Verwaltungsrecht

Kein Anspruch auf Zuerkennung subsidiären Schutzes (Irak)

Aktenzeichen  M 4 K 16.31481

Datum:
13.4.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
GG GG Art. 16a
AsylG AsylG § 3, § 4
AufenthG AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7 S. 1

 

Leitsatz

1 Eine Anerkennung als Asylberechtigter scheidet schon wegen Art. 16a Abs. 2, § 26a Abs. 1 AsylG aus, wenn der Betroffene über den Landweg und somit über einen oder mehrere Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaften bzw. sicheren Drittstaat nach Deutschland eingereist ist. (Rn. 16) (redaktioneller Leitsatz)
2 Zwar findet im Irak derzeit ein militärischer, bewaffneter Konflikt statt, der einen großen Teil des Landes erfasst und bei dem das irakische Militär nur langsam die Oberhand zu gewinnen scheint. Dieser innerstaatliche Konflikt stellt aber keine landesweite Konfliktsituation dar, da in den drei kurdisch verwalteten Provinzen im Nordirak keine tatsächliche Gefahr besteht. (Rn. 21) (redaktioneller Leitsatz)
3 Beruft sich ein Ausländer auf allgemeine Gefahren, kann er Abschiebungsschutz regelmäßig nur durch einen generellen Abschiebestopp nach § 60a Abs. 1 S. 1 AufenthG erhalten. (Rn. 25) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Über die Klage konnte aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 13. April 2017 entschieden werden, obwohl auf Beklagtenseite niemand erschienen ist, da in der Ladung zur mündlichen Verhandlung darauf hingewiesen wurde, dass auch im Fall des Nichterscheinens der Beteiligten verhandelt und entschieden werden kann (§ 102 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO -). Die Beklagte ist form- und fristgerecht geladen worden.
I.
Die zulässige Klage ist unbegründet. Der streitgegenständliche Bescheid des Bundesamtes ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seine Rechten (§ 113 Abs. 1 und Abs. 5 VwGO).
Das Gericht folgt den Ausführungen der Beklagten im streitgegenständlichen Bescheid (§ 77 Abs. 2 AsylG). Rein ergänzend wird ausgeführt:
Der Kläger hat im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG) keinen Anspruch auf Gewährung internationalen Schutzes, da die Voraussetzungen des Art. 16a GG sowie der §§ 3 Abs. 1 und 4 Abs. 1 AsylG nicht vorliegen. Auch Abschiebungshindernisse nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG sind nicht gegeben.
1. Eine Anerkennung als Asylberechtigter scheidet schon wegen Art. 16a Abs. 2 Grundgesetz -GG-, § 26a Abs. 1 Asylgesetz -AsylG- aus, da der Kläger über den Landweg und somit über einen oder mehrere Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaften bzw. sicheren Drittstaat nach Deutschland eingereist ist.
2. Der Kläger hat zum Zeitpunkt der Entscheidungsreife auch keine Anspruch auf Zu-erkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 60 Abs. 1 Aufenthaltsgesetz
AufenthG-, §§ 3 ff. AsylG. Es droht ihm bei einer Rückkehr in sein Heimatland nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine Verfolgung aufgrund einer der in § 3 AsylG aufgezählten Anknüpfungsmerkmale.
Die Inhaftierung des Klägers in … im Jahr 2007 liegt mittlerweile zehn Jahre zurück. Schon nach eigener Aussage des Klägers ist er seit seiner Freilassung, die ca. vier Monate später erfolgte, bis zu seiner Ausreise im Jahr 2015 im Irak keinerlei Verfolgungsmaßnahmen ausgesetzt gewesen. Damit fehlt es an jeglichem Anknüpfungspunkt für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft.
3. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Zuerkennung von subsidiärem Schutz nach § 60 Abs. 2 AufenthG i.V.m. § 4 Abs. 1 AsylG.
Konkrete Anhaltspunkte für das Drohen eines ernsthaften Schadens nach § 60 Abs. 2 AufenthG i.V.m. § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und Nr. 2 AsylG (Todesstrafe, Folter, unmenschliche Behandlung oder Bestrafung) sind nicht ersichtlich.
