Verwaltungsrecht

Iran, Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, Ehepaar mit knapp 13-jähriger Tochter, Verfolgung nach Teilnahme und Rede bei Demonstrationen, gerichtliche Vorladungen, Kontakt zum Christentum im Iran, Konversion vom Islam zum Christentum, noch keine Taufe durch katholische Kirche, glaubhafte Konversion trotz fehlender formeller Taufe im Einzelfall, katholischer Religionsunterricht, Pflicht zur Beachtung des Willens des 12-jährigen Kindes bei religiöser Erziehung, Katholische Kirche, Mariä Himmelfahrt B** N* Hellip, Hananias, Päpstliche Missionswerke in Österreich, persönliches Bekenntnis zum Christentum, Unterschiede zwischen Islam und Christentum, christliche Aktivitäten, Gottesdienste, Glaubenskurse, Zoom, Internet, Missionierung, Glaubenskenntnisse, ernsthafter und nachhaltiger Glaubenswandel, identitätsprägende Glaubensbetätigung, andauernde religiöse Prägung, Bekräftigung durch christliche Gemeinde

Aktenzeichen  W 8 K 21.31219

Datum:
27.5.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 16848
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 3
AsylG § 28 Abs. 1a
AufenthG § 60
RL 2011/95/EU Art. 9
RL 2011/95/EU Art. 10 Abs. 1 Buchst. b
RelKErzG § 5 S. 2

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Nummern 1 und 3 bis 6 des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 9. November 2021 werden aufgehoben.
Die Beklagte wird verpflichtet, den Klägern die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen.
II. Die Kosten des Verfahrens hat die Beklagte zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
III. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Kläger vorher in gleicher Höhe Sicherheit leisten.

Gründe

Die Klage, über die entschieden werden konnte, obwohl nicht alle Beteiligten in der mündlichen Verhandlung erschienen sind (§ 102 Abs. 2 VwGO), ist zulässig und begründet.
Der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 9. November 2021 ist in seinen Nrn. 1 und 3 bis 6 rechtswidrig und verletzt die Kläger in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 und Abs. 5 Satz 1 VwGO). Die Kläger haben im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 AsylG) einen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (§ 3 AsylG). Aus diesem Grund war der streitgegenständliche Bescheid, wie zuletzt beantragt, insoweit aufzuheben. Über die hilfsweise gestellten Anträge zum subsidiären Schutz (§ 4 AsylG) bzw. zu den nationalen Abschiebungsverboten (§ 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG) sowie zum Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 AufenthG war nicht zu entscheiden.
Unter Berücksichtigung der aktuellen abschiebungsrelevanten Lage im Iran haben die Kläger einen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 AsylG.
Gemäß §§ 3 ff. AsylG darf ein Ausländer in Anwendung der Genfer Flüchtlingskonvention nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit oder seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Eine Bedrohung liegt dann vor, wenn anknüpfend an Verfolgungsgründe wie die Religion (vgl. dazu Art. 10 Abs. 1 Buchst. b der RL 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13.12.2011 – so genannte Anerkennungsrichtlinie oder Qualifikationsrichtlinie bzw. § 3b AsylG) Verfolgungshandlungen im Sinne von Art. 9 der Anerkennungsrichtlinie mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohen (§ 3a AsylG). Eine schwerwiegende Verletzung der Religionsfreiheit kann eine Verfolgungshandlung darstellen, wenn der Betreffende auf Grund der Ausübung dieser Freiheit tatsächlich Gefahr läuft, verfolgt oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung unterworfen zu werden. Dabei ist es nicht zumutbar, von seinen religiösen Betätigungen Abstand zu nehmen, um nicht verfolgt zu werden (EuGH, U.v. 5.9.2012 – C-71/11 und C-99/11 – ABl. EU 2012, Nr. C 331 S. 5 – NVwZ 2012, 1612).
Nach Überzeugung des Gerichts besteht für die Kläger aufgrund ihrer Konversion vom Islam zum Christentum eine beachtliche Verfolgungswahrscheinlichkeit bei einer Rückkehr in den Iran.
