Verwaltungsrecht

Kein Abschiebungsverbot in die Ukraine wegen einer HIV-Infektion

Aktenzeichen  W 6 K 16.31624

Datum:
24.10.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AufenthG AufenthG § 60 Abs. 7 S. 1

 

Leitsatz

Eine HIV-Infektion begründet kein Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG, da es nach aktueller Auskunftslage in der Ukraine hinreichende und kostenfreie Behandlungsmöglichkeit gibt. (Rn. 37 und 38)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Kläger haben die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet, da der Bescheid des Bundesamts vom 5. September 2016 nicht rechtswidrig ist und die Kläger dadurch (schon deswegen) nicht in ihren Rechten verletzt sind (§ 113 Abs. 5 VwGO). Denn die Kläger haben keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 AsylG (1.). Ebenso wenig besteht ein Anspruch auf Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 4 AsylG (2.) bzw. auf die Feststellung, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 bzw. Abs. 7 Satz 1 AufenthG vorliegen (3.).
1. Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG ist ein Ausländer Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl 1953 II S. 559, 560), wenn er sich (1.) aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe (2.) außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, (a) dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder (b) in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will. Nach § 3c AsylG kann eine solche Verfolgung ausgehen von (1.) dem Staat, (2.) Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen, oder (3.) nichtstaatlichen Akteuren, sofern die in den Nrn. 1 und 2 genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, i.S. des § 3d AsylG Schutz vor Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht. Aus § 3a AsylG ergibt sich, welche Handlungen als Verfolgung i.S. des § 3 Abs. 1 AsylG gelten. Zwischen derartigen Handlungen und den in § 3b AsylG näher definierten Verfolgungsgründen muss eine Verknüpfung bestehen (§ 3a Abs. 3 AsylG).
Die Furcht vor Verfolgung ist begründet (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG), wenn dem Ausländer die vorgenannten Gefahren aufgrund der in seinem Herkunftsland gegebenen Umstände in Anbetracht seiner individuellen Lage tatsächlich, d.h. mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohen (BVerwG, U.v. 20.2.2013 – 10 C 23/12 – juris; BVerwG, U.v. 5.11.1991 – 9 C 118/90 -, BVerwGE 1989, 162 f.; BVerwG, U.v. 15.3.1988 – 9 C 278/86 -, BVerwGE 1979, 143 f.).
Das Gericht muss dabei die volle Überzeugung von der Wahrheit des vom Asylsuchenden behaupteten individuellen Schicksals und hinsichtlich der zu treffenden Prognose, dass dieses die Gefahr politischer Verfolgung begründet, erlangen. Angesichts des sachtypischen Beweisnotstandes, in dem sich Asylsuchende insbesondere hinsichtlich asylbegründender Vorgänge im Verfolgerland befinden, kommt dabei dem persönlichen Vorbringen des Asylsuchenden und dessen Würdigung für die Überzeugungsbildung eine gesteigerte Bedeutung zu (BVerwG, U.v. 16.4.1985 – 9 C 109/84 -, Buchholz 402.25, § 1 AsylVfG Nr. 32). Demgemäß setzt ein Asyl- oder Flüchtlingsanspruch voraus, dass der Schutzsuchende den Sachverhalt, der seine Verfolgungsfurcht begründen soll, schlüssig darlegt. Dabei obliegt es ihm, unter genauer Angabe von Einzelheiten und gegebenenfalls unter Ausräumung von Widersprüchen und Unstimmigkeiten einen in sich stimmigen Sachverhalt zu schildern, der geeignet ist, das Asylbzw. Flüchtlingsbegehren lückenlos zu tragen (BVerwG, U.v. 8.5.1984 – 9 C 141/83 –, Buchholz, § 108 VwGO Nr. 147).
Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Das Vorliegen einer Verfolgungshandlung erscheint bereits höchst zweifelhaft. Jedenfalls aber wären die geschilderten Handlungen nicht der staatlichen Seite zurechenbar.
