Verwaltungsrecht

Interner Schutz in den kurdischen Autonomiegebieten des Iraks

Aktenzeichen  Au 5 K 18.30752

Datum:
2.7.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 14211
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 3e Abs. 1 Nr. 1
AufenthG § 60 Abs. 7 S. 1, § 60a Abs. 1 S. 1

 

Leitsatz

1 Asylsuchende mit yezidischer Glaubenszugehörigkeit haben in den kurdischen Autonomiegebieten des Iraks eine inländische Fluchtalternative. (Rn. 30) (redaktioneller Leitsatz)
2 Ein faktischer Abschiebungsstopp in Bezug auf die zwangsweise Rückführung zur Ausreise verpflichteter irakischer Staatsangehöriger vermittelt einen wirksamen Schutz vor Abschiebung hinsichtlich allgemeiner Gefahren, so dass es keines zusätzlichen Schutzes in verfassungskonformer Auslegung des § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG bedarf (BVerwG BeckRS 2001, 30193066). (Rn. 39) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Der Einzelrichter (§ 76 Abs. 1 AsylG) konnte über die Klage des Klägers verhandeln und entscheiden, ohne dass die Beklagte an der mündlichen Verhandlung vom 2. Juli 2018 teilgenommen hat. Auf den Umstand, dass beim Ausbleiben eines Beteiligten auch ohne ihn verhandelt und entschieden werden kann, wurden die Beteiligten ausweislich der Ladung ausdrücklich hingewiesen (§ 102 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO). Die Beklagte ist zur mündlichen Verhandlung am 2. Juli 2018 form- und fristgerecht geladen worden.
1. Die zulässige Klage ist unbegründet. Der streitgegenständliche Bescheid des Bundesamtes vom 9. April 2018 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 5 Satz 1 VwGO). Der Kläger hat im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG) keinen Anspruch auf Gewährung internationalen Schutzes, weil die Voraussetzungen der §§ 3 Abs. 1 und 4 Abs. 1 AsylG in seiner Person nicht vorliegen. Auch Abschiebungshindernisse nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG sind nicht gegeben.
1.1 Soweit der Kläger seine Anerkennung als Flüchtling nach § 3 Abs. 4 i.V.m. Abs. 1 AsylG begehrt, bleibt die Klage ohne Erfolg.
Rechtsgrundlage für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft ist § 3 Abs. 1 AsylG. Danach ist ein Ausländer Flüchtling im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK), wenn er sich aus begründeter Furcht wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb des Herkunftslandes befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will, oder in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will. Nach § 3c AsylG kann die Verfolgung ausgehen vom Staat, Parteien oder Organisationen, die den Staat oder wesentliche Teile des Staatsgebietes beherrschen oder nichtstaatlichen Akteuren, sofern die vorgenannte Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder willens sind, Schutz vor Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht.
Die Tatsache, dass der Ausländer bereits verfolgt oder von Verfolgung unmittelbar bedroht war, ist dabei ein ernsthafter Hinweis darauf, dass seine Furcht vor Verfolgung begründet ist, wenn nicht stichhaltige Gründe dagegen sprechen, dass er neuerlich von derartiger Verfolgung bedroht ist. Hat der Asylbewerber seine Heimat jedoch unverfolgt verlassen, kann sein Asylantrag nur Erfolg haben, wenn ihm aufgrund von Nachfluchttatbeständen eine Verfolgung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit droht. Dabei ist es Sache des Ausländers, die Gründe für eine Verfolgung in schlüssiger Form vorzutragen. Er hat unter Angabe genauer Einzelheiten einen in sich stimmigen Sachverhalt zu schildern, aus dem bei Wahrunterstellung ergibt, dass bei verständiger Würdigung seine Furcht vor Verfolgung begründet ist, so dass ihm nicht zuzumuten ist, im Herkunftsland zu verbleiben oder dorthin zurückzukehren. Dabei genügt für diesen Tatsachenvortrag aufgrund der typischerweise schwierigen Beweislage in der Regel eine Glaubhaftmachung. Voraussetzung für ein glaubhaftes Vorbringen ist ein detaillierter und in sich schlüssiger Vortrag ohne wesentliche Widersprüche und Steigerungen.
