Aktenzeichen AN 4 K 16.31009
Leitsatz
Familiäre Probleme und Bedrohungen durch Nachbarn stellen keinen Verfolgungsgrund iSv § 3 Abs. 1 AsylG dar. Sollten die Vorfälle auf die Zugehörigkeit der Kläger zur baptistischen Glaubensgemeinschaft zurückzuführen sein, sind die Kläger auf eine Fluchtmöglichkeit innerhalb der Ukraine zu verweisen. (Rn. 26 – 31) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
1. Die Klagen werden abgewiesen.
2. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Gründe
Die zulässigen, insbesondere fristgerecht erhobenen Klagen sind unbegründet, weil die Kläger keinen Anspruch auf Asylanerkennung (1.), auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 Abs. 1 AsylG (2.), auf Gewährung des subsidiären Schutzstatus im Sinne von § 4 AsylG und auf Feststellung, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 oder 7 Satz 1 AufenthG vorliegen (3.), haben. Auch die in Ziffer 5) und 6) getroffenen Nebenentscheidungen begegnen keinen rechtlichen Bedenken (4.). Der ablehnende Bescheid des Bundesamtes vom 26. Juli 2016 ist daher rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in eigenen Rechten, § 113 Abs. 1 und 5 VwGO.
Maßgeblich für die Beurteilung ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung, § 77 Abs. 1 AsylG.
Da das Gericht den Ausführungen im angefochtenen Bundesamtsbescheid im Wesentlichen folgt, wird gemäß § 77 Abs. 2 AsylG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe abgesehen und im Hinblick auf den Verlauf und das Ergebnis der mündlichen Verhandlung am 27. September 2017 nur noch wie folgt ergänzend ausgeführt:
1. Ein Anspruch auf Asylanerkennung gemäß Art. 16a GG scheidet von vornherein aus, da die Kläger eigenen Angaben zufolge auf dem Landwege eingereist sind und der Anwendungsbereich des Art. 16a GG daher nicht eröffnet ist (Abs. 2).
2. Die Kläger sind keine Flüchtlinge im Sinne von § 3 Abs. 1 AsylG.
Danach ist ein Ausländer Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II, S. 559, 560), wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb seines Herkunftslandes befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will, oder in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.
Die Kläger stützen ihre Anträge auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft auf die Angst vor Bedrohung und Gewalt gegen ihre Familie. Diese seien von Nachbarn, Familienmitgliedern und von der Polizei, welche auf Anzeigen nicht reagiert habe, ausgegangen. Als Grund für die Bedrohungen und die Gewalt wurde vorgetragen, dass der Kläger zu 1) ein aktives Mitglied der Baptistischen Glaubensgemeinschaft gewesen sei. Außerdem habe man es als kinderreiche Familie in der Ukraine sehr schwer.
Diese Vorbringen sind jedoch nicht geeignet, die Voraussetzungen des § 3 Abs. 1 AsylG zu erfüllen und die Flüchtlingseigenschaft zu begründen.
Bei der Glaubhaftmachung im Asylverfahren und im anschließenden Verwaltungsgerichtsverfahren kommt dem persönlichen Vorbringen des Asylsuchenden hinsichtlich der vor Ausreise entstandenen Fluchtgründe naturgemäß eine besondere Bedeutung zu. Hinsichtlich der objektiven Nachprüfbarkeit dürfen jedoch keine überzogenen Anforderungen gestellt werden.
Gemäß § 86 Abs. 1 Satz 1, 2. Hs. VwGO i.V.m. § 25 Abs. 1 AsylG muss der Ausländer zunächst selbst die Tatsachen vorbringen, die seine Furcht vor Verfolgung oder die Gefahr eines ihm drohenden Schadens begründen, und die erforderlichen Angaben machen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts muss der Asylsuchende unter Angabe genauer Einzelheiten einen in sich stimmigen Sachverhalt schildern, aus dem sich – als wahr unterstellt – ergibt, dass ihm bei verständiger Würdigung Verfolgung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit droht, so dass ihm nicht zuzumuten ist, im Herkunftsstaat zu bleiben oder dorthin zurückzukehren (BVerwG, U.v. 29.11.1977 – I C 33.71 –, BVerwGE 55, 82-86).
Was die Angst vor Bedrohung aufgrund der Zugehörigkeit des Klägers zu 1) zu den Baptisten angeht, wird mit diesem Vortrag letztlich eine religiöse Verfolgung im Wesentlichen durch zivilgesellschaftliche Akteure geltend gemacht, diese erweist sich jedoch nach Überzeugung des Gerichts als nicht glaubhaft:
Zum einen haben die Kläger selbst vorgetragen, dass die Gewalt und die Bedrohungen insbesondere auch von der psychisch kranken Schwester und dem alkoholkranken Vater ausgehen würden, mit denen die Familie der Kläger in Odessa unter einem Dach gelebt habe. Derartige innerfamiliäre Probleme, die ihre Ursache offenkundig nicht einmal in der religiösen Haltung des Klägers zu 1) haben, sondern krankheitsbedingt sind, begründen keinen Fluchtgrund im Sinne von § 3 Abs. 1 AsylG.
