Verwaltungsrecht

Inländische Fluchtalternative im Senegal vor den in der Casamance agierenden Rebellen

Aktenzeichen  M 16 S 16.33187

Datum:
27.10.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
GG GG Art. 16a Abs. 3
AsylG AsylG § 3, § 3e, § 4, § 29a Abs. 2, § 36 Abs. 3 S. 1, Abs. 4
AufenthG AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7
EMRK EMRK Art. 3

 

Leitsatz

In Bezug auf Bedrohungen durch die im Landesteil Casamance agierenden Rebellen besteht eine inländische Fluchtalternative im nördlichen, vom Casamance-Konflikt nicht betroffenen Teil des Senegals. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Der Antrag wird abgelehnt.
II.
Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Gründe

I.
Der Antragsteller begehrt einstweiligen Rechtschutz gegen einen Bescheid des Bundesamts … (im Folgenden: Bundesamt), mit dem sein Asylbegehren als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde.
Der Antragsteller ist Staatsangehöriger Senegals. Er reiste nach eigenen Angaben erstmals im Dezember 2014 bzw. Januar 2015 in das Bundesgebiet ein. Am 27. Januar 2015 stellte er bei dem Bundesamt einen Asylantrag.
Bei seiner Anhörung vor dem Bundesamt gemäß § 25 AsylG am 16. März 2016 gab der Antragsteller im Wesentlichen an, er habe in seinem Heimatland zuletzt im Dorf S… in der Casamance in einer Hütte gemeinsam mit seinen Eltern und Geschwistern gelebt. Sein Vater sei zwischenzeitlich verstorben, seine Mutter lebe seit 2012 in Gambia. Er habe sieben Jahre die Schule besucht und diese abgeschlossen. Er sei in den Schulferien von Rebellen entführt worden, als er seine Oma besucht habe. Diese hätten Waffen gehabt. Er habe für die Rebellen arbeiten müssen. Sie hätten ihn auch sexuell misshandeln wollen, hätten es aber dann doch nicht getan. Sie hätten auch gewollt, dass er sich ihnen anschließe. Dies habe der Antragsteller nicht gewollt. Er sei im Sommer 2011 aus S… entführt worden. Sie hätten auf dem Fußballplatz Fußball gespielt und dann seien mehr als zehn, mit Gewehren bewaffnete Rebellen in Autos gekommen. Sie hätten in die Luft geschossen und die Fußballspieler hätten sich auf den Boden legen müssen. Der Antragsteller sei gefesselt und ihm seien die Augen verbunden worden, dann sei er mit dem Auto verschleppt worden. Er sei ca. zehn bis zwölf Monate bei den Rebellen gewesen. Am 23. November 2012 sei er geflohen und noch am selben Tag nach Mali ausgereist. Er wisse nicht, wie die Rebellen geheißen hätten. Er sei von ihnen auch verletzt worden und habe davon mehrere Narben. Er habe auch Schmerzen in der Nierengegend und an den Gelenken. Er habe in Senegal bei niemandem Schutz finden können, auch nicht bei der Polizei oder Justiz, da er niemandem dort vertraue. Er hätte auch nicht in eine andere Stadt oder Provinz gehen können, da ihn die Rebellen überall finden würden. Sie würden in Zivil herumlaufen und nach ihm suchen. Er habe auch nicht zu seinen Verwandten nach Gambia gehen können, da sie ihn auch dort und auch in Mali suchen würden. Wenn er zurückkehren würde, würden ihn die Rebellen töten. Er müsste nach S… gehen, da er sonst niemanden habe.
Mit Bescheid vom 15. September 2016, zugestellt am 19. September 2016, lehnte das Bundesamt sowohl den Antrag auf Asylanerkennung (Nr. 2 des Bescheids) als auch den Antrag auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (Nr. 1 des Bescheids) als offensichtlich unbegründet ab. Ebenso wurde der Antrag auf Zuerkennung subsidiären Schutzes als offensichtlich unbegründet abgelehnt (Nr. 3 des Bescheids). Das Vorliegen von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG wurde verneint (Nr. 4 des Bescheids). Der Antragsteller wurde zur Ausreise aufgefordert, die Abschiebung wurde bei nicht fristgerechter Ausreise angedroht (Nr. 5 des Bescheids). Das Einreise- und Aufenthaltsverbot wurde gemäß § 11 Abs. 7 AufenthG angeordnet und auf 10 Monate ab dem Tag der Ausreise befristet (Nr. 6 des Bescheids), das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG wurde auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Nr. 7 des Bescheids).
Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, der Antragsteller stamme aus einem sicheren Herkunftsstaat im Sinne des Art. 16a Abs. 3 Satz 1 GG, § 29a Abs. 2 AsylG i. V. m. der Anlage II zum AsylG. Er habe nichts glaubhaft vorgetragen oder vorgelegt, was zu der Überzeugung gelangen ließe, dass entgegen der Einschätzung der allgemeinen Lage in seinem Herkunftsstaat in seinem Fall die Voraussetzungen für die Annahme einer begründeten Furcht vor Verfolgung oder die Gefahr eines ernsthaften Schadens erfüllt seien. Er mache keine staatliche Verfolgung geltend, er berufe sich im Wesentlichen auf die Entführung und Misshandlung durch die Rebellen. Vor diesem Hintergrund erscheine es unverständlich, dass der Antragsteller nicht um staatlichen Schutz nachgesucht habe. Der senegalesische Staat sei durchaus in der Lage und willens, seine Bürger vor Übergriffen zu schützen. Ein Schutzversagen des Staates liege somit nicht vor. Unter Hinweis auf die Ausführungen zum Flüchtlingsschutz und unter Berücksichtigung des Vorbringens seien auch keinerlei Anhaltspunkte erkennbar, welche die Annahme rechtfertigten, dass ihm bei Rückkehr ein ernsthafter Schaden drohe. Die Zuerkennung subsidiären Schutzes gemäß § 4 AsylG sei somit ebenfalls abzulehnen. Abschiebungsverbote lägen ebenfalls nicht vor. Die derzeitigen humanitären Bedingungen in Senegal führten nicht zu der Annahme, dass bei Abschiebung des Antragstellers eine Verletzung des Art. 3 EMRK vorliege. Die hohen Anforderungen an den Gefahrenmaßstab seien nicht erfüllt. Auch unter Berücksichtigung der individuellen Umstände des Antragstellers sei die Wahrscheinlichkeit einer Verletzung des Art. 3 EMRK durch die Abschiebung nicht beachtlich. Es bestünden keine Anhaltspunkte dafür, dass der Antragsteller nicht im Stande sein werde, bei einer Rückkehr nach Senegal sich eine zumindest existenzsichernde Grundlage – ggf. durch Aufnahme einer Gelegenheitsarbeit – zu schaffen. Es drohe dem Antragsteller auch keine individuelle Gefahr für Leib oder Leben, die zur Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 AufenthG führen würde. Auf die Begründung des Bescheids wird im Einzelnen verwiesen.
Gegen diesen Bescheid erhoben die Bevollmächtigten des Antragstellers am 23. September 2016 Klage mit den Anträgen, den Bescheid aufzuheben, die Antragsgegnerin zu verpflichten, dem Antragsteller die Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 AsylG zuzuerkennen, die Antragsgegnerin zu verpflichten, den Antragsteller als Asylberechtigten anzuerkennen, die Antragsgegnerin zu verpflichten, dem Antragsteller den subsidiären Schutzstatus zuzuerkennen und die Antragsgegnerin zu verpflichten festzustellen, dass Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG vorliegen. Zudem beantragten sie,
hinsichtlich der in Ziffer 5. des angegriffenen Bescheids ausgesprochenen Abschiebungsandrohung die aufschiebende Wirkung der Klage gemäß § 80 Abs. 5 VwGO anzuordnen.
Eine Begründung der Klage erfolgte trotz entsprechender Ankündigung nicht.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte, die Gerichtsakte im Klageverfahren M 16 K 16.333186 sowie auf die vorgelegte Behördenakte Bezug genommen.
II.
Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsandrohung bleibt ohne Erfolg.
Der Antrag, die kraft Gesetzes (§ 75 Abs. 1 AsylG) ausgeschlossene aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung im streitgegenständlichen Bescheid des Bundesamts nach § 80 Abs. 5 VwGO anzuordnen, zulässig, insbesondere wurde die Wochenfrist des § 36 Abs. 3 Satz 1 AsylG gewahrt.
