Verwaltungsrecht

Herausgabe sichergestellten Bargelds

Aktenzeichen  10 B 17.83

Datum:
22.5.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BayVBl – 2018, 128
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO VwGO § 43 Abs. 2
PAG Art. 25 Nr. 1 und 2, Art. 28 Abs. 1 Satz 1
StGB StGB §§ 73 ff.
StPO StPO § 111c, § 111d

 

Leitsatz

1. Eine wirksame Abtretung des (behaupteten) Anspruchs auf Herausgabe von präventivpolizeilich sichergestelltem und in öffentlich-rechtliche Verwahrung genommenem Bargeld an Dritte (hier: Prozessbevollmächtigten) ist grundsätzlich rechtlich nicht möglich. (Rn. 32)
2. Für den Herausgabeanspruch gem. Art. 28 Abs. 1 S. 1 PAG wegen nachträglichen Wegfalls der Sicherstellungsvoraussetzungen ist auf die Sachlage im Zeitpunkt der (letzten) gerichtlichen Entscheidung abzustellen. (Rn. 25) (redaktioneller Leitsatz)
3. Zweck und Zielrichtung der präventiven polizeilichen Sicherstellung von Drogengeld ist die – unter Umständen auch dauerhafte – Verhinderung der erneuten Verwendung für Drogengeschäfte bzw. der Rückführung in den Kreislauf der organisierten Drogenkriminalität. (Rn. 34) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

M 2 E 16.2189 2014-12-10 Urt VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Unter Abänderung des Urteils des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 10. Dezember 2014 wird die Klage auch insoweit abgewiesen, soweit der Beklagte in Nr.
I. Satz 1 des Urteils zur Herausgabe des sichergestellten Bargeldbetrags in Höhe von 13.200 Euro und 100 US Dollar an den Kläger verpflichtet wurde.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

