Verwaltungsrecht

Kein Abschiebungsschutz wegen harter Existenzbedingungen

Aktenzeichen  M 12 K 16.31088

Datum:
21.6.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG AsylG § 3, § 4, § 30
AufenthG AufenthG § 60 Abs. 5

 

Leitsatz

Es liegen keine Erkenntnisse dafür vor, dass allein die Betätigung für eine oppositionelle Partei im Ausland, bei Rückkehr nach Äthiopien, zu staatlichen Repressionen führt. Vielmehr ist der Einzelfall entscheidend, ob eine Organisation von der äthiopischen Regierung als Terrororganisation angesehen wird oder um welche politische Tätigkeit es sich tatsächlich gehandelt hat. (redaktioneller Leitsatz)
Einen Abschiebungsschutz wegen harter Existenzbedingungen in Äthiopien kann man nur dann beanspruchen, wenn man bei seiner Rückkehr einer extremen Gefahrenlage dergestalt ausgesetzt wäre, dass man im Falle der Abschiebung gleichsam „sehenden Auges“ dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert sein würde. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Die Klage wird abgewiesen, gegen die Entscheidung über den Asylantrag als offensichtlich unbegründet.
II.
Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Über die Verwaltungsstreitsache konnte entschieden werden, obwohl die Beklagte nicht zur mündlichen Verhandlung erschienen ist. Denn sie wurde mit Empfangsbekenntnis am 3. Juni 2016 ordnungsgemäß zur mündlichen Verhandlung geladen. In der Ladung wurde sie darauf hingewiesen, dass auch ohne sie verhandelt und entschieden werden kann, § 102 Abs. 2 VwGO.
Verfahrensgegenstand ist die Frage, ob der Bescheid des Bundesamtes vom 21. April 2016 rechtswidrig und deshalb aufzuheben ist und ob der Kläger einen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und/oder Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus sowie eines nationalen Abschiebungsverbotes hat (vgl. Antrag des Prozessbevollmächtigten vom …5.2016).
Der Kläger hat offensichtlich weder einen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft im Sinne des § 3 AsylG und/oder des subsidiären Schutzes nach § 4 AsylG oder einen Anspruch auf Feststellung nationaler Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG.
Der Kläger hat offensichtlich keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gem. § 3 AsylG (vormals: § 60 Abs. 1 AufenthG), § 30 Abs. 1 und Abs. 3 Nr.1 AsylG.
Nach § 3 Abs. 4 AsylG wird einem Ausländer, der Flüchtling nach § 3 Abs. 1 AsylG ist, die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt. Ein Ausländer ist nach § 3 Abs. 1 AsylG Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl, 1953 II S.559, 560-Genfer Flüchtlingskonvention), wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischer Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb seines Herkunftslandes befindet. Eine Verfolgung kann dabei gem. § 3c AsylG ausgehen von einem Staat, Parteien oder Organisationen, die den Staat oder wesentliche Teile des Staatsgebietes beherrschen oder von nichtstaatlichen Akteuren, sofern die zuvor genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder willens sind, im Sinne des § 3d AsylG Schutz vor der Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht. Weiter darf für den Ausländer keine innerstaatliche Fluchtalternative bestehen, § 3e AsylG.
Maßgeblich ist, ob der Asylsuchende bei Rückkehr in sein Heimatland der Gefahr politischer Verfolgung ausgesetzt wäre, wobei auf den Sachstand im Zeitpunkt der letzten gerichtlichen Tatsachenentscheidung abzustellen ist, § 77 Abs. 1 AsylG. Hat der Ausländer sein Heimatland bzw. den Staat des gewöhnlichen Aufenthalts auf der Flucht vor eingetretener oder unmittelbar drohender politischer Verfolgung verlassen, besteht Anspruch auf Verfolgungsschutz bereits dann, wenn er bei Rückkehr vor erneuter Verfolgung nicht hinreichend sicher sein kann (herabgestufter Prognosemaßstab). Ist der Ausländer hingegen unverfolgt ausgereist, hat er einen Anspruch auf Schutz nur, wenn ihm aufgrund asylrechtlich beachtlicher Nachfluchttatbestände mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit politische Verfolgung droht (gewöhnlicher Prognosemaßstab).
