Verwaltungsrecht

Insgesamt erfolglose Asylklage einer Familie aus Weissrussland

Aktenzeichen  AN 10 K 17.33915

Datum:
25.1.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 6944
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 3, § 34
QRL Art. 4 Abs. 4

 

Leitsatz

Kriterien für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und die Darlegungen des Verfolgungsschicksals. (Rn. 11 – 15) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klagen werden abgewiesen.
2. Die Kläger haben die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens zu tragen.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet. Der streitgegenständliche Bescheid des Bundesamts vom 23. Mai 2017 ist rechtmäßig und verletzt die Kläger daher nicht in ihren Rechten. Die Kläger haben weder Anspruch auf Asylanerkennung noch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft oder subsidiären Schutzes oder auf Feststellung eines Abschiebungshindernisses, sodass sie durch die entsprechende Ablehnung ihres Asylbegehrens durch das Bundesamt sowie durch die Abschiebungsandrohung nach Weißrussland nicht in ihren Rechten verletzt sind (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
Eine Asylanerkennung scheidet bereits aufgrund der Einreise der Kläger auf dem Landweg mit einem litauischen Touristenvisum aus.
Die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 AsylG liegen für die Kläger nicht vor.
Nach § 3 Abs. 4 in Verbindung mit Abs. 1 AsylG besteht ein Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft dann, wenn sich der Ausländer aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt oder dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will und er keine Ausschlusstatbestände erfüllt. Eine solche Verfolgung kann nicht nur vom Staat ausgehen (§ 3 c Nr. 1 AsylG), sondern auch von Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen (§ 3 c Nr. 2 AsylG) oder nichtstaatlichen Akteuren, sofern die in Nrn. 1 und 2 genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, im Sinne des § 3 d AsylG Schutz vor Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht (§ 3 c Nr. 3 AsylG). Allerdings wird dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt, wenn er in einem Teil seines Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung nach § 3 d AsylG hat und sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt (§ 3 e Abs. 1 AsylG).
Bei der Beurteilung der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft ist der asylrechtliche Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit zu Grunde zu legen. Der Wahrscheinlichkeitsmaßstab setzt voraus, dass bei einer zusammenfassenden Würdigung des zur Prüfung gestellten Lebenssachverhaltes die für eine Verfolgung sprechenden Umstände ein größeres Gewicht besitzen und deshalb gegenüber den dagegen sprechenden Tatsachen überwiegen. Dabei ist eine „qualifizierende“ Betrachtungsweise im Sinne einer Gewichtung und Abwägung aller festgestellten Umstände und ihrer Bedeutung anzulegen. Es kommt darauf an, ob in Anbetracht dieser Umstände bei einem vernünftig denkenden, besonnenen Menschen in der Lage des Betroffenen Furcht vor Verfolgung hervorgerufen werden kann (vgl. BVerwG, U.v. 20.2.2013 – 10 C 23/12 – NVwZ 2013, 936 ff.; VG München, U.v. 28.1.2015 – M 12 K 14.30579 – juris Rn. 23).
Nach Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2011/95/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 ist hierbei die Tatsache, dass ein Antragsteller bereits verfolgt wurde oder einen sonstigen ernsthaften Schaden erlitten hat bzw. von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden unmittelbar bedroht war, ein ernsthafter Hinweise darauf, dass die Furcht des Antragstellers vor Verfolgung begründet ist bzw. dass er tatsächlich Gefahr läuft, ernsthaften Schaden zu erleiden, es sei denn, stichhaltige Gründe sprechen dagegen, dass der Antragsteller erneut von solcher Verfolgung und einem solchen Schaden bedroht wird. Diese Regelung privilegiert den von ihr erfassten Personenkreis bei einer Vorverfolgung durch eine Beweiserleichterung, nicht aber durch einen herabgestuften Wahrscheinlichkeitsmaßstab. Die Vorschrift begründet für die von ihr begünstigten Antragsteller eine widerlegbare Vermutung dafür, dass sie erneut von einem ernsthaften Schaden bei einer Rückkehr in ihr Heimatland bedroht werden. Dadurch wird der Antragsteller, der bereits einen ernsthaften Schaden erlitten hat oder von einem solchen Schaden unmittelbar bedroht war, von der Notwendigkeit entlastet, stichhaltige Gründe dafür darzulegen, dass sich die einen solchen Schaden begründenden Umstände bei Rückkehr in sein Herkunftsland erneut realisieren werden.
Als vorverfolgt gilt ein Schutzsuchender dann, wenn er aus einer durch eine eingetretene oder unmittelbar bevorstehende politische Verfolgung hervorgerufenen ausweglosen Lage geflohen ist. Die Ausreise muss das objektive äußere Erscheinungsbild einer unter dem Druck dieser Verfolgung stattfindenden Flucht aufweisen. Das auf dem Zufluchtsgedanken beruhende Asyl- und Flüchtlingsrecht setzt daher grundsätzlich einen nahen zeitlichen (Kausal-)Zusammenhang zwischen der Verfolgung und der Ausreise voraus.