Auch nach ausführlicher Befragung des Klägers zu 1) in der mündlichen Verhandlung zu den erlebten Vorkommnissen, die bereits ausweislich der Bundesamtsakte mit seiner Tätigkeit im Freiwilligen-Bataillon im Kampf gegen die pro-russischen Separatisten im Donbass-Gebiet zu tun hatten, kommt das Gericht zu keiner vom verfahrensgegenständlichen Bescheid abweichenden Bewertung der Flüchtlingseigenschaft. Selbst bei Wahrunterstellung der Vorkommnisse ab August 2015 würde es sich dabei jedenfalls um kriminelle Akte handeln, die seitens nichtstaatlicher Akteure verübt wurden und gegen die den Klägern in der Ukraine ausreichender staatlicher Schutz zur Verfügung steht.
1.1. Der Kläger zu 1) konnte selbst nicht erklären, aus welchen Gründen es die mutmaßlichen Tschetschenen auf ihn abgesehen hätten. Wie auch schon im verfahrensgegenständlichen Bescheid angeführt, erscheint der Zusammenhang zwischen dem Kampfeinsatz des Klägers zu 1) im Mai 2014 im Donbass-Gebiet und den Bedrohungen durch mutmaßliche Tschetschenen, die ab August 2015 begannen, wegen der großen Zeitspanne nicht hinreichend gegeben. Zudem habe laut dem Vortrag der Kläger mit ihrer Ausreise aus der Ukraine die Bedrohung aufgehört.
Es ist schon zweifelhaft, ob die Drohanrufe ihrer Art oder Häufigkeit nach bereits eine hinreichende Intensität einer Verfolgungshandlung als schwerwiegende Menschenrechtsverletzung darstellen können. Auch bei dem Brand des PKW ist es nicht ausgeschlossen, dass es sich hierbei um eine Selbstentzündung handelt bzw. ist hier der Zusammenhang zu den Drohanrufen nicht hinreichend festgestellt. Es wird lediglich vom Kläger zu 1) behauptet, dass im Anschluss an den Brand sich die unbekannten Anrufer gemeldet und sich diese Tat zugeschrieben hätten. Eine plausible Erklärung bzw. einen logisch nachvollziehbaren Sachzusammenhang, die eine Verfolgungssituation glaubhaft erscheinen ließe, konnte der Kläger zu 1) weder im behördlichen noch im gerichtlichen Verfahren aufzeigen. Soweit der Klägerbevollmächtigte in seiner Klagebegründung ausführt, dass Tschetschenen nicht zimperlich seien und Anschläge und Überfälle unternehmen würden, erscheint der Vortrag noch zweifelhafter, da außer 20 bis 30 Telefonaten und einem – egal ob mittels Selbstentzündung oder Brandstiftung – brennenden PKW es keine Vorkommnisse gibt.
Abgesehen von den großen zeitlichen Abständen kommt hinzu, dass der Kläger zu 1) bei weitem nicht der einzige Kämpfer gewesen ist, der im Rahmen der Verteidigung des Donbass gegen pro-russische Separatisten oder gegebenenfalls auch russische Milizionäre gekämpft hat. Der Kläger zu 1) hat hierzu angegeben, dass seine Gruppe von freiwilligen Kämpfern, die aus ca. 30 Personen bestanden habe, nicht die einzige gewesen sei, sondern vielleicht noch insgesamt zehn weitere derartige Gruppen im Einsatz waren. Warum gerade er als einer von vielen ukrainischen und militärisch nicht ausgebildeten Kämpfern nach so langer Zeit von russischen oder tschetschenischen Milizionären heimgesucht werden sollte, erschließt sich nicht.
Der neu in der mündlichen Verhandlung geschilderte Vorfall vom Juni 2016, als angeblich unbekannte Personen die Schwiegereltern des Klägers zu 1) aufgesucht und bedroht hätten, vermag daran nichts zu ändern. Nachdem die Kläger nicht anzugeben vermochten, was diese unbekannten Personen, die die Eltern bzw. Schwiegereltern angegriffen hätten, gewollt haben, erscheint ein Zusammenhang mit einer etwaigen Bedrohung der Kläger im hiesigen Verfahren nicht plausibel und konstruiert; zudem fällt auch hier der große zeitliche Abstand auf (Ausreise der Kläger im August 2015, Aufsuchen der Schwiegereltern durch Unbekannte im Juni 2016), der ebenfalls gegen einen Sachzusammenhang spricht.
