Verwaltungsrecht

Gröbliche Verletzung von Mitwirkungspflichten im Rahmen eines Asylbegehrens

Aktenzeichen  M 5 S 16.30491

Datum:
5.4.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO VwGO § 80 Abs. 5
AsylG AsylG § 17 Abs. 1, § 25 Abs. 1, § 30 Abs. 3 Nr. 5

 

Leitsatz

Den Asylantragsteller trifft eine Mitwirkungspflicht dahingehend, dass er nach § 25 Abs. 1 S. 1 AsylG Angaben zu seinen Asylgründen machen muss. (redaktioneller Leitsatz)
Ein Anspruch auf Anhörung zu den Asylgründen in einer bestimmten Sprache besteht nicht. Nach § 17 Abs. 1 AsylG ist statt der Muttersprache ein Dolmetscher auch für eine andere Sprache heranzuziehen, deren Kenntnis beim Antragsteller vernünftigerweise vorausgesetzt werden kann und in der er sich verständigen kann. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Der Antrag wird abgelehnt.
II.
Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Gründe

I.
Der Antragsteller stellte am 27. August 2013 einen Asylantrag. Er gab an, senegalesischer Staatsangehöriger vom Volk der Serer zu sein. Als Sprache gab er Serer und Spanisch an. Die Anhörung zu seinen Personaldaten erfolgte in spanischer Sprache. Er hat mit Unterschrift dabei bestätigt, dass diese Angaben richtig seien. Auch die Verfahrensbelehrungen wurden in spanischer Sprache übersetzt, wobei der Ausländer bestätigte, den Inhalt verstanden zu haben. Außerdem gab er an, die Sprache Wolof zu sprechen. Auf einem Blatt über Angaben von Personaldaten in französischer Sprache bestätigte der Antragsteller am 11. August 2013 die Richtigkeit seiner Daten.
Bei seiner Anhörung zu den Asylgründen am 24. November 2015 behauptete der Antragsteller, dass eine Verständigung in Wolof wie auf Spanisch nicht möglich sei. Bei einem weiteren Verständigungsversuch durch eine Dolmetscherin für Französisch und Spanisch sei eine Kommunikation möglich gewesen, der Ausländer habe aber auf Anhörung in seiner Muttersprache Serer bestanden. Die Entscheiderin der Behörde habe sich mit dem Antragsteller auch auf Deutsch einigermaßen gut verständigen können.
Bei einer weiteren Anhörung am 16. Dezember 2015 in der Sprache Wolof gab der Antragsteller an, nicht aus dem Senegal, sondern aus Gambia zu stammen. Er habe nie im Senegal gelebt. Auf Vorhalt, dass er bislang angegeben habe, aus dem Senegal zu stammen, gab er an, den Dolmetscher kaum mehr verstehen zu können. Aufgrund seiner gambischen Staatsangehörigkeit verstehe er fast nur Serer. Die Anhörung habe darauf abgebrochen werden müssen.
Der Bevollmächtigten des Antragstellers wurde am 13. Januar 2015 Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben, da nunmehr nach Aktenlage entschieden werde. Es wurde keine Stellungnahme abgegeben.
Mit Bescheid vom 17. Februar 2016 lehnte das Bundesamt den Antrag auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (Nr. 1) und auf Asylanerkennung (Nr. 2) als offensichtlich unbegründet ab, lehnte den Antrag auf subsidiären Schutz ab (Nr. 3) und stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes nicht vorliegen (Nr. 4). Es forderte die Antragstellerpartei auf, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe dieser Entscheidung zu verlassen, anderenfalls wurde die Abschiebung in den Senegal oder in einen anderen Staat, in den eingereist werden darf oder der zur Rückübernahme verpflichtet ist, angedroht (Nr. 5). Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot wurde auf 10 bzw. 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet.
Der Antragsteller habe keine Schutzgründe angegeben. Entsprechend seinen Angaben stamme er aus dem Senegal. Hinsichtlich dieses Staates seien keine Abschiebungsverbote ersichtlich. Der Antragsteller habe seine Mitwirkungspflichten gröblich verletzt. Denn er habe ausdrücklich angegeben, neben Serer auch Spanisch zu sprechen sowie Wolof und auch Französisch. Der Bescheid wurde am 4. März 2016 zur Post gegeben.
Gegen diesen Bescheid erhob die Antragstellerpartei am 10. März 2016 Klage und beantragte gleichzeitig,
die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsandrohung anzuordnen.
In der Familie des Antragstellers sei ausschließlich Serer gesprochen worden. Er besitze die senegalesische Staatsangehörigkeit.
Die Antragsgegnerin legte die Akten vor und stellte keinen Antrag.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte in diesem Verfahren und im Klageverfahren sowie auf die vorgelegte Behördenakte verwiesen.
II.
Der zulässige Antrag ist unbegründet, da keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen (Art. 16a Abs. 4 GG, § 36 Abs. 4 AsylG).
