Verwaltungsrecht

Innerkapazitärer freier Medizin-Studienplatz

Aktenzeichen  7 CE 19.10104

Datum:
27.1.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 1262
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
HZV § 35 Abs. 1 S. 1

 

Leitsatz

Ein Anspruch auf Zulassung für ein höheres Fachsemester besteht im Studiengang Medizin nur, wenn die Zahl der in diesem Semester und gleichzeitig die Gesamtzahl der in dem betreffenden Studiengang eingeschriebenen Studierenden unter die festgesetzten Zulassungszahlen sinkt; maßgeblich sind dabei die sechs Fachsemester des 2. Studienabschnitts (Klinik).  (Rn. 7) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

W 7 E 19.20049 2019-07-11 Bes VGWUERZBURG VG Würzburg

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.500 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die vorläufige Höherstufung in das erste Fachsemester (Klinik) des Studiengangs Humanmedizin an der J.-M.-Universität W. (JMU) nach den tatsächlichen und rechtlichen Verhältnissen des Sommersemesters 2019.
Das Bayerische Verwaltungsgericht Würzburg hat den Antrag mit Beschluss vom 11. Juli 2019 abgelehnt. Der Antragsteller habe nicht glaubhaft gemacht, dass an der JMU im zweiten Studienabschnitt des Studiengangs Medizin innerhalb der Kapazität noch ein freier Studienplatz verfügbar sei.
Mit der Beschwerde verfolgt der Antragsteller sein Rechtsschutzziel weiter. Er macht im Wesentlichen geltend, die Ablehnung des Eilantrags beruhe auf einem Aufklärungsmangel. Das Verwaltungsgericht habe seiner Entscheidung ohne weitere Prüfung die vom Antragsgegner angegebene Belegungszahl von 138 Studierenden zugrunde gelegt, obwohl diese Zahl nicht plausibel sei. Laut einer vom Antragsteller vorgelegten Liste des Instituts für medizinische und pharmazeutische Prüfungsfragen (IMPP) hätten lediglich 134 Studierende den schriftlichen Teil des ersten Abschnitts der Ärztlichen Prüfung bestanden. Zu berücksichtigen seien weitere Studierende, die die mündliche Prüfung nicht erfolgreich abgelegt hätten. Das Verwaltungsgericht habe versäumt, eine entsprechende Aufklärungsverfügung zu erlassen und den Beklagten aufzufordern, die Belegungslisten aller Kohorten des klinischen Studienabschnitts vorzulegen sowie aufzuklären, wie viele Studierende im Termin Frühjahr 2019 die schriftliche Prüfung bzw. die mündliche Prüfung bestanden hätten. Auf die Schriftsätze des Bevollmächtigten des Antragstellers vom 26. Juli 2019 und vom 21. Oktober 2019 wird verwiesen.
Der Antragsgegner widersetzt sich der Beschwerde. Auf die Schriftsätze vom 22. August 2019 und vom 14. Oktober 2019 wird verwiesen.
Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Das Beschwerdevorbringen, auf das sich die Prüfung des Senats beschränkt (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), begründet den geltend gemachten Anordnungsanspruch des Antragstellers nicht.
Der Antragsteller hat schon nicht glaubhaft gemacht (§ 123 Abs. 3 VwGO, § 920 Abs. 2 ZPO), dass an der JMU im zweiten Studienabschnitt des Studiengangs Medizin innerhalb der Kapazität ein freier Studienplatz verfügbar ist. Ein Anspruch auf Zulassung für ein höheres Fachsemester besteht nur, wenn die Zahl der in diesem Semester und gleichzeitig die Gesamtzahl der in dem betreffenden Studiengang eingeschriebenen Studierenden unter die hierfür festgesetzten Zulassungszahlen sinkt (§ 35 Abs. 1 Satz 1 HZV). Im Studiengang Medizin sind dabei vorliegend die sechs Fachsemester des 2. Studienabschnitts (Klinik) maßgebend (§ 3 Abs. 3 Satz 2 der Zulassungszahlsatzung 2018/2019 der JMU vom 30. Juni 2018). Selbst wenn – wie der Antragsteller geltend macht – die Zulassungszahl im 1. Fachsemester von 131 Studierenden unterschritten sein sollte, müsste als weitere Voraussetzung die Gesamtzahl der in den sechs klinischen Fachsemestern eingeschriebenen Studierenden (871) unter die hierfür festgesetzte Zulassungszahl von insgesamt 789 Studierenden sinken. Dafür trägt der Antragsteller nichts vor.