1.2. Ungeachtet dessen würde jedenfalls bei Wahrunterstellung dieser Geschehnisse die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft durch innerstaatlichen Schutz gemäß § 3e AsylG ausgeschlossen. Unstrittig handelte es sich bei den unbekannten Personen, welche den Kläger bedroht haben, um nichtstaatliche Akteure. Demzufolge ist zu prüfen, ob der ukrainische Staat nicht in der Lage oder nicht willens ist, Schutz zu gewähren. Bei der Bewertung der Effektivität des Schutzes ist zu berücksichtigen, dass die Anforderungen an eine effektive Schutzgewährung im konkreten Einzelfall nicht überzogen werden dürfen. Die Forderung nach einem lückenlosen Schutz vor Übergriffen nichtstaatlicher Stellen oder Einzelpersonen ginge an einem wirklichkeitsnaher Einschätzung der Effizienz staatlicher Schutzmöglichkeiten vorbei. Vielmehr ist es nach der bisherigen ständigen Rechtsprechung (BVerwG, U.v. 3.12.1985, BVerwGE 72, 269 und U.v. 18.2.1986, BVerwGE 74, 41 – beide Urteile sind auf die Neuregelung des Ausländer- und Asylrechts vom 30. Juli 2004 übertragbar) wie auch nach aktuell geltendem Recht ausreichend, wenn Schutzakteure geeignete Schritte einleiten, um Übergriffe oder den ernsthaften Schaden zum Beispiel durch wirksame Rechtsvorschriften zur Ermittlung, Strafverfolgung und Ahndung der Übergriffe zu verhindern und der Betroffene Zugang zu diesem Schutz hat (vgl. § 3d Abs. 2 AsylG). Vorliegend sind die Kläger nach dem Brand des PKW zur Polizei gegangen. Diese hat auch Ermittlungsmaßnahmen eingeleitet, unter anderem eine Überprüfung der Nummern, von denen aus die Drohanrufe kamen, vorgenommen. Nachdem nach den Erkenntnissen der Polizei hier jedoch eine Brandstiftung nicht vorgelegen hat, habe man den Klägern gesagt, sie sollten wieder kommen wenn (tatsächlich) etwas passiere. Die örtliche Polizei ist also tätig geworden. Hieraus ein Desinteresse der Polizei und der staatlichen Behörden daran, die Kläger zu schützen, abzuleiten, ist abwegig. Bei Unzufriedenheit mit der Arbeit der örtlichen Polizei hätte für die Kläger immer noch die Möglichkeit bestanden, sich an die Vorgesetzten, die Staatsanwaltschaft oder an übergeordnete Behörden zu wenden. Es haben folglich für die Kläger durchaus Möglichkeiten bestanden, staatlichen Schutz zu suchen, was die Kläger nicht getan haben. Unmittelbar danach sind sie in die Kleingartenanlage zu den Eltern der Klägerin zu 2) gegangen und haben ihre Ausreise geplant. In diesem Zusammenhang ist überdies als verwunderlich anzusehen, dass der Kläger zu 1) es trotz der über mehrere Wochen andauernden Drohanrufe nicht für erforderlich erachtet hatte, seine Telefonnummer zu wechseln bzw. sich ein anderes Handy zuzulegen. Dies spricht jedenfalls nicht dafür, dass der Kläger zu 1) die Bedrohung für sich und seine Familie durch die Anrufer als allzu belastend und tatsächlich lebensgefährlich angesehen hat
2. Die Kläger können sich auch nicht mit Erfolg auf subsidiären Schutz berufen.
Die Ausführungen der Kläger vermögen eine subsidiäre Schutzberechtigung nicht zu begründen; stichhaltige Gründe i.S. von § 4 AsylG wurden nicht vorgebracht. Es ist nicht erkennbar und wurde nicht dargelegt, dass den Klägern bei einer Rückkehr ein ernsthafter Schaden drohen würde, eine begründete Furcht vor Verfolgung, die ein individuelles Verfolgungsschicksal zum Inhalt hätte, liegt nicht vor. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die Ausführungen unter (1.) verwiesen und im Übrigen auf die zutreffenden Ausführungen des Bundesamts im angegriffenen Bescheid Bezug genommen, denen das Gericht folgt (§ 77 Abs. 2 AsylG).