Der Antrag ist jedoch nicht begründet, da keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen (vgl. Art. 16a Abs. 4 GG, § 36 Abs. 4 AsylG).
Gemäß Art. 16a GG, § 36 Abs. 4 AsylG kann das Verwaltungsgericht auf Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO die Aussetzung der Abschiebung anordnen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen. Im Rahmen der Entscheidung über einen solchen Antrag ist im Hinblick auf den durch Art. 19 Abs. 4 GG gebotenen effektiven Rechtsschutz auch zu prüfen, ob das Bundesamt zu Recht davon ausgegangen ist, dass der geltend gemachte Anspruch auf Asylanerkennung bzw. auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG offensichtlich nicht besteht – wobei eine nur summarische Prüfung nicht ausreicht – und ob diese Ablehnung weiterhin Bestand haben kann (BVerfG, B.v. 2.5.1984 – 2 BvR 1413/83 – BVerfGE 67, 43 ff.). Offensichtlich unbegründet ist ein Asylantrag dann, wenn die Voraussetzungen für eine Anerkennung als Asylberechtigter (Art. 16a GG) und die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft offensichtlich nicht vorliegen (§ 30 Abs. 1 AsylG). Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts liegen ernstliche Zweifel i. S. v. Art. 16a Abs. 4 Satz 1 GG vor, wenn erhebliche Gründe dafür sprechen, dass die Maßnahme einer rechtlichen Prüfung wahrscheinlich nicht standhält (BVerfG, U.v. 14.5.1996 – 2 BvR 1516/93 – BVerfGE 94, 166 ff.). Dies ist nach ständiger Rechtsprechung dann anzunehmen, wenn an der Richtigkeit der tatsächlichen Feststellungen vernünftigerweise keine Zweifel bestehen, und bei einem solchen Sachverhalt nach allgemein anerkannter Rechtsauffassung sich die Abweisung geradezu aufdrängt (vgl. BVerfG, B.v. 5.2.1993 – 2 BvR 1294/92 – InfAuslR 1993, 196).
Das Gericht hat im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes auch die Einschätzung des Bundesamts, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen, zum Gegenstand der Prüfung zu machen. Dies ist zwar der gesetzlichen Regelung des § 36 AsylG nicht ausdrücklich zu entnehmen, jedoch gebieten die verfassungsrechtlichen Gewährleistungen der Art. 19 Abs. 4 und Art. 103 Abs. 1 Grundgesetz (GG) die diesbezügliche Berücksichtigung auch im Verfahren nach § 36 AsylG (vgl. zur Rechtslage nach – dem Abschiebungsverbot gemäß § 60 AufentG entsprechenden – § 51 Ausländergesetz 1990: BVerfG, U.v. 14.5.1996 – 2 BvR 1516/93 – BVerfGE 94, 166/221).
An der Rechtmäßigkeit der im vorliegenden Fall vom Bundesamt getroffenen Entscheidungen bestehen hier im maßgeblichen Zeitpunkt der vorliegenden Entscheidung (vgl. § 77 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 AsylG) keine derartigen ernstlichen Zweifel.
Das Gericht folgt den Ausführungen des Bundesamts im angefochtenen Bescheid und sieht insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 77 Abs. 2 AsylG).
Ergänzend wird ausgeführt:
Nach § 29a Abs. 1 AsylG ist der Asylantrag eines Ausländers aus einem Staat im Sinne des Art. 16a Abs. 3 Satz 1 GG – ein sogenannter sicherer Herkunftsstaat – als offensichtlich unbegründet abzulehnen, es sei denn, die von dem Ausländer angegeben Tatsachen oder Beweismittel begründen die Annahme, dass ihm abweichend von der allgemeinen Lage im Herkunftsstaat politische Verfolgung droht.
Der Antragsteller stammt aus einem sicheren Herkunftsstaat. Senegal ist als solcher im Sinne des Art. 16a Abs. 3 Satz 1 GG in der Anlage II zum AsylG gelistet. Der Asylantrag ist somit nach § 29a Abs. 1 AsylG als offensichtlich unbegründet abzulehnen, da der Vortrag des Antragstellers nicht die Anforderungen zur Erschütterung der Regelvermutung gemäß § 29a Abs. 1 AsylG, Art. 16a Abs. 3 Satz 2 GG erfüllt.
