Verwaltungsrecht

Hilfsmittelbekanntmachung

Aktenzeichen  B 3 K 18.527

Datum:
22.5.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 19892
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Bayreuth
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
APO § 33 Abs. 5, § 54
ZAPO-J § 43 Abs. 4 S. 1
BayVwVfG Art. 28 Abs. 2 Nr. 3
VwGO § 113 Abs. 5 S. 1
BayBG Art. 99 Abs. 1 S. 1 Nr. 1

 

Leitsatz

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg. Der angefochtene Bescheid des Beklagten vom 07.05.2018 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Teilnahme an einem allgemeinen Prüfungstermin der Rechtspflegerprüfung zu den für den Prüfungstermin 2018 geltenden Prüfungsbedingungen (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
1. Rechtsgrundlage für die Entscheidung, die Klägerin in den nächsten Ausbildungsjahrgang aufzunehmen, ist § 33 Abs. 5 i.V.m. Abs. 1 Nr. 1 APO i.V.m. § 43 Abs. 4 Satz 1 ZAPO-J. Gem. § 33 Abs. 5 APO kann der Prüfungsausschuss auf Antrag ein Fernbleiben von der Prüfung genehmigen, wenn einem Prüfungsteilnehmer oder einer Prüfungsteilnehmerin aus wichtigen Gründen die vollständige oder teilweise Ablegung der Prüfung nicht zuzumuten ist. In diesem Fall gelten die Absätze 1 und 4 des § 33 APO entsprechend, sodass die Prüfung gem. § 33 Abs. 1 Nr. 1 APO als nicht abgelegt gilt, wenn der Prüfungsteilnehmer oder die Prüfungsteilnehmerin weniger als zwei Drittel der schriftlichen Arbeiten anfertigt. Die Nachwuchskraft wird in diesem Fall gem. § 43 Abs. 4 Satz 1 ZAPO-J in den nächsten Ausbildungsjahrgang aufgenommen.
1.1 § 33 Abs. 5 APO ist auf den vorliegenden Fall, in dem die Prüfung im Juni 2018, zu der die Klägerin zugelassen war, in die Zeit des Mutterschutzes der Klägerin fiel, anwendbar. Insbesondere setzt diese Norm nicht voraus, dass eine Verhinderung erst nach Beginn der Ablegung der schriftlichen Prüfung eintritt, sondern regelt gerade auch die Fälle, in denen Gründe für die Nichtteilnahme an der Prüfung bereits im Vorfeld bekannt sind. Hierfür spricht schon ihr Wortlaut, da dieser keine zeitliche Bestimmung oder Einschränkung trifft. Zudem regelt § 33 Abs. 5 APO auch den Fall, dass einem Prüfungsteilnehmer oder einer Prüfungsteilnehmerin die vollständige Ablegung der Prüfung aus wichtigen Gründen nicht zuzumuten ist. Da Gründe, die zu einer Unzumutbarkeit der vollständigen Ablegung der Prüfung führen, in aller Regel bereits vor Beginn der Anfertigung der schriftlichen Prüfungsarbeiten vorliegen, ist davon auszugehen, dass der Verordnungsgeber bei Erlass dieser Vorschrift auch diesen Fall im Blick hatte und regeln wollte, sodass eine Regelungslücke nicht gegeben ist.
