Verwaltungsrecht

Iran – Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft wegen drohender Zwangsverheiratung

Aktenzeichen  AN 1 K 16.32047

Datum:
16.3.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG AsylG § 3a Abs. 1 Nr. 1, § 3b Nr. 4, § 3c Nr. 3
RL 2011/95/EU Art. 4 Abs. 4, Art. 9 Abs. 1 lit. a

 

Leitsatz

1 Der iranische Staat ist weder in der Lage noch willens, Schutz vor Verfolgung durch Familienangehörige in Fällen von Zwangsverheiratung zu bieten. (redaktioneller Leitsatz)
2 Wehren sich Frauen gegen eine Zwangsheirat, droht ihnen die Gefahr, von Familienangehörigen aus Gründen der Ehre ermordet zu werden. (redaktioneller Leitsatz)
3 Alleinstehende, nicht geschiedene Frauen haben Schwierigkeiten, selbstständig eine Wohnung zu mieten und alleine zu wohnen, da gesellschaftliche Normen verlangen, dass eine unverheiratete Frau im Schutze ihrer Familie oder eines männlichen Familienmitglieds lebt. Sie können im Iran keine Unterstützung vom Staat oder der Gesellschaft erwarten. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 18.11.2016, Gz. 6458679 – 439, wird in den Ziffern 1. und 3. bis 6. aufgehoben.
2. Die Beklagte wird verpflichtet, der Klägerin die Flüchtlingseigenschaft gem. § 3 Abs. 1 AsylG zuzuerkennen.
3. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens. Insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
4. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der festgesetzten Kosten abwenden, wenn nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die zulässige Klage ist begründet.
Der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 18. November 2016 ist in den Ziffern 1. und 3. bis 6. rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 VwGO).
Die Klägerin hat einen Rechtsanspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 AsylG (§ 113 Abs. 5 VwGO).
Nach dieser Bestimmung ist einem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen, wenn er sich
1.aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe
2.außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet,
a)dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder
b)in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.
Mit der zum 1. Dezember 2013 in Kraft getretenen Neuregelung des § 3 Abs. 1 AsylG durch das Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2011/95/EU vom 13. Dezember 2011 wurden die europarechtlichen Vorgaben für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft als Teil der Gewährung internationalen Schutzes aus der Richtlinie 2011/95/EU (nachfolgend: RL), welche die Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004 (sog. Qualifikationsrichtlinie) abgelöst hat, im Asylverfahrensgesetz umgesetzt. Für die in der Neufassung inhaltlich geänderten Bestimmungen war den Mitgliedstaaten eine Umsetzungsfrist bis zum 21. Dezember 2013 eingeräumt worden (Art. 39 Abs. 1 der Richtlinie 2011/95/EU).
Nach § 3a Abs. 1 AsylG (vgl. Art. 9 Abs. 1 RL) gelten als Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG Handlungen, die
a)aufgrund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen gemäß Artikel 15 Absatz 2 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) keine Abweichung zulässig ist oder
b)in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der unter Art. 9 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie beschriebenen Weise betroffen ist.
Als Verfolgung in diesem Sinne können nach § 3a Abs. 2 AsylG (vgl. Art. 9 Abs. 2 RL) unter anderem die folgenden Handlungen gelten:
1.die Anwendung physischer oder psychischer Gewalt, einschließlich sexueller Gewalt,
2.gesetzliche, administrative, polizeiliche oder justizielle Maßnahmen, die als solche diskriminierend sind oder in diskriminierender Weise angewandt werden,
3.unverhältnismäßige oder diskriminierende Strafverfolgung oder Bestrafung,
4.Verweigerung gerichtlichen Rechtsschutzes mit dem Ergebnis einer unverhältnismäßigen oder diskriminierenden Bestrafung,
5.Strafverfolgung oder Bestrafung wegen Verweigerung des Militärdienstes in einem Konflikt, wenn der Militärdienst Verbrechen oder Handlungen umfassen würde, die unter die Ausschlussklauseln des § 3 Abs. 2 fallen,
6.Handlungen, die an die Geschlechtszugehörigkeit anknüpfen oder gegen Kinder gerichtet sind.
Nach § 3a Abs. 3 AsylG (vgl. Art. 9 Abs. 3 RL) muss zwischen den in § 3 Abs. 1 Nr. 1 in Verbindung mit den in § 3b genannten Verfolgungsgründen und den in Absätzen 1 und 2 als Verfolgung eingestuften Handlungen oder dem Fehlen von Schutz vor solchen Handlungen eine Verknüpfung bestehen.