Selbst wenn man die Angaben des Antragstellers – in seiner Heimat Casamance sei sein Leben durch Rebellen bedroht – als wahr unterstellt, kann dieser Vortrag unter keinem sachlichen und rechtlichen Gesichtspunkt als politische Verfolgung im Sinne des Art. 16a Abs. 1 GG bzw. des § 3 AsylG gewertet werden und damit offensichtlich nicht die Anerkennung als Asylberechtigter rechtfertigen oder zur Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft führen. Denn die im Landesteil Casamance agierenden Rebellen sind keine Akteure, von denen (politische) Verfolgung ausgehen kann (vgl. § 3c AsylG). Weder beherrschen sie einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets (§ 3c Nr. 2 AsylG), noch ist der senegalesische Staat nicht in der Lage oder nicht willens, Schutz vor Verfolgung im Sinne des § 3d AsylG zu bieten, d. h. der Antragsteller könnte von dort grundsätzlich Hilfe erlangen. Zudem kann der Antragsteller innerhalb Senegals internen Schutz gemäß § 3e AsylG erlangen (sog. inländische Fluchtalternative). Teile der Zivilbevölkerung sind wegen der immer wieder aufflammenden, lokal begrenzten bewaffneten Auseinandersetzungen in der Casamance unbehindert u. a. in den nördlichen, vom Konflikt nicht betroffenen Teil Senegals geflohen. Fluchtbewegungen wurden nicht behindert, und die Casamance-Flüchtlinge wurden staatlicherseits nicht behelligt (vgl. Auswärtiges Amt, Bericht im Hinblick auf die Einstufung der Republik Senegal als sicheres Herkunftsland im Sinne des § 29a AsylVfG vom 14.10.2016, II.3. „Ausweichmöglichkeiten“).
Der Antragsteller hat auch keinen Anspruch auf die Gewährung von subsidiärem Schutz nach § 4 Abs. 1 AsylG. Es sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass dem Antragsteller im Senegal die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AsylG) oder Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG) drohen könnten. Verfolgung von Seiten des senegalesischen Staates macht der Antragsteller ohnedies nicht geltend. Evtl. Bedrohungen seitens der in der Casamance agierenden Rebellen kann der Antragsteller entgehen, in dem er sich – wie dargelegt – außerhalb der Casamance, z. B. im nördlichen, vom Casamance-Konflikt nicht betroffenen Teil Senegals niederlässt. Dass er z. B. im Großraum Dakar (etwa 2,7 Mio Einwohner) oder in einer der anderen großen Städte im Norden Senegals von den Rebellen aufgespürt werden könnte, erscheint äußerst unwahrscheinlich, zumal es in Senegal auch kein funktionierendes Melde- und Registrierwesen gibt (vgl. VG Augsburg, B.v. 24.3.2016 – Au 7 S 16.30245 – juris Rn. 35) und der Kläger nach eigenen Angaben schon Ende 2012 sein Herkunftsland verlassen hat (vgl. auch VG Augsburg, U.v. 30.10.2013 – Au 7 K 13.30241 – juris Rn. 30). Dementsprechend scheidet auch die Gewährung subsidiären Schutzes nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG aus. Denn eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts droht dem Antragsteller im Falle der Rückkehr in den Senegal aufgrund der bestehenden innerstaatlichen Fluchtalternative nicht. Es bestehen auch keine Erkenntnisse, dass abgelehnte Asylbewerber bei einer Rückkehr nach Senegal allein wegen der Asylantragstellung mit staatlichen Repressionen zu rechnen hätten (vgl. Bericht des Auswärtigen Amtes vom 14.10.2016, IV.2 „Behandlung von Rückkehrern“).
Abschiebungsverbote gem. § 60 Abs. 5 und 7 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) liegen ebenfalls nicht vor.