1.2. § 33 Abs. 5 i.V.m. Abs. 1 Nr. 1 APO i.V.m § 43 Abs. 4 Satz 1 ZAPO-J sind auch rechtmäßig. Insbesondere liegt kein Verstoß gegen § 46 BeamtStG, Art. 99 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BayBG, § 16 Satz 3 HRG oder Art. 6 GG vor, da diese Normen einen effektiven Mutterschutz gewähren. Denn unzweifelhaft kann eine Schwangerschaft einen wichtigen Grund i.S.v. § 33 Abs. 5 APO darstellen, der zur Unzumutbarkeit der Ablegung einer Prüfung führen kann. Sowohl die Gesundheit der werdenden Mutter als auch jene des ungeborenen Kindes können es im Einzelfall erforderlich machen, die besonderen Anstrengungen einer Prüfung während der Schwangerschaft zu vermeiden. Dies gilt umso mehr, wenn der Prüfungstermin in den Zeitraum der errechneten Mutterschutzfristen nach § 3 Abs. MuSchG fällt. Ist es einer Frau in diesem Zeitraum grundsätzlich nicht zuzumuten, arbeiten zu gehen, so gilt dies erst Recht für die Ablegung einer Prüfung, die regelmäßig mit wesentlich mehr Anstrengung sowie psychischem Stress verbunden ist. Stellt eine werdende Mutter in einem solchen Fall einen Antrag auf Fernbleiben von der Prüfung gemäß § 33 Abs. 5 APO, ist diesem daher zwingend stattzugeben; das grundsätzlich bestehende Ermessen ist mit Blick auf den Schutz der Gesundheit von Mutter und Kind auf Null reduziert. In der Folge gilt – sofern die werdende bzw. frischgebackene Mutter tatsächlich weniger als zwei Drittel der schriftlichen Arbeiten anfertigt – ihre Prüfung als nicht abgelegt; ihr verbleiben somit noch sämtliche ggf. bestehenden Prüfungsversuche.
Auch die aus § 43 Abs. 4 Satz 1 ZAPO-J folgende Aufnahme in den nächsten Ausbildungsjahrgang stellt unter Berücksichtigung der für die Rechtspflegerprüfung geltenden Grundsätze keine unverhältnismäßige Benachteiligung dar. Zwar bedeutet dies, dass die Prüfung erst im darauffolgenden Jahr abgelegt werden kann, sodass eine zeitnahe Einstellung in ein Beamtenverhältnis auf Probe nicht möglich ist, was die berufliche Entwicklung jedenfalls zeitweise einschränkt. Die für die Rechtspflegerprüfung geltenden Grundsätze der Anonymität und des Wettbewerbs (vgl. § 17 Abs. 3 APO, § 2 Abs. 1 APO) sowie die Chancengleichheit gebieten es jedoch, die Nachwuchskräfte eines Jahrganges gemeinsam zu prüfen und nicht etwa Prüfungstermine für einzelne Prüflinge anzubieten. Der für den betroffenen Prüfling entstehende Nachteil ist demgegenüber vergleichsweise gering, denn zum einen verschiebt sich die (ohnehin nicht bereits durch das Ablegen der Prüfung gesicherte) Aufnahme in ein Beamtenverhältnis auf Probe allenfalls um ein Jahr. Aufgrund der Aufnahme in den nächsten Ausbildungsjahrgang werden zudem die Anwärterbezüge weiterhin bezahlt, wodurch die Nachwuchskraft finanziell abgesichert bleibt. Ebenso ist davon auszugehen, dass sie an den Vorlesungen, Seminaren und sonstigen Unterrichtseinheiten des Folgejahrgangs teilnehmen und sich so mit ausreichender Unterstützung auf die Prüfung vorbereiten kann. 2. Der Bescheid der Beklagten vom 07.05.2018 ist formell rechtmäßig.
