Verwaltungsrecht

Kein einstweiliger Rechtsschutz gegen Abschiebungsandrohung bei widersprüchlichem Vorbringen

Aktenzeichen  Au 6 S 19.30022

Datum:
16.1.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 1774
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 3, § 4, § 30 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1, § 36
AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7
GG Art. 16a
VwGO § 80 Abs. 5

 

Leitsatz

1 Jeder Asylsuchende, der auf dem Landweg in die Bundesrepublik Deutschland gelangt ist, hat den Ausschlussgrund der Einreise aus einem sicheren Drittstaat verwirklicht. (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)
2 Sind die Angaben zu angeblichen Verfolgungshandlungen und zu bisherigen Auslandsaufenthalten widersprüchlich und deshalb unglaubwürdig, tragen diese offensichtlich keinen Schutzanspruch. (Rn. 24 – 28) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens zu tragen.

Gründe

I.
Der Kläger und Antragsteller (im Folgenden: Antragsteller) begehrt im Klageverfahren (Au 6 K 19.30021) nach Ablehnung seines Asylantrags als offensichtlich unbegründet die Anerkennung als Asylberechtigter, die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, die Zuerkennung subsidiären Schutzes und die Feststellung nationaler Abschiebungsverbote und im vorliegenden Antragsverfahren die Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen die Abschiebungsandrohung in die Türkei.
Der ausweislich seines Nüfus am … 1983 in … in der Türkei geborene Antragsteller ist türkischer Staatsangehöriger türkischer Volkszugehörigkeit. Er reiste nach eigenen Angaben per Lkw am 20. Oktober 2018 aus der Türkei aus und am 25. Oktober 2018 in die Bundesrepublik ein (BAMF-Akte Bl. 88) und beantragte am selben Tag Asyl.
In seiner auf Türkisch geführten Anhörung durch die … am 13. November 2018 (BAMF-Akte Bl. 113 ff.) gab der Antragsteller im Wesentlichen an, er habe die Schule bis zur elften Klasse besucht, von 2003 bis 2004 in … Wehrdienst geleistet und habe zuletzt in … selbständig gearbeitet, er habe eine Autowaschanlage gehabt. Er sei am 19. Oktober 2018 aus der Türkei ausgereist (ebenda Bl. 115). Für die Flucht habe er 5.000 Euro bezahlt (ebenda Bl. 116).
Bei seiner auf Türkisch geführten Anhörung vor dem Bundesamt am 15. November 2018 (BAMF-Akte Bl. 96 ff.) gab der Antragsteller darüber hinaus im Wesentlichen an, er sei illegal im Jahre 2007 nach Italien eingereist, habe sich von 2007-2012 dort mit einer Aufenthaltsgenehmigung für 5 Jahre aufgehalten und habe im Jahr 2012 psychische Probleme aufgrund seiner Lebensumstände gehabt, deswegen Italien verlassen und sei in die Türkei zurückgekehrt. Er habe den Onkel in Deutschland besucht. Bis ins Jahr 2018 habe er in der Türkei gelebt (ebenda Bl. 88). Er beantragte in Italien Asyl aufgrund der politischen Probleme in seiner Heimatstadt … Zu diesem Zweck habe er dann erneut die italienische Ausländerbehörde besucht, erfahren, dass ihm kein Bleiberecht zustehe und er ein neues Asylverfahren durchführen müsste. Daraufhin habe er keine Fingerabdrücke abgegeben und auch kein neues Asylverfahren beantragt. Anschließend sei er erneut illegal in die Türkei zurückgegangen, habe sich dort 6 Monate aufgehalten, dieselben Probleme gehabt, sei unter Druck gesetzt worden und aus diesem Grunde ausgereist, allerdings direkt nach Deutschland (ebenda Bl. 88). Wann er das zweite Mal in Italien gewesen sei, wisse er nicht genau, aber es müsse ca. 6 Monate gewesen sein, bevor er nach Deutschland einreiste, grob also im Winter/Frühling 2018 (ebenda Bl. 88). Dokumente aus Italien habe er keine (ebenda Bl. 88).