3. Im Übrigen sind auch keine nationalen Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG ersichtlich.
Daran ändert auch die erst im laufenden Gerichtsverfahren dargelegte HIV-Infektion des Klägers zu 1) nichts. Ausweislich einer Bescheinigung der … … … vom 26. Januar 2016 besteht bei dem Kläger zu 1) eine HIV-Infektion sowie eine chronische Hepatitis C. Im Falle einer HIV-Hepatitis C-Koinfektion nehme demnach die chronische Hepatitis C einen schnelleren Verlauf mit erhöhtem Risiko für die Ausbildung einer Leberzirrhose und eines Leberzellkarzinoms und werde deshalb antiviral behandelt. Aus dieser Bescheinigung ergibt sich auch, dass der Kläger zu 1) in der Ukraine bereits mit Efavirenz, Lamivudin und AZT behandelt worden war; die Therapie wurde ausweislich der ärztlichen Bescheinigung vom 26. Januar 2016 in Deutschland wieder aufgenommen. Soweit die Kläger vortragen, dass der Kläger zu 1) auf die Einnahme von Tabletten angewiesen sei, die in der Ukraine nicht erhältlich wären, und sein Leben ohne diese Tabletten stark verkürzt würde, führt dies nicht zu einer konkreten individuellen extremen Gefahr für Leib und Leben im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Eine solche Gefahr kann zwar bei einer lebensbedrohlichen Krankheit vorliegen, die sich alsbald nach seiner Rückführung erheblich verschlimmern und zu seinem Tode führen würde (BVerwG, B.v. 24.5.2006 – 1 B 118.05, NVwZ 2007, 345/346 a.E.). Dies wäre beispielsweise auch der Fall, wenn die Erkrankung aufgrund der fehlenden Verfügbarkeit von Medikamenten nicht behandelt werden kann.
Dies ist jedoch nicht der Fall.
3.1. Vorliegend ergibt sich bereits aus dem Arztbrief vom 26. Januar 2016, dass der Kläger zu 1) in der Ukraine eine Behandlung seiner HIV-Infektion erhalten hatte, sodass offenkundig eine Behandelbarkeit seiner Krankheit in der Ukraine möglich ist. Im Hinblick auf die Hepatitis C-Koinfektion ist jedenfalls festzustellen, dass diese eine chronische Krankheit darstellt, jedoch auch ein etwaiger Behandlungsabbruch jedenfalls nicht sofort bzw. in unmittelbar absehbarer Zeit zu einer derart schwerwiegenden Verschlechterung des Gesundheitszustandes führen würde, dass sein Leben gefährdet wäre. Ausweislich des Arztbriefes vom 26. Januar 2016 wurde festgestellt, dass die chronische Hepatitis C als Koinfektion einen schnelleren Verlauf nehme und ein erhöhtes Risiko für die Ausbildung einer Leberzirrhose bzw. eines Leberzellkarzinoms berge. Eine unmittelbare schwerwiegende Gesundheitsgefährdung bzw. sogar ein bevorstehender Tod ergibt sich hieraus nicht und wurde auch nicht vorgetragen.
3.2. Darüber hinaus wurde in das Verfahren die Stellungnahme von Dr. … …, MD, aus Kiew vom 21. August 2017 zum Thema der Verfügbarkeit von Behandlungsmöglichkeiten für HIV-Infektionen und Hepatitis C in der Ukraine eingeführt. Diese Stellungnahme ist auf Beweisbeschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichts Regensburg (B.v. 16.5.2017 – RO 9 K 17.31110) über das Auswärtige Amt (Deutsche Botschaft in Kiew) eingeholt worden.
3.2.1. Aus dieser Stellungnahme vom 21. August 2017 ergibt sich Folgendes:
Schätzungsweise leben über 230.000 Menschen mit HIV in der Ukraine, von diesen sind 59% diagnostiziert und 46% in Behandlung, 28% erhalten antiretrovirale Therapie (ART) und bei 22% ist das HI-Virus durch ART soweit unterdrückt, dass es nicht mehr feststellbar ist.
