Verwaltungsrecht

Informationsobliegenheiten des Beamten gelten in gleichem Maße für seinen Vertreter

Aktenzeichen  14 ZB 14.1508

Datum:
14.6.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
DÖV – 2016, 788
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayBhV§ 31, § 32 Abs. 2, § 48 Abs. 7
BayVwVfG Art. 32

 

Leitsatz

1. Informationsobliegenheiten des Beamten gelten in gleichem Maße für den Vertreter oder den Betreuer desjenigen Beamten, der seinen Informationspflichten aufgrund einer Erkrankung nicht mehr selbst nachkommen kann. (amtlicher Leitsatz)
2 Die Gewährung einer Pauschalbeihilfe für häusliche Pflege setzt eine monatlich fortlaufende Antragstellung voraus und wird nicht ab der ersten Antragstellung “automatisch” geleistet. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II.
Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
III.
Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 6.233,50 Euro festgesetzt.

Gründe

Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Die ausdrücklich geltend gemachten Zulassungsgründe nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 VwGO sind nicht in einer den Anforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO genügenden Art und Weise dargelegt bzw. liegt jedenfalls nicht vor.
1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) bestehen nicht.
Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO sind anzunehmen, wenn in der Antragsbegründung ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt werden (vgl. etwa BVerfG, B. v. 10.9.2009 – 1 BvR 814/09 – NJW 2009, 3642) und die Zweifel an der Richtigkeit einzelner Begründungselemente auf das Ergebnis durchschlagen (BVerwG, B. v. 10.3.2004 – 7 AV 4.03 – DVBl 2004, 838/839). Schlüssige Gegenargumente in diesem Sinne liegen dann vor, wenn der Rechtsmittelführer substantiiert rechtliche oder tatsächliche Umstände aufzeigt, aus denen sich die gesicherte Möglichkeit ergibt, dass die erstinstanzliche Entscheidung im Ergebnis unrichtig ist (vgl. BVerfG, B. v. 20.12.2010 – 1 BvR 2011/10 – NVwZ 2011, 546/548). Welche Anforderungen an Umfang und Dichte der Darlegung zu stellen sind, hängt wesentlich von der Intensität ab, mit der die Entscheidung begründet worden ist (Happ in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 124a Rn. 64 m. w. N.).
Das Verwaltungsgericht hat die Verpflichtungsklage der Klägerin auf Gewährung von Pauschalbeihilfe für häusliche Pflege im Zeitraum 1. Januar 2010 bis einschließlich 31. Januar 2011 in Höhe von 6.233,50 Euro (70 v. H. von 8.905 Euro) mit der Begründung abgewiesen, der dem Grunde nach bestehende Anspruch der Klägerin auf Gewährung der begehrten Pauschalbeihilfe scheitere daran, dass die Antragsfrist nach § 48 Abs. 7 Satz 1 BayBhV nicht gewahrt worden sei. Nach dieser Vorschrift könne Beihilfe nur gewährt werden, wenn sie innerhalb eines Jahres nach Entstehen der Aufwendungen oder der Ausstellung der Rechnung beantragt werde. Bei Beihilfen wie der hier in Rede stehenden Pauschalbeihilfe für häusliche Pflege nach § 32 Abs. 2 Satz 2 BayBhV sei für den Fristbeginn gemäß § 48 Abs. 7 Satz 2 BayBhV der letzte Tag des Monats maßgebend, in dem die Pflege erbracht wurde. Die Fristberechnung richte sich nach § 187 Abs. 1 i. V. m. § 188 Abs. 2 BGB. Der Beklagte habe daher zu Recht die im Februar 2012 beantragte Pauschalbeihilfe für den Zeitraum 1. Januar 2010 bis einschließlich 31. Januar 2011 wegen Fristablaufs abgelehnt. § 48 Abs. 7 Satz 2 BayBhV zeige, dass die Antragsfrist auch für die in Rede stehenden Pauschalbeihilfen gelte. Auch bei dieser Leistung könnten sich Unterbrechungszeiten, Änderungen in Bestand und Höhe ergeben. Der Umstand, dass bei den Leistungen der privaten Pflegeversicherung eine andere Handhabung im Sinne einer automatisch laufenden monatlichen Zahlung erfolge, ändere hieran angesichts der Unterschiede zwischen dem privaten Versicherungssystem und dem öffentlich-rechtlichen Beihilfesystem nichts. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand könne ebenfalls nicht gewährt werden, da die Voraussetzungen des Art. 32 BayVwVfG nicht vorlägen. Insbesondere sei nicht erkennbar, dass der Vertreter der Klägerin durch deren Betreuung durchgehend nicht in der Lage gewesen sei, bis zum Ablauf der Jahresfrist einen Beihilfeantrag zu stellen.
