Verwaltungsrecht

Kein Anspruch auf bauaufsichtliches Einschreiten mangels Verstoßes gegen drittschützende Normen

Aktenzeichen  M 8 E 15.5195

Datum:
27.7.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO VwGO § 42 Abs. 2
BayBO BayBO Art. 76 S. 2

 

Leitsatz

Soweit eine Person nicht mehr in Haft einer Justizvollzugsanstalt ist, kann sie wegen etwaiger Mängel des dortigen Brandschutzes nicht in eigenen Rechten verletzt sein. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Der Antrag wird abgelehnt.
II.
Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III.
Der Streitwert wird auf 2.500,- Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller wendet sich gegen den von ihm als fehlend bzw. unzureichend angesehenen Brandschutz in der Justizvollzugsanstalt
Mit Schreiben vom 13. November 2015, bei Gericht eingegangen am 18. November 2015, hat der Antragsteller Klage (M 8 K 15.5196) erhoben und trägt vor, er habe während seiner Inhaftierung in der Justizvollzugsanstalt … zahlreiche Verstöße gegen die „Unfallverhütungsvorschriften“ und Brandschutzvorschriften feststellen können, welche zu einer sofortigen Entziehung der „Betriebserlaubnis für die Unterbringung von Schutzbefohlenen“ führen müssten. Die Klage sei zum einen auf die Feststellung der in der Klageschrift näher bezeichneten Mängel des Brandschutzes und zum anderen auf die Verpflichtung der zuständigen Behörde zur Herbeiführung einer sofortigen „Entziehung der Betriebserlaubnis zur Unterbringung von schutzbefohlenen Personen“, gerichtet.
Mit demselben Schreiben vom 13. November 2015 stellte der Antragsteller einen „Eilantrag wegen Gefahr im Verzug“.
Zur Begründung führte der Antragsteller aus, dass im Süd- und Nordbau der Justizvollzugsanstalt … der Brandschutz nicht gewährleistet sei, da die Haftraumdecken aus einer nicht F-90 entsprechend ausgestatteten Holzkonstruktion bestünden. In sämtlichen Häusern seien die Etagentüren bzw. Abteilungstüren nicht nach den gesetzlichen Bestimmungen ausgestattet. Diese Türen verfügten über kein Zertifikat bzw. Prüfzeugnis. Sie seien zum Großteil in Eigenarbeit umgebaut und mit einem Lichtausschnitt versehen worden, wozu entweder Plexiglas oder normales VSG-Sicherheitsglas verwendet worden sei. Mit jedem Bauteilumbau würden die Brand- und Rauchschutztüren ihre Zertifizierung verlieren, wenn mit dem Umbau kein Prüfzeugnis ausgestellt werde. Ohne Prüfzeugnis bestehe kein Brand- bzw. Rauchschutz.
In sämtlichen Etagenfluren fehlten Flucht- und Rettungshinweise. Es seien keine Rauchschutz- und Feuerschutztüren vorhanden.
In allen Hafträumen und teilweise auch in den Etagenfluren fehlten Rauchmelder. In der Etagenflur seien zu wenig Feuerlöscher angebracht. Die Feuerlöscher in einem Dienstzimmer, welches oftmals abgeschlossen sei, reichten nicht aus.
Elektrische Leitungen seien teilweise freigelegt. Die Kleiderkammern seien nicht mit T-30 Türen ausgestattet. Die alljährliche Feuerbeschau sei über Jahre vorsätzlich falsch dokumentiert worden.
Aufgrund dieser Mängel beantrage der Antragsteller die Durchführung eines Eilverfahrens zur „sofortigen Entziehung der Betriebserlaubnis“. Der Antragsteller klage ferner auf die Feststellung der aufgeführten Mängel. Ferner sei das „zuständige Bauamt-…“ zum unverzüglichen Handeln zu verpflichten, um eine „sofortige Entziehung der Betriebserlaubnis zur Unterbringung von schutzbefohlenen Personen herbeizuführen“. Des Weiteren sei das „zuständige Bauamt-…“ zu verpflichten, keine Freigabe der Betriebserlaubnis zu gestatten, eher sämtliche Mängel des Brandschutzes behoben worden seien.
Mit Schreiben des Gerichts vom 23. November 2015 wurde der Antragsgegner aufgefordert, sich sofort zu dem Antrag schriftlich zu äußern und die einschlägigen vollständigen Akten vorzulegen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten verwiesen.
II.
Die Auslegung der Klageanträge nach § 88 VwGO ergibt, dass der Antragsteller wegen brandschutzrechtlicher Mängel in der Justizvollzugsanstalt … den Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO begehrt.
