Verwaltungsrecht

Kein Anspruch eines türkischen (kurdischen) Asylbewerbers auf Erteilung einer Duldung nach erfolglosem Asylverfahren

Aktenzeichen  M 12 E 16.2789

Datum:
7.7.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
EMRK EMRK Art. 8
ARB 1/80 ARB 1/80 Art. 6 Abs. 1
VwGO VwGO § 80 Abs. 5, § 123
AsylG AsylG § 36 Abs. 3
AufenthG AufenthG § 60, § 60a

 

Leitsatz

Stützt ein ausreisepflichtiger Ausländer, dessen Asylantrag als offensichtlich unbegründet abgelehnt worden ist, seinen Antrag auf vorläufige Aussetzung der Abschiebung nach § 123 VwGO gegenüber der Ausländerbehörde auf zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse, ist der Antrag unzulässig. Zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse sind gegenüber dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO iVm § 36 Abs. 1 S. 3 AsylG geltend zu machen. (red. LS Clemens Kurzidem)
Aus Art. 8 EMRK ergibt sich kein inlandsbezogenes Abschiebungshindernis, das die Erteilung einer Duldung rechtfertigen würde, wenn die Abschiebung eines sich illegal in der Bundesrepublik aufhaltenden Ausländers zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung notwendig ist, der Ausländer sich erst kurze Zeit in der Bundesrepublik aufhält und Gesichtspunkte, die die Abschiebung als unverhältnismäßig erscheinen lassen, nicht ersichtlich sind.  (red. LS Clemens Kurzidem)
Eine ordnungsgemäße Beschäftigung iSv Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 setzt eine gesicherte und nicht nur vorläufige Position auf dem Arbeitsmarkt und damit das Bestehen eines nicht bestrittenen Aufenthaltsrechts voraus. Sie liegt nicht vor, wenn ein türkischer Staatsangehöriger lediglich über eine asylverfahrensrechtliche Aufenthaltsgestattung verfügt (wie BVerwG BeckRS 1997, 31230269). (red. LS Clemens Kurzidem)
Dringende humanitäre oder persönliche Gründe, die nach § 60a Abs. 2 S. 3 AufenthG die Erteilung einer Duldung ermöglichen, liegen dann nicht vor, wenn zur Pflege eines erkrankten Angehörigen weitere Familienangehörige zur Verfügung stehen (Ehefrau, Kinder). (red. LS Clemens Kurzidem)

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf EUR 1.250,- festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller ist ein am … geborener türkischer Staatsangehöriger kurdischer Volkszugehörigkeit.
Die Eltern des Antragstellers sowie zwei Geschwister leben seit Februar 2011 im Bundesgebiet. Die Erteilung eines Visums zum Nachzug des damals noch minderjährigen Antragstellers wurde abgelehnt, da die Voraussetzungen des § 32 Abs. 2 AufenthG nicht vorlagen.
Am 17. März 2015 hat er einen Asylantrag gestellt. Bei der Befragung beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) am 11. Januar 2016 teilte der Antragsteller mit, er habe sein Heimatland so circa im Mai 2014 verlassen; er sei circa fünf Tage unterwegs gewesen – dann sei er in Deutschland eingereist. In der Zeit zwischen Mai 2014 und der Asylantragstellung im März 2015 habe er illegal bei seinen Eltern gewohnt.
Dem Antragsteller wurde eine Aufenthaltsgestattung ausgestellt, seit 21. Mai 2015 mit der Auflage „Unselbstständige Tätigkeit gestattet“.
Am 25. März 2015 hat der Antragsteller eine in Deutschland mit unbefristeter Aufenthaltserlaubnis lebende türkische Staatsangehörige geheiratet. Die Ehe wurde durch Beschluss des Amtsgerichts … am … Juni 2016 geschieden.
Ein Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis wurde mit Schreiben vom 17. Juni 2015 zurückgenommen.