Die zulässige Berufung des Beklagten ist begründet. Der vom Kläger mit der Leistungsklage gegen den Beklagten verfolgte Anspruch nach Art. 28 Abs. 1 Satz 1 PAG auf Herausgabe des sichergestellten Bargelds besteht nicht, weil die Voraussetzungen für die Sicherstellung nicht (nachträglich) weggefallen sind. Daher ist das vom Beklagten (teilweise) angefochtene Urteil des Verwaltungsgerichts insoweit abzuändern und die Klage auch bezüglich dieses hilfsweise geltend gemachten Anspruchs abzuweisen.
Die allgemeine Leistungsklage (s. § 43 Abs. 2 VwGO), mit der der Kläger trotz bestandskräftig gewordener Sicherstellungsanordnung des Beklagten vom 3. August 2012 (durch rechtskräftige Abweisung seiner diesbezüglichen Anfechtungsklage durch das Erstgericht) prozessual in zulässiger Weise den Herausgabeanspruch gemäß Art. 28 Abs. 1 Satz 1 PAG wegen nachträglichen Wegfalls der Voraussetzungen für die Sicherstellung geltend macht (vgl. dazu BayVGH, U. v. 15.11.2016 – 10 BV 15.1049 – juris Rn. 35; Senftl in Beck‘scher Online-Kommentar Polizei- und Sicherheitsrecht Bayern, Möstl/Schwabenbauer, Stand 20.4.2017, PAG Art. 28 Rn. 23 ff.), ist unbegründet. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts sind die Voraussetzungen für die Sicherstellung des – in öffentlich-rechtliche Verwahrung genommenen – Bargelds nicht im Sinne von Art. 28 Abs. 1 Satz 1 PAG nachträglich weggefallen. Die dafür erforderliche maßgebliche Änderung der Sachlage in Form des Wegfalls der gegenwärtigen Gefahr nach Art. 25 Nr. 1 PAG ist weder aufgrund der inzwischen ohnehin beendeten Strafhaft noch der persönlichen Entwicklung und der aktuellen Lebensumstände des Klägers festzustellen (nachfolgend 1.). Auch sonstige Umstände wie die unstreitig beim Kläger noch bestehenden erheblichen Schulden oder etwa der durch das Amtsgericht M. mit Beschluss vom 6. Juni 2013 angeordnete dingliche Arrest in das Vermögen des Klägers in Höhe von 15.000 Euro lassen die tatbestandsmäßige Gefahr nach Art. 25 Nr. 1 PAG nicht entfallen (nachfolgend 2.). Nichts anderes gilt schließlich bezüglich des klägerischen Einwands, aufgrund der bereits im Februar 2014 erfolgten „Forderungsabtretung“ an seinen Bevollmächtigten wegen erheblicher Honorarforderungen (aus Prozessvertretungen) erhalte er das herauszugebende Bargeld gar nicht erst, weshalb er dieses auch nicht zur Begehung von Straftaten nach dem Betäubungsmittelgesetz verwenden könne (nachfolgend 3.).
1. Gemäß Art. 25 Nr. 1 PAG kann die Polizei eine Sache sicherstellen, um eine gegenwärtige Gefahr abzuwehren. In der Rechtsprechung des Senats ist geklärt, dass die Sicherstellung von Bargeld zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr insbesondere auch dann in Betracht kommt, wenn das Bargeld zur Begehung von Straftaten verwendet werden soll, wobei sowohl die besondere zeitliche Nähe als auch ein besonders hoher Grad an Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts erforderlich ist. Dies bedingt eine entsprechend abgesicherte Prognose, das heißt, es müssen hinreichend konkrete und nachvollziehbare tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass das Geld unmittelbar oder in allernächster Zeit zur Vorbereitung oder Begehung von Straftaten verwendet werden wird. Ein bloßer Gefahrenverdacht oder bloße Vermutungen reichen dafür nicht aus; allerdings gilt ein mit zunehmendem Ausmaß des möglichen Schadens abgesenkter Grad der Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts (vgl. zuletzt BayVGH, B.v. 17.9.2015 – 10 CS 15.1435, 10 C 15.1434 – juris Rn. 21 m.w.N.).
Während für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer polizeilichen Sicherstellungsanordnung (hier: der vom 3. August 2012) im Rahmen einer Anfechtungsklage und die dabei anzustellende Gefahrenprognose grundsätzlich die konkreten Verhältnisse bzw. Gegebenheiten zum Zeitpunkt der angefochtenen Maßnahme maßgeblich sind (ex-ante Betrachtung, vgl. Senftl in Beck‘scher Online-Kommentar Polizei- und Sicherheitsrecht Bayern, Möstl/Schwabenbauer, Stand 20.4.2017, PAG Art. 25 Rn. 17), ist bei der in Art. 28 Abs. 1 Satz 1 PAG geregelten (speziellen) gesetzlichen Herausgabepflicht der Polizei und dem korrespondierenden Herausgabeanspruch (bei nachträglichem Wegfall der Sicherstellungsvoraussetzungen) nach zutreffender Auffassung des Verwaltungsgerichts schon aus materiellen Gründen auf die Sachlage abzustellen, wie sie im Zeitpunkt der (letzten) gerichtlichen Entscheidung besteht.