2.1 Das Erfordernis der Antragstellung gem. § 33 Abs. 5 APO ist erfüllt. Die Klägerin stellte mit Schreiben vom 18.04.2018 einen Antrag auf einen „Nachholtermin für das Examen unter identischen Prüfungsbedingungen aufgrund Schwangerschaft“. Dazu legte sie ausführlich auf über einer Din-A4-Seite dar, warum es ihr angesichts ihrer Schwangerschaft und der bevorstehenden Entbindung nicht zumutbar sei, die Prüfung im Juni 2018 abzulegen. Hierin ist ein konkludenter Antrag auf ein vollständiges Fernbleiben von der Rechtspflegerprüfung 2018 zu sehen. Bei objektiver Betrachtungsweise aus der Sicht der Behörde – auf die es hier maßgeblich ankommt (vgl. Schmitz, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Aufl. 2018, § 22 Rn. 46) – waren diese Erläuterungen nicht anders zu verstehen, als dass die Klägerin unter keinen Umständen an der Rechtspflegerprüfung 2018 teilnehmen wollte, unabhängig davon, ob ihr Kind vor, während oder nach der Prüfungszeit zur Welt kommen würde. Denn sie schrieb u.a. wörtlich: „Im Sinne eines effektiven Mutterschutzes ist mir meiner Ansicht nach eine Prüfungsteilnahme ab dem 19.06.2018 weder für den Fall, dass die Entbindung vor diesem Termin erfolgten sollte noch danach zuzumuten bzw. realistisch gesehen überhaupt möglich, insbesondere vor dem Hintergrund, dass der Ort der Prüfungsablegung in Starnberg, also 260 km von meinem Heimatort entfernt, liegt […].“ Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass die Klägerin gleichzeitig einen Nachholtermin für die Ablegung der Rechtspflegerprüfung beantragte sowie „in jedem Fall“ die Zugrundlegung der Prüfungsbedingungen des Prüfungsjahrganges 2018. Vielmehr ist angesichts ihrer ausführlichen und überzeugenden Ausführungen zur Zumutbarkeit der Prüfungsablegung im Juni 2018 davon auszugehen, dass die Klägerin jedenfalls auch begehrte, für diesen Prüfungstermin von der Prüfung befreit zu werden. Ihr Antrag auf einen eigenen Nachholtermin und Zugrundelegung der Prüfungsbedingungen des Prüfungsjahrganges 2018 ist als darüber hinausgehender Antrag auf Gewährung einer entsprechenden Ausnahmeregelung und nicht als vollständige Ablehnung der Folgen eines Antrags nach § 33 Abs. 5 APO – zu denen etwa auch gehört, dass die nicht angetretene Prüfung als nicht abgelegt gilt – zu verstehen.
Das Erfordernis der Antragstellung scheitert auch nicht daran, dass die Klägerin ihren Antrag bereits zu einem Zeitpunkt stellte, zu dem sie noch nicht zur Prüfung zugelassen war. Denn zum einen trifft § 33 Abs. 5 Satz 1 APO keinerlei Aussage dazu, ab welchem Zeitpunkt der Antrag auf Fernbleiben von der Prüfung gestellt werden kann oder muss. Hinzu kommt, dass die Klägerin offenbar bereits zu einem früheren Zeitpunkt wusste, dass sie zu der Prüfung zugelassen werden würde, da sie alle Voraussetzungen hierfür erfüllte und sich auch gerade deshalb bereits mit dem Beklagten telefonisch über die bevorstehende Prüfung austauschte. In einem solchen Fall, in dem alle Beteiligten davon ausgehen, dass der betroffene Prüfling zur Prüfung zugelassen werden wird, wäre es reiner Formalismus zu verlangen, dass der Antrag auf Genehmigung des Fernbleibens von der Prüfung aus einem wichtigen Grund erst nach der Zulassung zur Prüfung gestellt wird. Denn der Betroffene hat ein durchaus berechtigtes Interesse daran, möglichst frühzeitig zu erfahren, ob er an der Prüfung teilnehmen muss oder nicht, ebenso wie der Prüfungsausschuss ein berechtigtes Interesse daran hat, frühzeitig über Verhinderungsgründe informiert zu werden, um – ggf. nach Einholung evtl. notwendiger Nachweise – eine fundierte Entscheidung hierüber treffen zu können und u.U. auch den Ablauf der Prüfung entsprechend anzupassen. Trägt also ein Prüfling bereits im Vorfeld Verhinderungsgründe vor, so ist der Prüfungsausschuss gehalten, sich möglichst zeitnah damit auseinanderzusetzen und nicht etwa abzuwarten, ob diese nach der Zulassung zur Prüfung wiederholt werden.
2.2 Die Vorsitzende des Prüfungsausschusses war für den Erlass des Bescheides zuständig. Nach § 29 Abs. 2 ZAPO-J werden Aufgaben gemäß § 13 Abs. 2 Nr. 5 APO durch das vorsitzende Mitglied des Prüfungsausschusses wahrgenommen. Hierzu gehören auch Entscheidungen über die Folgen der Verhinderung gem. § 33 APO.