Denn aufgrund der aktuellen Lage, welche sich aus den in den Verfahren eingeführten Erkenntnismitteln ergibt, besteht im Iran für christliche Konvertiten, die ihren Glauben in Gemeinschaft mit anderen oder sonst öffentlichkeitswirksam ausüben, die beachtliche Gefahr von Verfolgungshandlungen. Nach der Rechtsprechung des erkennenden Gerichts (vgl. im Einzelnen VG Würzburg, U.v. 12.4.2021 – W 8 K 20.31281 – juris; U.v. 25.1.2021 – W 8 K 20.30746 – juris; U.v. 11.7.2012 – W 6 K 11.30392) sowie verschiedener Bundes- bzw. Obergerichte (vgl. BayVGH, U.v. 29.10.2020 – 14 B 19.32048 – BeckRS 2020, 34047; B.v. 26.2.2020 – 14 ZB 19.31771 – juris; B.v. 16.1.2020 – 14 ZB 19.30341 – juris; B.v. 9.5.2019 – 14 ZB 18.32707 – juris; B.v. 6.5.2019 – 14 ZB 18.32231 – juris; U.v. 25.2.2019 – 14 B 17.31462 – juris; B.v. 19.7.2018 – 14 ZB 17.31218; B.v. 9.7.2018 – 14 ZB 17.30670 – juris; B.v. 16.11.2015 – 14 ZB 13.30207 – juris sowie OVG MV, U.v. 2.3.2022 – 4 LB 785/20 OVG – juris; SächsOVG, U.v. 30.11.2021 – 2 A 488/19.A – juris; U.v. 3.4.2008 – A 2 B 36/06 – juris; HambOVG, U.v. 8.11.2021 – 2 Bf 539/19.A – juris; OVG NRW, U.v. 6.9.2021 – 6 A 139/19.A – juris; B.v. 6.7.2021 – 6 A 31/20.A – juris; U.v. 21.6.2021 – 6 A 2114/19.A – juris; B.v. 6.1.2021 – 6 A 3413/20.A – juris; B.v. 19.2.2020 – 6 A 1502/19.A – juris; B.v. 2.1.2020 – 6 A 3975/19.A – juris; B.v. 21.10.2019 – 6 A 3923/19.A – juris; B.v. 15.2.2019 – 6 A 1558/18.A – juris; B.v. 28.6.2018 – 13 A 3261/17.A – juris; U.v. 7.11.2012 – 13 A 1999/07.A – DÖV 2013, 323; U.v. 30.7.2009 – 5 A 982/07.A – EzAR-NF 62 Nr. 19; OVG SH, B.v. 11.11.2020 – 2 LA 35/20 – juris, U.v. 24.3.2020 – 2 LB 20/19 – juris; Thür OVG, U.v. 28.5.2020 – 3 KO 590/13 – juris; BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 3.4.2020 – 2 BvR 1838/15 – NVwZ 2020, 950; HessVGH, U.v. 18.11.2009 – 6 A 2105/08.A – ESVGH 60, 248; OVG Saarl., U.v. 26.6.2007 – 1 A 222/07 – InfAuslR 2008, 183; siehe auch Froese, NVwZ 2021, 43; jeweils m.w.N.) unterliegen iranische Staatsangehörige, die vom Islam zum Christentum konvertiert sind, bereits dann mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit einer Verfolgung im Sinne des Art. 9 der Anerkennungsrichtlinie, wenn sie im Iran lediglich ihren Glauben außenwirksam ausüben und an öffentlichen Riten teilnehmen. Erforderlich und ausreichend dafür ist, dass eine konvertierte Person im Iran nach außen erkennbar eine missionarische Tätigkeit entfalten, eine herausgehobene Rolle einnehmen, in Ausübung ihres Glaubens an öffentliche Riten, wie etwa Gottesdiensten teilnehmen, oder zumindest ihren neu angenommenen Glauben – und die damit verbundene Abkehr vom Islam – entsprechend ihrer christlichen Prägung sonst aktiv nach außen zeigen will bzw. nur gezwungenermaßen, unter dem Druck drohender Verfolgung auf eine Glaubensbetätigung verzichten würde. Der Glaubenswechsel muss dabei weiter auf einer festen Überzeugung und einem ernst gemeinten religiösen Einstellungswandel beruhen und nunmehr die religiöse Identität prägen. Die betreffende Person muss eine eigene ernsthafte Gewissensentscheidung getroffen haben und sie muss auf der Basis auch gewillt sein, ihre christliche Religion auch in ihrem Heimatstaat auszuüben. Das Gericht muss daher überzeugt sein, dass die Person die unterdrückte religiöse Betätigung ihres Glaubens für sich selbst als verpflichtend zur Wahrung ihrer religiösen Identität empfindet (vgl. zuletzt etwa VG Würzburg, U.v. 3.1.2022 – W 8 K 21.31074; U.v. 22.11.2021 – W 8 K 21.30912; U.v. 4.10.2021 – W 8 K 21.30835 – juris; U.v. 12.4.2021 – W 8 K 20.31281 – juris; U.v. 25.1.2021 – W 8 K 20.30746 – juris sowie BayVGH, U.v. 29.10.2020 – 14 B 19.32048 – juris; jeweils m.w.N.). Insgesamt betrachtet ist – unter den vorstehenden Voraussetzungen – eine religiöse Betätigung von muslimischen Konvertiten, die einer evangelikalen oder freikirchlichen Gruppierung angehören, im Iran selbst im häuslich-privaten oder nachbarschaftlich-kommunikativen Bereich nicht mehr gefahrlos möglich (vgl. HessVGH, U.v. 18.11.2009 – 6 A 2105/08.A – ESVGH 60, 248; B.v. 23.2.2010 – 6 A 2067/08.A – Entscheiderbrief 10/2010, 3; B.v. 11.2.2013 – 6 A 2279/12.Z.A – Entscheiderbrief 3/2013, 5).