Die Erwägungen des Verwaltungsgerichts werden durch das Vorbringen der Klägerin im Zulassungsverfahren – mit dem sie sich im Wesentlichen gegen die Einschätzung des Verwaltungsgerichts wendet, ihr Vertreter habe die verspätete Beantragung der Beihilfe verschuldet – nicht ernstlich in Frage gestellt. Es werden keine Gesichtspunkte aufgezeigt, die weiterer Klärung in einem Berufungsverfahren bedürfen.
Mit ihrer Rüge, das Verwaltungsgericht setze sich nicht mit ihrer Argumentation auseinander, sie bzw. ihr Vertreter sei auf die Antragsfrist nicht hingewiesen worden, so dass insoweit keine schuldhafte Unkenntnis vorliege, hat die Klägerin keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils aufgezeigt. Das Verwaltungsgericht hat sich sehr wohl mit dieser Argumentation der Klägerin auseinandergesetzt und darauf hingewiesen, es könne dahinstehen, ob der Beklagte die Klägerin konkret auf die Bedeutung der Jahresfrist hingewiesen habe, da der Beamte verpflichtet sei, sich selbst in geeigneter Weise zuverlässig über die geltenden Anforderungen zu informieren (vgl. UA S. 7). Diese Einschätzung des Verwaltungsgerichts ist zutreffend. Denn es entspricht ständiger Rechtsprechung (vgl. BVerwG, U. v. 30.1.1997 – 2 C 10.96 – BVerwGE 104, 55; VGH BW, U. v. 3.12.2013 – 4 S 221/13 – VBlBW 2015, 162 Rn. 24), worauf das Verwaltungsgericht ebenfalls zu Recht hingewiesen hat (vgl. UA S. 7), dass sich eine allgemeine Pflicht des Dienstherrn, seine Beamten über alle für sie einschlägigen Vorschriften zu belehren, nicht aus der beamtenrechtlichen Fürsorgepflicht ableiten lässt. Die Informationsobliegenheiten des Beamten gelten in gleichem Maße für den Vertreter oder den Betreuer desjenigen Beamten, der seinen Informationspflichten aufgrund einer Erkrankung nicht mehr selbst nachkommen kann. Ihn trifft ebenso wie den Beamten die Pflicht, sich entsprechend rechtskundig zu machen (BayVGH, B. v. 15.9.2010 – 14 ZB 10.1096 – juris Rn. 7 m. w. N.).
