Verwaltungsrecht

Immatrikulationshindernis für gleichen Studiengang an einer anderen Hochschule wegen endgültigen Nichtbestehens einer Prüfung

Aktenzeichen  AN 2 K 16.02376

Datum:
22.6.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayHSchG BayHSchG Art. 42 Abs. 1, Art. 46 Nr. 3

 

Leitsatz

Ein endgültiges Nichtbestehen einer nach der Prüfungsordnung erforderlichen Prüfung ist auch dann gegeben, wenn eine entsprechende Prüfung an einer anderen Hochschule, aber im gleichen Studienfach endgültig nicht bestanden ist (Anschluss an BayVGH BeckRS 2008, 30312). (Rn. 14) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe

Die erhobene Klage ist als Verpflichtungsklage in Form der Versagungsgegenklage nach § 42 Abs. 1, Alternative 2 VwGO zulässig, aber unbegründet und deshalb abzuweisen. Der Klägerin steht kein Anspruch auf Immatrikulation an der FAU für den Studiengang Rechtswissenschaften zu, § 113 Abs. 5 VwGO.
Dem Immatrikulationsanspruch der Klägerin aus Art. 42 Abs. 1 BayHSchG steht das Immatrikulationshindernis nach Art. 46 Nr. 3 BayHSchG entgegen. Durch das unstreitige endgültige Nichtbestehen der Orientierungsprüfung für den Studiengang Rechtswissenschaften an der Universität … hat sie „eine nach der Prüfungsordnung erforderliche Prüfung … endgültig nicht bestanden“.
Ein endgültiges Nichtbestehen einer nach der Prüfungsordnung erforderlichen Prüfung ist auch dann gegeben, wenn eine entsprechende Prüfung an einer anderen Hochschule, aber im gleichen Studienfach endgültig nicht bestanden ist. Mit der Formulierung „nach der Prüfungsordnung“ ist entgegen der Ansicht der Klägerin nicht ausschließlich die Prüfungsordnung der aufnehmenden Hochschule gemeint. Von der Formulierung sind nach der Auffassung des Gerichts, das sich der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs – etwa in den Beschlüssen vom 17. August 2007 (7 CE 07.10309 – juris) und 23. August 2017 (7 CE 07.10312 – juris) – anschließt, vielmehr auch die Fälle der Ortswechsler umfasst. Dies ergibt sich im Wege der Auslegung aus dem Wortlaut, der Systematik, der Historie und dem Sinn und Zweck der Vorschrift sowie den übergeordneten Vorschriften des Hochschulrahmengesetz (HRG) und des Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz.
Die Formulierung „nach der Prüfungsordnung“ nimmt ausdrücklich weder Bezug auf die Prüfungsordnung der aufnehmenden noch der abgebenden Hochschule, sondern lässt von der Formulierung her beide Auslegungen zu. Im letzten Halbsatz der Nr. 3 des Art. 46 BayHSchG erfolgt jedoch eine ausdrückliche Bezugnahme auf den „Studiengang“ bzw. „sonstige andere Studien“, sodass davon auszugehen ist, dass die Regelung den Anwendungsbereich allein fachlich einschränkt. Ein Studiengang ist nach Art. 56 Abs. 1 BayHSchG als ein durch Prüfungs- und Studienordnungen geregeltes, auf einen bestimmten Hochschulabschluss gerichtetes Studium, das in der Regel zu einem berufsqualifizierenden Abschluss führt. Die Definition schränkt einen Studiengang somit nicht auf ein Studium an einer bestimmten Hochschule und auch nicht auf eine Ausbildung unter einer ganz bestimmten Prüfungsordnung ein. Vielmehr wird der Studiengang im Wesentlichen durch die Art des zu erreichenden Hochschulabschlusses bestimmt, der vorliegend mit dem Staatsexamen bzw. der 1. Juristischen Prüfung an der Universität … gleichermaßen beabsichtigt war wie nunmehr an der FAU. Dabei sind auch keine Unterschiede in der Verwendbarkeit des Staatsexamens bzw. des 1. Juristischen Examens der beiden Hochschulen erkennbar. Insbesondere führt das 2. Juristische Staatsexamen, das auf dem 1. Juristischen Examen aufbaut und dieses voraussetzt, zu identischen Berufsqualifikationen und beruflichen Einsatzmöglichkeiten, unabhängig davon, an welcher Hochschule und in welchem Bundesland es erworben wurde. Es befähigt an beiden Hochschulen zur Ausübung des Richteramtes in allen Bundesländern und ist beamtenrechtlich Voraussetzung für den Einstieg in die 4. Qualifikationsebene (siehe § 1 Ausbildungs- und Prüfungsordnung für Juristen – JAPO – in Bayern bzw. § 1 Juristenausbildungs- und Prüfungsordnung – JAPrO – in Baden-Württemberg bzw. §§ 5 ff Deutsches Richtergesetz).
