Verwaltungsrecht

Kapazitätsberechnung für die Zulassung zum Studium der Zahnmedizin

Aktenzeichen  AN 17 E 18.10012

Datum:
4.7.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 16278
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 67 Abs. 2 S. 2 Nr. 3-7, § 123 Abs. 1, § 154 Abs. 1
BayHZG Art. 7 Abs. 1, Abs. 2
LUFV § 7 Abs. 1 Nr. 5
HZV § 43, § 45 f., § 46 Abs. 2, Abs. 3 Nr. 3b, § 53

 

Leitsatz

1 Die Kapazitätsberechnung für Studienplätze ist gem. §§ 45 ff. HZV durchzuführen. Dabei ist gem. § 46 Abs. 2 HZV zunächst das durchschnittliche Lehrangebot im Studiengang Zahnmedizin zu ermitteln. Davon sind Kapazitätsminderungen durch Reduzierung von SWS, Lehrleistungen und Lehrpersonal abzuziehen und der Krankenversorgungsabzug gem. § 46 Abs. 3 Nr. 3b HZV zu berücksichtigen. (Rn. 8 – 15) (redaktioneller Leitsatz)
2 Das bereinigte Lehrangebot ergibt sich nach Multiplikation der durchschnittlichen Lehrverpflichtung mit der Stellenanzahl und der Addition von Lehrauftragsstunden. (Rn. 16 – 18) (redaktioneller Leitsatz)
3 Der Curricular-Normwert für den Studiengang Zahnmedizin berechnet sich gem. Anlage 5 zu § 43 HZV. Entscheident ist, dass der Curricular-Normwert des Studiengangs Zahnmedizin den in Anlage 7 unter I zu § 43 HZV festgesetzten Wert nicht übersteigt.  (Rn. 19) (redaktioneller Leitsatz)
4 Für die Schwundberechnung sind nur dauerhafte Abgänge von Studierenden, also nicht die beurlaubten Studierenden, nach ständiger Rechtssprechung im anerkannten Hamburger Modell zu berechnen (BayVGH BeckRS 2015, 47091). (Rn. 20 – 21) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Der Antrag wird abgelehnt.
2. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Der Streitwert wird auf 2.500,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Die Antragstellerseite beantragt im Wege einer einstweiligen Anordnung sinngemäß die Verpflichtung des Antragsgegners auf Zulassung im 1. Fachsemester des Studiums der Zahnmedizin an der Friedrich-Alexander-Universität …(FAU) ab dem Sommersemester 2018, hilfsweise beschränkt auf einen Teilstudienplatz.
Zur Begründung wird im Wesentlichen vorgetragen, die (FAU) habe rechtswidrigerweise ihre Kapazität nicht voll ausgeschöpft. Zu den Einzelheiten des Vorbringens wird auf die Antragsbegründung Bezug genommen.
Die (FAU) beantragt für den Antragsgegner sinngemäß, den Antrag abzulehnen und teilt unter Vorlage von Unterlagen zur Kapazitätsberechnung für das Sommersemester 2018 mit Schriftsatz vom 9. Mai 2018 mit, dass für das Sommersemester 2018 eine Neuberechnung der Studienplatzkapazität und eine Änderung der Zulassungszahlsatzung 2017/2018 erfolgt sei. Es ergebe sich für das Sommersemester folgende Kapazitätsauslastung:
Fachsemester
Zulassungszahl
Aktiv Studierende
1
57
57
2
56
57
3
55
55
4
54
55
5
53
54
6
52
52
7
52
54
8
51
51
9
49
52
10
48
51
insgesamt
527
538
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und die vom Antragsgegner vorgelegten Datenerhebungsformularsätze mit Kapazitätsberechnung Bezug genommen.
II.
1. Der Antrag gemäß § 123 Abs. 1 VwGO ist zulässig, aber nicht begründet und deshalb abzulehnen.
Entsprechend der gerichtlichen Überprüfung der zum Wintersemester 2017/2018 vorgelegten Kapazitätsberechnung hat die (FAU) zum Sommersemester 2018 eine Neuberechnung der Kapazität im Studiengang Zahnmedizin vorgenommen. Danach und auch nach gerichtlicher Überprüfung ergibt sich eine Kapazität von 113 Anfänger-Studienplätzen für das Studienjahr 2017/2018, von denen die (FAU) in nicht zu beanstandender Weise 56 dem Wintersemester 2017/2018 und 57 dem Sommersemester zugewiesen hat. Die 57 Anfängerstudienplätze für das Sommersemester 2018 sind durch 57 zugelassene und auch aktiv Studierende ausgeschöpft. Eine offene Kapazität besteht nicht.
Im Einzelnen:
Die Ermittlung der Aufnahmekapazität an Hochschulen richtet sich dabei nach dem Gesetz für die Hochschulzulassung in Bayern (BayHZG) und nach der Verordnung über die Hochschulzulassung an den Staatlichen Hochschulen in Bayern (HZV). Ohne Auswirkung bleibt dabei für das aktuelle Vergabeverfahren die vom Bundesverfassungsgericht mit Urteil vom 19. Dezember 2017 (BVerfG 1 BvL 3/14 und 4/14 – juris) festgestellte Unvereinbarkeit von Art. 7 Abs. 1 und Abs. 2 BayHZG mit Art. 12 GG, nachdem nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts die für unzulässig befundenen Vorschriften derzeit bis zu einer Neuregelung, längstens bis zum 31. Dezember 2019, fortgelten.
