Verwaltungsrecht

Gesetzliche Vermutung des Senegal als sicherer Herkunftsstaat nicht widerlegt

Aktenzeichen  M 4 S 17.34334

Datum:
31.3.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG AsylG § 29a, § 36
AufenthG AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7

 

Leitsatz

Die allgemein harten Lebensbedingungen im Senegal eröffnen keine Berufung auf den Schutz aus § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Der Antrag wird abgelehnt.
II.
Die Antragsteller haben die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Gründe

I.
Die Antragsteller wenden sich gegen einen Bescheid des Bundesamtes für … (Bundesamt), mit dem ihr Asylbegehren als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde.
Die Antragsteller geben an, senegalesische Staatsangehörige zu sein. Der Antragsteller zu 1 gibt an, sein Heimatland im Juli 2003 verlassen zu haben. In Griechenland hätte er sich elf Jahre aufgehalten. Am … September 2015 sei er in die Bundesrepublik Deutschland eingereist. Die Antragstellerin zu 2.) gibt an, ihr Heimatland 2010 verlassen zu haben. Über Österreich sei sie am … September 2015 in die Bundesrepublik Deutschland eingereist. Hier stellten die Antragsteller am 3. November 2016 Asylanträge.
Bei ihrer persönlichen Anhörung am … November 2016 gab die Antragstellerin zu 1) im Wesentlichen an, dass sie vor ihrer Ausreise in … gelebt habe. Sie sei aus familiären Gründen ausgereist. Ihr Vater habe gewollt, dass sie die vierte Frau eines Cousins werde, der wesentlich älter als sie gewesen sei. Sie habe einen Freund gehabt und sich geweigert. Als sie von diesem Freund schwanger geworden sei, habe ihr Vater sie täglich geschlagen und bedroht. Eines Tages habe er ihr ein Messer an den Hals gelegt und ihr gedroht, dass er sie töten werde, wenn sie nicht abtreibe. Er habe eine zu respektierende Position in ihrer Heimatstadt innegehabt. Eine Nachbarin habe Arbeit im Ausland vermittelt und ihr bei der Ausreise geholfen. Zur Polizei sei sie nicht gegangen, da es sich um eine familiäre Angelegenheit gehandelt habe. In andere Teile des Senegals sei sie nicht geflüchtet, weil sie dort niemanden gehabt hätte. In Griechenland hätte sie ihren Mann kennengelernt.
Bei seiner persönlichen Anhörung am … November 2016 gab der Antragsteller zu 2) im Wesentlichen an, dass er vor seiner Ausreise zuletzt in Dakar gelebt habe. Der Grund für seine Ausreise sei gewesen, dass er mit seiner ersten Frau eine Tochter gehabt habe, die im Juli 2003 beschnitten worden sei. Sie sei daran verstorben. Seine erste Frau habe die Volkszugehörigkeit Mandingo gehabt, bei ihnen entspreche es den Gepflogenheiten, Mädchen zu beschneiden. Er und seine Mutter seien mit der Beschneidung nicht einverstanden gewesen. Er habe sich dann entschlossen, gegen die Beschneidung zu kämpfen, damit nicht mehr Mädchen Opfer würden. Die Befürworter der Beschneidung hätten Voodoo angewandt und so den Tod seiner Mutter verursacht. Auch er selbst hätte geschwollene Hände gehabt, Ärzte hätten ihm nicht helfen können. Bei einer Rückkehr in den Senegal befürchte er die Beschneidung seiner jetzigen Tochter.
Mit Bescheid vom 27. Februar 2017 lehnte das Bundesamt den Antrag der Antragsteller auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und Asylanerkennung als offensichtlich unbegründet ab (1. und 2.). Auch der Antrag auf subsidiären Schutz wurde als offensichtlich unbegründet abgelehnt (3.). Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 Aufenthaltsgesetz -AufenthG- lägen nicht vor (4.). Die Antragsteller würden aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe der Entscheidung zu verlassen. Sollten die Antragsteller die Ausreisefrist nicht einhalten, würden sie in den Senegal abgeschoben. Sie könnten auch in einen anderen Staat abgeschoben werden, in den sie einreisen dürften oder der zu ihrer Rückübernahme verpflichtet sei (5.). Das Einreise- und Aufenthaltsverbot werde gemäß § 11 Abs. 7 AufenthG angeordnet und auf 10 Monate ab dem Tag der Ausreise befristet (6.). Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG werde auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (7.).