Mit Bescheid des Bundesamtes vom 1. März 2016 wurden der Antrag auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und der Antrag auf Asylanerkennung als offensichtlich unbegründet abgelehnt. Der Antrag auf subsidiären Schutz wurde abgelehnt und festgestellt, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 bis 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen. Der Antragsteller wurde aufgefordert, die BRD innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe der Entscheidung zu verlassen. Für den Fall der nicht fristgerechten Ausreise wurde die Abschiebung in die Türkei oder in einen anderen Staat angedroht, in den der Antragsteller einreisen darf oder der zu seiner Rückübernahme verpflichtet ist. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot wurde auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet.
Die hiergegen gerichtete Klage (Az. M 24 K 16.30559) ist beim Bayerischen Verwaltungsgericht München derzeit noch anhängig. Die Anträge nach § 80 Abs. 5 VwGO (Az. M 24 S 16.30560) und § 80 Abs. 7 VwGO (Az. M 24 S7 16.31480) wurden mit Beschlüssen des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 19. April und 27. Juni 2016 unanfechtbar abgelehnt.
Eine für den 22. Juni 2016 geplante Luftabschiebung ist gescheitert.
Mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom … Juni 2016 hat der Antragsteller bei der Antragsgegnerin einen Antrag auf Aussetzung der Abschiebung (Duldung) bis 31. Oktober 2016 nach § 60a AufenthG gestellt. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, der Antragsteller sei krankenversichert und sozialversicherungspflichtig angestellt. Grund für die Aussetzung der Abschiebung sei die mittlerweile über ein Jahr dauernde legale Arbeitstätigkeit des Antragstellers. ARB 1/80 gelte auch aufenthaltsverlängernd. Der Arbeitsvertrag datiere vom 1. Juni 2015. Im Übrigen sei der Vater des Antragstellers schwer erkrankt, habe mindestens 30 kg abgenommen und der Antragsteller müsse zum Lebensunterhalt der Familie den …laden in … weiterführen. Beigefügt war eine eidesstattliche Versicherung des Vaters des Antragstellers vom … Mai 2016, dass er seit ca. sechs Monaten an aggressivem Rheuma und Muskelschwund erkrankt sei, er 30 kg abgenommen habe und derzeit nicht mehr in der Lage sei, seinen …laden zu führen. Ihm sei angeraten worden, eine dreiwöchige Kurmaßnahme in … … durchzuführen. In dieser Zeit könne er seinen …laden nicht allein lassen. Die ganze Familie sei daher auf die Hilfe des Antragstellers angewiesen, um den Lebensunterhalt zu gewährleisten. Weiter war ein auf den 1. Juni 2015 datierter Arbeitsvertrag zwischen dem Antragsteller und … … (unterzeichnet vom Vater des Antragstellers) beigefügt.
Über den Antrag hat die Antragsgegnerin bislang nicht entschieden.
Mit Schriftsatz vom 30. Juni 2016, bei Gericht am selben Tag eingegangen, hat der Antragsteller beantragt,
der Antragsgegnerin im Wege des Erlasses einer einstweiligen Anordnung aufzugeben, die Abschiebung des Antragstellers für zunächst drei Monate auszusetzen.
Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, der Prozessbevollmächtigte habe bereits mit Schriftsatz vom … Mai 2016 einen Antrag auf Aussetzung der Abschiebung gestellt, über den noch nicht entschieden sei. Nun drohe dem Antragsteller die Abschiebung aufgrund eines Bescheides des Bundesamtes. Die Polizei sei bereits eines Morgens bei der Wohnung des Vaters des Antragstellers gewesen, um diesen abzuschieben. Er sei somit akut von Abschiebung bedroht. Der Antragsteller sei krankenversichert und sozialversicherungspflichtig mit Arbeitserlaubnis angestellt. Er sei somit nicht arbeitslos i. S. d. ARB 1/80. Des Weiteren pflege der Antragsteller seinen kranken Vater. Der Antragsteller müsse derzeit den …laden führen, um den Lebensunterhalt der Familie zu bestreiten. Der Antragsteller verfüge über Sprachkenntnisse auf dem Niveau B1. Er habe sich in die deutsche Gesellschaft weitgehend integriert. Der Anordnungsgrund des § 60a AufenthG sei gegeben. Der Antragsteller habe eine legale Arbeit und kümmere sich um seinen schwer erkrankten Vater. Da der Antragsteller mit seiner Familie (Eltern und zwei jüngere Geschwister) eng zusammenlebe, sei er als in Deutschland verwurzelt anzusehen. Der Schutz des Privatlebens mache aufgrund des Art. 8 EMRK eine Duldung erforderlich. Die Pflege des schwer erkrankten Vaters stelle außerdem einen dringenden persönlichen Grund i. S. d. § 60a Abs, 2 Satz 3 AufenthG dar. Des Weiteren ergebe sich aufgrund der seit mehr als einem Jahr bestehenden legalen Arbeitstätigkeit aus Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 ein Anspruch auf Verlängerung seiner Arbeitserlaubnis und auf Duldung. Es lägen darüber hinaus auch Abschiebungsverbote nach § 60 AufenthG vor. Die persönliche Anhörung des Antragstellers im Eilrechtsschutzverfahren werde beantragt.
Die Antragsgegnerin hat mit Schriftsatz vom 4. Juli 2016 beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, ein Aufenthaltsrecht gem. ARB 1/80 sei nicht begründet. Dies setze eine ordnungsgemäße Beschäftigung voraus, die wiederum einen gesicherten Aufenthaltsstatus voraussetze. Zeiten eines negativen Asylverfahrens stellten keinen gesicherten Aufenthalt dar. Aufgrund der Pflegebedürftigkeit des Vaters könne keine Duldung erteilt werden. Die Pflegebedürftigkeit sei zum einen nicht durch ärztliche Atteste nachgewiesen. Der Vater führe in seiner Versicherung aus, dass er während eines dreiwöchigen Kuraufenthalts den …laden nicht führen könne. Dies stimme mit den aktuellen Ausführungen zur Schwere der Krankheit nicht überein. Zudem lebten auch die Mutter des Antragstellers und seine Geschwister in … Eine Schwester sei volljährig. Diese Familienangehörigen könnten sich um den Vater kümmern, soweit dies notwendig sein sollte. Die zielstaatsbezogenen Abschiebungshindernisse könnten nicht zur Aussetzung der Abschiebung durch die Antragsgegnerin führen. Der Asylantrag des Antragstellers sei als offensichtlich unbegründet abgelehnt worden. An diese Entscheidung sei die Antragsgegnerin gebunden. Die Prüfung der Antragsgegnerin beschränke sich auf inlandsbezogene Abschiebungshindernisse. Diese lägen nicht vor. Der Antragsteller sei nach dem Erlöschen seiner Aufenthaltsgestattung vollziehbar ausreisepflichtig.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakten sowie auf die vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.
II.
Die Entscheidung ergeht gem. § 101 Abs. 3 VwGO ohne mündliche Verhandlung. In Verfahren, die nicht mit einem Urteil enden, steht die Durchführung einer mündlichen Verhandlung im Ermessen des Gerichts. Ein Anspruch der Beteiligten, dass eine solche anberaumt wird, besteht nicht (vgl. Geiger in Eyermann, VwGO, 13. Aufl. 2010, § 101 Rn. 12). Eine Entscheidung ohne mündliche Verhandlung ist aufgrund der Eilbedürftigkeit vorliegend geboten. Einer persönlichen Anhörung des Antragstellers zur Sachverhaltsaufklärung bedarf es nicht.
Der Antrag hat keinen Erfolg.
1. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 VwGO ist unzulässig, soweit ihn der Antragsteller auf zielstaatsbezogene Gründe stützt (S. 4-5 der Antragsschrift). Statthafte Antragsart hierfür ist gemäß § 123 Abs. 5 VwGO i. V. m. § 36 Abs. 3 Satz 1 AsylG der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO.