Es obliegt aber dem Schutzsuchenden, sein Verfolgungsschicksal glaubhaft zur Überzeugung des Gerichts darzulegen. Er muss daher die in seine Sphäre fallenden Ereignisse, insbesondere seine persönlichen Erlebnisse, in einer Art und Weise schildern, die geeignet ist, seinen geltend gemachten Anspruch lückenlos zu tragen. Dazu bedarf es – unter Angabe genauer Einzelheiten – einer stimmigen Schilderung des Sachverhalts. Daran fehlt es in der Regel, wenn der Schutzsuchende im Lauf des Verfahrens unterschiedliche Angaben macht und sein Vorbringen nicht auflösbare Widersprüche enthält, wenn seine Darstellungen nach der Lebenserfahrung oder auf Grund der Kenntnis entsprechender vergleichbarer Geschehensabläufe nicht nachvollziehbar erscheinen, und auch dann, wenn er sein Vorbringen im Laufe des Verfahrens steigert, insbesondere wenn er Tatsachen, die er für sein Begehren als maßgeblich bezeichnet, ohne vernünftige Erklärung erst sehr spät in das Verfahren einführt (VGH BW, U.v. 27.8.2013 – A 12 S 2023/11 – juris; Hess. VGH, U.v. 4.9.2014 – 8 A 2434/11.A – juris).
Ausgehend von diesen Grundsätzen führt das Begehren der Kläger nicht zum Erfolg.
Zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen wird gem. § 77 Abs. 2 AsylG auf den streitgegenständlichen Bescheid des Bundesamts vom 23. Mai 2017 Bezug genommen und von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe abgesehen. Das Gericht folgt den darin enthaltenen Begründungen, auch im Hinblick auf das gesetzliche Einreise- und Aufenhaltsverbot gem. § 11 Abs. 1 AufenthG.
Ergänzend ist lediglich auszuführen, dass die Kläger bei einer Rückkehr nach Weißrussland nach einer Asylantragstellung in Deutschland nicht mit asylerheblichen Restriktionen zu rechnen haben (so der Lagebericht Belarus, der bereits vom Bundesamt in das Verfahren eingeführt wurde, nunmehr in der neuesten Ausgabe vom 21. Juni 2017). Auch führen exilpolitische Tätigkeiten nicht zu staatlichen Repressionen (Lagebericht, a.a.O. Ziff. 1.9).
Soweit der Kläger sein Asylbegehren aber darauf stützt, dass er vom weißrussischen KGB verfolgt wird, weil er Karikaturen geklebt haben will, die das Lukaschenko-Regime verunglimpfen, soweit ist dieser Sachvortrag nicht hinreichend glaubhaft gemacht. Letztendlich widersprechen sich der Kläger zu 1) und die Klägerin zu 2) in einem wesentlichen Punkt, nämlich bei der Frage, ob bei der geschilderten Hausdurchsuchung tatsächlich solche Karikaturen aufgefunden werden konnten. Während der Kläger zu 1) dies bejaht und deshalb weitere Verfolgung fürchtet, verneint die Klägerin zu 2) dies und gibt an, die „Papiere“ hätten sich bei ihren Eltern befunden. Auch der Sachvortrag des Klägers zu 1), man habe bereits im März 2006 über das soziale Netzwerk „W-Kontakte“ zu einer Demonstration aufgerufen, an der er selbst dann teilgenommen habe, kann nicht der Wahrheit entsprechen, da dieses Netzwerk erst im Sommer 2006 gegründet worden ist und der offizielle Beginn des Projektes erst am 10. Oktober 2006 in Russland gewesen ist. Es ist daher unglaubhaft, dass der Kläger zu 1) dieses Netzwerk bereits für eine Versammlung am 22. März 2006 verwendet haben kann. Des Weiteren ist zu bemerken, dass die Kläger angeben, mit gültigen Reisepässen einschließlich gültiger litauischer Touristenvisa ausgereist zu sein. Sollte der Kläger zu 1), wie er glaubhaft machen will, tatsächlich vom KGB als Staatsfeind verfolgt werden, so wären sicherlich Mittel und Wege zur Verfügung gestanden, die Ausreise zu verhindern. So hat, soweit ist es jedenfalls vorgetragen, nach der Festnahme des Klägers zu 1) in dessen Wohnung eine gründliche Hausdurchsuchung stattgefunden, wo, und hier widersprechen sich die Schilderungen, Teile der Ausrüstung des Klägers zu 1) beschlagnahmt worden waren, nicht aber die Papiere und die Reisepässe der klägerischen Familie. Dies ist nicht nachvollziehbar, denn wenn der weißrussische Staat tatsächlich ein Verfolgungsinteresse hinsichtlich der Kläger gehabt hätte, wären die Papiere der Kläger, die eine Ausreise erst ermöglichen, als erstes beschlagnahmt worden. Auch hat offensichtlich keine Fahndung nach den Klägern stattgefunden, denn sonst hätten diese nicht ohne weiteres auf legalem Weg aus Weißrussland nach Litauen hin ausreisen können. Dies war aber nach der Schilderung der Kläger der Fall, wobei noch angemerkt werden muss, dass auch die Schilderung des Verlustes der Papiere nicht glaubhaft ist.
Damit haben die Kläger auch keinen Anspruch auf Zuerkennung eines subsidiären Schutzstatus oder auf Feststellung des Vorliegens von Abschiebungsverboten. Da auch die Ausreiseaufforderung und die Abschiebungsandrohung nach Weißrussland den gesetzlichen Anforderungen nach § 34 AsylG i.V.m. § 59 AufenthG entspricht, ist die Klage mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
Die Gerichtskostenfreiheit ergibt sich aus § 83 b AsylG.


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen


Nach oben