Das Bundesamt begründete den Bescheid im Wesentlichen damit, dass die Antragsteller nichts glaubhaft vorgetragen hätten, was zu der Überzeugung gelangen ließe, dass in ihrem Fall, entgegen der Einschätzung der allgemeinen Lage im Heimatstaat, die Voraussetzungen für die Annahme einer begründeten Furcht vor Verfolgung oder die Gefahr eines ernsthaften Schadens erfüllt seien. Beim Senegal handle es sich um einen sicheren Herkunftsstaat im Sinne von Art. 16a Abs. 3 Satz 1 Grundgesetz.
Mit Telefax vom 7. März 2017 erhob der Bevollmächtigte der Antragsteller Klage gegen den streitgegenständlichen Bescheid (Az. M 4 K 17.34331) und beantragte nach § 80 Abs. 5 Verwaltungsgerichtsordnung -VwGO-,
die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen.
Das Bundesamt legte die Akten vor, äußerte sich sonst jedoch nicht im Verfahren.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtssowie die beigezogene Behördenakte verwiesen.
II.
Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsandrohung hat keinen Erfolg.
Der zulässige Antrag ist unbegründet.
Die Ablehnung des Asylbegehrens sowie der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft als jeweils offensichtlich unbegründet und die Ablehnung des subsidiären Schutzes als offensichtlich unbegründet unterliegen keinen durchgreifenden Bedenken. Auch das Vorliegen von Abschiebungsverboten ist nicht erkennbar, so dass eine Aussetzung der Abschiebung im Ergebnis nicht geboten ist.
1. Nach § 36 Abs. 4 Satz 1 AsylG i.V.m. § 30 Abs. 1 AsylG darf die Aussetzung der Abschiebung in den Fällen, in denen der Asylantrag und der Antrag auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft als offensichtlich unbegründet abgelehnt worden sind, nur angeordnet werden, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes bestehen. Diese ernstlichen Zweifel liegen vor, wenn erhebliche Gründe dafür sprechen, dass die Abschiebungsandrohung einer rechtlichen Prüfung wahrscheinlich nicht standhält (grundlegend zur Ablehnung des Asylantrags als „offensichtlich unbegründet“ und zum Umfang der gerichtlichen Prüfung: BVerfG, U. v. 14.5.1996 – 2 BvR 1516/93 – BVerfGE 94, 166/189 ff. – juris Rn. 86 ff.). Anknüpfungspunkt zur Frage der Bestätigung oder Verwerfung des Sofortvollzugs durch das Gericht muss daher die Prüfung sein, ob das Bundesamt den Antrag zu Recht als offensichtlich unbegründet abgelehnt hat und ob diese Ablehnung auch weiterhin Bestand haben kann.
Das Gericht hat im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes auch die Einschätzung des Bundesamtes, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen, zum Gegenstand der Prüfung zu machen. Dies ist zwar der gesetzlichen Regelung des § 36 AsylG nicht ausdrücklich zu entnehmen, jedoch gebieten die verfassungsrechtlichen Gewährleistungen der Art. 19 Abs. 4 und Art. 103 Abs. 1 Grundgesetz die diesbezügliche Berücksichtigung auch im Verfahren nach § 36 AsylG (vgl. zur Rechtslage nach dem Abschiebungsverbot gemäß § 60 AufenthG entsprechenden § 51 Ausländergesetz 1990: BVerfG, U. v. 14.5.1996 – 2 BvR 1516/93 – BVerfGE 94, 166/221).