Für die Auslegung, dass auch das endgültige Scheitern an einer anderen Hochschule der Immatrikulation an der gewünschten Hochschule entgegensteht, spricht auch das systematische Argument, dass es der Regelung des Art. 46 Nr. 3 BayHSchG nicht bedurft hätte, wenn nur ein Weiterstudium an der Hochschule des Misserfolgs verhindert werden sollte. In diesem Fall hätte es genügt, das endgültige Nichtbestehen als Exmatrikulationsgrund in Art. 49 BayHSchG vorzusehen.
Letztlich spricht auch die Entstehungs- und Änderungshistorie des Art. 46 BayHSchG (siehe hierzu näher BayVGH, B.v. 23.8. 2007,7 CE 07.10312) für die hier zugrunde gelegte Auslegung. Nach der ersten Regelung in Art. 51 Nr. 4 BayHSchG 1973 war die Immatrikulation bei einem endgültigen Nichtbestehen „für die jeweilige Fachrichtung der jeweiligen Hochschulart“ zu versagen. Keine der späteren Novellierungen deutet von ihrer Zielrichtung darauf hin, dass eine inhaltliche Einschränkung mit ihr verbunden sein sollte, vielmehr ist mit dem Vereinheitlichungsprozess auf europäischer Ebene (Bologna-Prozess) davon auszugehen, dass eine gegenseitige Anerkennung von Hochschulentscheidungen auch insoweit besteht.
Die Regelungen des Art. 46 Nr. 3 und Art. 49 Nr. 3 BayHSchG sind letztlich Ausfluss des Qualifikationsprinzips. Sie beabsichtigen ein Freihalten der vorhandenen, in der Regel begrenzten Studienplätze für geeignete Bewerber und ein frühzeitiges Fernhalten von Bewerbern mit schlechten Erfolgsprognosen für einen Studienabschluss zugunsten aussichtsreicherer Bewerber. Diesem Ziel entspricht es, auch Studienbewerber abzuweisen, die in einem anderen Studienort in dem Studiengang gescheitert sind. Letztlich basiert die Regelung im BayHSchG auf § 27 Abs. 1 HRG. Es kann davon ausgegangen werden, dass die Regelungen der Landesgesetzgeber hiervon nicht abweichen wollen.
Letztlich wäre es auch unter Gleichheitsgesichtspunkten und mit dem Grundsatz der Chancengleichheit von Studierenden kaum zu vereinbaren, Studierenden, die von anderen Hochschulen kommen, eine günstigere Position in Bezug auf einen Studienplatz einzuräumen als Studierenden, die an der eigenen Hochschule gescheitert sind. Auch dieser Gesichtspunkt spricht – mit der Rechtssprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs – (s. B.v. 23.8.2007, a.o.O.) für die Auslegung, dass auch das endgültige Nichtbestehen des Studiengangs an einer Universität der Immatrikulation an einer anderen Universität entgegensteht.
Bei dem Studiengang der Rechtswissenschaften an der Universität … und der FAU handelt es sich – wie oben dargelegt – auch um den gleichen Studiengang i.S.v. Art. 46 Nr. 3 i.V.m. Art. 56 BayHSchG. Die Studiengänge unterscheiden sich im Hinblick auf den Studienabschluss (Staatsexamen bzw. 1. Juristische Prüfung, Voraussetzung für das 2. Juristische Staatsexamen) und die Berufsqualifikation (Befähigung zum Richteramt, beamtenrechtliche Laufbahnprüfung, Zulassung als Rechtsanwalt) nicht voneinander. Sie sind überdies, worauf die Beklagtenseite zu Recht hinweist, in Bezug auf die Regelstudienzeit (9 Semester) und den Hochschultyp (Universität) identisch und, was die Studieninhalte betrifft, im Wesentlichen gleich. Die Studieninhalte des Zivilrechts, Strafrechts