Soweit die Klägerin dem entgegen hält, entsprechende Informationen des Dienstherrn müssten jedenfalls richtig und vollständig sein, was gegenständlich nicht der Fall gewesen sei, kann sie ebenfalls nicht durchdringen. Insbesondere die von ihr in diesem Zusammenhang angeführten Ausführungen der Erläuterung Nr. 2405 im Beihilfebescheid vom 15. Januar 2010, es werde „darauf hingewiesen, dass eine Änderung der Pflegestufe der Beihilfestelle mitzuteilen“ sei, sowie der weitere Hinweis, es werde „eine Pauschalbeihilfe in Höhe von monatlich 675,00 € (ab 1. Januar 2010 685,00 €) gewährt“, sind nicht falsch, unvollständig oder irreführend. Mit seiner Erläuterung Nr. 2405 hat der Beklagte objektiv erkennbar nicht allgemein zum Bezug von Pflegegeld informiert, sondern aufgrund ihrer Antragstellung erstmalig in einem Beihilfebescheid an die Klägerin festgestellt, dass bei ihr (1.) nach der schriftlichen Leistungszusage der Pflegeversicherung eine Pflegebedürftigkeit nach Pflegestufe III vorliegt, (2.) eine Pauschalbeihilfe in Höhe von monatlich 675 Euro gewährt wird, (3.) die Pauschalbeihilfe ab 1. Januar 2010 685,00 Euro beträgt und (4.) Änderungen der Pflegestufe der Beihilfestelle mitzuteilen sind. Weitergehende verfahrensrechtliche Informationen zur Gewährung einer Pauschalbeihilfe wie Antragsmodalitäten und eventuelle Ausschlussfristen sind der Erläuterung Nr. 2405 nicht zu entnehmen und waren aus der Sicht des Beklagten auch entbehrlich. Denn allgemeine Hinweise zur Gewährung einer monatlichen Pauschalbeihilfe bei häuslicher Pflege einschließlich verfahrensrechtlicher Informationen hatte der Vertreter der Klägerin bereits dem – zeitlich dem Beihilfebescheid vorangegangenen – Schreiben des Beklagten vom 5. Januar 2010 entnehmen können. Unter besonderer Hervorhebung ist dort vermerkt, dass die Pauschalbeihilfe „frühestens nach Ablauf des jeweiligen Kalendermonats mit einem formgerechten Beihilfeantrag unter Beifügung eines formlosen Nachweises der Pflegeperson über die erbrachte Pflege geltend gemacht werden“ könne. Der besondere Hinweis auf eine Beantragung „nach Ablauf des jeweiligen Kalendermonats“ wäre entbehrlich gewesen, wenn eine einmalige Antragstellung für den Bezug der Pauschalbeihilfe ausreichend gewesen wäre. Durch diese Formulierung wird deutlich, dass die Gewährung einer Pauschalbeihilfe für häusliche Pflege dem üblichen Beihilfeverfahren folgt: Entstehen der Aufwendungen, Antragstellung, Beihilfegewährung für zurückliegende Zeiträume. Auch die weiteren Ausführungen im Schreiben des Beklagten vom 5. Januar 2010, auf Antrag könne „für die Dauer von jeweils bis zu sechs Monaten monatlich ein Abschlag gezahlt werden“, wären überflüssig, wenn die Pauschalbeihilfe für häusliche Pflege lediglich einmal zu beantragen wäre. Hiervon musste auch die Klägerin ausgehen, die als langjährige Beihilfeberechtigte nicht über grundlegende Prinzipien der Beihilfebeantragung aufzuklären war. Auch ihr Vertreter, auf dessen Verschulden es vorliegend maßgeblich ankommt (vgl. Art. 32 Abs. 1 Satz 2 BayVwVfG, der auf die als Ausschlussfrist ausgestaltete Antragsfrist nach Art. 48 Abs. 7 Satz 1 BayBhV anwendbar ist, vgl. BayVGH, B. v. 15.9.2010 – 14 ZB 10.1096 – juris Rn. 6 m. w. N.), konnte daher weder aus den unter Nr. 2405 des Beihilfebescheids vom 15. Januar 2010 angeführten Erläuterungen noch aus dem Inhalt des Schreibens vom 5. Januar 2010 folgern, dass der Klägerin aufgrund ihres Antrags vom 9. Januar 2010 Pauschalbeihilfe nicht nur für die Monate August bis einschließlich Dezember 2009, sondern darüber hinaus für die Monate ab Januar 2010 bewilligt und gezahlt werden würde. Dass dem nicht so ist, hätte dem Vertreter der Klägerin auch anhand der Kontobewegungen auffallen müssen. Ungeachtet dessen ist selbst dann, wenn man von der Mehrdeutigkeit der Erläuterung Nr. 2405 bzw. des Informationsschreibens vom 5. Januar 2010 ausgehen würde, von einem Verschulden i. S. v. Art. 32 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG auszugehen, wenn der Beihilfeberechtigte oder dessen Vertreter bei möglicherweise missverständlicher Auskunft der Beihilfestelle in Bezug auf etwaige Ausschlussfristen – wie vorliegend – nicht rückfragt bzw. er sich nicht weiter informiert, sondern sich auf seine eigene Auslegung der Auskunft verlässt (BayVGH, B. v. 15.9.2010 a. a. O. Rn. 7).