Das Gericht muss – für einen Erfolg des Antrags – die volle Überzeugung von der Wahrheit des vom Asylsuchenden behaupteten individuellen Schicksals und hinsichtlich der zu treffenden Prognose, dass dieses die Gefahr politischer Verfolgung begründet, erlangen. Angesichts des sachtypischen Beweisnotstandes, in dem sich Asylsuchende insbesondere hinsichtlich asylbegründender Vorgänge im Verfolgerland befinden, kommt dabei dem persönlichen Vorbringen des Asylsuchenden und dessen Würdigung für die Überzeugungsbildung eine gesteigerte Bedeutung zu (BVerwG, Urt. vom 16.04.1985, Buchholz 402.25 § 1 AsylG Nr. 32). Demgemäß setzt ein Asylanspruch bzw. die Feststellung der Flüchtlingseigenschaft gem. § 3 AsylG voraus, dass der Asylsuchende den Sachverhalt, der seine Verfolgungsfurcht begründen soll, schlüssig darlegt. Dabei obliegt es ihm, unter genauer Angabe von Einzelheiten und gegebenenfalls unter Ausräumung von Widersprüchen und Unstimmigkeiten einen in sich stimmigen Sachverhalt zu schildern, der geeignet ist, das Asylbegehren lückenlos zu tragen (BVerwG, Urt. vom 08.05.1984, Buchholz § 108 VwGO Nr. 147).
An der Glaubhaftmachung von Verfolgungsgründen fehlt es in der Regel, wenn der Asylsuchende im Laufe des Verfahrens unterschiedliche Angaben macht und sein Vorbringen nicht auflösbare Widersprüche enthält, wenn seine Darstellung nach der Lebenserfahrung oder aufgrund der Kenntnis entsprechender vergleichbarer Geschehensabläufe unglaubhaft erscheint, sowie auch dann, wenn er sein Asylvorbringen im Laufe des Asylverfahrens steigert, insbesondere wenn er Tatsachen, die er für sein Asylbegehren als maßgeblich bezeichnet, ohne vernünftige Erklärung erst sehr spät in das Verfahren einführt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 29.11.1990, InfAuslR 1991, 94, 95; BVerwG, Urteil vom 30.10.1990, Buchholz 402.25 § 1 AsylG Nr. 135; Beschluss vom 21.07.1989, Buchholz a. a. O., Nr. 113).
Offensichtlich unbegründet ist ein Asylantrag dann, wenn die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und die Voraussetzungen des subsidiären Schutzes offensichtlich nicht vorliegen, § 30 Abs. 1 AsylG. Dies ist nach der Rechtsprechung dann anzunehmen, wenn an der Richtigkeit der tatsächlichen Feststellungen vernünftigerweise keine Zweifel bestehen und bei einem solchen Sachverhalt nach allgemein anerkannter Rechtsauffassung sich die Abweisung geradezu aufdrängt (BVerfG v. 5.2.1993 – InfAuslR 93,196 – juris).
In Anwendung dieser Grundsätze ist beim Kläger offensichtlich keine Flüchtlingseigenschaft gem. § 3 AsylG festzustellen. Es lässt sich nicht feststellen, dass der Kläger vor seiner Ausreise aus Äthiopien oder im Falle einer Rückkehr nach Äthiopien landesweit von religiöser oder politischer Verfolgung betroffen war bzw. bedroht sein würde. Der Kläger hat einen widersprüchlichen, unglaubhaften Sachverhalt vorgetragen, so dass offensichtlich ist, dass ihm kein Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft zusteht.
Der Kläger hat schon keinen konkreten und substantiierten Sachverhalt vorgetragen, aus dem auf eine politische oder religiöse Verfolgung des Klägers geschlossen werden könnte.