Bei der Prüfung der Verfolgungsgründe nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG ist gemäß § 3b AsylG Folgendes zu berücksichtigen:
1.der Begriff der Rasse umfasst insbesondere die Aspekte Hautfarbe, Herkunft und Zugehörigkeit zu einer bestimmten ethnischen Gruppe;
2.der Begriff der Religion umfasst insbesondere theistische, nichttheistische und atheistische Glaubensüberzeugungen, die Teilnahme oder Nichtteilnahme an religiösen Riten im privaten oder öffentlichen Bereich, allein oder in Gemeinschaft mit anderen, sonstige religiöse Betätigungen oder Meinungsäußerungen und Verhaltensweisen Einzelner oder einer Gemeinschaft, die sich auf eine religiöse Überzeugung stützen oder nach dieser vorgeschrieben sind;
3.der Begriff der Nationalität beschränkt sich nicht auf die Staatsangehörigkeit oder das Fehlen einer solchen, sondern bezeichnet insbesondere auch die Zugehörigkeit zu einer Gruppe, die durch ihre kulturelle, ethnische oder sprachliche Identität, gemeinsame geografische oder politische Herkunft oder ihre Verwandtschaft mit der Bevölkerung eines anderen Staates bestimmt wird;
4.eine Gruppe gilt insbesondere als eine bestimmte soziale Gruppe, wenn
a)die Mitglieder dieser Gruppe angeborene Merkmale oder einen gemeinsamen Hintergrund, der nicht verändert werden kann, gemein haben oder Merkmale oder eine Glaubensüberzeugung teilen, die so bedeutsam für die Identität oder das Gewissen sind, dass der Betreffende nicht gezwungen werden sollte, auf sie zu verzichten, und
b)ie Gruppe in dem betreffenden Land eine deutlich abgegrenzte Identität hat, da sie von der sie umgebenden Gesellschaft als andersartig betrachtet wird; als eine bestimmte soziale Gruppe kann auch eine Gruppe gelten, die sich auf das gemeinsame Merkmal der sexuellen Orientierung gründet; Handlungen, die nach deutschem Recht als strafbar gelten, fallen nicht darunter; eine Verfolgung wegen der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe kann auch vorliegen, wenn sie allein an das Geschlecht oder die geschlechtliche Identität anknüpft;
Durch § 3b Abs. 1 Nr. 4 AsylG wird insbesondere klargestellt, dass auch jegliche an das Geschlecht anknüpfende Verfolgung eine Verfolgung wegen der Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe darstellt (sog. geschlechtsspezifische Verfolgung; vgl. Hofmann, Ausländerrecht, 2. A. 2016, Rn. 13 f. zu § 3b AsylG).
Akteure, von denen Verfolgung ausgehen kann, sind gemäß § 3c AsylG
1.der Staat,
2.Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen, oder.
3.nichtstaatlichen Akteuren, sofern die in den Nummern 1 und 2 genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, im Sinne des § 3d Schutz vor Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht.
Nichtstaatlichen Akteure i.S. von § 3c Nr. 3 AsylG können somit auch private Personen sein (z.B. Familienmitglieder oder Stammesangehörige), was das Bundesamt jedoch im vorliegenden Bescheid nicht berücksichtigt hat. Das Bundesverwaltungsgericht hat zu der inhaltsgleichen Bestimmung des § 60 Abs. 1 Satz 4c AufenthG a.F. entschieden, dass unter diese schon ihrem Wortlaut nach einschränkungslos alle nichtstaatlichen Akteure, insbesondere also auch Einzelpersonen, von denen Verfolgungshandlungen ausgehen, fallen (BVerwG, U.v. 18.7.2006 – 1 C 15/05, BVerwGE 126, 243).
Die Furcht vor Verfolgung (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG) ist begründet, wenn dem Ausländer die oben genannten Gefahren aufgrund der in seinem Herkunftsland gegebenen Umstände in Anbetracht seiner individuellen Lage tatsächlich drohen.