Aufgrund des persönlichen Eindrucks in der mündlichen Verhandlung besteht nach Überzeugung des Gerichts für die Kläger eine beachtliche Verfolgungswahrscheinlichkeit bei einer Rückkehr in den Iran, da die Kläger aufgrund einer tiefen inneren Glaubensüberzeugung lebensgeschichtlich nachvollziehbar den christlichen Glauben angenommen haben. Das Gericht ist weiterhin davon überzeugt, dass die Kläger aufgrund ihrer persönlichen religiösen Prägung entsprechend ihrer neu gewonnenen Glaubens- und Moralvorstellungen das unbedingte Bedürfnis haben, ihren Glauben auch in Gemeinschaft mit anderen Gläubigen öffentlich auszuüben, und dass sie ihn auch tatsächlich ausüben. Das Gerichtet erachtet weiter als glaubhaft, dass eine andauernde christliche Prägung der Kläger vorliegt und dass sie auch bei einer Rückkehr in den Iran ihren christlichen Glauben leben wollen. Das Gericht hat nach der Anhörung der Kläger in der mündlichen Verhandlung nicht den Eindruck, dass sich die Kläger bezogen auf den entscheidungserheblichen Zeitpunkt (§ 77 Abs. 1 AsylG) nur vorgeschoben aus opportunistischen, asyltaktischen Gründen dem Christentum zugewandt haben. Die Würdigung der Angaben der Kläger zu ihrer Konversion ist ureigene Aufgabe des Gerichts im Rahmen ihrer Überzeugungsbildung gemäß § 108 VwGO (BVerwG, B.v. 25.8.2015 – 1 B 40.15 – Buchholz 402.25 § 3 AsylVfG Nr. 19 und BVerfG, Nichtannahmebeschluss v. 3.4.2020 – 2 BvR 1838/15 – NVwZ 2020, 950; sowie etwa SächsOVG, U.v. 30.11.2021 – 2 A 488/19.A – juris; OVG NRW, U.v. 6.9.2021 – 6 A 139/19.A – juris; B.v. 10.2.2020 – 6 A 885/19.A – juris; B.v. 19.6.2019 – 6 A 2216/19.A – juris; B.v. 23.5.2019 – 6 A 1272/19.A – juris; B.v. 20.5.2019 – 6 A 4125/18.A – juris; B.v. 2.7.2018 – 13 A 122/18.A – juris; OVG SH, B.v. 11.11.2020 – 2 LA 35/20 – juris; B.v. 29.9.2017 – 2 LA 67/16 – juris; B.v. 28.6.2018 – 13 A 3261/17.A – juris; B.v. 10.2.2017 – 13 A 2648/16.A – juris; BayVGH, U.v. 29.10.2020 – 14 B 19.32048 – juris; B.v. 6.5.2019 – 14 ZB 18.32231 – juris; U.v. 25.2.2019 – 14 B 17.31462 – juris; B.v. 9.7.2018 – 14 ZB 17.30670 – juris; B.v. 16.11.2015 – 14 ZB 13.30207 – juris; B.v. 9.4.2015 – 14 ZB 14.30444 – NVwZ-RR 2015, 677; ThürOVG, U.v. 28.5.2020 – 3 KO 590/13 – juris; VGH BW, B.v. 19.2.2014 – A 3 S 2023/12 – NVwZ-RR 2014, 576; NdsOVG, B.v. 16.9.2014 – 13 LA 93/14 – KuR 2014, 263), wobei keine überzogenen Anforderungen zu stellen sind, zumal Glaubens- und Konversionsprozesse individuell sehr unterschiedlich verlaufen können und nicht zuletzt von der Persönlichkeitsstruktur des/der Betroffenen, seiner/ihrer religiösen und kulturellen Prägung und seiner/ihrer intellektuellen Disposition abhängen (Berlit, jurisPR-BVerwG 22/2015, Anm. 6).
Das Gericht ist nach informatorischer Anhörung der Kläger in der mündlichen Verhandlung sowie aufgrund der schriftlich vorgelegten Unterlagen davon überzeugt, dass diese ernsthaft vom Islam zum Christentum konvertiert sind. So legten die Kläger ein persönliches Bekenntnis zum Christentum ab. Die Kläger schilderten weiter nachvollziehbar und ohne Widersprüche glaubhaft ihren Weg vom Islam zum Christentum, Inhalte des christlichen Glaubens und ihre christlichen Aktivitäten. Die Schilderungen der Kläger sind plausibel und in sich schlüssig. Die Kläger legten verschiedene Unterlagen vor. In diesen Unterlagen werden ihre Konversion zum Christentum sowie ihre christlichen Aktivitäten bestätigt.