2.3 Der Bescheid ist auch nicht deshalb formell rechtswidrig, weil die Klägerin vor seinem Erlass nicht (erneut) angehört wurde. Gem. Art. 28 Abs. 2 Nr. 3 BayVwVfG kann von einer Anhörung abgesehen werden, wenn von den tatsächlichen Angaben eines Beteiligten, die dieser in einem Antrag oder einer Erklärung gemacht hat, nicht zu seinen Ungunsten abgewichen werden soll. Diese Regelung dient der Verfahrensökonomie und beruht auf dem Gedanken, dass eine Anhörung zusätzlich zu den bereits vorliegenden eigenen Angaben des Betroffenen überflüssig wäre und deshalb entbehrlich ist. Im vorliegenden Fall hatte die Klägerin im Rahmen ihrer Antragstellung bereits sämtliche entscheidungserheblichen Tatsachen vorgetragen; ausschließlich diese legte der Beklagte seiner Entscheidung auch zugrunde, sodass eine erneute Anhörung in seinem Ermessen lag. Entsprechende Ermessensfehler sind nicht ersichtlich.
Eine Verletzung der Anhörungspflicht wäre überdies gem. Art. 45 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 BayVwVfG unbeachtlich, da die erforderliche Anhörung jedenfalls durch den Vortrag der Klägerin im verwaltungsgerichtlichen Verfahren nachgeholt wurde.
3. Der Bescheid der Beklagten vom 07.05.2018 ist auch materiell rechtmäßig.
3.1 Die Entscheidung, die Klägerin in den nächsten Ausbildungsjahrgang aufzunehmen (Ziffer 1), ist materiell rechtmäßig.
Gem. § 33 Abs. 5 APO kann der Prüfungsausschuss auf Antrag ein Fernbleiben von der Prüfung genehmigen, wenn einem Prüfungsteilnehmer oder einer Prüfungsteilnehmerin aus wichtigen Gründen die vollständige oder teilweise Ablegung der Prüfung nicht zuzumuten ist.
Der Klägerin war die vollständige Ablegung der Prüfung nicht zuzumuten. Nach dem Attest ihrer Ärztin … lag ihr voraussichtlicher Entbindungstermin am 15.06.2018. Damit begann ihre Mutterschutzfrist gem. § 19 der Verordnung über Urlaub, Mutterschutz und Elternzeit der bayerischen Beamten (UrlMV) i.V.m. § 3 Abs. 1 Satz 1, 2 MuSchG am 04.05.2018; das voraussichtliche Ende war gem. § 3 Abs. 2 Satz 1 MuSchG der 27.07.2019. Der schriftliche Teil der Rechtspflegerprüfung für den Einstellungsjahrgang 2014 begann am 19.06.2018, sodass sämtliche Klausuren in den Zeitraum der errechneten Mutterschutzfristen fielen. Aus Gründen des Gesundheitsschutzes der Klägerin und ihres zu gebärenden Sohnes war ihr daher die vollständige Ablegung der Prüfung im Juni 2018 nicht zuzumuten.
Zwar berief sich der Beklagte weder im streitgegenständlichen Bescheid noch in seiner Klageerwiderung auf § 33 Abs. 5 APO, sondern stützte seine Entscheidung (allein) auf § 33 Abs. 1 Nr. 1 APO. Jedoch kann ein angefochtener Bescheid auch unter einer anderen als der von der Behörde angewandten Rechtsgrundlage aufrechterhalten werden, wenn die Identität der im Bescheid getroffenen behördlichen Regelung nicht verändert wird und der Bescheid und die ihn tragenden Ermessenserwägungen nach ihrem „normspezifischen Zuschnitt“ dadurch keine Wesensänderung erfahren (vgl. BayVGH, Beschluss vom 20.04.2015 – Az. 20 ZB 15.106; OVG Saarlouis, Beschluss vom 07.08.2013 – Az. 3 A 295/13). Denn die Verwaltungsgerichte haben im Rahmen des § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO von Amts wegen zu prüfen, ob das materielle Recht die durch einen Verwaltungsakt getroffene Regelung trägt oder nicht. Hierzu gehört – in rechtlicher Hinsicht – die Prüfung, ob ein angegriffener