Auch ihr Verweis auf die Ausführungen auf Seite 19 der Informationsschrift „Das bayerische Beihilferecht“ des Bayerischen Staatsministeriums der Finanzen ist nicht durchgreifend. Denn die Klägerin lässt unberücksichtigt, dass auch der dortige Hinweis „Zusammen mit einem Abdruck der Einstufung können Sie dann Beihilfeleistungen beantragen.“ im Gesamtzusammenhang der Informationsschrift gewertet werden muss. Denn die Broschüre enthält ab Seite 10 eine eigene Rubrik „Antragstellung“ mit einem Unterpunkt „3. Antragsfrist“, in dem darauf hingewiesen wird, dass Beihilfe nur gewährt wird, „wenn sie innerhalb eines Jahres nach Entstehen der Aufwendungen …. beantragt wird“. Ihr Hinweis auf den Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 19. März 2003 – 3 BV 02.791 – (ZBR 2004, 210) verfängt ebenfalls nicht. Die Klägerin hat in ihrer Begründung lediglich unklare, widersprüchliche Hinweise des Beklagten gerügt. Nicht dargelegt hat sie hingegen, welche widersprüchlichen bzw. unklaren Aussagen in den Beihilfevorschriften bzw. den diesbezüglichen Vollzugsbestimmungen enthalten sein könnten.
Nicht zutreffend ist zudem der weitere Einwand der Klägerin, das Verwaltungsgericht äußere sich nicht zu ihrer Argumentation, sie bzw. ihr Vertreter habe sich bei der Antragstellung gegenüber dem Beklagten am Verfahren der Krankenkasse orientiert: Dort sei lediglich ein einziger Antrag erforderlich gewesen; seither werde das Pflegegeld monatlich gezahlt. Auch mit diesem Einwand hat sich das Verwaltungsgericht auseinandergesetzt (vgl. UA S. 6) und zutreffend auf die (Wesens-)Unterschiede zwischen dem privaten (Pflege-)Versicherungssystem und dem öffentlich-rechtlichen Beihilfesystem hingewiesen. Da es nicht nur im Bereich der Pflege Leistungs- und Verfahrensunterschiede zwischen den beiden Systemen gibt, konnte die Klägerin als langjährige Beihilfeberechtigte bzw. ihr Vertreter gerade im Hinblick auf die Ausführungen im Schreiben des Beklagten vom 5. Januar 2010 nicht davon ausgehen, dass die Abwicklung der Leistungen in beiden Systemen gleich erfolgen würde. Er hätte daher die weiteren Antragsmodalitäten beim Beklagten erfragen müssen. Unterlässt er dies, kann er sich nicht mit Erfolg darauf berufen, man habe von ihm als juristischem Laien entsprechende Kenntnisse nicht erwarten können. Mangelnde Rechtskenntnis entschuldigt eine Fristversäumnis grundsätzlich nicht, ebenso wenig wie ein verschuldeter Rechtsirrtum. Zwar kann ein Rechtsirrtum im Einzelfall unverschuldet sein (z. B. durch falsche Auskunft der Behörde). Dies setzt aber voraus, dass es dem Betroffenen weder möglich noch zumutbar war, sich in der ihm verbleibenden Zeit fachgerecht beraten zu lassen. Es kommt entscheidend darauf an, ob dem Betroffenen nach den gesamten Umständen des Falles ein Vorwurf daraus gemacht werden kann, dass er die Frist versäumt hat bzw. nicht alle ihm zumutbaren Anstrengungen unternommen hat, damit das Hindernis baldmöglichst wegfällt (BayVGH. B. v. 15.9.2010 – 14 ZB 10.1096 – juris Rn. 6 m. w. N.). Die Klägerin hat zwar auch im Zulassungsverfahren auf die großen Belastungen hingewiesen, denen ihr Vertreter durch ihre Pflege ausgesetzt war und ist. Sie hat damit jedoch die Einschätzung des Verwaltungsgerichts nicht in Zweifel gezogen, es sei nicht erkennbar, dass ihr Vertreter durchgehend nicht in der Lage gewesen sei, einen Beihilfeantrag zu stellen. Zudem hat sie nicht dargelegt, dass er alle ihm zumutbaren Anstrengungen unternommen hat, sich zu informieren. Wenn sich die Klägerin nun mit Schreiben vom 7. November 2014 erstmalig