Das Gericht merkt ausdrücklich an, dass es im vorliegenden Einzelfall unerheblich ist, dass die Kläger bislang noch nicht getauft worden sind. Denn genau wie ein rein formeller Glaubenswechsel, welcher nicht auf einer ernsthaften Glaubensüberzeugung beruht, nicht zu einem asylerheblichen Schutz verhelfen kann, ist umgekehrt ein formeller Glaubensübertritt nicht für eine Gewährung eines Schutzstatus zwingend erforderlich, sofern der oder die Schutzsuchende tatsächlich aus Überzeugung dauerhaft den anderen Glauben angenommen hat und öffentlich auslebt (vgl. schon VG Würzburg, U.v. 25.8.2009 – W 6 K 08.30036 – juris, UA S. 29). Denn zwar ist grundsätzlich erforderlich, dass die Lösung vom Islam nach außen manifestiert ist, so dass davon ausgegangen werden kann, dass sich der Betreffende nachhaltig und auf Dauer nach außen hin erkennbar ernsthaft vom islamischen Glauben abgewandt hat. Dabei ist regelmäßig maßgeblich auf die Taufe als der nach außen erkennbaren Manifestation der Konversion abzustellen (vgl. HessVGH, B.v. 23.2.2010 – 6 A 1389/09.A – Asylmagazin 2010, 120, veröffentlicht auch unter: https://www.asyl.net/rsdb/m16712/ bzw. https://www.asyl.net/fileadmin/user_upload/dokumente/16712.pdf), auch wenn aus der Sicht des iranischen Staates bei der Konversion vom Islam zu einer anderen Religionsgemeinschaft nicht auf förmliche Akte der neuen Religion abzustellen ist, sondern auf den nach außen getragenen Abfall vom Islam unter Hinwendung zu einer anderen Religion. Das Auswärtige Amt hatte in seiner Auskunft an das VG Schwerin vom 25. August 2015 dazu ausdrücklich noch angemerkt, dass Apostasie, der Abfall vom Islam, nach Kenntnis des Auswärtigen Amtes im Iran erst angenommen wird, wenn der eigentliche Übertritt in eine andere, dem Islam nicht zurechenbare Glaubensgemeinschaft vorgenommen wird. Weiter hat es in einer Auskunft an das VG Ansbach vom 27. November 2019, S. 3, erklärt, eine Taufbescheinigung sei ein Beweismittel für den Übertritt zu einer anderen Religion, wie das Christentum, und könne den nach außen getragenen Abfall vom Islam und die Hinwendung zu einer anderen Religion belegen. Allerdings hat das Auswärtige Amt nunmehr in einer neuen Auskunft vom 4. Oktober 2021 an das VG Würzburg, S. 5, ausgeführt, dass der Abfall vom Islam in der islamischen Republik Iran mit dem Todesurteil bestraft werden kann. Hierbei sei dem Wortlaut entsprechend auf den bloßen Abfall vom Islam, unabhängig vom Wechsel zu einer anderen Religion, abzustellen. Folglich sei auch dann wegen Apostasie mit Repressionen oder strafrechtlicher Verfolgung zu rechnen, wenn keine Konversion erfolgt sei, sondern der Betreffende Atheist sei. Demnach bleibt es unabhängig vom formalen Akt einer Taufe für das Maß der Verfolgungsgefahr vielmehr maßgeblich, wie sich der oder die Betreffende im Iran verhält und inwieweit die Konversion nach außen erkennbar ist. Mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit unterliegen Konvertiten einer Verfolgung, wenn sie ihren christlichen Glauben öffentlich verkünden, unterrichten oder missionieren, oder anderweitig die Aufmerksamkeit der staatlichen Behörden im Iran erregen (vgl. zuletzt etwa OVG MV, U.v. 2.3.2022 – 4 LB 785/20 OVG – juris Rn. 45).
Aus dem Umstand der bislang unterbliebenen Taufen der Kläger ist im Einzelfall des Weiteren auch nicht der Schluss zu ziehen, die katholische Kirche habe im vorliegenden Fall die Kläger deshalb (noch) nicht getauft, weil sie selbst noch Zweifel an einer ernsthaften und nachhaltigen Konversion hätte. Vielmehr hat der in der mündlichen Verhandlung als Beistand anwesende Pfarrer der Katholischen Kirchengemeinde der Kläger plausibel ausgeführt, dass der damalige Würzburger Bischof nach der Einreise der syrischen Flüchtlinge zur Vorsicht mit Taufen gemahnt habe, um etwa Syrer, auch bei einer eventuellen Rückkehr, nicht zu gefährden. Deshalb habe er, der Pfarrer, abwarten sollen. Er, der Pfarrer, sei aber mittlerweile und nicht zuletzt aufgrund der mündlichen Verhandlung überzeugt, dass die Kläger Christen seien und wolle nunmehr die Taufvorbereitung und die nachfolgenden Taufen in die Wege leiten und vorbereiten.
