Verwaltungsrecht

Gefahrprognose bei einem nicht landesweiten Konflikt

Aktenzeichen  20 ZB 17.31602

Datum:
14.11.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 132512
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 3, § 78 Abs. 3, Abs. 5 S. 2

 

Leitsatz

1 Bei der zu treffenden Gefahrprognose bei einem nicht landesweiten Konflikt ist auf den tatsächlichen Zielort des Ausländers bei einer Rückkehr abzustellen; das ist in der Regel seine Herkunftsregion, in die er typischerweise zurückkehren wird. (Rn. 4) (redaktioneller Leitsatz)
2 Eine gebietsabdeckende Gefahrenlage in Süd- und Zentralsomalia besteht nicht, vielmehr ist grundsätzlich hinsichtlich der Herkunftsorte und Herkunftsprovinzen zu unterscheiden. In Mogadischu ist die erforderliche Gefahrendichte nicht gegeben. (Rn. 4) (redaktioneller Leitsatz)
3 Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung stehen im Asylprozess nicht als Zulassungsgrund zur Verfügung. (Rn. 5) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

W 4 K 17.32225 2017-09-12 Urt VGWUERZBURG VG Würzburg

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Der Zulassungsantrag bleibt ohne Erfolg. Er ist unbegründet, weil der geltend gemachte Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG) nicht gegeben ist.
Die vom Kläger aufgeworfene Frage:
„Ist in Süd- und Zentralsomalia aufgrund der aktuellen Auskunftslage ein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt im Sinne von § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG gegeben, der nach wertender Betrachtung so verdichtet ist, dass jede Zivilperson unabhängig von individuellen Gefahr erhöhenden Umständen einer ernsthaften individualisierten Bedrohung infolge willkürlicher Gewalt ausgesetzt ist“,
hat keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG, weil sich diese Frage in einem durchzuführenden Berufungsverfahren nicht stellt. Für die im Rahmen des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG zu treffende Gefahrenprognose ist bei einem nicht landesweiten Konflikt auf den tatsächlichen Zielort des Ausländers bei einer Rückkehr abzustellen. Für die Frage, welche Region als Zielort seiner Rückkehr anzusehen ist, kommt es weder darauf an, für welche Region sich ein unbeteiligter Betrachter vernünftigerweise entscheiden würde, noch darauf, in welche Region der betroffene Ausländer aus seinem subjektiven Blickwinkel strebt. Zielort der Abschiebung ist in der Regel seine Herkunftsregion, in die er typischerweise zurückkehren wird (BVerwG, U.v. 14.7.2009 – 10 C 9.08 – juris Rn. 17 unter Hinweis auf EuGH, U.v. 17.2.2009 – C-465/07 [Elgafaji]; zum Ganzen OVG Rheinland-Pfalz, U.v. 16.12.2015 – 10 A 10689/15 – juris = Asylmagazin 2016, 29). Im Falle Somalias ist nach der Rechtsprechung des Senats (vgl. BayVGH, U.v. 23.3.2017 – 20 B 15.30110 – juris) und den zur Verfügung stehenden Erkenntnismitteln davon auszugehen, dass eine derartige gebietsabdeckende Gefahrenlage in Süd- und Zentralsomalia nicht besteht. Vielmehr ist grundsätzlich hinsichtlich der Herkunftsorte und Herkunftsprovinzen zu unterscheiden und zu ermitteln. Nach der Rechtsprechung des Senats (BayVGH, U.v. 23.3.2017 – 20 B 15.30110 – juris; U.v. 28.3.2017 – 20 B 15.30204) ist in Mogadischu die erforderliche Gefahrendichte nicht gegeben.
Nicht zur Zulassung der Berufung führt auch der Umstand, dass das Verwaltungsgericht bei der Beurteilung der Gefahrenlage auf die Region Mogadischu abstellt, obwohl der nach seinen Angaben in Qoryooley (Region Shabella Hoose) aufgewachsene Kläger (vgl. die Angaben in der Anhörung, S. 3 des Anhörungsprotokolls, Bl. 68 der BA-Akte) sich höchstens wenige Tage vor seiner Ausreise im Januar 2014 in Mogadischu aufgehalten hat (vgl. einerseits S. 2 der Niederschrift über die mündliche Verhandlung, andererseits Bl. 68 der BA-Akte). Denn insoweit wurde schon keine Frage von grundsätzlicher Bedeutung aufgeworfen. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung stehen hingegen im Asylprozess nicht als Zulassungsgrund zur Verfügung (§ 78 Abs. 3 AsylG).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, § 83b AsylG.
Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 78 Abs. 5 Satz 2 AsylG).


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