Der Antrag bleibt ohne Erfolg.
Der Antrag nach § 123 VwGO ist bereits unzulässig, da dem Antragsteller die Antragsbefugnis gemäß § 42 Abs. 2 analog VwGO fehlt. Ein subjektives Recht des Antragstellers, das infolge des Handelns oder des Unterlassens des Antragsgegners möglicherwiese verletzt wird, ist vorliegend von vornherein ausgeschlossen, so dass eine Antragsbefugnis des Antragstellers nicht besteht (vgl. Happ in: Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 123 Rn. 41). Es fehlt bereits an der Möglichkeit, dass er einen Anspruch gegen den Antragsgegner auf bauaufsichtliches Tätigwerden bezüglich der Justizvollzugsanstalt … hat.
1. Die bauaufsichtliche Verantwortung für die Unterhaltung der streitgegenständlichen baulichen Anlage liegt bei der Justizvollzugsanstalt selbst, weil eine ausdrückliche Übertragung an die Baudienststelle (= Staatliches Bauamt) nicht erfolgt ist, vgl. Art. 73 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2 BayBO. Dabei ist der im Gesetz gebrauchte Begriff „Unterhaltung“ identisch mit der Instandhaltung und umfasst alle Maßnahme, die erforderlich sind, um die Gebrauchsfertigkeit und den Wert der Anlage unter Belassung der Konstruktion und äußeren Gestalt zu erhalten (vgl. Lechner, in: Simon/Busse, BayBO, Art. 3 Rn. 102 ff.). Zweifelhaft erscheint allerdings, ob in diesem Fall ein Anspruch auf Tätigwerden der jeweiligen Justizvollzugsanstalt selbst besteht oder aber auf bauaufsichtliches Einschreiten der Bauaufsichtsbehörde (hier der …) etwa durch Erlass einer Nutzungsuntersagung nach Art. 76 Satz 2 BayBO oder durch Maßnahmen nach Art. 54 Abs. 2 Satz 2 BayBO (vgl. dazu Lechner, in: Simon/Busse, a. a. O., Art. 73 Rn. 180e ff.; Schwarzer/König, 4. Aufl. 2012, BayBO, Art. 73 Rn. 16). Diese Frage bedarf im vorliegenden Fall jedoch keiner abschließenden Klärung, da ein Anspruch des Antragstellers auf bauaufsichtliches Tätigwerden bereits am Fehlen einer subjektiv-öffentlichen Betroffenheit durch eine eventuelle Brandschutzproblematik in der Justizvollzugsanstalt … scheitert.
2. Voraussetzung für einen Anspruch auf bauaufsichtliches Einschreiten oder Tätigwerden ist, dass der jeweilige Antragsteller vorbringen kann, er sei durch die Errichtung, Änderung oder Nutzung einer baulichen Anlage in eigenen subjektiv-öffentlichen Rechten verletzt. Erforderlich ist also ein Verstoß der konkreten Anlage gegen drittschützende Normen, d. h. solche, die gerade den Schutz der das Einschreiten oder Tätigwerden der Behörde erzwingen wollenden Person beabsichtigen (vgl. Decker, in: Simon/Busse, a. a. O., Art. 76 Rn. 487). Eine allgemeine Aufgabenwahrnehmung durch die Bauaufsichtsbehörde kann der Einzelne dagegen nicht einfordern und gerichtlich durchsetzen.
Da der Antragsteller nicht Insasse der Justizvollzugsanstalt … ist, sondern sich ausweislich seiner Anschrift auf freiem Fuß befindet und eine Unterbringung in der vorstehend genannten Justizvollzugsanstalt auch nicht konkret bevorsteht, kann er wegen etwaiger Mängel des dortigen Brandschutzes auch nicht in eigenen Rechten verletzt sein. Das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit aus Art. 2 Abs. 2 GG kommt hier somit nicht zum Tragen. Hinzu kommt, dass das Baurecht nur Eigentümern oder Inhabern eigentumsähnlicher Rechte an Grundstücken Rechte zuerkennt, nicht aber dem Mieter oder ihm gleichgestellter Personen (vgl. Dirnberger, in: Simon/Busse, a. a. O., Art. 66 Rn. 77 ff.).
Schließlich fehlt es vorliegend an einer für eine Anspruchszuerkennung erforderlichen Ermessensreduzierung auf Null. Dem Sachverhalt ist nicht zu entnehmen, dass die vom Antragsteller angeführten Brandschutzmängel derart gravierend sind, dass allein die Entscheidung der Behörde zum Erlass von Maßnahmen als einzige zutreffende Entscheidung in Betracht kommt.
3. Den Antrag war daher mit Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen.
Die Festsetzung des Streitwerts ergibt sich aus §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 53 Abs. 2 GKG.


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