Seine Einlassung, „er habe in Frieden leben wollen“ (mündliche Verhandlung), beinhaltet keinerlei Vorverfolgung im Heimatland.
Auch die Behauptung des Klägers, er sei verhaftet worden, weil man ihm sein Land weggenommen hat (Anhörung beim Bundesamt, Seite 4), ist völlig unglaubhaft. Es ist nicht nachvollziehbar, warum der Kläger verhaftet werden hätte sollen, weil man ihm sein Land weggenommen hat.
Völlig widersprüchlich und unglaubhaft sind auch die Ausführungen des Klägers betreffend die angebliche Haft. Er trug beim Bundesamt (Niederschrift, Seite 6) und in der mündlichen Verhandlung (Niederschrift, Seite 3) vor, für fünf Jahre verurteilt worden zu sein, ein Urteil habe er nicht bekommen und eine Gerichtsverhandlung habe auch nicht stattgefunden. Dies ist nicht nachvollziehbar, da auch in Äthiopien Verurteilungen nur aufgrund eines Urteils erfolgen, das dem Kläger bekannt zu geben ist.
Unglaubhafte Ausführungen hat der Kläger zum Zeitpunkt der Inhaftierung gemacht. Beim Bundesamt wusste der Kläger nicht, wann er inhaftiert wurde (Niederschrift, Seite 4). In der mündlichen Verhandlung trug der Kläger vor, er sei am 15. Mai 2004 der gregorianischen Zeitrechnung inhaftiert worden. Offenbar hat der Kläger sich dieses Datum zu Recht gelegt, um in der mündlichen Verhandlung seine Inhaftierung substantiierter darstellen zu können.
Auch zur Länge der Haft hat der Kläger widersprüchliche, unglaubwürdige Angaben gemacht. Er trug vor, er sei für fünf Jahre verurteilt worden (mündliche Verhandlung, Niederschrift, Seite 3; Bundesamt, Niederschrift, Seite 6). In der mündlichen Verhandlung trug er vor, er sei für fünf Jahre verurteilt worden, sei nach drei Jahren aus dem Gefängnis geflohen. Insgesamt sei er drei Jahre in Haft gewesen (Niederschrift, Seite 3). An anderer Stelle beim Bundesamt trug er vor (Niederschrift, Seiten 4 und 6), der Kläger habe in Haft ein Jahr in D. verbracht, drei Jahre in G., was vier Jahre Haft bedeutet. Auch in der mündlichen Verhandlung trug er zuerst vor, ein Jahr in D. und drei Jahre in G. in Haft gewesen zu sein (Niederschrift, Seite 2). Insofern sind die Angaben zur Haftdauer (drei oder vier Jahre?) völlig widersprüchlich und damit unglaubhaft. Wäre der Kläger tatsächlich in Haft gewesen, hätte sich ihm eingeprägt, ob er drei Jahre oder vier Jahre inhaftiert war.
Völlig unglaubhaft sind auch die Ausführungen des Klägers zu seiner behaupteten Flucht aus dem Gefängnis. Beim Bundesamt trug er vor, er sei über einen Zaun geklettert und weggerannt (Niederschrift, Seite 6). Es sei nachts gewesen, es habe nicht viele Wachtmänner gegeben. In der mündlichen Verhandlung trug er vor, die Polizei habe geschlafen (Niederschrift, Seite 3). Es ist nicht vorstellbar, dass der Kläger einfach nachts aus dem Gefängnis fliehen kann, weil die bewachenden Polizisten schlafen. In Äthiopien sind die Gefängnisse sicher nicht derart schlecht gesichert und bewacht, dass der Kläger einfach über den Zaun springen und fliehen kann. Ebenso wenig ist nicht vorstellbar, dass der Kläger – wie von ihm geschildert – bei der Flucht noch Geld in der Tasche hatte und dieses drei Jahre lang im Gefängnis hat verstecken können (mündliche Verhandlung, Seite 3) oder es ihm nicht abgenommen wurde (Niederschrift beim Bundesamt, Seite 6). Es ist insgesamt nicht vorstellbar, dass sich äthiopische Gefängniswächter derart dilettantisch verhalten und den Gefangenen zum einen ihr Geld belassen, zum anderen diese nachts über den Zaun fliehen lassen.