Zum danach maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs besteht aber weiterhin die gegenwärtige Gefahr, dass das sichergestellte Bargeld im Fall einer Herausgabe an den Kläger, bei dem es sichergestellt worden ist, zur Begehung von Betäubungsmittelstraftaten verwendet wird. Das ergibt sich aus Folgendem: Das Verwaltungsgericht hat in seinem insoweit rechtskräftig gewordenen Urteil vom 10. Dezember 2014 die Anfechtungsklage des Klägers gegen die polizeiliche Sicherstellungsanordnung vom 3. August 2012 abgewiesen. Damit steht rechtskräftig fest, dass die angefochtene Verfügung auf der Grundlage des Art. 25 Nr. 1 PAG nicht rechtswidrig ist und den Kläger nicht in seinen Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Das Verwaltungsgericht hat bei seiner Gesamtwürdigung (§ 108 Abs. 1 VwGO) aller Umstände hinreichend konkrete und nachvollziehbare tatsächliche Anhaltspunkte für die Annahme festgestellt, dass die beim Kläger sichergestellten Bargeldmittel aus dem Betäubungsmittelhandel stammen und dass sie zu diesem Zweck auch wieder eingesetzt werden sollten. Weder die seit Ende 2015 ohnehin beendete Strafhaft noch die persönliche Entwicklung des Klägers nach Haftende und seine aktuellen Lebensumstände ergeben Gesichtspunkte, aufgrund derer von einer maßgeblichen Änderung dieses – rechtskräftig festgestellten – Sachverhalts und einem nachträglichen Wegfall der Voraussetzungen für die Sicherstellung ausgegangen werden könnte.
Auch wenn der Kläger inzwischen aus der Strafhaft entlassen worden ist, ist hier zunächst klarzustellen, dass nach Auffassung des Senats schon die Annahme des Verwaltungsgerichts, es bestehe lediglich die (bloße) Möglichkeit, dass der (damals noch) in Strafhaft befindliche Kläger im Fall der Herausgabe mit dem Geld Betäubungsmittel erwerbe oder mit diesen handle, da dazu Erkenntnisse „empirisch wenig gesichert“ seien und „keine belastbaren Zahlen“ existierten, nicht überzeugt. Denn der Beklagte hat zu Recht darauf hingewiesen, dass der Kläger auch nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts bereits mehrfach im Rahmen organisierter Drogenkriminalität als Kurier für den Transport von Rauschgift bzw. von Geldmitteln für den Betäubungsmittelhandel tätig geworden ist, selbst mit Betäubungsmitteln in erheblicher Menge gehandelt hat und dass trotz möglicher Beschränkungen der freien Verfügbarkeit über Bargeld und Eigengeldguthaben bei Strafgefangenen jedenfalls die Weiterleitung und Zuführung des – nicht dem Kläger, sondern Dritten gehörenden – Drogengeldes wieder in den Kreislauf der organisierten Drogenkriminalität und erneuter Betäubungsmittelgeschäfte besonders naheliegend ist. Wenn das Verwaltungsgericht bei dieser Ausgangslage nur die Wahrscheinlichkeit des Erwerbs von Betäubungsmitteln oder den Handel mit Betäubungsmitteln durch den Kläger in der Haft selbst in den Blick nimmt und insoweit empirisch gesicherte Erkenntnisse und belastbare Zahlen verlangt, stellt es letztlich zu hohe Anforderungen an den Prognosemaßstab. Denn dabei ist zu berücksichtigen, dass die Gefahren, die vom illegalen Handel mit Betäubungsmittel ausgehen, schwerwiegend sind und ein Grundinteresse der Gesellschaft berühren; die betroffenen Schutzgüter des Lebens und der Gesundheit der Bürger nehmen in der Hierarchie der in den Grundrechten enthaltenen Werteordnung einen besonders hohen Rang ein (stRspr im Aufenthaltsrecht; vgl. z.B. BVerwG, U.v. 14.5.2013 – 1 C 13.12 – juris Rn. 12 m.w.N.). Schon mit Blick auf den nach den allgemeinen Grundsätzen des Gefahrenabwehrrechts auch bei dieser tatrichterlichen Gefahrenprognose geltenden differenzierenden Wahrscheinlichkeitsmaßstab dürfen insoweit an die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts keine zu hohen Anforderungen gestellt werden.
