Verwaltungsrecht

Kein Anspruch auf den Besuch einer anderen Berufsschule

Aktenzeichen  B 3 K 16.557

Datum:
13.2.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Bayreuth
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO VwGO § 84 Abs. 1 S. 1, Abs. 3, § 117 Abs. 3 S. 2
BayEUG BayEUG Art. 39 Abs. 2 S. 1, Art. 42 Abs. 3 S. 1, Art. 43 Abs. 5 S. 1
GG GG Art. 6 Abs. 2

 

Leitsatz

1 Ein wichtiger Grund für die Gestattung des Besuchs einer anderen Berufsschule als der Sprengelschule (Art. 43 Abs. 5 S. 1 BayEUG) liegt vor, wenn bei Abwägung der Interessen im Einzelfall die Nachteile des Besuchs der Sprengelschule für den Schüler schwerer wiegen als das die Sprengelpflicht rechtfertigende öffentliche Interesse. (Rn. 18) (redaktioneller Leitsatz)
2 Einer größeren Entfernung zur Sprengelschule als zur favorisierten Gastschule kommt keine Bedeutung zu, wenn an der Sprengelschule Blockunterricht mit Unterbringung im Wohnheim erfolgt, so dass der Schulweg nur zweimal in der Woche zurückgelegt werden muss. (Rn. 19) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Über die Klage kann ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid, der als Urteil wirkt, entschieden werden, weil die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist (§ 84 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Halbsatz 1 VwGO).
Die zulässige Verpflichtungsklage hat im Haupt- und Hilfsantrag keinen Erfolg. Der angefochtene Bescheid des Beklagten vom 05.07.2016 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, so dass er nach § 113 Abs. 5 VwGO keinen Anspruch darauf hat, dass der Beklagte ihm das beantragte Gastschulverhältnis genehmigt.
1. Der Kläger ist nach Art. 39 Abs. 2 Satz 1 des Bayerischen Gesetzes über das Erziehungsund Unterrichtswesen (BayEUG) berufsschulpflichtig, da er in einem Berufsausbildungsverhältnis steht. Er hat dabei nach Art. 42 Abs. 3 Satz 1 BayEUG die für den Beschäftigungsort zuständige Berufsschule (Sprengelschule) zu besuchen. Das ist für die Ausbildung des Klägers zum Beruf des Elektronikers die Staatliche Berufsschule ….
2. Nach Art. 43 Abs. 5 Satz 1 BayEUG kann aus wichtigen Gründen der Besuch einer anderen Berufsschule (als der Sprengelschule) genehmigt oder angeordnet werden. Nach Satz 2 dieser Bestimmung kann das Staatsministerium für Unterricht und Kultus durch Rechtsverordnung Tatbestände festlegen, die als wichtige Gründe gelten. Von dieser Ermächtigung wurde bislang jedoch nicht Gebrauch gemacht.
Für die Genehmigung eines Gastschulverhältnisses ist die abgebende Berufsschule zuständig, wenn mit der aufnehmenden Berufsschule und den zuständigen Schulaufwandsträgern über die Begründung des Gastschulverhältnisses Einvernehmen besteht; ansonsten entscheidet die für die abgebende Schule zuständige Regierung (Art. 43 Abs. 5 Sätze 3 und 4 BayEUG), hier die Regierung von Oberfranken.
3. Das Erziehungsrecht der Eltern (Art. 6 Abs. 2 des Grundgesetzes/GG, Art. 126 Abs. 1 der Verfassung des Freistaats Bayern/BV) sowie die allgemeine Handlungsfreiheit der Schüler (Art. 2 Abs. 1 GG, Art. 101 BV) werden durch die Befugnis des Staates, die Schule zu bestimmen, in der die Schulpflicht zu erfüllen ist, eingeschränkt. Die genannten Grundrechte geben Eltern und Schülern keinen Anspruch darauf, dass hinsichtlich der Erfüllung der Schulpflicht eine ihren Wünschen entsprechende Schule zur Verfügung gestellt wird oder dass sie – worüber hier