Auch bezüglich des Zeitablaufs nach der behaupteten Flucht aus dem Gefängnis hat der Kläger widersprüchliche Angaben gemacht. Unter Zugrundelegung des in der mündlichen Verhandlung angegebenen Inhaftierungsdatums 15. Mai 2004 (Seite 2 der Niederschrift) war der Kläger entweder bis Mai 2007 oder 2008 in Haft (vgl. obige Ausführungen). Danach hat er sich nach der Flucht noch drei oder vier Jahre in Äthiopien aufgehalten, da er angegeben hat, im Jahr 2011 sein Heimatland verlassen zu haben (Angaben bei der Regierung von Oberbayern, Bl. 29 BA). Nach seiner Verfolgungsgeschichte ist er nach der Flucht aus dem Gefängnis zu seinem Onkel gegangen, der ihn in den Sudan geschickt hat (Niederschrift beim Bundesamt, Seite 6). Hätte der Kläger nach seiner Flucht noch drei oder vier Jahre in Äthiopien unbehelligt gelebt, wäre die Inhaftierung nicht kausal für seine Ausreise. Wenn das Datum der Inhaftierung nicht zutreffend ist, macht dies den gesamten Vortrag des Klägers völlig widersprüchlich, weil eine Inhaftierung sich als außergewöhnliches Ereignis einprägen muss, wenn sie denn stattgefunden hätte.
Die behauptete Unterstützung der Kinijit in Äthiopien ist schon deshalb asylrechtlich irrelevant, weil der Kläger deswegen offenbar nicht in das Visier staatlicher Verfolgung gelangt ist. Er trug vor, wegen der Wegnahme seines Landes inhaftiert worden zu sein (Niederschrift beim Bundesamt, Seite 4).
Insgesamt ist der vom Kläger vorgetragene Sachverhalt zur Vorverfolgung verworren, widersprüchlich und unglaubwürdig, so dass das Gericht nicht davon ausgeht, dass er sich ereignet hat. Die Angaben sind unsubstantiiert und widersprüchlich, § 30 Abs. 1 und 3 Nr.1 AsylG.
Die exilpolitische Betätigung des Klägers führt ebenfalls offensichtlich nicht zur Feststellung der Flüchtlingseigenschaft gem. § 3 AsylG, § 30 Abs. 1 AsylG.
Der Kläger trug vor, er sei in Deutschland für die EPPF (Patriotische Front) tätig. Er legte einen Nachweis der Mitgliedschaft, einen Empfehlungsbrief, einen Ausweis, Nachweise über die Teilnahme an Veranstaltungen und einen Artikel aus der Zeitschrift ***, den der Kläger angeblich hat nach Diktat schreiben lassen. Er führte aus, einfaches Mitglied zu sein und keine Funktion zu haben.
Es gibt zahlreiche politische Exilgruppen mit sehr unterschiedlichen Hintergründen und “Agenden“. Dem Auswärtigen Amt liegen keine Erkenntnisse darüber vor, dass allein die Betätigung für eine oppositionelle Partei im Ausland bei Rückkehr nach Äthiopien zu staatlichen Repressionen führt. Grundsätzlich kommt es auf den Einzelfall an, d. h. z. B. darauf, ob eine Organisation von der äthiopischen Regierung als Terrororganisation angesehen wird oder um welche politische Tätigkeit es sich handelt (z. B. nachweisliche Mitgliedschaft, führende Position, Organisation gewaltsamer Aktionen). Von Bedeutung ist auch, ob und wie sich die zurückgeführte Person anschließend in Äthiopien politisch betätigt (Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 45.3.2015, II.1.9.).