Ungeachtet dessen ist das Verwaltungsgericht zu Recht davon ausgegangen, dass im Sommersemester 2019 – bereinigt um eine Beurlaubung – 138 Studierende im ersten klinischen Fachsemester immatrikuliert sind und damit die in der Zulassungszahlsatzung 2018/2019 der JMU festgelegte Zahl von 131 Studienplätzen für das erste klinische Fachsemester ausgeschöpft ist. Soweit sich der Antragsteller zur Glaubhaftmachung seines Anspruchs auf die veröffentlichten Ergebnisse des IMPP beruft, wonach den schriftlichen Teil des ersten Abschnitts der Ärztlichen Prüfung 134 Studierende bestanden haben, und hierzu ausführt, bei Berücksichtigung der Studierenden, die in der Folge an der mündlichen Prüfung gescheitert wären, komme durchaus eine geringere Zahl erfolgreicher Studierender, die im ersten klinischen Fachsemester immatrikuliert seien, in Betracht, kann er damit nicht durchdringen. Zweifelhaft ist zwar, ob die Auskunft des Beklagten vom 12. Juni 2019, “aus den veröffentlichten Ergebnissen des IMPP kann nicht auf die Zahl der zulässig Eingeschriebenen zurückgeschlossen werden” und “Die Zahl der aktuellen Physikumsbesteher kann sich ohne weiteres, so auch vorliegend, um diejenigen Studierenden (natürlich mit Physikum) erhöhen, die aus einer Beurlaubung zurückkommen”, geeignet war, um die vom Antragsteller in Frage gestellte Belegungszahl von 138 Studierenden im ersten klinischen Fachsemester zu plausibilisieren oder ob nicht vielmehr eine weitere Aufklärung geboten gewesen wäre. Letztlich kann das aber dahinstehen, weil der Antragsgegner nunmehr mit Schriftsatz der Landesanwaltschaft Bayern vom 14. Oktober 2019 die vom Antragsteller gerügten Diskrepanzen zwischen den veröffentlichten Ergebnissen des IMPP und der Studierendenzahl von 139 plausibel damit erklärt hat, dass die Daten der IMPP nur die schriftlichen Prüfungen erfassten, jedoch nicht berücksichtigt werde, dass es auch Studierende gebe, die ausschließlich die mündliche Prüfung wiederholen müssten. Zusätzlich zu den vom IMPP aufgeführten 134 Prüfungsteilnehmern, von denen zwei die mündliche Prüfung nicht bestanden hätten, hätten im Frühjahr 2019 sieben Studierende nur noch die mündliche Prüfung absolvieren müssen und diese erfolgreich abgelegt. Von den insgesamt 139 erfolgreichen Kandidaten sei ein Beurlaubter in Abzug zu bringen, so dass im ersten klinischen Semester mit 138 Studierenden bei einer festgelegten Zulassungszahl von 131 keine freien Studienplätze vorhanden seien. Die vom Beklagten angegebene Zahl von 138 Studierenden im ersten klinischen Semester, die sich auch aus der hierzu vorgelegten Liste zur Zahl der unter anderem im Studiengang Humanmedizin, vorklinische und klinische Semester, eingeschriebenen Studenten der Universität W. (Stand 21.5.2019) ergibt, ist damit ausreichend plausibilisiert. Der Senat sieht infolgedessen keinen Grund, die Angaben der JMU zu bezweifeln. Der Vorlage der vom Antragsteller geforderten (anonymisierten) Belegungsliste bedarf es daher nicht.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47, § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 1.5 und Nr. 18.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (abgedruckt in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, Anhang) und entspricht der Streitwertfestsetzung im erstinstanzlichen Verfahren.


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