Verwaltungsakt kraft einer anderen als der angegebenen Rechtsgrundlage rechtmäßig ist (st. Rspr., vgl. nur BVerwG, Urteil vom 19.08.1988 – Az. 8 C 29.87; BVerwG, Urteil vom 30.06.1989 – Az. 4 C 40.88; BVerwG, Urteil vom 31.03.2010 – Az. 8 C 12.09). Wird die in einem Bescheid verfügte Regelung auf einer anderen Rechtsgrundlage als der im Bescheid genannten aufrechterhalten, lässt dies die Identität der im Bescheid getroffenen behördlichen Regelung unberührt, wenn sie – wie vorliegend – auf dasselbe Regelungsziel gerichtet bleibt und infolge des „Austauschs“ der Rechtsgrundlage keine Wesensveränderung erfährt (OVG Schleswig, Urteil vom 26.05.2009 – Az. 1 LB 38/08). Letzteres ist vorliegend nicht ersichtlich. Sowohl § 33 Abs. 1 Nr. 1 APO als auch § 33 Abs. 5 APO regeln Fälle der Verhinderung eines Prüflings; hierzu traf der streitgegenständliche Bescheid die einzig mögliche Regelung. Zwar liegt es gem. § 33 Abs. 5 APO grundsätzlich im Ermessen des Prüfungsausschusses, das Fernbleiben von der Prüfung zu genehmigen. In einem Fall wie dem vorliegenden, in dem die Termine der schriftlichen Prüfungen vollständig in den Zeitraum der Mutterschutzfristen gem. § 3 Abs. 1, 2 MuSchG fallen, ist dieses Ermessen jedoch im Hinblick auf den vorrangigen Schutz der Gesundheit von Mutter und Kind auf Null reduziert. Der Beklagte war somit in seiner Entscheidung gebunden und hätte auch unter Zugrundelegung von § 33 Abs. 5 APO keine andere Entscheidung treffen können. Darüber hinaus ist die Klägerin durch die Entscheidung, ihr das Fernbleiben von der Prüfung im Juni 2018 zu genehmigen, nicht beschwert, da sie zum Einen ihrem Antrag entsprach und sie zudem die Prüfung auch tatsächlich nicht ablegen konnte, da sie am ersten Tag der schriftlichen Prüfung entband, und daher bereits aus gesundheitlichen Gründen faktisch an der Teilnahme gehindert war. Damit lagen zum Zeitpunkt der Prüfung selbst auch die Voraussetzungen des § 33 Abs. 1 APO vor, sodass der Beklagte spätestens nach dem Ende der schriftlichen Arbeiten einen inhaltsgleichen Bescheid hätte erlassen müssen. Da die Klägerin tatsächlich vollständig von der Rechtspflegerprüfung 2018 fernblieb, gilt die Prüfung gem. § 33 Abs. 5 Satz 1, 2 i.V.m. § 33 Abs. 1 Nr. 1 APO als nicht abgelegt. Sie war daher gem. § 43 Abs. 4 Satz 1 ZAPO-J in den nächsten Ausbildungsjahrgang aufzunehmen. Hierbei handelt es sich um eine gebundene Entscheidung, sodass dem Beklagten kein Handlungsspielraum verblieb.
3.2 Der Klägerin steht kein Anspruch auf Ablegung ihrer Rechtspflegerprüfung zu einem vor dem allgemeinen Prüfungstermin 2019 liegenden (Einzel-) Prüfungstermin zu, weshalb die (konkludente) Ablehnung ihres diesbezüglichen Antrages durch die Mitteilung, sie habe die Prüfung im Termin 2019 nachzuholen, rechtmäßig war.
Für die Festlegung eines zusätzlichen (Einzel-) Prüfungstermins fehlt es bereits an einer tauglichen Rechtsgrundlage. § 43 Abs. 4 Satz 1 ZAPO-J sieht für alle Prüflinge, die nicht mindestens zwei Drittel der schriftlichen Arbeiten gefertigt haben, zwingend die Übernahme in den nächsten Ausbildungsjahrgang vor. Damit einher geht in der Folge auch die Ablegung der Prüfung gemeinsam mit den Absolventen dieses Jahrgangs zu dem hierfür festgelegten Prüfungstermin.
Überdies wäre die Festlegung eines eigenen Prüfungstermins für die Klägerin mit den für die Rechtspflegerprüfung geltenden Grundsätzen nicht vereinbar.