Dass der Kläger eine führende Position in der EPRF bekleidet, wurde nicht vorgetragen. Äthiopischen Stellen ist bekannt, dass abgelehnte Asylbewerber durch exilpolitische Tätigkeit versuchen, sich in Deutschland ein Bleiberecht zu sichern. Dies gilt umso mehr, als der Kläger nicht an eine politische Betätigung in Äthiopien anknüpft, sondern unverfolgt ausgereist ist (siehe oben). Dass äthiopische Stellen dieses taktische Verhalten des Klägers besonders ernst nehmen und ihn als ernsthaften Regimegegner einstufen, ist nicht glaubwürdig und ergibt sich nicht aus dem Lagebericht. Die Stellung eines Asylantrags bleibt bei Rückkehr nach Äthiopien ohne staatliche Verfolgung (o.g. Lagebericht, a. a. O.; vgl. auch VG Ansbach, U.v. 17.2.2016 – AN 3 K 14.30766 – juris).
Der Kläger hat auch offensichtlich keinen Anspruch auf Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 4 AsylG, § 30 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 AsylG . Ein unionsrechtliches Abschiebungsverbot zugunsten des Klägers ist nicht ersichtlich. Insbesondere ist nicht ersichtlich, dass ihm bei einer Rückkehr nach Äthiopien Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung (§ 4 Abs. 1 Satz 2 AsylG; § 60 Abs. 2 AufenthG a. F.) drohen könnte. Denn der vom Kläger vorgetragene Sachverhalt zu seiner Vorverfolgung ist völlig unglaubhaft und widersprüchlich; das Gericht geht davon aus, dass er sich nicht ereignet hat (vgl. obige Ausführungen).
Der Kläger hat offensichtlich auch keinen Anspruch auf Feststellung eines nationalen Abschiebungsverbots gem. § 60 Abs. 5 AufenthG.
Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Feststellung eines Abschiebungsverbots gem. § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG.
Gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht.
Der Kläger kann keinen Abschiebungsschutz wegen der harten Existenzbedingungen in Äthiopien beanspruchen. Dies wäre nur dann der Fall, wenn er bei seiner Rückkehr einer extremen Gefahrenlage dergestalt ausgesetzt wäre, dass er im Falle der Abschiebung dorthin gleichsam „sehenden Auges“ dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert sein würde (vgl. BVerwG vom 12.7.2001, InfAuslR 2002,52/55). Davon ist jedoch nicht auszugehen. Die Grundversorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln ist in Äthiopien nicht in allen Landesteilen und zu jeder Zeit gesichert. Die Existenzbedingungen in Äthiopien, einem der ärmsten Länder der Welt, sind für große Teile insbesondere der Landbevölkerung äußerst hart und, bei Ernteausfällen, potentiell lebensbedrohend. In diesen Fällen ist das Land auf die Unterstützung internationaler Hilfsorganisationen angewiesen. Im Jahr 2014 waren ca. 3,2 Millionen Äthiopier auf Nahrungsmittelhilfe angewiesen (Lagebericht, IV.1.1.). Anhaltspunkte dafür, dass Rückkehrer keine Nahrungsmittelhilfe erhalten, bestehen nicht. Für Rückkehrer bieten sich schon mit geringem Startkapital Möglichkeiten zur bescheidenen Existenzgründung. Es sind keine Fälle bekannt, dass zurückgekehrte Äthiopier (56 Äthiopier sind aufgrund eines Rückführungsabkommens mit Norwegen freiwillig in ihr Heimatland zurückgekehrt) Benachteiligungen oder gar Festnahme oder Misshandlung ausgesetzt gewesen wären (Lagebericht, IV.2.).
Es ist für den Kläger sicher nicht leicht, in Äthiopien wieder Fuß zu fassen. Der Kläger hat zwar in Äthiopien keinen Beruf gelernt und hat nach eigenen Angaben in der Landwirtschaft gearbeitet (Bl. 27 BA). Im Bundesgebiet wird er etwas Deutsch lernen können, so dass ihm als Rückkehrer ein Neustart in einem einfachen Beruf gelingen kann. Dazu hat der Kläger Eltern in Äthiopien, die ihn in der Anfangszeit unterstützen können.