2. Nach Maßgabe dieser Grundsätze bestehen vorliegend keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angegriffenen, mit einer Ausreisefrist von einer Woche (§ 36 Abs. 1 AsylG) versehenen Abschiebungsandrohung. Das Gericht folgt zunächst den Ausführungen des Bundesamtes im angefochtenen Bescheid und sieht insoweit von einer weiteren Darstellung von Entscheidungsgründen ab (§ 77 Abs. 2 AsylG).
Ergänzend wird ausgeführt:
a) Im jeweiligen Antragsvorbringen ist zur Frage der Ablehnung des Asylbegehrens der Antragsteller nichts vorgetragen, was eine Abweichung von der gesetzlichen Wertung in Art. 16a Abs. 3 GG, § 29a Abs. 1 AsylG begründen könnte. Der Senegal ist in der Anlage II zu § 29a Abs. 2 AsylG als sogenannter sicherer Herkunftsstaat gelistet. Von den Antragstellern sind keine Tatsachen oder Beweismittel angegeben, die eine von der allgemeinen Lage im Herkunftsstaat abweichende Bewertung rechtfertigen (vgl. § 29a Abs. 1 AsylG). Der Asylantrag war somit nach § 29a Abs. 1 AsylG als offensichtlich unbegründet abzulehnen.
Die gleiche Beurteilung gilt für die Ablehnung der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft als offensichtlich unbegründet. Der Vortrag der Antragsteller lässt schon kein Anknüpfungsmerkmal im Sinne der §§ 3 ff. AsylG erkennen. Hinsichtlich der Antragstellerin zu 2) ist auszuführen, dass sie eine rein familiäre Streitigkeit vorgetragen hat und sie sich entgegen § 3d AsylG nicht an die örtlichen Sicherheitsbehörden gewandt und sie entgegen § 3e AsylG keinen internen Schutz durch einen Umzug innerhalb ihres Heimatlandes in Anspruch genommen hat. Hinsichtlich des Antragstellers zu 1) gilt das gleiche. Auch ist nicht ersichtlich, wieso bei einer Rückkehr die Gefahr bestehen sollte, dass seine Tochter beschnitten würde. Seine frühere Tochter wurde auf Bestreben seiner ersten Ehefrau hin beschnitten, diese ist jedoch nicht die Mutter der jetzigen Tochter. Auch die Voraussetzungen des subsidiären Schutzes im Sinne der §§ 4 ff. AsylG liegen erkennbar nicht vor.
b) Die Ablehnung mit der Folge des Ausschlusses der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsandrohung erfasst auch die Verneinung des Vorliegens von (nationalen) Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Auch zum Vorliegen von Abschiebungsverboten haben die Antragsteller bis zum maßgeblichen Zeitpunkt der vorliegenden Entscheidung nichts vorgetragen, was ein Abweichen von der Bewertung im angegriffenen Bescheid rechtfertigt.
Die allgemein harten Lebensbedingungen im Senegal eröffnen keine Berufung auf den Schutz aus § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Zwar ist nach der Auskunftslage (Bericht des Auswärtigen Amtes vom 14.10.2016, dort zu Ziffer IV.1 – S. 15) davon auszugehen, dass die Versorgungslage im Senegal schlecht ist. Im Hinblick auf die Lebensbedingungen kann der zurückkehrende Ausländer Abschiebungsschutz in verfassungskonformer Auslegung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG aber nur ausnahmsweise beanspruchen, wenn er bei seiner Rückkehr aufgrund dieser Bedingungen mit hoher Wahrscheinlichkeit einer extremen Gefahrenlage ausgesetzt wäre, d.h. gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgesetzt ist (vgl. BVerwG, U. v. 12.7.2001 – 1 C 5/01 – BVerwGE 115, 1 m.w.N.; BVerwG, U. v. 29.9.2011 – 10 C 24/10 – NVwZ 2012, 451 Rn. 20).
Für das Vorliegen einer extremen Gefahrenlage in Bezug auf die Antragsteller sind keine Anhaltspunkte vorhanden.
c) Damit ist die nach Maßgabe der §§ 34, 36 Abs. 1 Satz 1 AsylG i.V.m. § 59 AufenthG erlassenen Abschiebungsandrohung insgesamt nicht zu beanstanden. Die gesetzte Ausreisefrist entspricht der Regelung in § 36 Abs. 1 AsylG.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).


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