Das Gericht ist aufgrund des Vorbringens des Klägers sowohl gegenüber dem Bundesamt anlässlich von seiner persönlichen Anhörung als auch in der mündlichen Verhandlung vom 2. Juli 2018 der Überzeugung, dass der Kläger den Irak unverfolgt verlassen hat. Dies insbesondere aufgrund des Umstandes, dass der Kläger zwar aus … in der Provinz Ninive stammt, seine Familie die Heimatprovinz aufgrund des damaligen Einmarsches der Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS) aber bereits im Jahr 2014 dauerhaft verlassen hat. Bis zur Ausreise Ende des Jahres 2017/Anfang des Jahres 2018 hat der Kläger nach seinem Vorbringen bereits in … in der Provinz Kurdistan-Irak gelebt. Widersprüchlich sind die Angaben des Klägers dahingehend, dass die Familie vor seiner Ausreise nach … zurückgekehrt sei. Der Kläger hat andererseits erklärt, vor seiner Ausreise etwa drei Jahre in … gelebt zu haben. Eine individuelle Verfolgung hat der Kläger vor seiner Ausreise nicht erlitten bzw. geltend gemacht. Bei seiner persönlichen Anhörung gegenüber dem Bundesamt hat der Kläger darüber hinaus lediglich darauf verwiesen, dass er sein Heimatland aufgrund der schlechten Umstände verlassen hat. Eine Vorverfolgung, anknüpfend an ein Merkmal in §§ 3 Abs. 1, 3b AsylG hat der Kläger hingegen nicht geltend gemacht.
Auch auf Beeinträchtigungen aufgrund seiner christlichen Religionszugehörigkeit hat der Kläger nicht verwiesen. Eine generelle Verfolgung des Klägers aufgrund von dessen Religionszugehörigkeit ist im Zeitpunkt der Ausreise des Klägers auch nicht naheliegend. Der ins Verfahren als Erkenntnismittel eingeführte Bericht des Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak vom 12. Februar 2018 (Stand: Dezember 2017) (Gz.: 508-516.80/3 IRQ) führt zur Lage der Christen auf Seite 17 insbesondere aus, dass in der Region Kurdistan-Irak (RKI), in der der Kläger bereits seit 2014 gelebt hat, seit 2003 viele christliche Flüchtlinge aus anderen Landesteilen Zuflucht gefunden haben. In der Region Kurdistan-Irak gebe es keine Anzeichen für eine staatliche Diskriminierung. Die kurdische Regionalregierung fördere den Kirchenbau wie auch die Kirche als Institution mit staatlichen Ressourcen. Es seien weder staatliche noch gesellschaftliche Diskriminierungen von Christen in der RKI bekannt geworden. Es gebe bereits christliche Städte aber auch große christliche Viertel in Großstädten wie beispielsweise Ankawa in Erbil, in denen viele Christen Zuflucht gefunden hätten und sicher leben könnten. Auch bleibt darauf zu verweisen, dass der Kläger im Verfahren an keiner Stelle auf Schwierigkeiten wegen seiner Religionsausübung verwiesen hat. Fluchtauslösend seien nach dem Vorbringen des Klägers vielmehr die allgemeinen Umstände im Heimatland Irak gewesen. Vor diesem Hintergrund scheidet auch eine Gruppenverfolgung des Klägers aufgrund von dessen Religionszugehörigkeit bezogen auf den bereits vor der Ausreise mehrjährigen Aufenthalt des Klägers in der Region Kurdistan-Irak aus.
Letztlich bedarf dies jedoch keiner vertiefenden Betrachtung, da für den Kläger jedenfalls aufgrund dessen Voraufenthalt in der Region Irak-Kurdistan eine inländische Fluchtalternative zur Verfügung steht (§ 3e AsylG).
Nach § 3e Abs. 1 Nr. 1 AsylG wird einem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt, wenn er 1. in einem Teil seines Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zum Schutz vor Verfolgung nach § 3d AsylG hat und 2. sicher und legal in diesem Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftiger Weise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt.
