Verwaltungsrecht

Kein Anordnungsanspruch auf Erlass einer einstweiligen Anordnung hinsichtlich einer geförderten Wohnung wegen Vorwegnahme der Hauptsache

Aktenzeichen  M 12 E 16.3580

Datum:
31.8.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO VwGO § 123
BayWoBindG BayWoBindG Art. 5

 

Leitsatz

Mit dem Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO darf die Hauptsache nicht vorweggenommen werden.  (redaktioneller Leitsatz)
Ein Anordnungsanspruch für die Erteilung von Wohnungsvorschlägen (vgl. Art. 5 BayWoBindG) wäre nur dann glaubhaft gemacht, wenn tatsächlich eine bedarfsgerechte Wohnung frei wäre und keine anderen Bewerber dem Antragsteller vorgingen.    (redaktioneller Leitsatz)
Nach dem Bayerischen Wohnungsbindungsrecht ist die unmittelbare Zuteilung einer Sozialwohnung nicht möglich. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Der Antrag wird abgelehnt.
II.
Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

I.
Der am … geborene Antragsteller bewohnt derzeit mit seiner Ehefrau und seinen beiden Söhnen, geb. …1997 und … 2000, eine Dreizimmerwohnung mit einer Gesamtwohnfläche von 70 qm in der …str. … in München.
Am 29. Juli 2015 hat der Antragsteller die Registrierung für eine öffentlich geförderte Wohnung für sich und seine Familie beantragt. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass sich die derzeitige Wohnung im 4. Stock befinde und das Gebäude über keinen Aufzug verfüge. Wegen einer akuten Gehbehinderung sei er nicht mehr in der Lage, Treppenstufen zu steigen. Der Antragsteller ist schwerbehindert mit einem Grad der Behinderung von 80 und dem Merkzeichen G.
Mit Bescheid vom 7. Oktober 2015 hat die Antragsgegnerin den Haushalt des Antragstellers mit insgesamt vier Personen für eine öffentlich geförderte Wohnung vorgemerkt. Als angemessene Wohnungsgröße wurden drei Wohnräume mit einer Fläche ab 10 qm und ein Wohnraum mit einer Fläche unter 10 qm festgesetzt. Die Dringlichkeit des Antrags wurde mit 132 Punkten (88 Grundpunkte, 9 Vorrangpunkte, 35 Anwesenheitspunkte) in Rangstufe I festgesetzt.
Am …. August 2016 hat der Antragsteller zur Niederschrift beim Bayerischen Verwaltungsgericht München beantragt,
die Antragsgegnerin im Wege einstweiligen Rechtsschutzes zu verpflichten, ihm entsprechend der mit Bescheid vom 7. Oktober 2015 festgesetzten Dringlichkeit Wohnungsvorschläge zu erteilen.
Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der Antragsteller trotz der Bewertung der Dringlichkeit mit 132 Punkten in Rangstufe I bislang keine Wohnungsvorschläge erhalten habe. Ein weiteres Abwarten sei angesichts der gesundheitlichen Situation nicht mehr zumutbar.
Mit Änderungsbescheid vom 26. August 2016 wurden die Anwesenheitspunkte auf 44 erhöht und die Dringlichkeit des Vormerkantrags daher mit insgesamt 141 Punkten in Rangstufe I bewertet.
Die Antragsgegnerin hat mit Schriftsatz vom 29. August 2016 beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, der Antragsteller könne lediglich die ermessensgerechte Berücksichtigung der Dringlichkeit seiner Wohnungssuche und die Aufnahme in die Vormerkdatei beanspruchen. Wohnungsangebote richteten sich nach der Rangfolge der in der Vormerkdatei aufgenommenen Wohnungssuchenden und ihren jeweiligen Bedarfen. Dem Antragsteller seien bereits im vorangegangenen Vormerkzeitraum Wohnungsangebote unterbreitet worden. Zum Abschluss eines Mietvertrags sei es aber noch nicht gekommen. Die Rückmeldungen des Antragstellers zu den Wohnungsangeboten seien einerseits nachzuvollziehen, andererseits seien die Einschränkungen und Wünsche (behindertengerechte Wohnung, eingeschränkter Lagewunsch, günstige Miete) nicht dazu geeignet, die Antragsgegnerin in die Lage zu versetzen, regelmäßig Wohnungsvorschläge zu unterbreiten. Insbesondere seien die Vorstellungen zur Miethöhe nicht realistisch. Es bestehe die Möglichkeit, Wohngeld oder aufzahlende Leistungen zu beantragen. Im Fall des Antragstellers könne daher trotz hoher Dringlichkeit nicht mit regelmäßigen Wohnungsvorschlägen gerechnet werden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichts- und Behördenakte Bezug genommen.
II.