im Zulassungsverfahren darauf beruft, ihr Vertreter habe im Frühjahr 2011 eine für ihn nicht nachvollziehbare Nachzahlung seines Arbeitgebers erhalten, diese als Zahlung der Pauschalbeihilfe gewertet, daraufhin nach dem 15. Januar 2010 beim Landesamt angerufen und dort die Auskunft erhalten, die Zahlungen der Pauschalbeihilfe erfolgten jährlich, ist dieses Vorbringen nicht nur im Hinblick auf ihren Einwand widersprüchlich, ihr Vertreter sei davon ausgegangen, die Gewährung der Pauschalbeihilfe durch den Beklagten erfolge wie die Zahlung durch die private Pflegeversicherung monatlich. Die Ausführungen der Klägerin dürften zudem als Wiedereinsetzungsgrund unbeachtlich sein, weil sie außerhalb der Zweiwochenfrist des Art. 32 Abs. 2 BayVwVfG geltend gemacht wurden. Im Übrigen wäre ihr Vorbringen auch im Zulassungsverfahren als verspätet nicht zu berücksichtigen. Zwar können Zulassungsgründe nach Ablauf der Frist des § 124 Abs. 4 Satz 4 VwGO noch ergänzt werden, soweit der konkrete, zu ergänzende Zulassungsgrund in offener Frist bereits den Mindestanforderungen entsprechend dargelegt wurde. Werden – wie hier – nach Ablauf der Frist neue, selbstständige Zulassungsgründe – und seien es auch nur weitere als die bereits dargelegten Gründe für ernstliche Zweifel – vorgetragen, kann darauf der Zulassungsantrag nicht gestützt werden. Dies gilt auch für einen verspäteten neuen Sachvortrag einschließlich diesbezüglicher Beweismittel (vgl. BayVGH, B. v. 18.2.2014 – 14 ZB 11.452 – juris Rn. 9).
II. Ungeachtet dessen, ob besondere rechtliche Schwierigkeiten im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO in einer den Anforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO genügenden Art und Weise geltend gemacht worden sind, liegen diese nicht vor.
Eine Rechtssache weist besondere rechtliche Schwierigkeiten im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO auf, wenn eine kursorische Prüfung der Erfolgsaussichten einer Berufung keine hinreichend sichere Prognose über den Ausgang des Rechtsstreits erlaubt. Entscheidend für besondere rechtliche Schwierigkeiten ist dabei stets die Qualität, nicht die Quantität (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, § 124 Rn. 27).
Soweit die Klägerin rechtliche Schwierigkeiten damit begründet, ihr Vertreter habe sich bei der Beantragung der Pauschalbeihilfe am „Krankenfürsorgesystem der Krankenkassen“ orientiert und sei davon ausgegangen, dass eine einmalige Antragstellung ausreiche, um die Pauschalbeihilfe fortlaufend ohne weitere Antragstellung zu erhalten, vermag der Senat besondere rechtliche Schwierigkeiten schon aus den unter Nr. I genannten Gründen nicht zu erkennen. Insbesondere ihre Schlussfolgerung ist unzutreffend, es sei lediglich erforderlich, dass die materiell-rechtlichen Voraussetzungen zum Zeitpunkt der ersten Antragstellung formal nachgewiesen würden, weil es sich bei der streitgegenständlichen Pauschalbeihilfe um eine fortlaufend zu zahlende Leistung handele, deren Höhe jeden Monat vorhersehbar sei bzw. gleich ausfalle. Gemäß § 31 Abs. 1 Satz 1 BayBhV sind bei dauernder Pflegebedürftigkeit Aufwendungen für die notwendige Pflege neben anderen nach §§ 8 bis 30, 41 und 44 BayBhV beihilfefähigen Aufwendungen beihilfefähig. Soweit die für häusliche Pflege durch anderweitige geeignete Personen vorliegend maßgebliche Regelung des § 32 Abs. 2 Satz 1 BayBhV von einer „Pauschalbeihilfe“ spricht, bezieht sich dies ausschließlich auf deren Höhe. Unabhängig von der Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erhält die Klägerin nach § 32 