Der in dem Tatbestandsmerkmal „… aus der begründeten Furcht vor Verfolgung …“ des Art. 2 Buchst. d) RL enthaltene Wahrscheinlichkeitsmaßstab, der in § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG übernommen worden ist, orientiert sich an der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte. Er stellt bei der Prüfung des Art. 3 EMRK auf die tatsächliche Gefahr ab („real risk“; vgl. nur EGMR, Große Kammer, U.v. 28.2.2008 – Nr. 37201/06, Saadi – NVwZ 2008, 1330); das entspricht dem Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit (vgl. BVerwG, U.v. 18.4.1996 – 9 C 77.95, Buchholz 402.240 § 53 AuslG 1990 Nr. 4; B.v. 7.2.2008 – 10 C 33.07, ZAR 2008, 192; U.v. 27.4.2010 – 10 C 5.09, BVerwGE 136, 377; U.v. 1.6.2011 – 10 C 25.10, BVerwGE 140, 22; U.v. 20.2.2013 – 10 C 23.12, NVwZ 2013, 936).
Dieser Wahrscheinlichkeitsmaßstab setzt voraus, dass bei einer zusammenfassenden Würdigung des zur Prüfung gestellten Lebenssachverhalts die für eine Verfolgung sprechenden Umstände ein größeres Gewicht besitzen und deshalb gegenüber den dagegen sprechenden Tatsachen überwiegen. Dabei ist eine „qualifizierende“ Betrachtungsweise im Sinne einer Gewichtung und Abwägung aller festgestellten Umstände und ihrer Bedeutung anzulegen. Es kommt darauf an, ob in Anbetracht dieser Umstände bei einem vernünftig denkenden, besonnenen Menschen in der Lage des Betroffenen Furcht vor Verfolgung hervorgerufen werden kann (BVerwG, U.v. 20.2.2013, a.a.O. und vom 5.11.1991 – 9 C 118.90, BVerwGE 89, 162).
Die Tatsache, dass ein Drittstaatsangehöriger bereits verfolgt wurde oder einen sonstigen ernsthaften Schaden erlitten hat bzw. von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden unmittelbar bedroht war, ist ein ernsthafter Hinweis darauf, dass die Furcht des Flüchtlings vor Verfolgung begründet ist, bzw. dass er tatsächlich Gefahr läuft, ernsthaften Schaden zu erleiden, es sei denn, stichhaltige Gründe sprechen dagegen, dass der Betroffene erneut von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden bedroht wird (Art. 4 Abs. 4 RL).
Diese Vorschrift greift sowohl bei der Entscheidung über die Zuerkennung von Flüchtlingsschutz für einen Vorverfolgten (bzw. von Verfolgung unmittelbar Bedrohten) als auch bei der Prüfung der Gewährung subsidiären Schutzes zugunsten desjenigen, der bereits einen ernsthaften Schaden erlitten hat bzw. davon unmittelbar bedroht war. In beiden Varianten des internationalen Schutzes privilegiert sie den von ihr erfassten Personenkreis durch eine Beweiserleichterung, nicht aber durch einen herabgestuften Wahrscheinlichkeitsmaßstab, wie er in der deutschen asylrechtlichen Rechtsprechung entwickelt worden ist. Die Vorschrift begründet für die von ihr begünstigten Antragsteller eine widerlegbare tatsächliche Vermutung dafür, dass sie erneut von einer solchen Verfolgung oder einem solchen Schaden bedroht sind.
Art. 4 Abs. 4 RL ist Ausdruck des auch der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts zum Asylgrundrecht zugrunde liegenden Gedankens, die Zumutbarkeit der Rückkehr danach differenzierend zu beurteilen, ob der Antragsteller bereits verfolgt worden ist oder nicht (grundlegend BVerfG, B.v. 2.7.1980 – 1 BvR 147, 181, 182/80 – BVerfGE 54, 341; dem folgend U.v. 31.3.1981 – 9 C 237.80 – Buchholz 402.24 § 28 AuslG Nr. 27). Die Nachweiserleichterung, die einen inneren Zusammenhang zwischen erlittener Vorverfolgung und befürchteter erneuter Verfolgung voraussetzt (BVerwG, U.v. 18.2.1997 – 9 C 9.96, BVerwGE 104, 97), beruht zum einen auf der tatsächlichen Erfahrung, dass sich Verfolgung nicht selten und Pogrome sogar typischerweise in gleicher oder ähnlicher Form wiederholen (BVerwG, U.v. 27.4.1982 – 9 C 308.81, BVerwGE 65, 250). Zum anderen widerspricht es dem humanitären Charakter des Asyls, demjenigen, der das Schicksal der Verfolgung bereits erlitten hat, wegen der meist schweren und bleibenden – auch seelischen – Folgen das Risiko einer Wiederholung aufzubürden (BVerwG, U.v. 18.2.1997 – 9 C 9.96, a.a.O.). Diese zum Asylgrundrecht entwickelte Rechtsprechung (zusammenfassend BVerwG, U.v. 25.9.1984 – 9 C 17.84, BVerwGE 70, 169 und v. 5.11.1991 – 9 C 118.90, BVerwGE 89, 162) wurde auf den Flüchtlingsschutz (Abschiebungsschutz aus politischen Gründen) gemäß § 51 Abs. 1 AuslG 1990 (BVerwG, U.v. 3.11.1992 – 9 C 21.92, BVerwGE 91, 150), nicht jedoch auf die Abschiebungsverbote des § 53 AuslG 1990 übertragen (BVerwG, U.v. 17.10.1995 – 9 C 9.95, BVerwGE 99, 324 zu § 53 Abs. 6 AuslG und vom 4.6.1996 – 9 C 134.95 – InfAuslR 1996, 289 zu § 53 Abs. 4 AuslG i.V.m. Art. 3 EMRK).