Unabhängig von der momentan schwierigen sozioökonomischen Situation setze die Ukraine Präventionsprogramme für die hauptbetroffene Bevölkerung um. Die Geldmittel hierfür stammten aus dem Staatshaushalt sowie aus Unterstützungsleistungen von internationalen Geldgebern wie den Global Fund to Fight AIDS, TB and Malaria (GFATM), USAID, PEPFAR und örtlichen Privatorganisationen wie dem Elena Pinshuk AntiAids Fonds.
Zum 1. Januar 2017 hätten sich in den 281 medizinischen Zentren im gesamten Land 133.145 Menschen in ärztlicher Behandlung befunden, davon erhielten 69.517 ART. Die Konfliktgebiete, welche von Russland oder pro-russischen Separatisten wie Donezk und Luhansk kontrolliert werden, würden diese Bemühungen konterkarieren, da eine dortige Versorgung nicht gewährleistet sei.
In der Ukraine gibt es ein Zentrum zur Überwachung von gesellschaftlich gefährlichen Krankheiten (UCDC). Ausweislich des WHO-Berichts von 2016 verfüge die Ukraine über ein technisch sehr fortschrittliches Team am UCDC. Die 281 medizinischen Zentren bestünden aus 27 Aidszentren auf Ebene der Oblaste, 15 Stadtzentren, Krankenhäusern, Ämtern für infektiöse Krankheiten, primary health centres (= Einrichtung der öffentlichen Gesundheitsfürsorge, die eine Grundversorgung bietet), Apotheken bzw. apothekenähnlichen Ausgabepunkten, „Vertrauenszentren“ und NGOs.
Chronische Hepatitis C (HCV) weise eine hohe Prävalenz in der Ukraine auf, aktuell seien 48.000 Menschen offiziell mit HCV registriert. Die Regierung habe angekündigt, dass ab dem Jahr 2017 moderne Medikamente zur Behandlung gekauft würden (z.B. Daclatasvir und Sofosbuvir/Velpatasvir), welche 2,5-mal weniger Kosten verursachen als die bisher verwendeten Medikamente. Somit könne eine 2,5-fach höhere Anzahl an Patienten behandelt werden.
Im Dezember 2015 habe die Ukraine die aktuellen WHO-Richtlinien zur Behandlung von HIV-positiven Personen unabhängig von deren CD4-Anzahl (T-Zellen) eingeführt. Zwar ist momentan aufgrund finanzieller Schwierigkeiten deren Umsetzung nicht möglich, jedoch lasse man medizinische Behandlung priorisiert denjenigen Personen zu kommen, deren CD4-Anzahl weniger als 500 Zellen/mmol beträgt. Momentan erhalte ungefähr einer von drei Patienten das von der WHO bevorzugte Behandlungsregime (Medikamentenkombination) TDF/FTC+EFV. Die weiteren zumeist angewandten Behandlungsregimes seien AZT+3TC+EFV, AZT+3TC+LPV/r, TDF+3TC+EFV. Grob geschätzt betragen die Kosten pro Patient und pro Jahr 360 USD, wobei es Empfehlungen an die Regierung gebe, Medikamente aus der Vorläufergeneration zu erwerben, was dazu führen würde, dass Kosten deutlich reduziert würden und – nachdem der Staat ein festes Budget hat – damit mehr Personen antiretrovirale Therapie erhalten könnten. Daraus ergibt sich, dass diese Kosten auch nicht seitens des einzelnen Patienten zu schultern sind.
Es wird in dieser Stellungnahme darüber hinaus festgestellt, dass Möglichkeiten, sich testen und behandeln zu lassen im gesamten Staatsgebiet der Ukraine vorhanden und kostenfrei seien. Ukrainische Organisationen könnten aber nicht in den russisch kontrollierten Bereichen der Krim oder der Konfliktzone in der Ostukraine arbeiten; dennoch sei es dem ukrainischen Staat trotz der angespannten wirtschaftlichen Situation daran gelegen, in den übrigen 23 Regionen die HIV-Epidemie zu bekämpfen und Präventionsprogramme gegen die Ausbreitung einzuführen sowie Menschen mit HIV im gesamten Land zu behandeln.