a) Gemäß §§ 45 ff. HZV ist zunächst das durchschnittliche Lehrangebot im Studiengang Zahnmedizin zu ermitteln. Gemäß § 46 Abs. 2 HZV ist hier für die Verordnung über die Lehrverpflichtung des wissenschaftlichen und künstlerischen Personals an Universitäten, Kunstschulen und Fachhochschulen (LUFV) maßgebend. Das Lehrangebot ist zu Recht wie folgt zu Grunde gelegt worden:
Anzahl
Art der Stelle
Semesterwochenstunden (SWS)
Gesamtzahl der SWS
3
W3
9
27
1
W3
7
7
4
W2
9
36
29
A13zA
5
145
8
A13
9
72
7
A14
9
63
2
A14
0
0
4
A15
9
36
2
A16
9
18
1
E14 / BAT II. a
9
9
1
E15 / BAT I. a
9
9
62
422
Die vertraglich mit zwei Dozenten vereinbarte Reduzierung von 9 auf 8 SWS (bei einer A16- und einer A14-Stelle) wird nunmehr rechnerisch nicht mehr angesetzt und wirkt sich somit nicht mehr kapazitätsreduzierend aus.
Nicht zu beanstanden ist nach Ansicht des Gerichts weiterhin die Nichteinbeziehung von zwei A-14-Stellen in die Kapazitätsberechnung. Nach der weiter geltenden Begründung für die Vorjahre (vgl. insbesondere VG Ansbach, B.v. 2.2.2006, AN 16 E 05.10459 – juris) handelt es sich dabei um Personal, dem keine dienstrechtliche Lehrverpflichtung obliegt, sondern um Mitarbeiter mit ausschließlicher Forschungstätigkeit bzw. Labortätigkeit. Die Nichtberücksichtigung im Rahmen der Kapazitätsberechnung begegnet damit keinen Bedenken. Ebenso wenig stellt die Reduzierung einer W3-Professorenstelle von 9 auf 7 SWS ein Problem dar. Die Reduzierung entspricht § 7 Abs. 1 Nr. 5 LUFV und ist durch die Tätigkeit als Studienfachberater begründet. Weitere Reduzierungen bei den Professorenstellen wurden vom Antragsgegner nicht vorgenommen.
Ebenfalls gerechtfertigt ist die Reduzierung der Lehrauftragsstunden von 12,5 SWS im Studienjahr 2016/2017 auf 11,5 SWS im Studienjahr 2017/2018. Die Reduzierung beruht auf einem Wechsel der bis dahin an der FAU geführten und nunmehr an die Universität … umhabilitierten Privatdozentin Frau FAU Nachdem die Umhabilitation und der damit einhergehende Entzug der Lehrbefugnis an der FAU auf dem Antrag der Lehrenden beruhte, stellt sich dieser Umstand für die Kapazität an der FAU zwar ungünstig, aber zwangsläufig dar.
Nach alledem errechnet sich das durchschnittliche Lehrdeputat an der FAU für das Studienjahr 2017/2018 damit wie folgt:
Gesamtlehrdeputat von 422 SWS : 62 Stellen = 6,8065 SWS
b) Im Weiteren ist der Krankenversorgungsabzug zu berechnen. Nach § 46 Abs. 3 Nr. 3b HZV ist dabei ein Abzug von einer Stelle je 7,2 tagesbelegter Betten zu berücksichtigen und gemäß § 46 Abs. 3 Nr. 3c HZV ein pauschaler Abzug von 30% der verminderten Gesamtstellenzahl vorzunehmen. Damit ergibt sich Folgendes:
Bei der Berechnung des Gesamtpersonals für die Krankenversorgung ist von einem Wert von 22,06 tagesbelegter, nicht privat genutzter Betten auszugehen. Der Wert ist im Vergleich zum Vorjahr und den Jahren 2014/2015 und zuvor (20,36) höher, liegt aber in etwa auf dem Niveau des Studienjahres 2015/2016 (21,21). Der aktuelle Wert von 22,06 stellt im längerfristigen Vergleich noch keinen signifikant geänderten Wert dar, der einer besonderen Begründung seitens des Antragsgegners bedürfte, zumal das Streben nach besserer Bettenauslastung durch die Klinik nicht von vornherein zu Lasten der Ausbildungskapazitäten geht, die Bettenauslastung die Ausbildung vielmehr grundsätzlich erst sichert. Überdies ist der Parameter der Bettenauslastung nicht punktgenau steuerbar, sondern stellt eine gewisse Schwankung vielmehr den Normalfall dar. Solange sich keine auffällig hohen Schwankungen bzw. Schwankungen einseitig zu Lasten der Kapazität über einen längeren Zeitraum hinweg ergeben, ist eine gerichtliche Aufklärung im Eilverfahren nicht veranlasst. Die Bettenauslastung wurde seitens der Antragsteller auch nicht in Zweifel gezogen.“
Damit ergibt sich folgende Berechnung:
 
