Verwaltungsrecht

Insgesamt erfolgloses Eilbegehren eines Algeriers im Asylfolgeverfahren

Aktenzeichen  W 8 S 18.30469

Datum:
14.3.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 8887
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 80 Abs. 5, § 123
AsylG § 29 Abs. 1 Nr. 5, § 31 Abs. 3, § 36 Abs. 4, § 71
VwVfG § 51
AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7

 

Leitsatz

Soweit sich der Eilantrag gegen die Unzulässigkeitseinstufung eines Asylfolgeantrags richtet, ist ein Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO (Hauptsacheklage: Anfechtungsklage), soweit er sich gegen die Ablehnung des Wiederaufgreifens bzgl. nationaler Abschiebungsverbote richtet, ein Antrag nach § 123 VwGO (Hauptsacheklage: Verpflichtungsklage) der richtige Rechtsbehelf(vgl. BVerwG, BVerwGE 157,18). (Rn. 10) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

I.
Der Antragsteller ist algerischer Staatsangehöriger. Er hat sein Heimatland nach eigenen Angaben im März 2015 verlassen und nach einem kürzeren Aufenthalt in Spanien ca. zwei Jahre in Frankreich gelebt.
Einen ersten Asylantrag vom 30. Juni 2017 nahm der Antragsteller mit Erklärung vom 6. Juli 2017 zurück, weil er freiwillig in sein Heimatland reisen wollte. Mit Bescheid vom 7. Juli 2017 stellte die Antragsgegnerin das Asylverfahren ein, stellte fest, dass keine Abschiebungsverbote vorliegen und drohte dem Antragsteller binnen Wochenfrist die Abschiebung nach Algerien an.
Am 20. Februar 2018 stellte der Antragsteller einen Antrag auf Durchführung eines weiteren Asylverfahrens (Folgeantrag). Zur Begründung brachte der Antragsteller im Wesentlichen vor: Er habe eine Dummheit begangen, indem er ein Mädchen entjungfert habe. Das Mädchen habe geheiratet. Seit Juni oder Juli sei die ganze Familie auf der Suche nach ihm, um sich zu rächen. Er könne nicht nach Algerien zurück. Neue Beweismittel habe er nicht.
Mit Bescheid vom 21. Februar 2018 lehnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge den Antrag als unzulässig ab (Nr. 1). Weiter lehnte es den Antrag auf Abänderung des Bescheides vom 7. Juli 2017 (Az.: 7136905-221) bezüglich der Feststellung zu § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG ab (Nr. 2). Zur Begründung ist im Wesentlichen ausgeführt: Der Antragsteller habe nicht dargelegt, seit wann er vom behaupteten neuen Sachvortrag Kenntnis habe. Es sei davon auszugehen, dass ihm die etwaigen neuen Gründe bereits im Juli 2017 bekannt gewesen seien, nachdem er nicht mehr habe freiwillig ausreisen wollen. Die Drei-Monats-Frist sei nicht eingehalten worden. Die Voraussetzungen für ein Wiederaufgreifen zu § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG lägen nicht vor. Der Antragsteller habe im Erstverfahren nur wirtschaftliche Gründe geltend gemacht. Selbst wenn er Probleme im Heimatland wegen des Mädchens habe, wäre der Antragsteller auf den Schutz der örtlichen Polizeibehörden zu verweisen.
Am 8. März 2018 erhob der Antragsteller im Verfahren W 8 K 18.30468 Klage gegen den streitgegenständlichen Bescheid und beantragte im vorliegenden Sofortverfahren weiter:
Die aufschiebende Wirkung der Klage wird angeordnet.
Zur Begründung brachte der Antragsteller im Wesentlichen vor: Er habe in Algerien wegen der Beziehung zu einer jungen Frau große Schwierigkeiten bekommen. Die Frau habe sich an ihm rächen wollen und auch die Polizei eingeschaltet. Die algerische Polizei habe ihm eine Vorladung ins Haus geschickt. Mit einem fairen Verfahren könne er nicht rechnen. Er habe die Vorladung bei einem algerischen Bekannten angefordert. In Algerien gebe es keinen Rechtsstaat. Er müsse um Leben und Gesundheit fürchten. Das größte Problem habe er mit der Familie der jungen Frau. Er müsse damit rechnen, dass ihn ein Mitglied dieser Familie aus Rache töten werde. Im Falle einer Heirat würde der Ehemann bemerken, dass die Frau keine Jungfrau mehr sei, und sie zur Familie zurückschicken. Dies sei eine ungeheure Schande für die Familie.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte (einschließlich der Akte des Hauptsacheverfahrens W 8 K 18.30468) und die beigezogene Behördenakte Bezug genommen.
II.
Der Antrag ist – bei sach- und interessengerechter Auslegung des Begehrens des Antragstellers (§ 88 VwGO i.V.m. § 122 VwGO) – zulässig, aber unbegründet.
Soweit sich der Antrag gegen die Nr. 1 des streitgegenständlichen Bescheides richtet, ist ein Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO sachgerecht. Soweit sich der Antrag auf die Nr. 2 des streitgegenständlichen Bescheids bezieht, ist indes ein Antrag nach § 123 VwGO der richtige Rechtsbehelf. Denn einmal liegt in der Hauptsache eine Anfechtungs- und zum anderen Mal eine Verpflichtungsklage zugrunde (vgl. BVerwG, U.v. 14.12.2016 – 1 C 4.16 – BVerwGE 157, 18). Im Einzelnen verweist die Kammer auf ihre diesbezügliche Rechtsprechung (vgl. VG Würzburg, B.v. 10.10.2017 – W 8 E 17.33482 – juris mit Verweis auf VG München, B.v. 8.5.2017 – M 2 E 17.37375 – juris).