Um kostenlose Behandlung zu erhalten ist die Registrierung zwingende Voraussetzung; diese könne in jedem Aids-Zentrum vorgenommen werden. Die Registrierung könne nach einem Bluttest jederzeit erneuert werden und eine Behandlung könne wieder aufgenommen werden. Auch nach einer längeren Abwesenheit könne die Registrierung (erneut) vorgenommen werden. Hierfür sollte der Patient idealerweise alle medizinischen Unterlagen zu seinen Blutwerten und seiner Behandlung mitbringen. Zwar gebe es manche Behandlungszentren, die nach Spenden fragen würden, dies sei jedoch freiwillig. Zivile Organisationen seien sehr dahinter, Korruption zu bekämpfen und vor allem die Rechte der Menschen mit HIV zu schützen. Nach der ukrainischen Gesetzgebung sei die Behandlung kostenfrei und Tests würden so lange garantiert, wie man sie benötige.
Aufgrund der wirtschaftlichen Engpässe würden Personen mit einem CD4-Wert von weniger als 500 Zellen/mmol priorisiert behandelt. Es gebe ansonsten keine staatliche Unterstützungsleistung für HIV-infizierte Erwachsene; lediglich Kinder bis 16 Jahre würden monatliche Zuschüsse erhalten, Eltern von HIV-infizierten Kindern hätten Anspruch auf gewisse Zuwendungen.
Sollte es Schwierigkeiten in Zusammenhang mit der Registrierung geben oder es zu Verstößen gegen Bürgerrechte kommen, so gebe es zivile Organisationen wie „All Ukrainian Network of PLHIV“, die eine kostenlose Rechtsberatung durchführen.
3.2.2. Zusammenfassend ist folglich festzuhalten, dass es entgegen der Darstellungen der Kläger in der mündlichen Verhandlung ausreichende Behandlungsmöglichkeiten von (auch fortgeschrittenen) HIV-Infektionen in der Ukraine gibt. Aus der Stellungnahme vom 21. August 2017 geht auch hervor, dass diejenigen Patienten mit einer besonders niedrigen CD4-Zellanzahl priorisiert behandelt würden. Die medizinische Behandlung wird kostenfrei zur Verfügung gestellt und die Behandlungsmöglichkeiten sind nicht nur örtlich punktuell vorhanden, sondern über das Gebiet der Ukraine verteilt (mit Ausnahme der russisch kontrollierten Krim bzw. der Konfliktgebiete in der Ostukraine). Erforderlich ist hierzu lediglich eine Registrierung, die in jedem AIDS-Zentrum (wovon es 27 Einheiten auf der Ebene der Oblaste gibt) vorgenommen werden kann.
3.3. Aus der Historie des Klägers zu 1) ergibt sich, dass die HIV-Infektion bereits in der Ukraine behandelt worden war, aus der Stellungnahme von Frau Dr. … …, MD, ist deutlich ersichtlich, dass dem Kläger zu 1) im Falle seiner Rückkehr hinreichend kostenfreie Behandlungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen; zudem gibt es sogar kostenfreie Rechtsberatung bei Schwierigkeiten in Zusammenhang mit der Registrierung und Behandlung. Eine konkrete individuelle extreme Gefahr für Leib und Leben des Klägers zu 1) kann demnach selbst bei Vorliegen der lebensbedrohlichen Krankheit HIV im fortgeschrittenen Stadium für den Fall seiner Rückkehr ausgeschlossen werden.
Im Übrigen wird im Hinblick auf die Ausführungen zu Abschiebungsverboten auf den verfahrensgegenständlichen Bescheid Bezug genommen (§ 77 Abs. 2 AsylG).
4. Daher sind auch die Ausreiseaufforderung und die Abschiebungsandrohung in die Ukraine rechtmäßig. Auch gegen die Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung bestehen keine Bedenken. Ermessensfehler sind nicht ersichtlich.
5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG).


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