheinlichkeit, dass kein Anordnungsanspruch besteht, umso höher sein, je schwerwiegender die drohenden Nachteile und je weniger wahrscheinlich ihre Rückgängigmachung im Falle eines späteren Obsiegens sind (BVerfG, B.v. 25.10.1988 – 2 BvR 745/88 – juris; BVerfG, B. v. 6.2.2013 – 1 BvR 2366/12, BVerfGK 20, 196).
Zwar ergibt sich vorliegend aus der anzustellenden summarischen Prüfung kein Überwiegen der Erfolgsaussichten einer Klage des Antragstellers auf Feststellung eines Abschiebungsverbots, der Ausgang des Hauptsacheverfahrens ist vielmehr offen. Jedoch ergibt die gebotene Folgenabwägung, dass aufenthaltsbeendende Maßnahmen aus derzeitiger Sicht unverhältnismäßig in das Recht des Antragstellers aus Art. 3 EMRK eingreifen, da ein Obsiegen des Antragstellers in einem potentiellen Hauptsacheverfahren derzeit auch nicht ausgeschlossen werden kann.
Der erstmalig im gerichtlichen Verfahren vorgetragene und zumindest ansatzweise mit Dokumenten belegte Sachverhalt, dass der Vater des Klägers eine führende Position im Polizeizeitdienst inne hatte und daher für den Vater eine besondere Gefährdungssituation bestanden habe, die schließlich auch zu dessen Ermordung geführt habe, lässt es als nicht völlig ausgeschlossen erscheinen, dass auch für den Antragsteller eine Gefährdungssituation besteht, die eine Abschiebung unzumutbar erscheinen lassen.
Es besteht auch ein Anordnungsgrund. Ohne einstweilige Anordnung wäre die Ausländerbehörde jedenfalls asylrechtlich nicht gehindert, die Abschiebung des Antragstellers zu vollziehen. Dies würde den zu sichernden Anspruch des Antragstellers auf Feststellung der Voraussetzungen eines Abschiebungsverbots gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG offensichtlich vereiteln. Zur Sicherung dieses Anspruchs ist es erforderlich, aber auch ausreichend, der Antragsgegnerin aufzugeben, gegenüber der zuständigen Ausländerbehörde zu erklären, dass die Abschiebung des Antragstellers bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung über die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG im Hauptsacheverfahren vorläufig nicht vollzogen werden darf. Auf die Mitteilung nach § 71 Abs. 5 Satz 2 AsylG kann hingegen nicht abgestellt werden, da diese allein den Folgeantrag nach § 71 AsylG betrifft.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).

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