Die Kläger selbst haben glaubhaft ihren Weg vom Islam zu Christentum dargetan. Die Kläger erklärten wechselseitig bzw. übereinstimmend, dass sie im Iran als Moslem geboren seien. Sie hätten die islamische Religion nicht gewählt. Sie hätten die islamischen Ritualen nur zwangsweise während der Schulzeit erfüllt. Die Klägerin zu 3) erklärte, dass sie im Iran in der Schule und auch schon im Kindergarten habe Kopftuch tragen müssen. Teilweise sei sie außerhalb der Schule trotz minderjährigen Alters ohne Kopftuch kritisch befragt worden. Die Kläger schilderten weiter, dass sie schon ab dem Jahr 2009 Kontakt mit dem Christentum im Iran aufgenommen hätten über das Internet und auch telefonisch mit einem Pfarrer, der sich in den USA befunden habe. Sie hätten ihn angerufen und er habe sie angerufen. Sie hätten ihn aber dann gebeten, dies zu unterlassen, weil es wegen der Verhältnisse im Jahr 2009 möglicherweise zu gefährlich gewesen sei. Die Kläger führten weiter aus, gegenüber der Schule der älteren – nicht an diesem Verfahren beteiligten – Tochter habe sich eine christliche Kirche, möglicherweise eine armenische Kirche, befunden. Sie hätten sich aber nicht getraut hinzugehen. Die Kirche sei vielmehr auch überwacht worden und sie seien aufgefordert worden, hier wegzugehen. Sie seien aber während des Urlaubs in Armenien in die Kirche gegangen, wie sie auch mit Lichtbildern belegten. Die Kläger gaben ehrlich an, im Iran noch keine Hauskreise besucht zu haben. Vielmehr hätten sie in Deutschland in Z., in F. und in N. die Kirche besucht. Aktuell seien sie in der Kirche in B** N. Die ganze Familie gehe hin, also die Eltern mit den beiden Kindern, die alle vier dort zusammenwohnten. Sie gingen zweimal in die Kirche, am Samstag und am Sonntag. Der Beistand, der Pfarrer der Katholischen Kirchengemeinde erläuterte dazu, dass der Gottesdienst einmal in dem einen Ortsteil am Samstag um 17:30 Uhr und das andere Mal bei ihm in B** N. um 18:00 Uhr sei. Der Kläger zu 1) erklärte weiter, dass er jeden Montag online einen Kurs über Zoom in Österreich bei Hananias besuche. Bei diesem Montagskurs versuche er, das Heilige Buch zu kommentieren und zu analysieren. Das mache nur er, der Kläger, alleine. Außerdem habe er weiter Kontakt über Zoom mit einer Kirche in Düsseldorf, bei der es auch einen persischen Übersetzer gebe. Der Kläger zu 1) habe sich des Weiteren – wie auch der Beistand, der Pfarrer aus der Katholischen Kirchenmeinde bestätigte – bereit erklärt, sich am Fatima-Tag, der jeden 13. des Monats sei, am Rosenkranzgebet zu beteiligen und öffentlich das „Gegrüßet seist du Maria“ auf Persisch zu beten. Die Klägerin zu 3) erklärte – auf Deutsch -, dass sie im Gymnasium sei und dort bewusst auch den katholischen Religionsunterricht gewählt habe. Ein Teil ihrer Schulklasse gehe auch in den Religionsunterricht, in eine gesonderte Religionsklasse für den katholischen Religionsunterricht. In dem Religionsunterricht hätten sie z.B. einen Film geschaut. Der Religionslehrer habe ihnen beispielsweise auch Bilder vorgelegt, z.B. über die Eucharistie. Einmal hätten sie erklären sollen, was es bedeute, wenn Brot und Wein auf dem Bild zu viel vorhanden seien (im Vergleich zu den anwesenden Personen). Sie hätten es so interpretiert, dass es bedeute, dass Jesus Christus auch immer dabei sei. Die Kläger zu 1) und 2) gaben an, dass sie die Klägerin zu 3) auch christlich erzögen. Die Kläger haben allesamt dargelegt, dass wie schon vor dem Schulbesuch die christliche Erziehung einvernehmlich erfolge. Auch der Besuch der katholischen Religionsklasse entspreche dem ausdrücklich geäußerten Wunsch der Klägerin zu 3).