Art. 4 Abs. 4 RL privilegiert den Vorverfolgten bzw. Geschädigten jedoch auf andere Weise: Wer bereits Verfolgung bzw. einen ernsthaften Schaden erlitten hat, für den streitet die tatsächliche Vermutung, dass sich frühere Handlungen und Bedrohungen bei einer Rückkehr in das Herkunftsland wiederholen werden. Die Vorschrift misst den in der Vergangenheit liegenden Umständen Beweiskraft für ihre Wiederholung in der Zukunft bei (vgl. EuGH, U.v. 2.3.2010 – Rs. C – 175/08 u.a., Abdulla). Dadurch wird der Vorverfolgte bzw. Geschädigte von der Notwendigkeit entlastet, stichhaltige Gründe dafür darzulegen, dass sich die verfolgungsbegründenden bzw. schadensstiftenden Umstände bei Rückkehr in sein Herkunftsland erneut realisieren werden. Es gelten nicht die strengen Maßstäbe, die bei fehlender Vorverfolgung anzulegen sind (EGMR, Große Kammer, U.v. 28.2.2008 – Nr. 37201/06, Saadi). Diese Vermutung kann aber widerlegt werden. Hierfür ist erforderlich, dass stichhaltige Gründe die Wiederholungsträchtigkeit solcher Verfolgung bzw. des Eintritts eines solchen Schadens entkräften. Diese Beurteilung obliegt tatrichterlicher Würdigung im Rahmen freier Beweiswürdigung. Die Vermutung des Art. 4 Abs. 4 RL kann im Einzelfall selbst dann widerlegt sein, wenn nach herkömmlicher Betrachtung keine hinreichende Sicherheit im Sinne des herabgestuften Wahrscheinlichkeitsmaßstabes bestünde. Dieser Maßstab hat bei der Prüfung der Flüchtlingsanerkennung und des subsidiären Schutzes keine Bedeutung mehr (zum Ganzen: BVerwG, U.v. 27.4.2010 – 10 C 5/09, BVerwGE 136, 377).
Für das Eingreifen der Beweiserleichterung nach Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie ist nicht nur im Rahmen des Flüchtlingsschutzes sondern auch im Rahmen des subsidiären Schutzes erforderlich, dass ein innerer Zusammenhang zwischen dem früher erlittenen oder unmittelbar drohenden Schaden und dem befürchteten künftigen Schaden besteht. Denn die der Vorschrift zu Grunde liegende Vermutung, erneut von einer solchen Verfolgung oder einem solchen Schaden bedroht zu sein, beruht wesentlich auch auf der Vorstellung, dass eine Verfolgungs- oder Schadenswiederholung – bei gleichbleibender Ausgangssituation – aus tatsächlichen Gründen naheliegt (BVerwG, U.v. 27.4.2010 – 10 C 4/09, BVerwGE 136, 360).
Bei Prüfung eines Antrags auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft sind alle Akte zu berücksichtigen, denen der Kläger ausgesetzt war oder ausgesetzt zu werden droht, um festzustellen, ob unter Berücksichtigung seiner persönlichen Umstände diese Handlungen als Verfolgung im Sinne § 3a Abs. 1 AsylG (Art. 9 Abs. 1 RL) gelten können (vgl. U.v. EuGH vom 5.9.2012, a.a.O. Rn. 68). Liegt keine Verfolgungshandlung nach § 3a Abs. 1 AsylG vor, ist weiter zu prüfen, ob sich eine solche aus einer Gesamtbetrachtung nach § 3a Abs. 1 Nr. 2 AsylG (vgl. Art. 9 Abs. 1 Buchst. b RL) ergibt.