Gem. § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von der Abschiebung abgesehen werden, wenn für den Ausländer im Zielstaat eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Maßgebend ist insoweit allein das Bestehen einer konkreten, individuellen – zielstaatsbezogenen – Gefahr für die genannten Rechtsgüter, ohne Rücksicht darauf, von wem die Gefahr ausgeht und auf welchen Ursachen sie beruht. Diese Gefahr muss dem Einzelnen mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohen, wobei im Hinblick auf das Tatbestandsmerkmal der „konkreten“ Gefahr für „diesen“ Ausländer als zusätzliches Erfordernis eine einfallbezogene, individuell bestimmte und erhebliche Gefahrensituation hinzutreten muss, die überdies landesweit droht.
Für die Annahme einer derartigen drohenden konkreten Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit bestehen im Fall des Antragstellers keine hinreichenden Anhaltspunkte, da ihm – wie dargestellt – eine innerstaatliche Fluchtalternative offen steht (vgl. auch VG Regensburg, U.v. 18.2.2015 – RO 6 K 14.30903 – juris Rn. 26).
Auch unter Berücksichtigung der Lebensbedingungen in Senegal liegen die Voraussetzungen zur Annahme eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht vor. Zwar ist nach der Auskunftslage (Bericht des Auswärtigen Amts vom 14.10.2016, IV. 1. „Situation für Rückkehrer“) davon auszugehen, dass die Versorgungslage im Senegal schlecht ist (ca. 50% der Bevölkerung lebt unterhalb der Armutsschwelle). Im Hinblick auf die Lebensbedingungen, die einen Ausländer im Falle der Rückkehr in seinen Herkunftsstaat erwarten, insbesondere die dort herrschenden wirtschaftlichen Existenzbedingungen und die damit zusammenhängende Versorgungslage, kann ein Ausländer Abschiebungsschutz in verfassungskonformer Anwendung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG aber nur ausnahmsweise beanspruchen, wenn er bei einer Rückkehr aufgrund dieser Bedingungen mit hoher Wahrscheinlichkeit einer extremen Gefahrenlage ausgesetzt wäre. Nur dann gebieten es die Grundrechte aus Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG, ihm trotz einer fehlenden politischen Leitentscheidung nach § 60a Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG zu gewähren. Die Abschiebung wäre nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung allenfalls auszusetzen, wenn der Ausländer ansonsten „gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert würde“ (vgl. BVerwG, U.v. 12.7.2001 – 1 C 5.01 – juris), also im Falle einer schlechten Lebensmittelversorgung, wenn der Ausländer mangels jeglicher Lebensgrundlage dem baldigen sicheren Hungertod ausgeliefert werden würde (BVerwG, U.v. 12.7.2001 a. a. O.; BVerwG, U.v. 29.6.2010 – 10 C 10.09 – juris; BVerwG, U.v. 29.9.2011 – 10 C 24.10 – juris). Das kann beim Antragsteller nicht angenommen werden. Dieser muss als arbeitsfähiger junger Mann in der Lage sein, wie jeder andere in vergleichbarer Situation in Senegal seinen Lebensunterhalt dort, und sei es durch Hilfstätigkeiten, sicherzustellen (vgl. VG München, B.v. 19.1.2016 – M 21 S 16.30019; B.v. 12.1.2016 – M 21 S 15.31689; VG München, B.v. 2.9.2014 – M 21 S 14.30945; VG München, B.v. 9.1.2014 – M 21 S 13.31259; VG München, B.v. 29.10.2012 – M 21 S 12.30698).
Nichts anderes ergibt sich, soweit nach der aktuellen höchstrichterlichen Rechtsprechung im Falle besonders schlechter humanitärer Verhältnisse ausnahmsweise in extremen Ausnahmesituationen unter Berücksichtigung von Art. 3 EMRK auf § 60 Abs. 5 AufenthG einzelfallbezogen zurückgegriffen wird (vgl. zu Afghanistan: BVerwG, U.v. 31.1.2013 – 10 C 15.12 – juris; BayVGH, B.v. 11.12.2014 – 13a ZB 14.30400 – juris; VGH BW, U.v. 24.7.2013 – A 11 S 697/13 – juris). Unabhängig von der Frage, wo genau die Grenze zu ziehen ist, ab der schlechte humanitäre Bedingungen, die nicht (überwiegend) auf Handlungen staatlicher oder nichtstaatlicher Akteure zurückzuführen sind, als unmenschliche Behandlung im Sinne von Art. 3 EMRK zu qualifizieren sind (die Rechtsprechung verlangt hier ganz außerordentliche individuelle Umstände: VGH BW, U.v. 24.07.2013 a. a. O. Rn. 71), genügen schlicht allgemein bestehende ärmliche Verhältnisse im Herkunftsstaat für die Annahme eines nationalen Abschiebungsverbots gem. § 60 Abs. 5 AufenthG als solche nicht.