In dem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass die eigenen Äußerungen der Klägerin zu 3) – natürlich auch unter weiterer Berücksichtigung der Erziehung und Unterstützung der Eltern – zum religiösen Bekenntnis und der Religionsausübung bei der Entscheidungsfindung heranzuziehen sind. Denn die Klägerin zu 3) ist aktuell 12 Jahre alt und darf deshalb gemäß § 5 Satz 2 RelKErzG nicht gegen ihren Willen in einem anderen Bekenntnis als bisher erzogen werden. § 5 RelKErzG normiert eine, dem Kind aufgrund seiner Religionsmündigkeit zukommende stufenweise Eigenzuständigkeit hinsichtlich seines religiös-weltanschaulichen Bekenntnisses und setzt damit der elterlichen Bestimmungs- und Änderungsbefugnis einerseits eine Grenze und zielt andererseits gleichzeitig auch die Kontinuität der Kindeserziehung. § 5 RelKErzG verdeutlicht die Religionsmündigkeit etwa hinsichtlich der Bekenntniswahl, der Ausübung des Bekenntnisses oder auch der Teilnahme am Religionsunterricht und verpflichtet zur Rücksichtnahme auf den Willen des Kindes (vgl. Bongartz in beck-online.GROSSKOMMENTAR, GesamtHrsg. Gsell/Krüger/Lorenz/Reyman, Hrsg. Wellenhofer Stand: 1.2.2022, § 5 RelKErzG Rn. 1 und 4).
Des Weiteren ist ergänzend weiter anzumerken, dass es den Klägern nicht angelastet werden kann, wenn sie aufgrund der coronabedingten Infektionsschutzmaßnahmen – genauso wie andere Christen in Deutschland – nur eingeschränkt aktiv sein und zusammen mit anderen in der Öffentlichkeit ihren Glauben ausleben konnten.
Besonders zu erwähnen ist in dem Zusammenhang, dass die Kläger ihren Glauben nicht nur öffentlich und nach außen hin leben, sondern dass sie sich auch für ihren Glauben engagieren. Die Kläger erklärten nicht nur, dass das Kind – die Klägerin zu 3) – christlich erzogen werde, sondern dass sie auch nicht nur den Eltern, sondern ihren Verwandten im Iran, von der Konversion berichtet hätten und diese die Konversion akzeptiert hätten. Die Kläger zu 1) und 2) erklärten, sie seien nicht nur verheiratet, sondern auch Cousin und Cousine und hätten insofern teilweise dieselben Verwandten. Sie hätten ihre Konversion zum Christentum telefonisch bekannt gegeben. Die Verwandten wüssten Bescheid. Die Verwandten hätten ihnen gesagt, sie sollten froh sein, dass sie ihren Glauben so frei gewählt und die Konversion gemacht hätten. Die Kläger machten bei ihren Verwandten außerdem im Iran auch Werbung für das Christentum. Ein in ihrer Unterkunft lebender Iraner sei bereits konvertiert. Bei anderen Mitbewohnern aus Afrika bestehe die Sprachbarriere. Der Kläger zu 1) erklärte weiter, dass er auch über Zoom Werbung für das Christentum mache. Vor diesem Hintergrund wird der Eindruck bestätigt, dass die Kläger bei ihrer Glaubensbetätigung auch nicht vor ihrer Heimat Halt machen, was für eine nachhaltige und ehrliche Konversion sowie für eine entsprechende Glaubensbestätigung auch bei einer eventuellen Rückkehr in den Iran spricht.
Die Kläger verdeutlichten in der mündlichen Verhandlung des Weiteren plausibel und glaubhaft ihre Beweggründe für die Abkehr vom Islam und die Hinwendung zum Christentum. In dem Zusammenhang legten sie – in ihren Worten und im Rahmen ihrer Persönlichkeit und intellektuellen Disposition (vgl. BVerwG, B.v. 25.8.2015 – 1 B 40/15 – Buchholz 402.25 § 3 AsylVfG Nr. 19; Berlit, jurisPR-BVerwG 22/2015, Anm. 6) – auch zentrale Elemente des christlichen Glaubens als für sich wichtig dar. Gerade mit ihren Aussagen zur Stellung von Jesus Christus im Christentum sowie zur Erbsünde machten die Kläger zentrale Elemente des christlichen Glaubens und den fundamentalen Unterschied zwischen Islam und Christentum deutlich und zeigten, dass sie dies verinnerlicht haben. Die Kläger erklärten abwechselnd bzw. übereinstimmend: Als Mohammed Prophet geworden sei, habe er den Koran verfasst. Er habe da von Wunder geschrieben. Mohammed habe selbst gesagt, er habe Schuld. Aber Jesus Christus habe keine Schuld. Im Koran stehe, dass Gott Wunder vollbracht habe. Jesus Christus habe diese für sich selbst beansprucht. Mohammed habe die Macht von jemand anders und Jesus Christus sei selbst Gott. Vater, Sohn und Heiliger Geist seien drei in einem. Im Christentum sei es nur ein Gott, aber in drei verschiedenen Gestalten. Der Koran habe viel vom Christentum übernommen, wie Fasten, Beten und auch viele andere Gesetze. Jesus Christus sei Mensch geworden. Er sei zu uns auf die Erde gekommen und habe zwischen den Menschen gelebt. Dann sei er unschuldig gekreuzigt worden, begraben worden und nach drei Tagen von den Toten auferstanden. Er sei mehrmals zu seinen Begleitern gekommen und nach 40 Tagen sei er in den Himmel aufgefahren. Die Kreuzigung von Jesus Christus sei dessen Schicksal gewesen. Er sei zur Befreiung der Menschen auf die Erde gekommen. Die Menschen sollten von den Sünden befreit werden. Die Sünden kämen z.B. von falschen Gedanken. Jeder Mensch der geboren sei, sei schuldig (sündig). Nur Jesus Christus sei dies nicht. Wenn man Sünden begangen habe und an Jesus Christus glaube, würden die Sünden beseitigt. Jeder Mensch würde als Sünder geboren. Am letzten Tag stehe man dann vor Gott. Die Sünden kämen von Adam und Eva, die von der verbotenen Frucht (Apfel) gegessen hätten. Sie seien deshalb aus dem Paradies geworfen worden. Beim Christentum komme man nach dem Tod zunächst in eine Zwischenwelt und warte dann bis zum letzten Tag, wenn Jesus Christus komme und an dem Jesus Christus über alles entscheide. Die Klägerin zu 3) gab an, dass die Zahl 666 in der Bibel eine teuflische Zahl sei. Der Teufel versuche die Menschen auf den falschen Weg zu bringen und er habe auch versucht Jesus Christus vom richtigen Weg abzubringen. Bei den Moslems gebe es keine Freiheit, insbesondere auch nicht für Mädchen.