§ 3a Abs. 1 Nr. 1 AsylG erfasst Handlungen, die aufgrund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen. Nach § 3a Abs. 1 Nr. 2 AsylG kann auch eine Kumulation unterschiedlicher Maßnahmen die Qualität einer Verletzungshandlung haben, wenn der Ausländer davon in ähnlicher Weise betroffen ist wie im Falle einer schwerwiegenden Menschenrechtsverletzung nach Nr. 1. Die Maßnahmen im Sinne von Nr. 2 können Menschenrechtsverletzungen, aber auch Diskriminierungen sein, die für sich allein nicht die Qualität einer Menschenrechtsverletzung aufweisen.
In Nr. 1 beruht die Schwere der Eingriffshandlungen auf ihrer Art oder Wiederholung („nature or repetition“). Während die „Art“ der Handlung ein qualitatives Kriterium beschreibt, enthält der Begriff der „Wiederholung“ eine quantitative Dimension (so auch Hailbronner/Alt, in: Hailbronner, EU Immigration and Asylum Law, 2010, S. 1072 Rn. 30).
Setzt die Erfüllung des Tatbestandes von Nr. 1 mithin eine bestimmte gravierende Eingriffshandlung oder die Wiederholung gleichartiger Handlungen voraus, ermöglicht die Tatbestandsalternative der Nr. 2 in einer erweiterten Perspektive die Berücksichtigung einer Kumulation unterschiedlicher Eingriffshandlungen, wie sie beispielhaft in § 3a Abs. 2 AsylG (Art. 9 Abs. 2 RL) aufgeführt sind. Die Kumulationsbetrachtung entspricht auch dem Verständnis des UNHCR vom Verfolgungsbegriff in Art. 1 A Genfer Flüchtlingskonvention (vgl. Handbuch über Verfahren und Kriterien zur Feststellung der Flüchtlingseigenschaft, 1979, Rn. 53). In die nach § 3a Abs. 1 Nr. 2 AsylG (Art. 9 Abs. 1 Buchst. b RL) erforderliche Gesamtbetrachtung können insbesondere verschiedenartige Diskriminierungen gegenüber den Angehörigen einer bestimmten Glaubensgemeinschaft einbezogen werden, z.B. beim Zugang zu Bildungs- oder Gesundheitseinrichtungen, aber auch existenzielle berufliche oder wirtschaftliche Einschränkungen (vgl. UNHCR Richtlinie vom 28. April 2004 zur Anerkennung der Flüchtlingseigenschaft aufgrund religiöser Verfolgung, HCR/GIP/04/06 Rn. 17). Die einzelnen Eingriffshandlungen müssen nicht für sich allein die Qualität einer Menschenrechtsverletzung aufweisen, in ihrer Gesamtheit aber eine Betroffenheit des Einzelnen bewirken, die der Eingriffsintensität einer schwerwiegenden Menschenrechtsverletzung im Sinne von Buchstabe a entspricht.
Mit Rücksicht darauf, dass sich der Schutzsuchende vielfach hinsichtlich asylbegründender Vorgänge außerhalb des Gastlandes in einem gewissen sachtypischen Beweisnotstand befindet, genügt bezüglich dieser Vorgänge in der Regel die Glaubhaftmachung, die aber den Anforderungen des § 108 Abs. 1 VwGO entsprechen muss, wohingegen für Vorgänge innerhalb des Gastlandes grundsätzlich der volle Nachweis auf Grund von Tatsachen zu fordern ist (vgl. BVerwG, U.v. 16.4.1985 – 9 C 109.84, BVerwGE, 71, 180).
Bei der Feststellung der für eine Verfolgung im Herkunftsland im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG sprechenden Umstände kommt dem Vorbringen des Schutzsuchenden deshalb besondere Bedeutung zu. Er ist auf Grund der ihm obliegenden Mitwirkungspflichten gehalten, die in seine Sphäre fallenden tatsächlichen Umstände substantiiert und in sich stimmig zu schildern. Das Gericht muss sich die feste Überzeugung vom Wahrheitsgehalt des klägerischen Vorbringens verschaffen können (BVerwG, U.v. 16.4.1985 – 9 C 109.84, BVerwGE, 71, 180, 181 und vom 12.11.1985 – 9 C 27.85, EZAR 630 Nr. 23). Bei erheblichen Widersprüchen oder Steigerungen im Sachvortrag kann dem Schutzsuchenden nur geglaubt werden, wenn diese Unstimmigkeiten überzeugend aufgelöst werden (BVerwG, U.v. 16.4.1985, a.a.O., 183 und vom 23.2.1988 – 9 C 32.87, EZAR 630 Nr. 25).