zu entscheiden ist – nach ihrer Wahl eine Schule bestimmen, in der die Schulpflicht erfüllt werden soll. Der Gastschulbesuch ist nach dem erkennbaren Willen des Gesetzgebers als Ausnahmefall anzusehen. Entsprechend fordert Art. 43 Abs. 5 Satz 1 BayEUG für den Bereich der Berufsschulpflicht zwar nicht „zwingende persönliche Gründe“ (was für die Begründung eines Gastschulverhältnisses in Bezug auf Volksschulen vorausgesetzt wird, § 43 Abs. 1 Satz 1 BayEUG), wohl aber das Vorliegen von „wichtigen Gründen“, die nur dann angenommen werden können, wenn eine Abwägung der Interessen im Einzelfall zeigt, dass die Nachteile des Besuchs der zuständigen Sprengelschule schwerer wiegen als das öffentliche Interesse an der Einhaltung der Sprengelpflicht, das durch die Notwendigkeit einer sinnvollen Verteilung der Schüler durch Schaffung und Einhaltung von Schulen begründet ist (VG Augsburg, Beschluss vom 7.11.2006, Az. Au 3 E 06.1198).
4. Wichtige Gründe im Sinne des Art. 43 Abs. 5 Satz 1 BayEUG können für das Begehren des Klägers nicht festgestellt werden, denn der gastweise Besuch einer anderen Berufsschule ist nach dem erkennbaren Willen des Gesetzgebers auch im beruflichen Bildungswesen der Ausnahmefall (BayVGH, Beschluss vom 06.03.2006, Az. 7 CE 06.361). Soweit der Kläger geltend macht, dass die Sprengelberufsschule in … erheblich weiter von seinem Wohnort entfernt liegt als die von ihm favorisierte Schule in …, stellt dies für sich betrachtet keinen wichtigen Grund dar. Zwar sollen nach dem Willen des Gesetzgebers verkehrstechnische Gründe und die Länge des Schulwegs, d.h. das Interesse des Schülers an einem kürzeren Schulweg u.a. bei der Genehmigung eines Gastschulverhältnisses Berücksichtigung finden (vgl. amtliche Begründung des Gesetzentwurfs zur Neufassung zu Art. 43 Abs. 5 BayEUG, Landtagsdrucksache 14/1361 vom 29.6.1999, S. 20 und insbesondere 21), doch wird der Nachteil der großen räumlichen Entfernung zwischen Wohn- und Schulort dadurch kompensiert, dass in der Staatlichen Berufsschule Kronach Blockunterricht stattfindet und während dieser Zeit die Schüler im Wohnheim der Schule untergebracht und verpflegt werden. Das hat zur Folge, dass der Kläger pro Blockunterrichtswoche den Weg zwischen seinem Wohnort und dem Schulort lediglich zweimal zurücklegen muss.
Die durch den Besuch der Staatlichen Berufsschule … erzielbare Zeitersparnis ist nicht so gewichtig, dass eine Abweichung von der Sprengeleinteilung geboten wäre. Der Beklagte berechnet bei der Benutzung eines privaten Kraftfahrzeugs – unwidersprochen -einen zeitlichen Mehraufwand von 16 Minuten, während der Kläger für den Fall der Benutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln zu einer Zeitersparnis zu Gunsten der Staatlichen Berufsschule … von 48 Minuten bzw. 56 Minuten kommt. Angesichts von – wiederum unwidersprochenen – Tagesabwesenheitszeiten von acht bis fast zwölf Stunden rechtfertigt es diese Ersparnis nicht, einen Ausnahmefall anzunehmen und von der Sprengeleinteilung abzuweichen.