Maßgeblich für die Beurteilung der Frage, ob die Niederlassung zumutbar ist, sind zum einem die am Ort der möglichen inländischen Fluchtalternative allgemein Gegebenheiten, zum anderen die individuellen Faktoren des Betroffenen (Sprache, Bildung, persönliche Fähigkeiten, vorangegangener Aufenthalt in dem in Betracht kommenden Landesteil, örtliche und familiäre Bindungen, Geschlecht, Alter, ziviler Status, Lebenserfahrung, gesundheitliche Situation, verfügbares Vermögen). Ergibt sich bei Auswertung dieser Faktoren, dass der Betroffene am Zufluchtsort eine ausreichende Lebensgrundlage vorfinden wird, d.h. dort das wirtschaftliche und soziale Existenzminimum gewährleistet ist, so ist die Niederlassung zumutbar (Marx, AsylVfG, 8. Auflage 2014, § 3e AsylG, Rrn. 19 ff.).
Dies zugrunde gelegt, ergibt sich für den Kläger eine zumutbare Rückkehr in die Region Irak-Kurdistan. Hierbei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass der Kläger dort bereits seit 2014 in … gelebt hat und auch eine Lehre zum Friseur begonnen hat. Weiter hat der Kläger im Verfahren selbst ausgeführt, dass auch seine übrigen nahen Familienangehörigen im Jahr 2014 die Provinz Ninive dauerhaft verlassen hätten und nach … und zwischenzeitlich nach Jordanien übergesiedelt seien. Das Alter des Klägers (21), dessen erste berufliche Erfahrungen und die bei ihm vorhandene schulische Bildung, lassen eine Rückkehr nach … bzw. an einen anderen Ort in der Region Irak-Kurdistan als zumutbar erscheinen. Auch hat der Kläger bereits eine gewisse Flexibilität erwiesen; zum einen als er aus der Provinz Ninive mit seiner Familie dauerhaft nach … umgesiedelt ist, zum anderen als er von … nach Bagdad gegangen ist, um von dort aus das Land zu verlassen. All diese Umstände legen es für das Gericht nahe, dass für den Kläger eine inländische Fluchtalternative zur Verfügung steht und er gefahrlos in die Region Irak-Kurdistan (Erbil) zurückkehren kann.
2. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Zuerkennung subsidiären Schutzes gemäß § 4 Abs. 1 AsylG. Subsidiär schutzberechtigt ist nach dieser Vorschrift, wer stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, ihm drohe in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden. Als ernsthafter Schaden gilt dabei die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe (Nr. 1), Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung (Nr. 2) oder eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson in Folge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts (Nr. 3). Die vorgenannten Gefahren müssen dabei gemäß § 4 Abs. 3 i.V.m. § 3c AsylG in der Regel von dem in Rede stehenden Staat oder den ihn beherrschenden Parteien oder Organisationen ausgehen. Die Bedrohung durch nichtstaatliche Akteure kann hingegen nur dann zu subsidiärem Schutz führen, wenn der betreffende Staat selbst nicht willens oder nicht in der Lage ist, Schutz zu gewähren. Auch subsidiärer Schutz wird nicht zuerkannt, wenn der Ausländer internen Schutz in Anspruch nehmen kann (§ 4 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 3e AsylG).
Dem Kläger droht bei einer Rückkehr in den Irak kein ernsthafter Schaden im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und 2 AsylG wegen seiner yezidischen Glaubenszugehörigkeit. Der inzwischen volljährige Kläger ist jedenfalls bei einer Rückkehr in das Kurdische Autonomiegebiet, in dem er bereits vor seiner Ausreise seinen Lebensmittelpunkt hatte, nicht gefährdet. Eine derartige Gefährdung hat der Kläger bereits nicht aufgezeigt.