1. Gemäß Art. 16a GG, § 36 Abs. 4 AsylG kann das Verwaltungsgericht auf Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO die Aussetzung der Abschiebung anordnen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen. Im Rahmen der Entscheidung über einen solchen Antrag ist im Hinblick auf den durch Art. 19 Abs. 4 GG gebotenen effektiven Rechtsschutz zu prüfen, ob das Bundesamt zu Recht davon ausgegangen ist, dass der geltend gemachte Anspruch auf Asylanerkennung bzw. auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG offensichtlich nicht besteht – wobei eine nur summarische Prüfung nicht ausreicht – und ob dieser weiterhin Bestand haben kann (BVerfG, B.v. 2.5.1984 – 2 BvR 1413/83 – BVerfGE 67, 43). Offensichtlich unbegründet ist ein Asylantrag dann, wenn die Voraussetzungen für eine Anerkennung als Asylberechtigter (Art. 16a GG) und die Voraussetzungen des § 3 AsylG offensichtlich nicht vorliegen (§ 30 Abs. 1 AsylG). Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts liegen ernstliche Zweifel i. S.v. Art. 16a Abs. 4 Satz 1 GG vor, wenn erhebliche Gründe dafür sprechen, dass die Maßnahme einer rechtlichen Prüfung wahrscheinlich nicht standhält (BVerfG, U.v. 14.5.1996 – 2 BvR 1516/93 – BVerfGE 94, 166 ff.), was nach ständiger Rechtsprechung aber nicht anzunehmen ist, wenn an der Richtigkeit der tatsächlichen Feststellungen vernünftigerweise keine Zweifel bestehen, und sich bei einem solchen Sachverhalt nach allgemein anerkannter Rechtsauffassung die Abweisung geradezu aufdrängt (vgl. BVerfG, B.v. 5.2.1993 – 2 BvR 1294/92 – Inf-AuslR 1993, 196).
2. An der Rechtmäßigkeit der insoweit seitens des Bundesamts getroffenen Ent-scheidungen bestehen hier keine derartigen ernstlichen Zweifel.
Der Antragsteller hat seine Mitwirkungspflicht gröblich verletzt (§ 30 Abs. 3 Nr. 5 AsylG), da er darauf bestanden hat, ausschließlich in Serer angehört zu werden, obwohl eine Verständigung auch in Spanisch, Wolof und Französisch möglich war. Asylgründe in den ihm zur Verständigung angebotenen Sprachen Spanisch, Wolof und Französisch hat er nicht angegeben, sondern die Anhörung in zwei Terminen abgebrochen. Ein Ausländer hat nach § 25 Abs. 1 Satz 1 AsylG Angaben zu seinen Asylgründen zu machen. Ein Anspruch auf Anhörung in einer bestimmten Sprache besteht nicht. Nach § 17 Abs. 1 AsylG ist statt der Muttersprache ein Dolmetscher auch für eine andere Sprache heranzuziehen, deren Kenntnis beim Antragsteller vernünftigerweise vorausgesetzt werden kann und in der er sich verständigen kann. Da sowohl in Spanisch wie auch Französisch und Wolof eine Verständigung grundsätzlich möglich war, der Antragsteller aber darauf bestanden hat, ausschließlich auf Serer angehört zu werden, liegt darin eine beharrliche und gröbliche Verletzung seiner Mitwirkungspflicht. Dem kann nicht entgegen gehalten werden, dass er nur über eine geringe Schulbildung verfüge und in seiner Familie ausschließlich Serer gesprochen worden sei. Denn eine Angabe zu seinen Personalien und eine grundsätzliche Verständigung war auch in den vom Ausländer angegebenen Sprächen Spanisch, Wolof und Französisch möglich. Es ist nicht ersichtlich, dass der Ausländer sein Verfolgungsschicksal nur in seiner Muttersprache Serer schildern kann. Wenn ihn diese Gründe zu einem Verlassen seines Heimatlandes gezwungen habe, dann ist ihm auch zuzumuten, die Grundzüge dieser Umstände auch in einer Sprache zu schildern, die er zwar nicht als Muttersprache beherrscht, in der er sich auch nach seinen Angaben verständigen kann. Auch im gerichtlichen Verfahren wurden keine Gründe vorgetragen, obwohl eine einfache Verständigung zwischen dem Antragsteller und seiner Bevollmächtigten mittlerweile sogar auf Deutsch möglich war. Auch hier hat es der Ausländer versäumt, wenigstens ansatzweise Gründe für seine Ausreise anzugeben.
Der Antragsteller ist senegalesischer Staatsangehöriger. Das hat er wiederholt vorgetragen. Er hat als Geburtsort auch einen in Senegal gelegenen Ort angegeben. Auch seine Bevollmächtigte hat im Schriftsatz vom 10. März 2016 angegeben, dass der Antragsteller senegalesischer Staatsangehöriger sei. Die Angabe des Antragstellers im Termin vom 17. Dezember 2015, er sei Staatsangehöriger Gambias, ist daher unglaubhaft.
Das Bundesamt hat im Übrigen auch zu Recht die Zuerkennung subsidiären Schutzes (§ 4 AsylG) und das Vorliegen von Abschiebungsverboten gemäß § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG abgelehnt. Das Gericht nimmt auch insoweit auf die Begründung des Bundesamts Bezug (§ 77 Abs. 2 AsylG).
Vor diesem Hintergrund ist die nach Maßgabe der §§ 34, 36 Abs. 1 Satz 1 AsylG i. V. m. § 59 AufenthG erlassene Abschiebungsandrohung nicht zu beanstanden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).


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