Hiervon ausgehend kann die Klägerin die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 Abs. 1 AsylG beanspruchen.
Sie hat in der mündlichen Verhandlung spontan, flüssig und auch emotional glaubhaft die Ereignisse im Iran geschildert, die sie zur Flucht aus ihrem Heimatland veranlasst haben. Dem glaubhaften Vortrag der Klägerin ist zu entnehmen, dass sie bis zu dem fluchtauslösenden Ereignis bei ihren Eltern gelebt hat. Da sie trotz des bereits erreichten Alters von über 30 Jahren noch nicht verheiratet gewesen sei, habe sie nicht alleine wohnen können. Der drogenabhängige Vater sei zu ihr und ihren Geschwistern immer sehr streng gewesen, es sei regelmäßig zu Schlägen und Misshandlungen gekommen. Widerspruch der Kinder sei nicht geduldet worden.
Auch die Mutter habe hierunter gelitten.
Diese Angaben stehen im Einklang den vorliegenden Erkenntnissen zu den patriarchalischen Strukturen und der hieraus folgenden Stellung der Frau im familiären Bereich im Iran, gerade in ländlichen Gebieten mit Stammesstrukturen (hier: Stamm der Bachtiaren; vgl. Österreichisches Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Iran vom 31.3.2016; Finnish Immigration Service, Violance against women and honour-related violence in Iran vom 26.6.2015).
Es ist deshalb auch ohne weiteres glaubhaft, dass der Vater der Klägerin es nicht länger akzeptieren wollte, dass die Klägerin mit 33 Jahren noch ledig war und anders als ihre bereits verheirateten älteren Schwestern deshalb auch weiterhin zu Hause bei ihren Eltern lebte. Auch die weiteren Schilderungen der Klägerin, ihr Vater sei der Meinung gewesen, sein Freund …, ein vermögender arabischer Volkszugehöriger, sei trotz seines deutlich höheren Alters eine „gute Partie“ für seine etwa 30 Jahre jüngere Tochter und eine Heirat mit … würde auch die finanziellen Probleme der Familie lösen, sind glaubhaft. Im Hinblick auf die von der Klägerin geschilderten Persönlichkeit ihres Vaters und dessen Stellung als Familienoberhaupt ist es deshalb ohne weiteres nachvollziehbar, dass der offene Widerspruch der Klägerin gegen den Wunsch des Vaters zu der von der Klägerin geschilderten heftigen Reaktion ihres Vaters mit anschließendem Hausarrest geführt hat. Das Gericht glaubt der Klägerin insbesondere auch, dass sie von ihrem Vater wegen ihres Verhaltens heftig geschlagen worden ist. Die Klägerin hat hierzu ein Lichtbild vorgelegt, das deutliche Verletzungen im Gesicht der Klägerin zeigt. Sie hat das Foto nach eigenen Angaben mit dem Smartphone aufgenommen, nachdem sie von ihrem Vater geschlagen und in ihr Zimmer gesperrt worden war. Anhaltspunkte, dass sich die Klägerin die Verletzung selbst zugefügt haben könnte oder diese aus anderem Anlass, z.B. erst auf der Flucht der Klägerin entstanden sein könnten, haben sich nicht ergeben.
Ebenso hat die Klägerin glaubhaft geschildert, dass sich ihre Mutter nicht in der Lage gesehen hat, ihre Tochter gegen den Heiratswunsch des Vaters der Klägerin zu unterstützen, obwohl sie selbst ebenfalls gegen eine Eheschließung gewesen wäre, und ihre Tochter vor dem Vater zu schützen. Auch die Umstände der Flucht, insbesondere ihre Erlebnisse nach der Ankunft als alleinreisende Frau in Teheran, hat die Klägerin lebhaft und lebensnah geschildert.
Zusammenfassend ist das Gericht deshalb davon überzeugt, dass die Klägerin im Iran gegen ihren Willen (zwangs-)verheiratet hätte werden sollen und dass sie – mangels Unterstützung im Familien- bzw. Stammeskreis – keine Möglichkeit gehabt hätte, sich diesem Wunsch ihres Vaters zu widersetzen, da ihr anderenfalls ernsthafte Konsequenzen in Form weiterer körperlicher Misshandlungen und schließlich der Verstoß aus dem Familien- bzw. Stammesverband gedroht hätten.