Nach § 123 Abs. 1 Satz 2 Verwaltungsgerichtsordnung -VwGO- kann das Gericht einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis erlassen, wenn diese Regelung, vor allen bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Voraussetzung ist, dass der Antragsteller das von ihm behauptete strittige Recht (den Anordnungsanspruch) und die drohende Gefahr seiner Beeinträchtigung (den Anordnungsgrund) glaubhaft macht, § 123 Abs. 3 VwGO i. V. m. § 920 Abs. 2 ZPO. Maßgebend sind dabei die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung.
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO hat keinen Erfolg. Zum einen würde mit der begehrten Anordnung die Hauptsache vorweggenommen werden. Zum anderen besteht nach summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage kein Anordnungsanspruch auf Unterbreitung von Wohnungsvorschlägen.
Die Landeshauptstadt München gehört zu den Gebieten mit erhöhtem Wohnungsbedarf gemäß Art. 5 Bayer. Wohnungsbindungsgesetz (BayWoBindG). Die Antragsgegnerin hat als zuständige Stelle in Bezug auf Sozialwohnungen nach Art. 5 Satz 2 BayWoBindG gegenüber den Verfügungsberechtigten ein Benennungsrecht. Das Benennungsrecht ermächtigt die zuständige Behörde aus Gründen der Praktikabilität auch, vor der eigentlichen Benennung eine rechtlich verbindliche Vorentscheidung über die Voraussetzungen der Wohnberechtigung und über den Grad der sozialen Dringlichkeit zu treffen. Diese Vorentscheidung erfolgt durch Aufnahme in eine nach Dringlichkeitsstufen und Punkten differenzierende Vormerkkartei, wobei es sich um einen im Ermessen der Behörde stehenden Verwaltungsakt handelt (BayVGH v. 23.9.1987, DWW 1988, 55). Ein solcher Vormerkbescheid ist hier mit Datum vom 7. Oktober 2015 ergangen. Er ist auch bestandskräftig geworden.
Als Folge dieser Dringlichkeitseinstufung ist die Antragsgegnerin verpflichtet, Wohnungsangebote in der damit erstellten Reihenfolge der Dringlichkeit zu erteilen. Die Benennung hängt von der Zahl der tatsächlich freiwerdenden Wohnungen ab, die dem festgestellten Wohnbedarf entsprechen, von der Anzahl vorgemerkter Bewerber mit entsprechendem Wohnbedarf sowie der Dringlichkeit und Dauer der Bewerbung. Ein Anordnungsanspruch wäre nur dann glaubhaft gemacht, wenn tatsächlich eine bedarfsgerechte Wohnung frei wäre und keine anderen Bewerber dem Antragsteller vorgingen. Hierfür fehlt jeder tatsächliche Anhaltspunkt. Aus der Antragserwiderung geht vielmehr hervor, dass der Antragsteller in die Vormerkdatei der Antragsgegnerin aufgenommen wurde, aber aufgrund des Mangels an bedarfsgerechten Wohnungen und angesichts der einschränkenden Anforderungen des Antragstellers im laufenden Vormerkzeitraum – anders als im vorangegangenen – trotz hoher Dringlichkeit noch keine Wohnungsangebote unterbreitet werden konnten. Der Antragsteller wird damit seiner Dringlichkeit entsprechend berücksichtigt. Die Verpflichtung der Behörde, den Antragsteller für eine Wohnung zu benennen, würde den anderen Wohnungssuchenden, deren Anliegen noch dringlicher einzuordnen ist, unter Umständen einen erheblichen Nachteil zufügen. Der Mangel an öffentlich geförderten Wohnungen und die Vielzahl vorgemerkter Bewerber ist gerichtsbekannt.
Soweit der Antrag dahingehend ausgelegt werden könnte, dass der Antragsteller die Zurverfügungstellung bzw. Zuweisung einer Sozialwohnung begehrt, ist er zulässig, aber unbegründet. Der Antragsteller hat keinen Anspruch gegen die Antragsgegnerin auf unmittelbare Zuteilung einer Sozialwohnung. Nach dem Bayerischen Wohnungsbindungsrecht ist die unmittelbare Zuteilung einer Sozialwohnung durch die Antragsgegnerin nicht möglich. Da es sich bei dem Gebiet der Antragsgegnerin um ein Gebiet mit erhöhtem Wohnungsbedarf im Sinne von Art. 5 des Gesetzes zur Sicherung der Zweckbestimmung von Sozialwohnungen in Bayern handelt, hat die Antragsgegnerin in Bezug auf Sozialwohnungen nach Art. 5 Satz 2 BayWoBindG gegenüber den Verfügungsberechtigten ein Benennungsrecht. Gemäß Art. 5 Satz 2 BayWoBindG hat die zuständige Stelle den Verfügungsberechtigten mindestens fünf wohnberechtigte Wohnungssuchende zur Auswahl zu benennen. Die Entscheidung über den Abschluss eines Mietvertrages mit den Wohnungssuchenden bleibt jedoch den Verfügungsberechtigten vorbehalten. Eine hoheitliche Zuweisung einer Sozialwohnung durch die Antragsgegnerin ist nicht möglich (BayVGH v. 21.8.1990 – 7 CE 90.1139).
Der Antrag war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 188 Satz 2 VwGO).


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen


Nach oben