Abs. 2 Satz 2 BayBhV pauschal ein monatliches Pflegegeld entsprechend der bei ihr vorliegenden Pflegestufe III. Die Pauschalbeihilfe wird jedoch nicht – wie die Klägerin sinngemäß meint – unabhängig vom Vorliegen der beihilferechtlichen Voraussetzungen gewährt. Die Zahlung der Pauschalbeihilfe hängt auch nach Einstufung in die entsprechende Pflegestufe nach § 15 SGB XI von der Erbringung häuslicher Pflegeleistungen ab (vgl. § 32 Abs. 2 Satz 2 BayBhV). Dementsprechend hat der Beklagte die Klägerin mit Schreiben vom 5. Januar 2010 unter Hinweis auf Nr. 5 der Verwaltungsvorschriften zu § 32 Abs. 2 BayBhV darüber informiert, dass die Pauschalbeihilfe entsprechend zu mindern ist, wenn die Pflege nicht für den gesamten Kalendermonat erfolgt. So ist die Pauschalbeihilfe beispielsweise für Zeiten zu kürzen, in denen sich die Klägerin im Krankenhaus befindet. Aus der Verwendung der Formulierung „Pauschalbeihilfe“ in § 32 Abs. 2 Satz 1 BayBhV kann daher nicht der Schluss gezogen werden, eine monatliche Antragstellung sei nicht erforderlich, weil diese ab erster Antragstellung automatisch geleistet werde.
Nicht durchdringen kann die Klägerin auch mit ihrem Einwand, die Beihilfevorschriften sähen eine monatliche Antragstellung nicht ausdrücklich vor. Die Besonderheiten des Festsetzungsverfahrens bei pflegebedingten Aufwendungen sind in § 40 BayBhV geregelt. Nach dessen Satz 4 wird die Beihilfe ab Beginn des Monats der erstmaligen Antragstellung gewährt, frühestens ab dem Zeitpunkt, von dem an die Anspruchsvoraussetzungen vorliegen. Die Formulierung „erstmalig“ zeigt, dass eine fortlaufende Antragstellung erforderlich ist. Denn die Verwendung des Wortes „erstmalig“ wäre entbehrlich, wenn es lediglich einer Antragstellung bedürfen würde. Dass die verfahrensrechtlichen Regelungen des § 48 BayBhV ergänzend auch bei der Gewährung von Beihilfen für Aufwendungen bei dauernder Pflegebedürftigkeit zur Anwendung kommen, folgt aus § 48 Abs. 7 BayBhV, der in seinem Satz 2 ausdrücklich Beihilfen nach § 32 Abs. 2 Satz 2 BayBhV erwähnt. Auch die Möglichkeit, bei dauernder Pflegebedürftigkeit gemäß § 48 Abs. 5 BayBhV auf Antrag Abschlagszahlungen zu erhalten, macht nur Sinn, wenn es einer fortlaufenden Antragstellung bedarf. Auch dann wird das der beihilferechtlichen Leistungsgewährung zugrundliegende Prinzip – Entstehung der Aufwendungen, Antragstellung, Beihilfegewährung – nicht durchbrochen, da die Pauschalbeihilfe auch dann in regelmäßigen Zeitabständen – unter Berücksichtigung möglicher (Pflege-)Unterbrechungszeiten – endgültig festzusetzen ist (vgl. den entsprechenden Hinweis des Beklagten im Schreiben vom 5.1.2010).
III. Eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) wurde bereits nicht dargelegt.
Um eine solche zu begründen, muss der Rechtsmittelführer (1.) eine konkrete Rechts- oder Tatsachenfrage formulieren, (2.) ausführen, weshalb diese Rechtsfrage für den Rechtsstreit entscheidungserheblich ist, (3.) erläutern, weshalb die formulierte Frage klärungsbedürftig ist und (4.) darlegen, weshalb der Frage eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt; Darlegungen zu offensichtlichen Punkten sind dabei entbehrlich (Happ, a. a. O., § 124a Rn. 72 m. w. N.; BayVGH, B. v. 17.9.2014 – 5 ZB 13.1366 – juris Rn. 7). Diesen Anforderungen genügt das – rechtzeitige – Zulassungsvorbringen nicht. Die Klägerin formuliert schon keine Rechtsfrage.
Kosten: § 154 Abs. 2 VwGO.
Streitwertfestsetzung: § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 3 Satz 1 GKG.


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