Auch eine grundlegende Verhaltensänderung des Klägers insbesondere beim Drogenkonsum und eine gelungene Resozialisierung nach Beendigung seiner Strafhaft vermag der Senat nicht zu erkennen. Der Kläger, der nach den Angaben seiner Bevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung wieder bei seiner Ehefrau in Aachen lebt und (weiterhin) Sozialleistungen bezieht, konsumiert offensichtlich nach wie vor Drogen. Auch wenn er diesbezüglich bisher strafrechtlich nicht erneut verurteilt worden ist, ergibt sich dies zur Überzeugung des Verwaltungsgerichtshofs aus den durch den Beklagten in der mündlichen Verhandlung vorgebrachten Eintragungen in der Vorgangsverwaltung der nordrhein-westfälischen Polizei über zwei Vorfälle im Jahr 2016 wegen vorsätzlicher Körperverletzung gegenüber einer Prostituierten unter Drogeneinfluss (Kokain) und häuslicher Gewalt bzw. Sachbeschädigung (ebenfalls unter wahrscheinlichem Drogeneinfluss). Nachvollziehbare Anhaltspunkte für eine Bewältigung der langjährigen Drogenproblematik beim Kläger sind dagegen nicht erkennbar. Vor diesem Hintergrund erweisen sich die vom Verwaltungsgericht angestellten Erwägungen, der Kläger habe bereits in der Vergangenheit versucht, vom Drogenkonsum wegzukommen, und die erstmalige längere Freiheitsstrafe werde nicht ohne (positiven) Einfluss auf ihn bleiben, im Rahmen der angestellten Gefahrenprognose als nicht tragfähig. Vielmehr geht der Senat davon aus, dass der Kläger nach wie vor Teil des Drogenmilieus und auch insoweit eine maßgebliche Änderung der Sachlage gerade nicht eingetreten ist.
2. Der vom Verwaltungsgericht bei seiner Gefahrenprognose weiter berücksichtigte Umstand, dass der Kläger noch erhebliche Schulden insbesondere aus früheren Gerichtsverfahren hat, bewirkt ebenso wenig einen nachträglichen Wegfall der gegenwärtigen Gefahr im Sinne des Art. 25 Nr. 1, Art. 28 Abs. 1 Satz 1 PAG wie der von den Klägerbevollmächtigten unter anderem angeführte, mit Beschluss des Amtsgerichts München vom 6. Juli 2013 verfügte dingliche Arrest in Höhe von 15.000 Euro in das Vermögen des Klägers.
Für den Senat sind vor dem Hintergrund des langjährigen intensiven Betäubungsmittelkonsums und der einschlägigen kriminellen Vergangenheit und Einbindung in die organisierte Drogenkriminalität keine nachvollziehbaren und überzeugenden Gründe ersichtlich, warum der Kläger im Fall der Herausgabe das sichergestellte Bargeld, das ihm von Dritten für Betäubungsmittelgeschäfte überlassen worden ist, nunmehr zur Tilgung seiner (sonstigen) Schulden und nicht wie in der Vergangenheit wieder für kriminelle Zwecke, d.h. einen erneuten Erwerb von Betäubungsmitteln oder das Handeltreiben mit Drogen, verwenden sollte.
Der angeführte dingliche Arrest in das Vermögen des Klägers wurde vom Amtsgericht M. wegen der zu erwartenden Anordnung des Verfalls von Wertersatz (§ 73a StGB) im Strafverfahren gegen den Kläger (vor dem Amtsgericht M.) wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln gerichtlich verfügt (s. § 111d StPO). Eine gerichtliche Anordnung von Wertersatzverfall erfolgte beim Kläger jedoch im Urteil des Amtsgerichts M. vom 14. Februar 2014 nicht, weshalb dieser Einwand schon deshalb ins Leere läuft.
3. Nicht durchgreifend ist schließlich der Einwand, aufgrund der bereits im Februar 2014 erfolgten „Forderungsabtretung“ an seinen Bevollmächtigten wegen erheblicher Honorarforderungen (aus Prozessvertretungen) erhalte der Kläger das herauszugebende Bargeld gar nicht erst, weshalb er dieses auch nicht zur Begehung von Straftaten nach dem Betäubungsmittelgesetz verwenden könne. Denn dabei wird schon verkannt, dass eine wirksame Abtretung des Herausgabeanspruchs bezüglich des (bestandskräftig) sichergestellten und in behördliche Verwahrung genommenen Bargelds hier rechtlich gar nicht möglich war. Misst man (auch) der polizeilichen präventiven Sicherstellung die Wirkung eines Veräußerungs- bzw. Verfügungsverbots zu (zur entsprechenden ausdrücklichen Klarstellung für die strafprozessuale Beschlagnahme vgl. § 111c Abs. 5 StPO: relatives Veräußerungsverbot nach § 136 BGB; vgl. Schmitt in Meyer-Goßner/Schmitt, Strafprozessordnung, Kommentar, 60. Aufl. 2017, § 111c Rn. 10 auch unter Hinweis auf die Gesetzesbegründung, BT-Drs. 16/700 S. 17), entsteht das Veräußerungsverbot bereits mit dem Vollzug der Sicherstellung. Zum gleichen Ergebnis gelangt man, wenn man die in Art. 28 Abs. 1 Satz 1 PAG begründete Herausgabepflicht und den damit korrespondierenden Herausgabeanspruch als (rein) persönliche Forderung des früheren Gewahrsamsinhabers verbunden mit einem Abtretungsverbot versteht (vgl. Schmidbauer in Schmidbauer/Steiner, Bayrisches