Die vorgesehene Abschiebung des Antragstellers beruht auf der Androhung der Abschiebung des Antragstellers in die Türkei durch das Bundesamt mit Bescheid vom 1. März 2016. Rechtsschutz gegen diese Entscheidung des Bundesamts kann der Antragsteller im Wege der Anfechtungsklage gegen die Bundesrepublik Deutschland sowie durch einen Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO erlangen, vgl. § 36 Abs. 3 Satz 1 AsylG. Der Eilantrag nach § 80 Abs. 5 VwGO muss dabei gemäß § 36 Abs. 3 Satz 1 AsylG innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe der Abschiebungsanordnung gestellt werden. Daneben ist ein Antrag nach § 123 Abs. 1 VwGO, gestützt auf Abschiebungshindernisse, die im asylgerichtlichen Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO geprüft werden, unzulässig. Andernfalls würden in Fällen, in denen der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO verfristet ist, die gesetzliche Wochenfrist nach § 36 Abs. 3 Satz 1 AsylG und der damit verbundene Beschleunigungszweck des Asylverfahrens leerlaufen (vgl. VG Würzburg, B.v. 4.11.2014 – W 1 S 14.30263 – juris Rn. 22; BayVGH, B.v. 9.5.1994 – 24 CE 93.32801 – juris Rn. 12 f.; VG Ansbach, B.v. 3.11.2003 – AN 11 E 03.31651 – juris Rn. 15 ff.; VG Würzburg, B.v. 6.11.2000 – W 2 E 00.31176 – juris Rn. 18 ff.; BayVGH, B.v. 28.10.2013 – 10 CE 13.2257 – juris; BayVGH, B.v. 20.11.2012 – 10 CE 12.2428 – juris; BayVGH, B.v. 12.3.2014 – 10 CE 14.427- juris).
2. Soweit der Antragsteller seinen Antrag auf inlandsbezogene Abschiebungshindernisse stützt, ist der Antrag zulässig, aber unbegründet.
Nach § 123 Abs. 1 VwGO kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte, oder auch zur Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, nötig erscheint, um wesentliche Nachteile für den Antragsteller abzuwenden. Nach § 123 Abs. 3 VwGO i. V. m. § 920 Abs. 2 ZPO sind dabei sowohl ein Anordnungsanspruch, d. h. der materielle Anspruch, für den der Antragsteller vorläufigen Rechtsschutz sucht, als auch ein Anordnungsgrund, der insbesondere durch die Eilbedürftigkeit einer vorläufigen Regelung begründet wird, nach § 920 Abs. 2 i. V. m. § 294 Abs. 1 ZPO glaubhaft zu machen. Maßgebend sind dabei die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung.
Der Antragsteller hat keinen Anordnungsanspruch auf Erteilung einer Duldung glaubhaft gemacht.
Gem. § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG ist die Abschiebung eines Ausländers auszusetzen, solange die Abschiebung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich ist. Dies ist vorliegend nicht ersichtlich.
Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG liegen nach der Entscheidung des Bundesamtes vom 1. März 2016 nicht vor. An diese Entscheidung ist die Antragsgegnerin gem. § 42 Satz 1 AsylG gebunden.