Ebenso ist der Kläger auch nicht subsidiär schutzberechtigt im Sinne von § 4 Abs. 1 Nr. 3 AsylG, weil ihm eine ernsthafte individuelle Bedrohung seines Lebens oder seiner Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts droht. Der Kläger lebte zuletzt in …h/ …, das südlich von … an der Straße zwischen … und … liegt (vgl. https: …www.google.de/maps/place/Fayda,+Irak/@36.7567967,42.9095077,14z/data=!3m1!4b1!4m5!3m4!1s0x400862fbd9b15393:0xf222b3a94181d743!8m²!3d36.7560135!4d42.9251696, aufgerufen am 31.5.2017). … wird nach den Erkenntnissen des Gerichts und auch dem eigenen Vortrag des Klägers von den Kurdischen Autonomiegebieten verwaltet. Zwar findet im Irak derzeit ein militärischer, bewaffneter Konflikt statt, der einen großen Teil des Landes erfasst und bei dem das irakische Militär nur langsam die Oberhand zu gewinnen scheint. Dieser innerstaatliche Konflikt stellt aber keine landesweite Konfliktsituation dar, da in den drei kurdisch verwalteten Provinzen im Nordirak keine tatsächliche Gefahr besteht. Im Gegenteil ist dieses Gebiet zum Zufluchtsort vieler Binnenflüchtlinge aus den übrigen Teilen des Iraks geworden. Das Vordringen von Kämpfern des IS ist an den Grenzen der Kurdischen Autonomiegebiete aufgehalten worden. Die Kurdischen Autonomiegebiete sind von Kämpfen oder sonstigen Ereignissen, die als „innerstaatlicher bewaffneter Konflikt“ angesehen werden könnten, nicht betroffen (vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak vom 18.2.2016, S. 4, 7, 12 ff.; vgl. auch das Gutachten des europäischen Zentrums für kurdische Studien vom 7.9.2015). Dies gilt ebenso für das kurdisch verwaltete … – zudem ist der Kläger auch nach eigenen Angaben dorthin vor dem IS geflohen und er hatte nach eigener Aussage selbst keine Probleme im Irak.
4. Nationale Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 AufenthG oder § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG sind ebenfalls nicht gegeben/vorgetragen.
a) Konkrete Anhaltspunkte für das Vorliegen eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 5 AufenthG sind nicht ersichtlich.
b) Nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Dabei sind nach § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG Gefahren, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu berücksichtigen.
(1) Beruft sich der Ausländer demzufolge auf allgemeine Gefahren, kann er Abschiebungsschutz regelmäßig nur durch einen generellen Abschiebestopp nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG erhalten. Allgemeine Gefahren in diesem Sinne sind alle Gefahren, die der Bevölkerung des Iraks auf Grund der derzeit dort bestehenden Sicherheits- und Versorgungslage allgemein drohen. Dazu zählen neben der Gefahr, Opfer terroristischer Übergriffe zu werden und Gefahren durch die desolate Versorgungslage auch Gefahren krimineller Aktivitäten und Rachebestrebungen von Privatpersonen.
Das Bayerische Staatsministerium des Innern hat mit Rundschreiben vom 10. August 2012 (Az. IA2-2081.13-15) in der Fassung vom 3. März 2014 bekannt gegeben, dass eine zwangsweise Rückführung zur Ausreise verpflichteter irakischer Staatsangehörigen grundsätzlich (Ausnahme: Straftäter aus den Autonomiegebieten) nach wie vor nicht möglich ist und ihr Aufenthalt wie bisher weiterhin im Bundesgebiet geduldet wird. Es ist daher davon auszugehen, dass diese Mitteilung eines faktischen Abschiebungsstopps derzeit einen wirksamen Schutz vor Abschiebung hinsichtlich allgemeiner Gefahren vermittelt, so dass es keines zusätzlichen Schutzes in verfassungskonformer Auslegung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG bedarf (vgl. BVerwG, U. v. 12.7.2001 – 1 C 2/01 – NVwZ 2001, 1420).
(2) Die Voraussetzungen für einen Abschiebungsschutz gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG aufgrund einer individuellen Gefahrenlage liegen nicht vor.
Nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG liegt eine erhebliche Gefahr aus gesundheitlichen Gründen nur bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen vor, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Dabei ist nach § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik gleichwertig sein muss, wobei eine ausreichende medizinische Versorgung nach Satz 4 auch dann vorliegt, wenn sie nur in einem Teil des Zielstaates gewährleistet wird.
Eine erhebliche Gefahr in diesem Sinne kann beim Kläger nicht angenommen werden bzw. ist nicht vorgetragen. Die vom Kläger vorgelegten Atteste beziehen sich allesamt auf seinen Sohn, der jedoch kein Beteiligter des vorliegenden Verfahrens ist. Sie werden im Asylverfahren des Sohns bzw. des darauf bezogenen Gerichtsverfahrens zu prüfen sein.
II.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden nach § 83b Abs. 1 AsylG nicht erhoben. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung stützt sich auf § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.


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