Auch ist der Kläger an keinem Berufsschultag länger als zwölf Stunden von Zuhause abwesend, wie die Berechnungen des Beklagten im streitgegenständlichen Bescheid zeigen. Der Kläger kritisiert zwar die vom Beklagten errechneten Abwesenheitszeiten als grob unrichtig, blamiert sich bei diesem Sachvortrag allerdings selbst, weil die von ihm angegebenen Abwesenheitszeiten des Klägers – abgesehen von einem Fall, bei dem sie um acht Minuten differieren – sich mit den vom Beklagten angegebenen exakt decken. Die wenig seriöse Argumentation des Klägers zeigt sich an einer weiteren Stelle, wenn im Schriftsatz seines Bevollmächtigten davon gesprochen wird, dass bei einem Besuch der Sprengelschule täglich rund 39 Minuten Wartezeit vergehen zwischen dem Eintreffen des Klägers am Bahnhof … um 07:01 Uhr und dem Unterrichtsbeginn in der Berufsschule um 07.40 Uhr. Dass der Kläger noch einen Fußweg vom Bahnhof zur Schule zurücklegen muss, bleibt unerwähnt; er ist zudem – gerichtsbekannt – mit mindestens 15 Minuten anzusetzen. Dass der Klassenraum nicht punktgenau um 07:40 Uhr zu betreten ist, braucht auch nicht weiter ausgeführt werden, weil noch vor Unterrichtsbeginn z.B. die Unterrichtsmaterialien auf dem Platz bereitzustellen sind.
Die weiter vorgetragenen Gründe sind solche der persönlichen Lebensgestaltung, die durch den Besuch der Sprengelschule durchaus tangiert wird, was aber weder ungewöhnlich oder unzumutbar ist noch den Kläger alleine trifft. Jeder Schulbesuch und jede Berufstätigkeit wirken sich auf die private Lebensführung mehr oder weniger aus. Den mitunter abstrusen Ausführungen des Klägers ist entgegenzuhalten, dass es einem 18-jährigen und gerade volljährig gewordenen jungen Mann nicht schadet, wenn er einige Zeit entfernt von seinem Elternhaus und Freundeskreis verbringt. Dieser – noch dazu überschaubare – Zeitraum während seiner Berufsausbildung trägt eher zu seiner Horizonterweiterung bei, die weder ihm noch sonst jemandem schaden wird. Der Sachvortrag des Klägers erweckt jedenfalls an einigen Stellen den Eindruck, dass eine etwas längere Trennung des erwachsenen Klägers von seinem gewohnten Umfeld zu einem für ihn inner- und außerfamiliären Katastrophenfall wird.
Verfehlt ist im Übrigen der Hinweis des Klägers auf die Schülerbeförderungsverordnung (SchBefV) und insbesondere auf § 2 Abs. 4 Nr. 3, denn dort geht es um die Übernahme des Mehraufwands der Beförderungskosten zur nicht nächstgelegenen Schule, was den Fall des Klägers nicht trifft. Die wichtigen Gründe im Sinne von Art. 43 Abs. 5 EUG müssen in der Person des Klägers liegen und werden von ihm auch so vorgebracht, der Kläger ist jedoch nicht „Treuhänder“ für die Schülerbeförderung und deren Kosten, die er im Übrigen, wenn ihm daran so gelegen ist, dadurch reduzieren kann, dass er in der Zeit des Blockunterrichts im Wohnheim der Staatlichen Berufsschule Kronach übernachtet. Es ist jedenfalls nicht ersichtlich, dass der Kläger aus verminderten Schülerbeförderungskosten ein subjektivöffentliches Recht ableiten kann, das ihm zu einem Anspruch auf das beantragte Gastschulverhältnis verhilft. Gleiches gilt auch für Art. 3 Abs. 2 S. 1 Schulwegkostenfreiheitsgesetz (SchKfrG) i.V.m. § 7 SchBefV, die sich damit befassen, ab welchem Betrag Schulwegkosten unter Einbeziehung der Familienbelastungsgrenze zu erstatten sind. Auch das ist nicht Gegenstand des Begehrens des Klägers.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 ZPO. Der Einräumung einer Abwendungsbefugnis bedurfte es angesichts der -wenn überhaupt anfallenden – jedenfalls geringen, vorläufig vollstreckbaren Aufwendungen des Beklagten nicht, zumal dieser auch die Rückzahlung garantieren kann, sollte in der Sache eine Entscheidung mit anderer Kostentragungspflicht ergehen.


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