Die nach Maßgabe des § 34 Abs. 1 und des § 36 Abs. 1 AsylG erlassene Abschiebungsandrohung ist nicht zu beanstanden. Der Kläger besitzt keine Aufenthaltsgenehmigung und ist auch nicht als Asylberechtigter anerkannt.
Soweit sich der Kläger mit seiner Klage gegen die im angefochtenen Bescheid ausgesprochene Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbotes auf 30 Monate wendet, hat die Klage ebenfalls keinen Erfolg. Die Beklagte war nach § 11 Abs. 2 Satz 3 i. V. m. § 75 Nr. 12 AufenthG zur Entscheidung über die Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots (§ 11 Abs. 1 AufenthG) berufen. Die Entscheidung, das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot auf 10 Monate ab dem Tag der Abschiebung zu befristen, ist auch ermessensfehlerfrei innerhalb der von § 11 Abs. 3 Satz 2 und 3 AufenthG aufgezeigten gesetzlichen Grenzen getroffen worden. Das Vorliegen besonderer Umstände ist vom Kläger weder vorgetragen noch ersichtlich. Die in der Mitte des von § 11 Abs. 3 Satz 2 AufenthG aufgezeigten Rahmens vorgenommene Befristung auf 10 Monate begegnet keinen Bedenken.
Die Tatsache, dass der Anhörer und der Entscheider beim Bundesamt unterschiedliche Personen sind, führt nicht zur Rechtswidrigkeit des Bescheides. Zwar ist dem Prozessbevollmächtigten zuzugestehen, dass die persönliche Anhörung des Asylsuchenden grundsätzlich für die Beweiswürdigung von entscheidender Bedeutung ist und die Entscheidung über ein Asylbegehren in der Regel ganz wesentlich auf einer Glaubwürdigkeitsprüfung beruht und somit grundsätzlich eine verfahrensrechtliche Trennung von Anhörung und Entscheidung wenig sachgerecht erscheint. Die Tatsache, dass unterschiedliche Einzelentscheider die Anhörung vorgenommen und die Entscheidung verfasst haben, führt dennoch grundsätzlich nicht bereits zu einer Rechtswidrigkeit des Bescheides (vgl. VG Dresden, U.v. 14.7.2003 – 14 A 3163/99.A; VG Frankfurt/M, B.v. 12.3.2001 – 9 G 699/01.AO). Denn das AsylG schreibt nicht zwingend vor, dass Anhörung und Entscheidung von ein und derselben Person getroffen werden müssen. Aus den maßgeblichen Normen des AsylG (§§ 25 und 31) ergibt sich, dass allein der Umstand, dass der allein zur Entscheidung berufene Bedienstete des Bundesamtes (§ 5 AsylG) den jeweiligen Asylbewerber nicht persönlich angehört hat, nicht dazu führt, dass eine Entscheidung über den Asylantrag nicht rechtmäßig getroffen werden könnte. Allenfalls ist die Annahme einer Rechtswidrigkeit denkbar, wenn die Trennung im konkreten Fall tatsächlich zu einem Rechtsfehler geführt haben könnte. Dies ist hier weder substantiiert vorgetragen nicht ersichtlich. Es ist nicht substantiiert vorgetragen worden, welcher konkrete Vortrag des Klägers im Protokoll keinen Niederschlag gefunden hat, der bei persönlicher Durchführung der Anhörung durch den Verfasser des Bescheides eine andere Entscheidung hätte rechtfertigen können. Darüber hinaus rechtfertigt das Vorbringen des Klägers unter keinem sachlichen oder rechtlichen Gesichtspunkt die Gewährung von Asyl- oder Abschiebungsschutz (vgl. obige Ausführungen; Schleswig-Holsteinisches VG, U.v.26.6.2006 – 1 A8/06; VG Augsburg, B.v. 31.3.2010 – Au 7 S 10.30096; beide juris).
Die Klage war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen; das Verfahren ist gerichtskostenfrei, § 83b AsylG. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 ff ZPO.
Das Urteil ist unanfechtbar, § 78 Abs. 1 Sätze 1 und 2 AsylG.


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