und öffentlichen Rechts werden in beiden Studienorten nach beiden Prüfungsordnungen mit im Wesentlichen gleichen Inhalten und Schwerpunkten vermittelt. Auch der Aufbau der Studiengänge mit einer Untergliederung in Grund- und Hauptstudium und einer abzulegenden Zwischenprüfung unterscheidet sich nicht wesentlich voneinander. Dass an der Universität … zusätzlich zu einer Zwischenprüfung bis zum Ende des 4. Fachsemesters (§§ 1 ff ZwPrO …*) eine Orientierungsprüfung bis zum Ende des 2. Semesters abgelegt werden muss, während an der FAU lediglich eine einzige Zwischenprüfung bis zum Ende des 4. Fachsemesters erforderlich ist (ZwPrO FAU), stellt keine derart gravierende Unterscheidung der Studiengänge dar, dass deshalb nicht mehr vom gleichen Studiengang auszugehen wäre. Nicht entscheidend hierfür sind auch die weiteren kleineren Unterschiede in Bezug auf Studien- und Prüfungsinhalte sowie Prüfungsabläufe und -Leistungen. Unerheblich ist insbesondere, dass die Klägerin an der Universität … “nur“ die dortige Orientierungsprüfung endgültig nicht bestanden hat und zur Zwischenprüfung zum Ende des 4. Fachsemesters nach §§ 1 – 6 ZwPrO … nicht mehr angetreten ist. Nach § 12 Abs. 3 ZwPrO … verlieren Studenten, die bis zum Ende des 3. Fachsemesters die Orientierungsprüfung nicht erbracht haben, ihren Prüfungsanspruch. Das Studium der Rechtswissenschaften kann damit nicht mehr erfolgreich abgeschlossen werden; es ist endgültig nicht bestanden. Die Folge der nicht bestandenen Orientierungsprüfung unterscheidet sich damit nicht vom Nichtbestehen der späteren Zwischenprüfung an der Universität … bzw. der Zwischenprüfung an der FAU im Studiengang Rechtswissenschaften. Die Studiengänge der Rechtswissenschaften an der Universität … und der FAU sind dementsprechend als gleicher Studiengang i.S.v. Art. 46 Nr. 3 BayHSchG anzusehen.
Die Kostenentscheidung der damit erfolglosen Klage beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zugelassen wird. Die Zulassung der Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils beim Bayerischen Verwaltungsgericht Ansbach, Promenade 24 – 28, 91522 Ansbach zu beantragen.
Der Antrag muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist; die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof, Ludwigstraße 23, 80539 München (auswärtige Senate in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach) einzureichen.
Die Berufung ist nur zuzulassen, wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
das Urteil von einer Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, des Bundesverwaltungsgerichts, des gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Bevollmächtigte sind Rechtsanwälte oder Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz mit Befähigung zum Richteramt oder die in § 67 Abs. 2 Satz 2 Nrn. 3 bis 7 VwGO bezeichneten Personen und Organisationen zugelassen. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich auch durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 5.000,00 EUR festgesetzt (§ 52 Abs. 2 GKG i. V.m. Ziffer 18.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit).
Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Beschluss steht den Beteiligten die Beschwerde an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zu, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200 EUR übersteigt oder die Beschwerde zugelassen wurde.
Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, beim Bayerischen Verwaltungsgericht Ansbach, Promenade 24 – 28, 91522 Ansbach, einzulegen.
Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde auch noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.


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