Bereits Art. 94 Abs. 2 Satz 1 der Bayerischen Verfassung (BV) schreibt vor, dass die für die Auswahl zur Aufnahme in ein öffentliches Amt notwendige Eignung der Bewerber nach Möglichkeit durch Prüfungen im Wege des Wettbewerbs festgestellt wird. Dies wird einfachgesetzlich konkretisiert durch § 2 Abs. 1 APO, wonach alle Prüfungen im Geltungsbereich der Allgemeinen Prüfungsordnung Wettbewerbscharakter haben. Sie sollen eine Rangfolge der Prüfungsteilnehmer und Prüfungsteilnehmerinnen nach den in den Prüfungen gezeigten Leistungen ermitteln. Dabei handelt es sich gem. § 56 Satz 2 APO um einen tragenden Grundsatz des Prüfungsverfahrens. Zudem gilt auch für die Rechtspflegerprüfung der Grundsatz der Anonymität (vgl. § 17 Abs. 3 APO), der ebenfalls gem. § 56 Satz 2 APO zu den tragenden Grundsätzen des Prüfungsverfahrens zählt. Diese beiden Grundsätze würden jedoch verletzt, würde für einen oder (wenige) mehrere Prüfungsteilnehmer ein eigener Prüfungstermin anberaumt.
Der Wettbewerbscharakter einer Prüfung setzt voraus, dass ausreichend viele Personen unter gleichen Bedingungen dieselbe Prüfung ablegen. Nur auf diese Weise lassen sich Vergleiche zwischen den einzelnen Prüfungsteilnehmerinnen und -teilnehmern ziehen und sich die Arbeiten entsprechend relativ zueinander bewerten. Dies dient nicht nur allgemein der Chancengleichheit und besseren Objektivierbarkeit der Prüfungen, sondern kommt auch den einzelnen Prüflingen zugute. Denn gerade der Vergleich der verschiedenen Arbeiten bietet den Korrektoren ein Bild vom durchschnittlichen Leistungsstand und den aufgrund dessen zu erwartenden Ausführungen der Prüflinge, wodurch u.a. auch zu strenge Bewertungen verhindert werden. Nur auf diese Weise lässt sich der Grundsatz der Chancengleichheit gem. Art. 3 Abs. 1 GG (vgl. auch § 4 Abs. 1 Satz 2 APO) effektiv umsetzen.
Der Grundsatz der Anonymität soll u.a. der Gefahr entgegenwirken, dass Korrektoren die Arbeiten ihnen bekannter Prüfungsteilnehmerinnen und Prüfungsteilnehmer erkennen und diese – bewusst oder unbewusst – anders bewerten, als dies ohne ihre Kenntnis des Bearbeiters der Fall wäre. Auf diese Weise wird zugleich jegliche Form von Bestechung oder sonstiger Beeinflussung der Korrektoren unmöglich gemacht und so dem Grundsatz der Chancengleichheit effektiv Rechnung getragen. Auch wird sichergestellt, dass Korrektoren nicht aus sonstigen Gründen (etwa wegen der Herkunft oder des Geschlechts) unbewusst zwischen den Prüflingen unterscheiden, was Diskriminierungen i.S.v. Art. 3 Abs. 2, 3 GG entgegenwirkt. Wird nun jedoch eine Prüfung mit nur einem oder wenigen Teilnehmern durchgeführt, so ist die Möglichkeit, Rückschlüsse auf den Bearbeiter der Prüfung zu ziehen, nicht in ausreichendem Maße zu verhindern.
Für die Durchführung eines Nachholtermins abweichend von dem ohnehin jährlich stattfindenden Prüfungstermin wäre daher, um den Grundsätzen des Wettbewerbs und der Anonymität gerecht zu werden, die Teilnahme einer ausreichenden Anzahl von Prüflingen notwendig. Es ist jedoch kaum davon auszugehen, dass bei den regelmäßig nur knapp 100 Rechtspflegeranwärterinnen und -anwärter umfassenden Ausbildungsjahrgängen stets eine größere Gruppe an der Prüfungsteilnahme verhindert ist.