Eine Zwangsverheiratung beeinträchtigt die betroffene Frau in ihrem Recht auf individuelle und selbstbestimmte Lebensführung und in ihrem Recht auf sexuelle Selbstbestimmung. Die mit der Zwangsverheiratung verbundene Zwangslage liefert die Frau dauerhaft und ohne Aussicht auf Hilfe als reines Objekt der Befriedigung oder zu Fortpflanzungszwecken den sexuellen Trieben des auserwählten Ehemannes aus. Damit handelt es sich bei den mit einer aufgenötigten Eheschließung einhergehenden Rechtsverletzungen, die insbesondere auch die Anwendung physischer und psychischer Gewalt mit einschließen, um eine schwerwiegende Verletzung grundlegender Menschenrechte i.S.d. § 3a Abs. 1 Nr. 1 AsylG (Art. 9 Abs. 1 lit. a RL 2011/95/EU). Zudem verstößt eine Zwangsheirat gegen Art. 16 Abs. 2 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, wonach eine Ehe nur bei freier und uneingeschränkter Willenseinigung der künftigen Ehegatten geschlossen werden darf.
Die der Klägerin vor der Ausreise aus dem Iran drohende Verfolgungshandlung knüpft an den Verfolgungsgrund der Geschlechtszugehörigkeit und die Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe – ledige Frauen aus Familien, deren traditionelles Selbstverständnis auch eine Zwangsverheiratung gebietet – an. Damit drohte der Klägerin die konkrete Gefahr einer geschlechtsspezifischen Verfolgung, die sich unter § 3b Nr. 4 AsylG subsummieren lässt (vgl. Hofmann, Ausländerrecht, 2. A. 2016, Rn. 21 zu § 3b AsylG m.w.N.).
Die drohende Verfolgung ging vom Vater der Klägerin als nichtstaatlichem Akteur im Sinne des § 3c Nr. 3 AsylG aus.
Ein ausreichender Schutz der Klägerin vor der ihr drohenden Zwangsverheiratung im Iran ist nicht gewährleistet. Ein solcher effektiver Schutz läge vor, wenn der iranische Staat erwiesenermaßen in der Lage und willens wäre, Schutz vor der Verfolgung zu bieten (§ 3c Nr. 3 AsylG).
Der Schutz vor Verfolgung oder ernsthaftem Schaden muss wirksam und darf nicht nur vorübergehender Art sein. Ein solcher Schutz wäre generell gewährleistet, wenn der iranische Staat geeignete Schritte einleitet, um die Verfolgung oder den ernsthaften Schaden zu verhindern, beispielsweise durch wirksame Rechtsvorschriften zur Ermittlung, Strafverfolgung und Ahndung von Handlungen, die eine Verfolgung oder einen ernsthaften Schaden darstellen, und wenn die Klägerin Zugang zu diesem Schutz hätte (vgl. Art. 7 Abs. 2 RL 2011/95/EU).
Der iranische Staat ist jedoch weder in der Lage noch willens, Schutz vor Verfolgung durch Familienangehörige in Fällen von Zwangsverheiratung zu bieten. Nach der Auskunftslage (vgl. Auswärtiges Amt, Lageberichte vom 9.12.2015 und vom 8.12.2016; Österreichisches Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Iran vom 31.3.2016; Finnish Immigration Service, Violance against women and honour-related violence in Iran vom 26.6.2015) werden Frauen im Iran in Bezug auf Familien-, Zivil- und Strafrecht nach wie vor als Menschen zweiter Klasse behandelt. Infolge der islamischen Kulturrevolution wurde eine Reihe von diskriminierenden Gesetzen in Bezug auf Frauen erlassen. Grundlage hierfür ist die Auffassung, dass eine Frau das Eigentum ihres Mannes ist und ohne männlichen Vormund nichts tun kann. Vor Gericht zählen die Zeugenaussagen zweier Frauen so viel wie die eines Mannes. Eine Frau ist bei der Berechnung des Blutgeldes nur halb so viel wert wie ein Mann. Ein Ehemann hat das Recht zur Scheidung, ohne den Antrag begründen zu müssen, während Frauen nur eine begrenzte Anzahl von Gründen angeben können wie beispielsweise Drogensucht, Geisteskrankheit oder Impotenz des Ehemannes. Geht eine Frau wegen häuslicher Gewalt zur Polizei, wird sie regelmäßig zum Ehemann zurückgeschickt. Frauen können bei ehelicher oder häuslicher Gewalt nicht darauf vertrauen, dass effektiver staatlicher Schutz gewährt wird. Auch Frauen, die wegen Zwangsverheiratung zur Polizei gehen, werden zu ihrem Vater zurückgeschickt. Wehren sich Frauen gegen eine Zwangsheirat, droht ihnen zudem die Gefahr, von Familienangehörigen aus Gründen der Ehre ermordet zu werden. Bei dieser Auskunftslage kann von einem wirksamen Schutz vor Zwangsverheiratung im Iran nicht gesprochen werden (zum Ganzen: VG Stuttgart, U.v. 14.3.2011 – A 11 K 553/10, juris).