Die Kläger offenbarten weiter konkrete wesentliche Glaubensinhalte und Glaubenskenntnisse, die ihre Glaubensentscheidung und ihren Gewissensschritt zusätzlich belegen. Die Kläger benannten in dem Zusammenhang einzelne christliche Feiertage sowie christliche Gebote. Des Weiteren kannten die Kläger auch christliche Gebete, wie das Vaterunser. Die Kläger bezogen sich zudem wiederholt auf die Bibel und auf einzelne Bibelstellen.
Die Kläger erklärten glaubhaft weiter, sie könnten sich nicht vorstellen, vom Christentum wieder zum Islam zurückzukehren. Der Kläger zu 1) erläuterte dazu, er habe seinerzeit von einem Medizinstudenten das Buch von Salman Rushdie bekommen. Wenn er den Anderen davon erzähle, dann könne man nicht beim Islam bleiben. Die Kläger machten weiter deutlich, dass sie ihre christliche Religion auch im Iran bei einer eventuellen Rückkehr öffentlich ausleben wollten und nicht verheimlichen wollten. Sie könnten und wollten ihr Christentum nicht verheimlichen. Im Iran könne man nicht mit den Anderen Beten gehen und auch nicht mit Anderen über das Christentum reden. Man könne sich auch nicht zum Christentum bekennen. Man könnte nicht hinaus in eine Kirche gehen, sondern müsste alles verheimlichen. Damit könne man seinen Glauben nicht richtig ausüben. Die Klägerin zu 3) ergänzte: Auch, wenn sie in den Iran zurückkehren müsste, wolle sie weiter an Jesus Christus glauben. Bei den Moslems gebe es keine Freiheit, insbesondere nicht für Mädchen. Abgesehen davon sei es sehr gefährlich, wenn man sage, dass man Christ sei. Gerade für sie wäre es gefährlich, wenn sie in der Schule sei und sage, dass sie Christin sei. Es sei eigentlich nicht gefahrlos möglich.
Zusammenfassend ist festzuhalten, dass das gesamte Verhalten der Kläger vor und nach ihrer Einreise im Zusammenhang mit der Konversion zum Christentum sowie die von ihnen vorgetragenen Glaubensinhalte und Glaubenskenntnisse über die christliche Religion – auch in Abgrenzung zum Islam – eine ehrliche Konversion glaubhaft machen und erwarten lassen, dass die Kläger bei einer angenommenen Rückkehr in ihre Heimat ihrer neu gewonnenen Religion entsprechend leben würde. Die Kläger haben lebensgeschichtlich nachvollziehbar ihre Motive für die Abkehr vom Islam und ihre Hinwendung zum christlichen Glauben dargestellt. Sie haben ihre Konversion anhand der von ihnen gezeigten Glaubenskenntnisse über das Christentum und durch ihre Glaubensbetätigung gerade auch in Bezug zur Öffentlichkeit nachhaltig und glaubhaft vorgebracht. Der Eindruck einer ernsthaften Konversion wird dadurch verstärkt, dass die Kläger missionarische Aktivitäten entwickeln, indem sie bei anderen für den christlichen Glauben werben. Weiter ist nicht davon auszugehen, dass die Kläger bei einer theoretischen Rückkehr in den Iran ihre Konversion ohne Not verheimlichen würden, da prognostisch von einer andauernden christlichen Prägung auszugehen ist. Abgesehen davon kann einem Gläubigen nicht als nachteilig entgegengehalten werden, wenn er aus Furcht vor Verfolgung auf eine Glaubensbetätigung verzichtet, sofern die verfolgungsrelevante Glaubensbetätigung wie hier die religiöse Identität des Schutzsuchenden kennzeichnet. Ein so unter dem Druck der Verfolgungsgefahr erzwungener Verzicht auf die Glaubensbetätigung kann die Qualität einer Verfolgung erreichen und hindert nicht die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (vgl. BVerwG, B.v. 25.8.2015 – 1 B 40/15 – Buchholz 402.25 § 3 AsylVfG Nr. 19; U.v. 20.2.2013 – 10 C 23/12 – BVerwGE 146, 67; Berlit, juris PR-BVerwG 22/2015, Anm. 6 und 11/2013, Anm. 1; Marx, Anmerkung, InfAuslR 2013, 308). Umgekehrt kann einem Gläubigen von den deutschen Behörden bzw. Gerichten nicht zugemutet werden, bei einer Rückkehr in den Iran von seiner religiösen Betätigung Abstand zu nehmen, um nicht verfolgt zu werden (EuGH, U.v. 5.9.2012 – C-71/11 und C-99/11 – ABl EU 2012, Nr. C 331 S. 5 – NVwZ 2012, 1612).
