Verwaltungsrecht

Isolierte Anfechtung der Anordnung einer amtsärztlichen Untersuchung nicht statthaft

Aktenzeichen  3 CE 19.1289

Datum:
27.11.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 32488
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
GG Art. 19 Abs. 4
VwGO § 44a, § 123
BayBG Art. 65 Abs. 2 S. 1
BeamtStG § 26
BayDG § 14

 

Leitsatz

1. Der Senat gibt seine bisherige Spruchpraxis auf, wonach es sich bei einer Untersuchungsanordnung um eine in § 44a Satz 2 VwGO geregelte Ausnahme gehandelt habe und damit von einem dagegen gerichteten statthaften Antrag nach § 123 Abs. 1 Satz 1 ausgegangen worden ist (ebenso BayVGH BeckRS 2019, 13794, BeckRS 2019, 13796). (Rn. 9) (redaktioneller Leitsatz)
2. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung ist die Untersuchungsanordnung zur Feststellung der Dienstfähigkeit eines Beamten lediglich eine behördliche Verfahrenshandlung, die im Rahmen eines Zurruhesetzungsverfahrens nicht isoliert angreifbar, sondern nur im Rahmen des Eil- oder Klageverfahrens gegen die nachfolgende Zurruhesetzungsverfügung inzidenter gerichtlich überprüfbar ist (so BVerwG BeckRS 2019, 6003). (Rn. 9 – 10) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