Die angeblichen Bedrohungen, die vor allem von den Nachbarn ausgehen würden, bleiben auch nach dem ergänzenden Vortrag in der mündlichen Verhandlung sehr vage und begründen aus Sicht des Gerichts keine flüchtlingsrechtlich erhebliche Verfolgung im Sinne von § 3 AsylG. So erscheinen die geschilderten Vorfälle, wie das „Attentat“ im Mai 2014, bei dem im Hof des Hauses ein Feuer entstanden sein soll, oder die vor die Tür gelegte tote Katze, zusammenhanglos und bleiben unterhalb der erforderlichen verfahrensrelevanten Verfolgungsintensität.
Es fehlt aber auch an einer Verknüpfung zwischen etwaigen Verfolgungshandlungen mit einem Verfolgungsgrund gemäß § 3a Abs. 3 AsylG. Soweit nämlich die ablehnende Haltung der Umgebungsgesellschaft auf die Zugehörigkeit des Klägers zu 1) zur Baptistischen Glaubensgemeinschaft zurückgeführt wird, wird die Glaubhaftigkeit des Vortrages bereits durch die in Deutschland erfolgte katholische Taufe der Kläger zu 3) bis 7) erschüttert. Aus dem in der mündlichen Verhandlung übergebenen Schreiben des Katholischen Pfarramtes, …, …, vom 20. September 2017 ergibt sich zudem, dass nicht nur die getauften Kinder, sondern die gesamte Familie der Kläger „eine intensive Bindung“ an die Gemeinde entwickelt habe. Von Anfang an habe die Familie regelmäßig an Gottesdiensten teilgenommen.
Auf Vorhalt des Gerichts in der mündlichen Verhandlung, erklärten die Kläger diesen Umstand damit, dass es in ihrem Wohnort, …, keine Baptistische Gemeinde gebe und dass die Baptistische Glaubensrichtung der katholischen Kirche am nächsten komme.
Dies stellt jedoch die Hinwendung des Klägers zu 1) zur Baptistischen Gemeinde im Sinne einer ernsthaften Glaubensüberzeugung als Anknüpfungspunkt für eine Verfolgung erheblich in Frage. Die Begründung, es gebe in … keine Baptistische Gemeinde, überzeugt nicht, weil die Flucht aus der Ukraine gerade mit der religiösen Überzeugung des Klägers zu 1) begründet wird und eine sofortige Hinwendung („von Anfang an“) zu einer anderen Glaubensgemeinschaft vor allem aus praktischen Erwägungen die Ernsthaftigkeit der die Flucht begründenden Glaubensüberzeugung stark erschüttert.
Die Kläger sind daher auf eine Fluchtmöglichkeit innerhalb der Ukraine zu verweisen. Dass die Kläger etwa im gesamten Gebiet der Ukraine in Anknüpfung an ihre Religionszugehörigkeit verfahrensrelevante Verfolgungsmaßnahmen zu befürchten hätten, machen sie selbst nicht – hinreichend konkret und substantiiert – geltend.
Der in der mündlichen Verhandlung – bedingt – gestellte Beweisantrag erweist sich als unbehelflich, weil die darin genannte und aus Sicht des Klägervertreters beweisbedürftige Tatsache, nämlich der angeblich fehlende Aufklärungswille der ukrainischen Regierung hinsichtlich der Ereignisse in Odessa im Mai 2014, keinerlei Relevanz für den hier zur Entscheidung stehenden Fall hat.
3. Ein Anspruch auf Zuerkennung des subsidiären Schutzes im Sinne von § 4 AsylG besteht ebenfalls nicht.
Denn nach § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylG ist ein Ausländer nur dann subsidiär schutzberechtigt, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt gemäß Satz 2: Die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe (Nr. 1), Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung (Nr. 2) oder eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts (Nr. 3).
Das Gericht bezieht sich insoweit auf die Feststellungen und die Begründung des angefochtenen Bescheids, da die Kläger auch im Rahmen des Gerichtsverfahrens keine darüber hinausgehenden, maßgeblichen Gesichtspunkte vorgetragen haben und das Gericht den Ausführungen des Bundesamtes folgt, § 77 Abs. 2 AsylG.
4. Dasselbe gilt für die begehrte Feststellung des Vorliegens von Abschiebungshindernissen gemäß § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG.
5. Die in Ziffer 5 des angefochtenen Bescheids angedrohte Abschiebung beruht auf § 34 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 59 AufenthG und ist rechtmäßig, weil die entsprechenden gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen.
Die im Rahmen von § 11 Abs. 3 AufenthG zu treffende Ermessensentscheidung über die Dauer des Einreise- und Aufenthaltsverbots gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG (hier festgesetzt auf 30 Monate) ist nicht zu beanstanden (§ 114 Satz 1 VwGO).
Nach alledem ist der angefochtene Bescheid rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in eigenen Rechten. Die Klagen sind daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO als unbegründet abzuweisen. Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylG nicht erhoben.