Die Kläger haben insgesamt durch ihr Auftreten in der mündlichen Verhandlung und durch die Darlegung ihrer Beweggründe nicht den Eindruck hinterlassen, dass sie nur aus opportunistischen und asyltaktischen Gründen motiviert dem christlichen Glauben nähergetreten sind, sondern aufgrund einer ernsthaften Gewissensentscheidung und aus einer tiefen Überzeugung heraus den religiösen Einstellungswandel vollzogen haben. Dieser Eindruck erhärtet sich durch das schriftliche Vorbringen sowie die vorgelegten Unterlagen.
Dazu tragen auch die Ausführungen ihres Beistandes aus der christlichen Gemeinde in der mündlichen Verhandlung bei. Der Pfarrer erklärte: Er sei überzeugt davon, dass die Kläger Christen seien. Er gehe nicht von einem asyltaktischen Verhalten aus. Es sei erstaunlich, wie bibelfest die Kläger seien und wie viele Bibelkenntnisse sie hätten – etwa im Vergleich zu Evangelischen, die kürzlich bei ihm gewesen seien und zur katholischen Kirche übertreten wollten. Er habe überhaupt keine Zweifel an der Konversion der Kläger. Er wolle noch heute beginnen die Formalien der Taufe zu veranlassen und alles in die Wege zu leiten. Er sei fest überzeugt, dass die Kläger nachhaltig und ernsthaft zum Christentum übergetreten seien. Die Kläger hätten ihn, nicht zuletzt heute in der mündlichen Verhandlung, überzeugt.
Nach § 28 Abs. 1a AsylG kann sich ein Kläger bzw. eine Klägerin bei der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 AsylG auch auf Umstände stützen, die nach Verlassen des Herkunftslandes entstanden sind. Dies gilt gerade, wenn wie hier vorliegend ein Iraner seine religiöse Überzeugung aufgrund ernsthafter Erwägungen wechselt und nach gewissenhafter Prüfung vom Islam zum Christentum übertritt (Bergmann in Renner/Bergmann/Dienelt, AuslR, 13. Aufl. 2020, § 28 AsylG Rn. 17).
Nach alledem ist den Klägern unter Aufhebung der betreffenden Antragsablehnung in Nr. 1 des streitgegenständlichen Bescheides die Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 AsylG zuzuerkennen. Infolgedessen besteht kein Anlass für eine weitere Entscheidung über die Zuerkennung des subsidiären Schutzes gemäß § 4 AsylG oder sonstige Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG, so dass die Nrn. 3 und 4 des Bescheides des Bundesamtes ebenfalls aufzuheben waren (vgl. § 31 Abs. 2 Satz 1 AsylG [„oder“] und § 31 Abs. 3 Satz 2 AsylG). Über die hilfsweise gestellten Anträge, insbesondere zum subsidiären Schutz (§ 4 AsylG) bzw. zu den nationalen Abschiebungsverboten (§ 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG), war nicht zu entscheiden.
Des Weiteren sind auch die verfügte Abschiebungsandrohung und die Ausreisefristbestimmung (Nr. 5 des Bundesamtsbescheids) rechtswidrig und daher aufzuheben. Denn das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge erlässt nach § 34 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 59 und § 60 Abs. 10 AufenthG die Abschiebungsandrohung nur, wenn der Ausländer nicht als Asylberechtigter anerkannt und ihm die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt wird. Umgekehrt darf im Fall der Flüchtlingszuerkennung eine Abschiebungsandrohung nicht ergehen. Letzteres ist im gerichtlichen Verfahren – wenn auch noch nicht rechtskräftig – festgestellt.
Schließlich war auch die Anordnung und Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach § 11 Abs. 1 bis 3 AufenthG (Nr. 6 des Bundesamtsbescheids) aufzuheben, weil mit der Aufhebung der Abschiebungsandrohung auch die Voraussetzungen für diese Entscheidungen entfallen (vgl. § 75 Nr. 12 AufenthG).
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylG.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO, §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.


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