3.3 Ziffer 2 des streitgegenständlichen Bescheids ist ebenfalls rechtmäßig. Der Klägerin steht kein Anspruch darauf zu, ihre Rechtspflegerprüfung in einem allgemeinen Prüfungstermin zu den für den Prüfungstermin 2018 geltenden Prüfungsbedingungen, insbesondere unter Zugrundlegung der „alten“ Hilfsmittelbekanntmachung, abzulegen. Zwar kann der Prüfungsausschuss gem. § 33 Abs. 4 APO in Fällen besonderer Härte besondere Anordnungen für die Nachholung der mündlichen oder praktischen Prüfung treffen. Selbiges gilt jedoch gerade nicht für den schriftlichen Teil der Arbeit, sodass es für die begehrte Ausnahmegenehmigung bereits an einer Rechtsgrundlage fehlt. Insbesondere liegen auch die Voraussetzungen für einen Nachteilsausgleich nach § 54 APO nicht vor, da die Klägerin weder schwerbehindert oder behinderten Menschen gleichgestellt, noch wegen einer nicht nur vorübergehenden Behinderung bei der Fertigung der Prüfungsarbeiten erheblich beeinträchtigt ist.
Darüber hinaus gebieten es die für die Rechtspflegerprüfung geltenden Grundsätze, insbesondere der Wettbewerbscharakter der Prüfung sowie die Chancengleichheit, dass alle Teilnehmer die Prüfung grundsätzlich unter möglichst identischen Bedingungen ablegen. Denn nur unter dieser Voraussetzung sind die einzelnen Arbeiten überhaupt einem Vergleich zugänglich. Um dies zu gewährleisten, werden gemäß § 33 Abs. 3 Satz 1 ZAPO-J die schriftlichen Prüfungsaufgaben einheitlich gestellt und die Prüflinge dürfen nur die vom Prüfungsausschuss zugelassenen Hilfsmittel benutzen (§ 33 Abs. 4 Satz 1 ZAPO-J). Würde der Klägerin erlaubt, ihre Prüfung unter Zuhilfenahme anderer bzw. anders kommentierter Hilfsmittel abzulegen, könnte ihr hieraus unter Umständen ein Vorteil gegenüber ihren Kommilitonen entstehen, die mit anderen Hilfsmitteln dieselben Klausuren zu bearbeiten hätten. Dieser Vorteil könnte auch nicht etwa dadurch ausgeglichen werden, dass die betreffenden Korrektoren über die Ausnahmegenehmigung in Kenntnis gesetzt würden, da dies wiederum einen Rückschluss auf die Klägerin zuließe und somit einen Verstoß gegen das Anonymitätsprinzip zur Folge hätte. Der Nachteil, den die Klägerin durch die Verwendung der „neuen“ Hilfsmittel erleidet, ist gegenüber dem Vorteil, den sie andernfalls gegenüber den anderen Prüfungsteilnehmern hätte, eher gering. Die neue Hilfsmittelbekanntmachung enthält kein vollständiges Kommentierungsverbot; vielmehr sind weiterhin bis zu 20 handschriftliche Verweisungen pro Doppelseite mit Bleistift auf Normen sowie einfache Unterstreichungen mit Bleistift erlaubt, soweit die Verweisungen beziehungsweise Unterstreichungen nicht der Umgehung des Kommentierungsverbots dienen. Neuerdings nicht mehr erlaubt sind kurze handschriftliche Bemerkungen am Blattrand oder zwischen den Zeilen, wozu auch kurze Leitsätze in Stichworten gehören. Diese jedoch könnten – sinnvoll eingesetzt – einen derart großen Vorteil bringen, dass die Arbeit der Klägerin im Ergebnis mit den übrigen nicht mehr sinnvoll zu vergleichen wäre. Der Klägerin hingegen verblieb seit Zugang des streitgegenständlichen Bescheids bisher bereits über ein Jahr Zeit, ihre Hilfsmittel umzukommentieren und sich mit der neuen Kommentierung vertraut zu machen. Auf diese Weise hätte sie den durch die Umgewöhnung entstehenden Nachteil weitgehend ausgleichen können, weshalb die Ablehnung ihres Antrags als verhältnismäßig zu werten ist.
4. Als unterlegene Beteiligte hat die Klägerin nach § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des Verfahrens zu tragen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 ZPO.


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