Auch kann im Hinblick auf die vom Antragsteller geschilderten Schmerzzustände nicht von einem krankheitsbedingten zielstaatsbezogenen Abschiebungshindernis nach § 60 Abs. 7 Satz 1 bis 4 AufenthG ausgegangen werden.
Die Regelung in § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG erfasst nur solche Gefahren, die in den spezifischen Verhältnissen im Zielstaat begründet sind, während Gefahren, die sich aus der Abschiebung als solcher ergeben, nur von der Ausländerbehörde als inlandsbezogenes Vollstreckungshindernis berücksichtigt werden können (st. Rspr., BVerwG, U. v. 25.11.1997 – Az. 9 C 58.96 – juris; BVerwG, U. v. 29.10.2002 – 1 C 1/02 – juris; BayVGH, U. v. 8.3.2012 – 13a B 10.30172 – juris; OVG NW, U. v. 27.1.2015 – 13 A 1201/12.A – juris Rn. 45). Ein zielstaatsbezogenes Abschiebungshindernis kann sich dabei auch aus der Krankheit eines Ausländers ergeben, wenn diese sich im Heimatstaat verschlimmert, weil die Behandlungsmöglichkeiten dort unzureichend sind. Ein zielstaatsbezogenes Abschiebungshindernis kann sich darüber hinaus trotz an sich verfügbarer medikamentöser und ärztlicher Behandlung aber auch aus sonstigen Umständen im Zielstaat ergeben, die dazu führen, dass der betroffene Ausländer diese medizinische Versorgung tatsächlich nicht erlangen kann, etwa weil er nicht über die erforderlichen finanziellen Mittel verfügt (BVerwG, U. v. 29.10.2002, a. a. O.; BayVGH, U. v. 8.3.2012, a. a. O.). Dabei setzt die Annahme einer erheblichen konkreten Gefahr voraus, dass sich der Gesundheitszustand des betroffenen Ausländers alsbald nach der Ankunft im Zielland der Abschiebung wesentlich oder gar lebensbedrohlich verschlechtern würde (BVerwG, U. v. 25.11.1997, a. a. O.). Durch Gesetz zur Einführung beschleunigter Asylverfahren vom 11. März 2016 (BGBl I S. 390) wurden hinsichtlich des krankheitsbedingten zielstaatsbezogenen Abschiebungshindernisses durch § 60 Abs. 7 Sätze 2 bis 4 AufenthG zusätzlich folgende Bestimmungen getroffen: Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Nach Auffassung des Gerichts haben sich diese nunmehr in § 60 Abs. 7 Sätze 2 bis 4 AufenthG gesetzlich normierten Grundsätze auch bereits bisher aus der höchst- und obergerichtlichen Rechtsprechung zum krankheitsbedingten zielstaatsbezogenen Abschiebungshindernis ableiten lassen.
Im Fall des Antragstellers liegen die Voraussetzungen eines solchen krankheitsbedingten zielstaatsbezogenen Abschiebungshindernisses nach § 60 Abs. 7 Sätze 1 bis 4 AufenthG nicht vor, da keine lebensbedrohliche oder schwerwiegende Erkrankung geltend gemacht wurde, die sich im Falle einer etwaigen Nichtbehandlung alsbald nach der Ankunft im Zielland der Abschiebung wesentlich oder gar lebensbedrohlich verschlechtern würde.
Damit ist insgesamt die nach Maßgabe der §§ 34, 36 Abs. 1 Satz 1 AsylG i. V. m. § 59 AufenthG erlassene Abschiebungsandrohung nicht zu beanstanden. Die gesetzte Ausreisefrist entspricht der Regelung in § 36 Abs. 1 AsylG.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).


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