Verwaltungsrecht

Haftung eines Grundstücks für öffentliche Lasten

Aktenzeichen  20 CS 16.1338

Datum:
12.9.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayKAG BayKAG Art. 5 Abs. 3, Art. 5 Abs. 7
VwGO VwGO § 80 Abs. 4 S. 3

 

Leitsatz

1 Bei Art. 5 Abs. 7 BayKAG handelt es sich um eine speziell auf das Kommunalabgabengesetz ausgerichtete Bestimmung, die für den Bereich der dort geregelten Abgaben vorrangig gelten soll. (redaktioneller Leitsatz)
2 Im Allgemeinen kann davon ausgegangen werden, dass eine Behörde ein Vorbringen auch dann zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen hat, wenn sie bei der angekündigten Entscheidung bleibt. (redaktioneller Leitsatz)
3 Unbillig ist eine Härte iSv § 80 Abs. 4 S. 3 VwGO nur, wenn sie, über die Hingabe des geschuldeten Betrags hinaus, weitere Nachteile für den Betroffenen mit sich brächte, die im Falle des Obsiegens nicht oder nur schwer wiedergutzumachen wären oder deren Hinnahme aus sonstigen Gründen unzumutbar erschiene. (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

RN 11 S 16.505 2016-06-15 Bes VGREGENSBURG VG Regensburg

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III. Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 31.334,80 € festgesetzt.