Für die Klägerin besteht auch keine Möglichkeit, internen Schutz nach § 3e AsylG in Anspruch zu nehmen. Die Möglichkeit eines Ausweichens innerhalb des Irans wird generell verneint (vgl. Auswärtiges Amt, Lagebericht vom 8.12.2016). Alleinstehende, nicht geschiedene Frauen haben Schwierigkeiten, selbstständig eine Wohnung zu mieten und alleine zu wohnen, da gesellschaftliche Normen verlangen, dass eine unverheiratete Frau im Schutze ihrer Familie oder eines männlichen Familienmitglieds lebt. Alleinstehende Frauen können im Iran Unterstützung vom Staat und der Gesellschaft nicht erwarten. Vorwiegend Frauen, denen kein familiärer Rückhalt zuteilwird und die außerhalb der gesellschaftlichen Normen leben, sind Diskriminierungen und Unterdrückung durch Staat und Gesellschaft ausgesetzt (Österreichisches Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Iran vom 31.3.2016; Finnish Immigration Service, Violance against women and honour-related violence in Iran vom 26.6.2015).
Falls der Klägerin angesonnen würde, sich abseits ihres familiären Umfeldes im Iran zu bewegen, liefe sie zudem Gefahr, vergewaltigt, ermordet oder Opfer von Menschenhändlern zu werden (VG Stuttgart, a.a.O.).
Da die Klägerin den Iran vor drohender Verfolgung verlassen hat, findet auf sie die Beweiserleichterung des Art. 4 Abs. 4 RL 2011/95/EU Anwendung. Für sie streitet somit die tatsächliche Vermutung, dass sich die frühere Bedrohung bei einer Rückkehr in das Herkunftsland wiederholen wird. Stichhaltige Gründe, die die Wiederholungsträchtigkeit der Verfolgung entkräften können, sind nicht ersichtlich.
Die Klägerin hat somit einen Anspruch auf Feststellung, dass die Voraussetzungen des § 3 Abs. 1 AsylG vorliegen. Auf den hilfsweise gestellten Antrag, der Klägerin subsidiären Schutz nach § 4 Abs. 1 AsylG zu gewähren bzw. das Vorliegen von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG festzustellen, kam es daher nicht mehr an (vgl. § 31 Abs. 3 Satz 2 AsylG; BVerwG, U.v. 26.6.2002 – 1 C 17.01).
Die Klage ist auch begründet, soweit die Aufhebung der Ziffern 4 und 5 des angefochtenen Bescheids des Bundesamts begehrt wird. Denn die Verpflichtung des Bundesamts zur Flüchtlingszuerkennung lässt die negative Feststellung des Bundesamts zu § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG angesichts des Eventualverhältnisses (vgl. BVerwG, U.v. 15.4.1997 – 9 C 19/96, BVerwGE 104, 260) gegenstandslos werden, so dass der ablehnende Bescheid auch insoweit aufzuheben ist.
Entsprechendes gilt im Hinblick auf die Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung im streitgegenständlichen Bescheid des Bundesamtes (vgl. BVerwG, U.v. 28.4.1998 – 9 C 1/97, BVerwGE 106, 339 und U.v. 26.6.2002 – 1 C 17/01, BVerwGE 116, 326).
Denn das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge erlässt nach § 34 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 59 und § 60 Abs. 10 AufenthG die Abschiebungsandrohung nur, wenn der Ausländer nicht als Asylberechtigter anerkannt und ihm die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt wird. Umgekehrt darf im Fall der Flüchtlingszuerkennung eine Abschiebungsandrohung nicht ergehen. Letzteres ist im gerichtlichen Verfahren – wenn auch noch nicht rechtskräftig – festgestellt worden.
Da für die Klägerin kein gesetzliches Einreise- und Aufenthaltsverbot nach § 11 Abs. 1 AufenthG besteht, ist auch die Ziffer 6 des angefochtenen Bescheides gegenstandslos und damit aufzuheben.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 161 Abs. 1, 154 Abs. 1, der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83 b AsylVfG).


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