Die Gefahr eines ernsthaften Schadens in Folge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines bewaffneten Konfliktes nach § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AsylG kann vorliegend nicht festgestellt werden. Für die Beurteilung der Frage des Bestehens eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts ist, sofern der Konflikt nicht landesweit besteht, auf die Herkunftsregion des Klägers abzustellen, in die er typischerweise zurückkehren wird. Ist für die maßgebliche Region eine individuelle Bedrohung entweder wegen gefahrerhöhender individueller Umstände oder ausnahmsweise wegen eines besonders hohen Niveaus allgemeiner Gefahren im Rahmen eines bewaffneten Konflikts anzunehmen, ist weiter zu prüfen, ob der Kläger in anderen Teilen des Irak, in denen derartige Gefahren nicht bestehen, internen Schutz finden kann (vgl. BVerwG, U.v. 14.7.2009 – 10 C 9.08 – juris). Der volljährige Kläger hat nach seinem Vorbringen beim Bundesamt die letzten nahezu drei Jahre vor seiner Ausreise in der Autonomen Region Kurdistan gelebt. Es ist ihm und seiner Familie gelungen, dort eine Unterkunft (Mietwohnung in, Flüchtlingslager) zu finden. Gleiches gilt für eine berufliche Tätigkeit (Lehre) des Klägers.
Das Gericht geht aufgrund der Auskunftslage davon aus, dass in der Region Kurdistan-Irak zum gegenwärtigen Zeitpunkt kein bewaffneter Konflikt im Sinne von § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AsylG stattfindet und auch in naher Zukunft nicht zu erwarten ist. Die Truppen der Terrormiliz IS sind nicht mit Erfolg in diese Region vorgedrungen. Vielmehr suchen viele Binnenflüchtlinge aus den übrigen Landesteilen des Irak in der Autonomen Region Kurdistan Zuflucht (vgl. Auswärtiges Amt, Lagebericht Irak vom 12. Februar 2018, S. 5; Schweizerische Flüchtlingshilfe, Irak: Sicherheitssituation in der KRG-Region vom 28. Oktober 2014 mit Update vom 28. März 2015).
Individuelle gefahrerhöhende Umstände, die zu einer Verdichtung der allgemeinen Gefahren in der Person des Klägers führen könnten, sind bei einer Rückkehr in das Kurdische Autonomiegebiet nicht ersichtlich bzw. zu befürchten.
Darüber hinaus dürfte nach Auswertung der zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemachten Erkenntnismittel selbst in der ursprünglichen Herkunftsregion des Klägers Ninive ein internationaler oder innerstaatlicher bewaffneter Konflikt nicht mehr fortbestehen. Dies folgt daraus, dass der IS durch die irakischen Streitkräfte landesweit fast vollständig zurückgedrängt wurde (vgl. Lagebericht Irak des Auswärtigen Amtes vom 12. Februar 2018, S. 4 Unterpunkt 2). Dem steht nicht entgegen, dass Anhänger des IS weiterhin Selbstmordattentate und andere Anschläge verüben. Denn bei diesen sicherheitsrelevanten Vorfällen handelt es sich um Einzelfälle. Jedenfalls haben sie kein derartiges Ausmaß erreicht, dass sie als innerstaatlicher bewaffneter Konflikt zu qualifizieren sind. Darüber hinaus kann nicht davon ausgegangen werden, dass dem Kläger eine erhebliche individuelle Gefahr für Leib oder Leben droht. Denn der Grad willkürlicher Gewalt selbst in der Provinz Ninive hat zumindest kein so hohes Niveau erreicht bzw. hat kein so hohes Niveau mehr, dass stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass der Kläger bei seiner Rückkehr in den Irak oder in die Provinz Ninive allein durch seine Anwesenheit in diesem Gebiet bzw. dieser Region tatsächlich Gefahr liefe, einer solchen Bedrohung ausgesetzt zu sein. Die Zahlen in Bezug auf getötete oder verletzte Zivillisten sind nämlich sowohl landesweit als auch in der Provinz Ninive nach der Zurückdrängung des IS stark rückläufig.
3. Nationale Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 oder § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG sind ebenfalls nicht gegeben bzw. vorgetragen.
Konkrete Anhaltspunkte für das Vorliegen eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 5 AufenthG hat der Kläger nicht geltend gemacht bzw. sind auch sonst nicht ersichtlich.
Nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Dabei sind nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG Gefahren, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu berücksichtigen. Für die beim Kläger angeblich vorliegenden Depressionen wurden keine aussagekräftigen ärztlichen Atteste dem Gericht im Verfahren vorgelegt.
Beruft sich der Ausländer demzufolge auf allgemeine Gefahren, kann er Abschiebungsschutz regelmäßig nur durch einen generellen Abschiebestopp nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG erhalten. Allgemeine Gefahren in diesem Sinne sind alle Gefahren, die der Bevölkerung des Irak aufgrund der derzeit dort bestehenden Sicherheits- und Versorgungslage allgemein drohen. Dazu zählen neben der Gefahr, Opfer terroristischer Übergriffe zu werden, wie sie der Kläger auch geltend macht, auch Gefahren durch die desolate Versorgungslage neben Gefahren krimineller Aktivitäten und Rachebestrebungen von Privatpersonen.
Das Bayerische Staatsministerium des Innern hat mit Rundschreiben vom 10. August 2012 (Gz. IA2-2081.13-15) in der Fassung vom 3. März 2014 bekanntgegeben, dass eine zwangsweise Rückführung zur Ausreise verpflichteter irakischer Staatsangehöriger grundsätzlich (Ausnahme: Straftäter aus den Autonomiegebieten) nach wie vor nicht möglich ist und ihr Aufenthalt wie bisher weiter in dem Bundesgebiet geduldet wird. Es ist daher davon auszugehen, dass diese Mitteilung eines faktischen Abschiebungsstopps derzeit einen wirksamen Schutz vor Abschiebung hinsichtlich allgemeiner Gefahren vermittelt, so dass es keines zusätzlichen Schutzes in verfassungskonformer Auslegung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG bedarf (vgl. BVerwG, U.v. 12.7.2001 – 1 C 2/01 – NVwZ 2001, 1420). Demzufolge ist in Bayern die Abschiebung irakischer Staatsangehöriger weiterhin ausgesetzt (vgl. BayVGH, U.v. 10.5.2005 – 23 B 05.30217 – juris Rn. 30). Damit liegt aber eine Erlasslage im Sinne des § 60 a AufenthG vor, welche dem Kläger derzeit einen wirksamen Schutz vor Abschiebung vermittelt, so dass dem Kläger nicht zusätzlich Schutz vor der Durchführung der Abschiebung etwa in verfassungskonformer Auslegung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG zu gewähren wäre (vgl. BayVGH, B.v. 13.7.2017 – 20 ZB 17.30809 – nicht veröffentlicht; BVerwG, B.v. 1.9.2005 – 1 B 68/05 – juris; B.v. 22.3.2006 – 1 C 13.05 – veröffentlicht unter www.bverwg.de).
Sonstige Gefahren im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG, die nicht von den Anordnungen des Bayerischen Staatsministeriums des Innern erfasst werden, sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Das Gericht erachtet für den Kläger eine Rückkehr in die Autonomen Gebiete Kurdistans für zumutbar, zumal der Kläger über eine neunjährige Schulausbildung verfügt und es ihm gelungen ist, in der Region Kurdistan eine Lehrstelle zu finden. Aufgrund des Voraufenthaltes des Klägers ist davon auszugehen, dass der volljährige Kläger auch in Zukunft seinen Lebensunterhalt zumindest im Nordirak erneut sicherstellen kann.
4. Die Abschiebungsandrohung und das festgesetzte Einreise- und Aufenthaltsverbots des Klägers erweisen sich ebenfalls als rechtmäßig. Qualifizierte Einwände hat der Kläger hiergegen auch nicht erhoben. Bezüglich des auf der Grundlage von § 11 Abs. 1 AufenthG verfügten Einreise- und Aufenthaltsverbotes hat die Beklagte das ihr zukommende Ermessen erkannt und ordnungsgemäß ausgeübt. Ermessensfehler sind insoweit nicht erkennbar (§ 114 Satz 1 VwGO).
5. Nach allem war die Klage daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Als im Verfahren unterlegen hat der Kläger die Kosten des Verfahrens zu tragen. Die Gerichtskostenfreiheit folgt aus § 83b AsylG. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung stützt sich auf § 167 Abs. 2 VwGO.


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