Der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Anfechtungsklage gegen Nr. 1 des streitgegenständlichen Bescheids ist unbegründet, da insoweit keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit bestehen (vgl. § 36 Abs. 4 AsylG i.V.m. § 71 Abs. 4 AsylG).
Denn der Antragsgegner ist nach summarischer Prüfung im Ergebnis zu Recht davon ausgegangen, dass die besonderen Zulässigkeitsanforderungen des § 71 Abs. 1 AsylG, § 51 VwVfG nicht vorliegen und der Folgeantrag damit gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 5 AsylG unzulässig ist. Insoweit wird auf die zutreffenden Ausführungen im streitgegenständlichen Bescheid Bezug genommen (§ 77 Abs. 2 AsylG).
Ergänzend ist anzumerken, dass nicht vorgebracht und auch sonst nicht ersichtlich ist, dass der Antragsteller ohne eigenes Verschulden außerstande gewesen war, den neuen Sachvortrag im Erstverfahren geltend zu machen. Genauso wenig ist ersichtlich, dass er die Drei-Monats-Frist eingehalten hat (vgl. § 51 Abs. 2 und 3 VwVfG).
Auch im Übrigen hat der Antragsteller mögliche Wiederaufgreifensgründe nach § 51 Abs. 1 VwVfG nicht substanziiert und schlüssig dargelegt.
Denn angesichts des Umstandes, dass er sein Heimatland Algerien bereits im März 2015 verlassen haben will und der angebliche Vorfall mit dem Mädchen vorher gewesen sein muss, ist nicht ersichtlich, wieso er dies nicht im ersten Verfahren geltend gemacht hat. Selbst wenn er erst im Juli 2017 davon erfahren haben sollte, ist nicht dargelegt, dass er die Drei-Monats-Frist eingehalten hat, zumal er zwischenzeitlich auch als untergetaucht gemeldet gewesen ist.
Des Weiteren sind die Angaben des Antragstellers in sich widersprüchlich.
Zum einen trug er bei seiner Bundesamtsanhörung am 3. Juli 2017 vor, er habe früher bei seiner Tante und seinem Onkel gelebt. Nach deren Tod hätten deren Kinder ihn hinausgeworfen, weil sie das Haus hätten verkaufen wollen, und er habe in Algerien mehrmals auf der Straße schlafen müssen. Demgegenüber erklärte er nunmehr in seiner Antragsbegründung am 8. März 2018 zum anderen, die algerische Polizei habe die Vorladung in sein Haus geschickt.
Weiter ist das Vorbringen zum Mädchen und dessen Heirat widersprüchlich. Der Antragsteller gab einerseits am 20. Februar 2018 schriftlich gegenüber der Antragsgegnerin an, er habe das Mädchen entjungfert, das Mädchen habe geheiratet, seit Juni/Juli sei die ganze Familie auf der Suche nach ihm, um sich zu rächen. Anderseits brachte er in seiner Antragsbegründung am 8. März 2018 bei Gericht vor, er müsse damit rechnen, dass ihn ein Mitglied der Familie aus Rache töten werde. Im Falle einer Heirat der jungen Frau, würde jemand bemerken, dass sie keine Jungfrau mehr sei und er würde sie zur Familie zurückschicken.
Weiter brachte der Antragsteller beim Antragsgegner am 20. Februar 2018 schriftlich vor, er habe keine neuen Beweismittel, die belegen könnten, dass ihm im Herkunftsland Gefahren drohten. Demgegenüber behauptete er nunmehr im gerichtlichen Verfahren in seiner Antragsbegründung am 8. März 2018 eine Vorladung sei in sein Haus geschickt worden. Tatsächlich legte der Antragsteller aber bislang keine Dokumente, wie etwa die angebliche Vorladung vor.
Vor diesem Hintergrund liegen auch keine Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG vor, die gemäß § 31 Abs. 3 Satz 1 AsylG i.V.m. § 29 Abs. 1 Nr. 5 AsylG zu prüfen sind, sodass auch der Antrag nach § 123 VwGO betreffend die Nr. 2 des streitgegenständlichen Bescheides unbegründet ist.
Schon die vorstehend ausgeführten Ungereimtheiten und Widersprüchlichkeiten sprechen gegen das Vorliegen einer mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohenden Gefahr. Des Weiteren muss sich der Antragsteller auf den Schutz der algerischen Polizei verweisen lassen, falls ihm Gefahr durch private Dritte in seinem Heimatland drohen sollte. Darüber hinaus bestünde in einem großen Land wie Algerien die Möglichkeit einer inländischen Aufenthaltsalternative. Der Antragsteller könnte sich etwa in Algier oder in einer anderen großen Stadt in Algerien niederlassen, ohne dass ihn Gefahren von dritter Seite drohen müssten. Dem Antragsteller ist insoweit eine Übersiedlung in andere Landesteile und Städte möglich und zumutbar, um den behaupteten angeblich drohenden Gefahren zu entgehen.
Im Hinblick auf die vom Antragsteller vorgebrachten wirtschaftlichen Gründe für das Verlassen seines Heimatlandes ist darauf hinzuweisen, dass nach der Auskunftslage die Grundversorgung in Algerien mit Nahrungsmitteln sowie die medizinische Versorgung gewährleistet sind (Auswärtiges Amt, Adhoc-Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Demokratischen Volksrepublik Algerien vom 25.7.2017, Stand: Juli 2017; BFA, Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Algerien vom 16.2.2017 in der Fassung vom 17.5.2017).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG).


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