M 5 E 19.1478 2019-06-12 Bes VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Die Antragstellerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.500 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Die Antragstellerin steht als Professorin auf Lebenszeit im Dienst des Antragsgegners. Dieser ordnete mit Schreiben vom 19. Dezember 2018 eine amtsärztliche Untersuchung zur Überprüfung ihrer Dienstfähigkeit an, nachdem sie seit 21. September 2018 ununterbrochen dienstunfähig erkrankt war. Dem Senat liegt ein Nachweis über die ununterbrochene Krankschreibung bis zum 9. Mai 2019 vor.
Nach erfolgloser Forderung der Antragstellerin, die Untersuchungsanordnung zurückzunehmen, stellte sie beim Verwaltungsgericht München den Antrag, sie vorläufig bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens von der Verpflichtung der Durchführung einer amtsärztlichen Untersuchung freizustellen. Das Verwaltungsgericht hat diesen Antrag mit Beschluss vom 12. Juni 2019 abgelehnt. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO sei nach der jüngsten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts unzulässig; auf die in seinem Beschluss vom 14. März 2019 (2 VR 5.18) ausführlich dargelegten Argumente werde verwiesen.
Mit der Beschwerde verfolgt die Antragstellerin ihr Rechtsschutzziel weiter und macht insbesondere geltend, der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung sei trotz der neuesten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zulässig. Der Senat habe sich hierzu noch nicht geäußert. Es sei weiter der Auffassung zu folgen, im Hinblick auf mögliche Disziplinarmaßnahmen im Falle der Nichtbefolgung der Untersuchungsanordnung müsse deren Vollstreckbarkeit im Sinn von § 44a Satz 2 VwGO angenommen werden.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde der Antragstellerin hat keinen Erfolg.
Die fristgerecht dargelegten Beschwerdegründe rechtfertigen es nicht, dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung (§ 123 VwGO) unter Abänderung des erstinstanzlichen Beschlusses zu entsprechen. Die ablehnende Entscheidung des Verwaltungsgerichts ist zutreffend, weil der Antrag gemäß § 44a VwGO unzulässig ist.
Nach Satz 1 dieser Vorschrift können Rechtsbehelfe gegen behördliche Verfahrenshandlungen nur gleichzeitig mit den gegen die Sachentscheidung zulässigen Rechtsbehelfen geltend gemacht werden. Dies gilt gemäß § 44a Satz 2 VwGO nicht, wenn behördliche Verfahrenshandlungen vollstreckt werden können oder gegen einen Nichtbeteiligten ergehen.
Eine Untersuchungsanordnung nach Art. 65 Abs. 2 Satz 1 BayBG, wie sie hier den Streitgegenstand bildet, stellt lediglich den ersten Schritt in einem gestuften Verfahren dar, das im Falle einer Feststellung der Dienstunfähigkeit mit der Zurruhesetzung endet. Die Untersuchungsanordnung ist demnach eine behördliche Verfahrenshandlung, die nach dem Grundsatz des § 44a Satz 1 VwGO nicht Gegenstand eines isolierten Rechtsbehelfs sein kann. Sie ist auch nicht vollstreckbar mit Mitteln des Verwaltungsvollstreckungsrechts, weshalb eine Ausnahme nach Satz 2 dieser Vorschrift nicht in Betracht kommt.
Der Senat ist in seiner bisherigen Spruchpraxis (vgl. B.v. 1.9.2015 – 3 CE 15.1274 -juris Rn. 28; B.v. 23.2.2015 – 3 CE 15.172 – juris Rn. 14) in Übereinstimmung mit der überwiegenden Rechtsprechung gleichwohl von einer in § 44a Satz 2 VwGO geregelten Ausnahme und damit von der Statthaftigkeit eines Antrags nach § 123 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 VwGO ausgegangen, weil die Möglichkeit besteht, dass die Nichtbefolgung einer Untersuchungsanordnung als gemischt dienstlich-persönliche Weisung an den Beamten mit disziplinarischen Mitteln geahndet wird (vgl. auch BayVGH, B.v. 14.1.2014 – 6 CE 13.2352 – juris Rn. 8 m.w.N.). An dieser Rechtsprechung hält der Senat nicht mehr fest(so bereits unter Verweis auf das Bundesverwaltungsgericht in den Beschlüssen vom 7.6.2019 – 3 CE 19.847 – juris Rn. 8, 9 und – 3 CE 19.916 – juris Rn. 13, 14). Denn das Bundesverwaltungsgericht hat mit Beschluss vom 14. März 2019 (2 VR 5.18 – juris) mit überzeugenden Erwägungen entschieden, dass eine Untersuchungsanordnung zur Feststellung der Dienstfähigkeit eines Beamten im Rahmen eines Zurruhesetzungsverfahrens nicht isoliert angreifbar, sondern nur im Rahmen des Eil- oder Klageverfahrens gegen die nachfolgende Zurruhesetzungsverfügung (inzidenter) gerichtlich überprüfbar ist.
Nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts erfordert Art. 19 Abs. 4 GG auch unter dem Gesichtspunkt der möglichen disziplinarrechtlichen Sanktion keine isolierte (und vorläufige) Rechtsschutzmöglichkeit gegen eine Untersuchungsanordnung (BVerwG, B.v. 14.3.2019 – 2 VR 5.18 – juris Rn. 25 ff. zu § 44 Abs. 1, 6 BBG). Denn die Wirkungen der Untersuchungsanordnung kommen einer Vollstreckbarkeit nach den Verwaltungsvollstreckungsgesetzen nicht so nahe, dass der Ausschluss isolierten Rechtsschutzes unzumutbar ist. Dem Beamten droht auch bei Nichtbefolgung der Untersuchungsanordnung in der Praxis nicht ernsthaft eine Disziplinarmaßnahme; vielmehr handelt es sich um eine nur theoretische Möglichkeit. Kommt es im Einzelfall gleichwohl zu einem Disziplinarverfahren, wäre die Frage der Rechtmäßigkeit der Untersuchungsanordnung im Rahmen der Maßnahmebemessung nach § 14 BayDG zu prüfen und die Rechtswidrigkeit der Untersuchungsanordnung hätte regelmäßig die Sanktionslosigkeit ihrer Nichtbefolgung zur Folge. Rechtliche oder faktische Nachteile schon durch die Einleitung eines Disziplinarverfahrens sind ohnehin unbeachtlich, zumal auch sonst ein Beamter keine Rechtsschutzmöglichkeit gegen die bloße Einleitung eines Disziplinarverfahrens hat. Auch der Aspekt der Grundrechtsrelevanz der ärztlichen Untersuchung erfordert keinen isolierten (und vorläufigen) Rechtsschutz gegen die Untersuchungsanordnung. Denn wenn der Beamte sich der angeordneten Untersuchung nicht unterzieht, drohen ihm keine unzumutbaren Nachteile (BVerwG, B.v. 14.3.2019 – 2 VR 5.18 – juris Rn. 32 ff.).
Der Senat schließt sich diesen Erwägungen an (so inzwischen auch für den Bereich des Bundesbeamtenrechts: BayVGH, B.v. 7.6.2019 – 6 CE 19.942 – juris). Die Beschwerde vermag dem nichts Durchgreifenden entgegenzusetzen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 1 und 2 VwGO (und Nr. 1.5 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


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