Das Lehrangebot beträgt damit:
 
1geringfügige Änderung in den Nachkommastellen zwischen der Berechnung der *** und des Gerichts wirken sich auf das Ergebnis nicht aus; sie sind darauf zurückzuführen, dass die *** mit mehr als vier Nachkommastellen rechnet.
c) Unter Multiplikation mit der sich errechnenden durchschnittlichen Lehrverpflichtung (6,8065 SWS) mit dieser Stellenanzahl ergibt sich damit ein Umfang von 290,33331 SWS.
Hierzu sind die Lehrauftragsstunden in Höhe von 11,50 SWS zu addieren (zur sachlichen Berechtigung der Verringerung im Vergleich zum Vorjahr mit 12,50 SWS vgl. oben).
Es ergibt sich somit ein bereinigtes Lehrangebot in Höhe von 301,83331 SWS, mithin ein im Vergleich zum Vorjahr (302,5746) geringfügig niedrigeres Lehrangebot.
d) Nach Anlage 5 zu § 43 HZV errechnet sich aus diesem bereinigten Lehrangebot, multipliziert mit 2 (603,6666) und dividiert durch den Curricular-Anteil des Curricular-Normwertes für den Studiengang Zahnmedizin (5,7968) eine jährliche Aufnahmekapazität von 104,13791 Plätzen im Jahresdurchschnitt. Der Curricular-Anteil entspricht dabei dem Wert der Vorjahre (gleichbleibend seit 2012) und übersteigt – und dies ist in rechtlicher Hinsicht maßgeblich (vgl. VGH München, B.v. 31.10.2013 – 7 CE 13.10315 – juris) – nicht den in Anlage 7 unter I festgesetzten Curricular-Normwert von 7,80 für den Studiengang Zahnmedizin, sondern ist von diesem kapazitätsgünstig weit entfernt.
e) Gemäß § 53 HZV ist die Studienanfängerzahl zu erhöhen, wenn zu erwarten ist, dass wegen der Aufgabe des Studiums oder Fachrichtungswechsels oder Hochschulwechsels die Zahl der Abgänge an Studenten in höheren Fachsemestern größer ist als die Zahl der Zugänge. Die FAU hat die Schwundberechnung anhand des sogenannten Hamburger Modells durchgeführt, was nach der ständigen Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (VGH München, B.v. 11.4.2011, 7 CE 11.10004 oder B.v. 21.7.2009, 7 CE 09.10090 – beide juris) grundsätzlich nicht zu beanstanden ist. Bei der Ermittlung der Zahl der Studierenden sind als Schwund systemgerecht nur dauerhafte Abgänge zu berücksichtigen, die zum Freiwerden von Studienplätzen führen (vgl. VGH München, B.v. 11.3.2010, 7 CE 10.10075 – juris), weshalb beurlaubte Studierende nicht aus den Bestandszahlen herausgerechnet werden müssen (vgl. VGH München, B.v. 26. 5. 2015, 7 CE 15.10110 – juris).
Nach der aufgezeigten und nicht zu beanstandenden Berechnung beträgt der angesetzte Schwundausgleichsfaktor 0,9245. Er ist im Vergleich zum Vorjahr (0,9512) gesunken und wirkt sich dementsprechend positiv aus. Für das Studienjahr 2017/2018 ergeben sich somit 113 Studienplätze (104,1379 Plätze1 : 0,9245 = 112,64241, gerundet 113 Plätze).
Diese Studienplätze wurden durch die Zulassungssatzung 2017/2018 der FAU vom 6. Juli 2017 in der Fassung vom 27. April 2018 auf das Wintersemester 2017/208 mit 56 und auf das Sommersemester 2018 mit 57 Anfängerstudienplätzen aufgeteilt. Die Zuweisung eines Studienplatzes mehr für das Sommersemester 2018 wirkt sich für das hier verfahrensgegenständliche Kapazitätsverfahren des Sommersemesters 2018 positiv aus.
f) Die ermittelte Kapazität ist damit für das Sommersemester 2018 mit 57 zugelassenen, aktiv Studierenden ausgeschöpft.
Der Antrag war damit im Ergebnis abzulehnen.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
3. Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus §§ 53 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. 52 Abs. 1 GKG. Eine Herabsetzung der Streitwertes ist auch nicht in den Fällen veranlasst, in denen die Antragsteller nur die Durchführung eines Losverfahrens bzw. die Beteiligung an einem solchen und die Zulassung, wenn ein entsprechender Platz an sie verlost wird, beantragt haben. Auch in diesen Fällen wird im Grunde die vorläufige Zulassung zum Studium der Zahnmedizin und die Zuteilung eines entsprechenden Studienplatzes begehrt.


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