Polizeiaufgabengesetz, Kommentar, 4. Aufl. 2014, PAG Art. 28 Rn. 8; vgl. insoweit auch die Begründung zu § 24 Abs. 1 MEPolG in v. Brauchitsch, Verwaltungsgesetze des Bundes und der Länder, Bd. III: Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, 2. Aufl. 1982, Teil A Musterentwurf § 24 Rn. 1, wonach der Polizei nicht zugemutet werden kann, die Berechtigung an der Sache zu prüfen). Unabhängig davon hat der Beklagte im bestandskräftig gewordenen Sicherstellungsbescheid vom 3. August 2012 in Nr. 2. verbindlich festgestellt, dass die verfügte Sicherstellung und die Überführung des sichergestellten Gegenstands in ein öffentlich-rechtliches Verwahrungsverhältnis gleichzeitig ein Veräußerungsverbot umfasst, das auch andere Verfügungen als Veräußerungen ausschließt. Damit konnte der Kläger aber eine wirksame „Forderungsabtretung“ gegenüber seinem Prozessbevollmächtigten nach erfolgter Sicherstellung des Bargelds nicht vornehmen.
Im Übrigen ist es schon aus systematischen Gründen nicht möglich, den Wegfall der Voraussetzungen für die Sicherstellung im Sinne von Art. 28 Abs. 1 Satz 1 PAG allein durch eine entsprechende Verfügung wie die Abtretung des Herausgabeanspruchs herbeizuführen mit der Begründung, damit sei die im Fall der Herausgabe der Sache an den Betroffenen der Sicherstellung (hier: Kläger) andernfalls anzunehmende gegenwärtige Gefahr im Sinne des Art. 25 Nr. 1 PAG nicht mehr gegeben. Denn nach Art. 28 Abs. 1 Satz 1 PAG sind die Sachen, sobald die Voraussetzungen für die Sicherstellung weggefallen sind, an denjenigen herauszugeben, bei dem sie sichergestellt worden sind. Eine Herausgabe an eine andere Person kommt gemäß Art. 28 Abs. 1 Satz 2 PAG überhaupt nur dann in Betracht, wenn die Herausgabe an die in Satz 1 der Vorschrift bezeichnete Person nicht möglich ist. Die Herausgabepflicht ist also die (gesetzlich angeordnete) Folge des Wegfalls der Voraussetzungen für die Sicherstellung gegenüber dem von der Maßnahme Betroffenen, umfasst aber gerade nicht den Fall, in dem wie hier der ursprüngliche Sicherstellungzweck unter Umständen erst bei einer Herausgabe der Sache an einen vom Betroffenen „ermächtigten“ Dritten wegfallen würde.
Diese Auslegung der Vorschriften der präventiven polizeilichen Sicherstellung nach Art. 25 ff. PAG steht entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts auch nicht im Widerspruch zu den Regelungen der strafrechtlichen Gewinnabschöpfung nach den §§ 73 ff. StGB. Der Senat hat bereits wiederholt auf die unterschiedliche Zielrichtung der Regelungen in §§ 73 ff. StGB einerseits und der ordnungsrechtlichen polizeilichen Eingriffsermächtigungen zur Sicherstellung, Verwahrung und Verwertung aufgrund des landesrechtlichen Polizeiaufgabengesetzes hingewiesen (vgl. zuletzt U.v. 15.11.2016 – 10 BV 15.1049 – juris Rn. 49; so auch VG Hamburg, B.v. 9.2.2017 – 17 E 7585/16 – juris Rn. 44 ff.). Beim Kläger wird nicht Vermögen „abgeschöpft“. Vielmehr ist Zweck und Zielrichtung dieser präventiven polizeilichen Sicherstellung die – unter Umständen auch dauerhafte – Verhinderung, dass er das bei ihm sichergestellte Drogengeld alsbald nach der Herausgabe wieder für Drogengeschäfte verwendet bzw. das ihm als Kurier der organisierten Drogenkriminalität überlassene Bargeld wieder in diesen Kreislauf zurückführt.
Nach alledem kommt es nicht mehr entscheidungserheblich auf die weitere vom Beklagten noch aufgeworfene Frage an, ob der Kläger überhaupt als „Berechtigter“ im Sinne der Rechtsprechung des Senats (vgl. U.v. 15.11.2016 – 10 BV 15.1049 – juris), wonach ein Herausgabeanspruch nach Art. 28 Abs. 1 Satz 1 PAG nur von demjenigen geltend gemacht werden kann, dem ein Recht an der Sache zusteht, anzusehen ist.
Dahinstehen kann ferner, ob die Sicherstellung des Bargelds zum maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung neben Art. 25 Nr. 1 PAG auch auf Art. 25 Nr. 2 PAG gestützt werden könnte, weil – wie der Beklagte meint – die Sicherstellung des Drogengelds in Konstellationen wie der Vorliegenden auch dem Schutz privater Rechte dient.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit stützt sich auf § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 ff. ZPO.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.


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