Gründe

Die zulässige Beschwerde (§§ 146, 147 VwGO) der Antragstellerin hat in der Sache keinen Erfolg.
Die von der Antragstellerin dargelegten Gründe, auf deren Prüfung der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, rechtfertigen keine Änderung der Entscheidung des Verwaltungsgerichts, das den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 4. Februar 2015 abgelehnt hat.
Zunächst steht Art. 70 Abs. 2 Satz 1 AGBGB dem angefochtenen Duldungsbescheid nicht entgegen. Hiernach erlischt die Haftung des Grundstücks für fällige einmalige Leistungen mit dem Ablauf von vier Jahren nach dem Eintritt des Zeitpunktes, von dem an die Leistung gefordert werden kann. Denn im vorliegenden Fall richtet sich die Haftung des Grundstücks nicht nach dieser Bestimmung, weil gemäß Art. 5 Abs. 7 Satz 1 KAG die öffentliche Last nicht enden kann, solange die persönliche Schuld besteht. Bereits die Gesetzessystematik spricht dafür, dass es sich bei Art. 5 Abs. 7 KAG um eine speziell auf das Kommunalabgabengesetz ausgerichtete Bestimmung handelt, die also für den Bereich der dort geregelten Abgaben vorrangig gelten soll. Bestätigt wird diese Sicht durch die amtliche Begründung in der LT-Drucksache 12/8082, S. 7 Buchst. d. Hiernach ist es die ratio des Art. 5 Abs. 7 Satz 1 KAG, dass die öffentliche Last jedenfalls solange auf dem Grundstück ruht, wie die persönliche Schuld besteht. Die dort ausdrücklich aufgeführte Regelung des Art. 70 Abs. 2 Satz 1 AGBGB war nach Ansicht des Gesetzgebers z. B. im Hinblick auf längerfristige Stundungen von Beitragsforderungen für den Bereich des Kommunalabgabenrechts korrekturbedürftig (BayVGH, B.v. 12.9.2011 – 20 CS 11.1957 – juris).
Soweit die Antragstellerin die von dem Beklagten im Bescheid vom 4. Februar 2015 zugrunde gelegten für den Beitragsmaßstab relevanten Grundstücks- und Geschoßflächen anzweifelt, vermag der Senat bei summarischer Prüfung auf der Grundlage des Vorbringens der Antragstellerin in ihrer Beschwerdebegründung keine Fehler in den entsprechenden Ausführungen des Verwaltungsgerichts zu erkennen. Das Verwaltungsgericht hat sich detailliert mit den vorgebrachten Einwendungen der Antragstellerin auseinandergesetzt (Seiten 15 bis 21 des Beschlusses). Dabei hat es bei seiner Einschätzung die einschlägige Rechtsprechung des Senates zu Grunde gelegt. Das Vorbringen der Klägerin im Beschwerdeverfahren beschränkt sich darauf, die Ausführungen des Verwaltungsgerichts zu bestreiten und setzt sich insbesondere nicht mit den Vorgaben der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs auseinander. Weiter muss eine genaue Aufklärung des Umfangs der beitragspflichtigen Grundstücks- und Geschossflächen aufgrund des summarischen Charakters des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben. Hier hat die Antragstellerin Gelegenheit, gegebenenfalls durch den Gebrauch ihres Beweisantragsrechtes, substantiiert die vorläufige Einschätzung des Verwaltungsgerichts infrage zu stellen.
Die Antragstellerin meint weiter, dass der streitgegenständliche Duldungsbescheid gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs verstoße, weil der Antragsgegner im Rahmen der Anhörung den Einwendungen der Klägerin nicht nachgegangen sei. Macht der Beteiligte wie im vorliegenden Fall von seinem Recht zur Stellungnahme Gebrauch, ist die Behörde verpflichtet, das auf Grund der Anhörung Vorgebrachte zur Kenntnis zu nehmen und ernsthaft in Erwägung zu ziehen. Gelegenheit zur Äußerung bedeutet einerseits keine Verpflichtung zur Stellungnahme, andererseits nicht die Notwendigkeit, sich mit dem Angehörten abzustimmen oder das Benehmen oder Einvernehmen mit ihm herzustellen. Im allgemeinen kann davon ausgegangen werden, dass eine Behörde ein Vorbringen auch dann zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen hat, wenn sie bei der angekündigten Entscheidung verbleibt (Stelkens/Bonk/Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz, 8. Auflage 2014, Rn 16). Davon dass der Antragsgegner das Vorbringen der Antragstellerin nicht zur Kenntnis genommen hat, kann aufgrund des zwischen den Beteiligten stattgefundenen Schriftverkehrs nicht die Rede sein. Die Antragstellerin macht mit ihrer Rüge letztlich geltend, dass der Antragsgegner ihren Einwendungen nicht gefolgt sei. Dies stellt jedoch keine Verletzung des rechtlichen Gehörs dar.
Soweit die Antragstellerin rügt, die Ermittlung der Grundstücksflächenzahl sei fehlerhaft erfolgt und es sei nicht berücksichtigt worden, dass ein Wasserbedarf für das jeweilige Gebäude nicht bestehe, setzt sich die Beschwerdebegründung wiederum nicht mit der rechtlichen Begründung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts inhaltlich auseinander. Nachdem im Beitragsrecht zur Bemessung des Vorteiles auf die objektive Nutzbarkeit des Grundstücks abgestellt wird, gehen die Ausführungen der Antragstellerin hinsichtlich einer Unverhältnismäßigkeit der Beitragserhebung an der Sache vorbei.
Durch die behauptete faktische Nutzung einer Teilfläche des Grundstücks für den öffentlichen Verkehr lässt sich ein Eigenanteil im Sinne des Art. 5 Abs. 3 KAG nicht begründen. Auch darauf hat das Verwaltungsgericht in seinem Beschluss hingewiesen (Seite 15 Ziffer 2.1.5 des Beschlusses).
Die sofortige Vollziehung stellt auch keine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte dar. Unbillig ist eine Härte nur, wenn sie, über die Hingabe des geschuldeten Betrages hinaus, weitere Nachteile für die Antragstellerin mit sich brächte, die im Falle eines Obsiegens nicht oder nur schwer wiedergutzumachen wären oder deren Hinnahme aus sonstigen Gründen unzumutbar erschiene; dies könnte etwa dann anzunehmen sein, wenn solche Nachteile durch die Anordnung der aufschiebenden Wirkung vermieden werden könnten und die Forderung wegen einer absehbaren Verbesserung der Vermögens- und Einkommensverhältnisse zu einem späteren Zeitpunkt ohne weiteres befriedigt werden könnte. Bis auf die Behauptung einer drohenden Insolvenz hat die Antragstellerin hierfür jedoch nichts vorgetragen. Soweit sie hier wiederum auf die ihrer Ansicht nach unzutreffende Berechnung der Geschoss-und Grundstücksflächen verweist, ist dieser Vortrag bereits grundsätzlich nicht geeignet eine unbillige Härte im Sinne des § 80 Abs. 4 Satz 3 VwGO zu begründen.
Nach alledem ist die Beschwerde mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 2 VwGO zurückzuweisen.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. § 52 Abs. 1 und § 47 Abs. 1 und 2 GKG. Im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes ist bei Abgabestreitigkeiten von einem Viertel des für das Hauptsacheverfahren anzunehmenden Streitwertes auszugehen.
Dieser Beschluss ist gemäß § 152 Abs. 1, § 68 Abs. 1 Satz 5, § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG unanfechtbar.


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