Ein rechtliches Abschiebungshindernis ergibt sich auch nicht aus Art. 8 EMRK. Gem. Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jede Person das Recht auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens. Eine Behörde darf gem. Art. 8 Abs. 2 EMRK in dieses Recht nur eingreifen, soweit der Eingriff gesetzlich vorgesehen und in einer demokratischen Gesellschaft notwendig ist für die nationale oder öffentliche Sicherheit, für das wirtschaftliche Wohl des Landes, zur Aufrechterhaltung der Ordnung, zur Verhütung von Straftaten, zum Schutz der Gesundheit oder der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer. Die Abschiebung illegal aufhältiger Personen ist gesetzlich vorgeschrieben und zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung notwendig. Gründe, die gegen die Verhältnismäßigkeit eines Eingriffs sprechen würden, sind nicht ersichtlich, so dass die Abschiebung des Antragstellers nicht gegen Art. 8 Abs. 1 EMRK verstößt. Hierbei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass sich der Antragsteller erst seit kurzer Zeit im Bundesgebiet aufhält. Fast sein gesamtes Leben hat er in der Türkei verbracht. Es bestehen daher intensive soziale und kulturelle Bindungen zum Herkunftsland. Zwar leben die Eltern und zwei Geschwister des Antragstellers in Deutschland, so dass durchaus persönliche Bindungen im Bundesgebiet bestehen. Allerdings ist der Antragsteller … Jahre alt und damit nicht mehr auf den Beistand seiner Eltern oder Geschwister angewiesen. Der Kontakt kann ohne Weiteres auch über Fernkommunikationsmittel und Besuche aufrechterhalten werden. Eine eigene Kernfamilie hat der Antragsteller im Bundesgebiet nicht begründet. Die Ehe des Antragstellers mit einer im Bundesgebiet lebenden türkischen Staatsangehörigen ist mittlerweile geschieden. Die wirtschaftlichen Bindungen beschränken sich auf eine Anstellung im väterlichen Betrieb. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass der Antragsteller nie über eine gefestigte aufenthaltsrechtliche Position verfügt hat. Er ist illegal eingereist und sein Aufenthalts war nur zum Zwecke der Durchführung des Asylverfahrens gestattet.
Der Antragsteller hat auch nicht glaubhaft gemacht, dass durch die Abschiebung die Verwirklichung eines Rechts vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Zwar trägt der Antragsteller vor, ein Aufenthaltsrecht aus Art. 6 ARB 1/80 erworben zu haben, weil er bereits seit über einem Jahr (ab 1. Juni 2015) eine legale, sozialversicherungspflichtige Beschäftigung ausübe. Abgesehen davon, dass die Aufenthaltsgestattung des Antragstellers und damit auch die darin seit 21. Mai 2015 enthaltene Genehmigung einer unselbstständigen Beschäftigung spätestens mit Zustellung des Beschlusses des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 19. April 2016 gem. § 67 Abs. 1 Nr. 4 AsylG erloschen ist und damit keine legale Beschäftigung von mehr als einem Jahr vorliegt, setzt die Ordnungsmäßigkeit einer Beschäftigung i. S. d. Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 eine gesicherte und nicht nur vorläufige Position auf dem Arbeitsmarkt und damit das Bestehen eines nicht bestrittenen Aufenthaltsrechts voraus. Eine ordnungsgemäße Beschäftigung i. S. d. ARB 1/80 liegt daher nicht vor, wenn der türkische Staatsangehörige – wie hier – lediglich über eine asylverfahrensrechtliche Aufenthaltsgestattung verfügt (BVerwG, B.v. 27.8.1997 – 1 B 169.97 – juris). Ein Anspruch auf eine Aufenthaltsgestattung wird allein durch ein Asylgesuch oder eine Asylantragstellung begründet und dient lediglich dem Zweck der Durchführung des Asylverfahrens. Eine behördliche Prüfung des Aufenthaltsbegehrens findet nicht statt. Somit kann auch keine gesicherte aufenthaltsrechtliche Position vermittelt werden (vgl. Dienelt in Renner/Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 10. Aufl. 2013, Art. 6 ARB 1/80 Rn. 35 und 41).
Zwar kann gem. § 60a Abs. 2 Satz 3 AufenthG einem Ausländer eine Duldung erteilt werden, wenn dringende humanitäre oder persönliche Gründe die weitere Anwesenheit im Bundesgebiet erfordern. Derartige Gründe sind allerdings nicht glaubhaft gemacht. Die Erkrankung des Vaters des Antragstellers wurde schon nicht durch ärztliche Atteste glaubhaft gemacht. Im Übrigen ist angesichts dessen, dass sowohl die Mutter des Antragstellers als auch zwei Geschwister, eine davon volljährig, in … leben, in keiner Weise ersichtlich, dass der Vater des Antragstellers auf dessen Pflege oder auf dessen Betreuung des …ladens angewiesen wäre. Die erforderlichen Tätigkeiten könnten vielmehr auch von den anderen Familienmitgliedern übernommen werden.
3. Der Antrag war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen.
4. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz (GKG) i. V. m. dem Streitwertkatalog.


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