Er habe vor 10 Jahren einen Reisepass gehabt, der abgelaufen und entsorgt worden sei; er habe das Dokument der Polizei gegeben und sei gefragt worden, ob er den Pass verlängern wolle, was er verneinte; dann sei der Pass gelocht und anschließend entsorgt worden. Auf Nachfrage antwortete er, dass es vor ca. 10 Jahren passiert sei (ebenda Bl. 87).
Er sei Arbeiter in einer Autowaschanlage gewesen und habe von seinem Lohn gelebt (ebenda Bl. 89). Den Schleuser habe er mit Krediten bei seiner Verwandtschaft bezahlt. Wehrdienst habe er geleistet 15 Monate und 10 Tage lang von 2003-2004 (ebenda Bl. 89).
Auf Frage nach seinen Fluchtgründen gab er an, er sei ein HDP Sympathisant, kein Mitglied der Partei, habe jedoch an den diversen Veranstaltungen der Partei teilgenommen. Ein Verwandter namens … sei Abgeordneter in … und zuvor auch Abgeordneter in … und derzeit inhaftiert. Der Antragsteller habe an Newroz-Veranstaltungen und auch an Treffen der Partei teilgenommen, sei aus diesem Grund aufgesucht, in der Stadt durchsucht und unter Druck gesetzt worden; daher habe er sich im Dorf aufgehalten und sei nicht nach Hause gegangen (ebenda Bl. 90). In der Annahme, dass man ihn inzwischen vergessen habe, habe er nach einem Telefonat mit den Eltern festgestellt, dass erneut nach seinem Aufenthalt gefragt worden und den Eltern versprochen worden sei, ihm nichts anzutun. Er habe sich nicht in der Öffentlichkeit frei bewegen und auch keine Arbeitsstelle annehmen können; sobald man sich in irgendeiner Weise betätigen wollte, stünden sie vor ihm. Die Gründe, die er bei seinem ersten Asylantrag in Italien angegeben habe, seien exakt die gleichen, aber im Jahr 2007 sei die Situation gravierender gewesen; sämtliche Freunde seien damals festgenommen und inhaftiert worden. Heutzutage werde man für 15 Jahre inhaftiert, wenn man lediglich an HDP Veranstaltungen teilnehme (ebenda Bl. 90). Sei man kein Anhänger von Erdogan, dann habe man viele Probleme zu befürchten. Man werde in und an allem, was man tue, gehindert und kontinuierlich unter Druck gesetzt. Es bestehe eine Todesgefahr im schlimmsten Fall. Aus den genannten Gründen habe er die Türkei verlassen (ebenda Bl. 91).
Auf Frage nach konkreten Maßnahmen erklärte er, es sei nach ihm gesucht worden, er sei unter Druck gesetzt, auf das Polizeipräsidium gebracht und dort für 2-3 Tage ins Gewahrsam genommen worden. Ihm seien sämtliche Fotos gezeigt und er nach der Identität der Personen gefragt sowie als Staatsverräter beschimpft worden, wenn er gesagt habe, dass er diese Personen nicht kenne. Er sei weiter unter Druck gesetzt und auch geschlagen und mit dem Tod bedroht worden (ebenda Bl. 91).
Auf Frage nach konkreten Daten konnte er diese nicht nennen. Jedes Mal, wenn er mitgenommen worden sei, habe man ihn dort für 2 bis 3 Tage behalten; er könne sich daran erinnern, dass es im Winter war, also Februar oder März 2018. Da sei er sicher (ebenda Bl. 91).
Auf Frage, warum er bei fortbestehender Situation seit 2007 Italien verlassen habe, verwies er auf psychische Probleme und Alkoholmissbrauch; er sei kurz vor dem Tode gestanden und in der Türkei im Krankenhaus behandelt und therapiert worden (ebenda Bl. 91).
Auf Vorhalt einer Inhaftierung in Deutschland bis Ende 2017 mit Meldungen aus der JVA … und danach aus der JVA … mit dem Tatvorwurf „sexueller Missbrauch widerstandsunfähiger Personen“ sowie „Verstöße gegen BtMG“ erklärte er, in einer Kneipe in … habe ihn eine drogenabhängige Person beschuldigt, ihr Geld geklaut zu haben. Sehr wahrscheinlich sei das im Jahre 2012 passiert. Damals habe er in … gelebt, ehe er nach … zog. Die Gerichte hätten ihn freigesprochen (ebenda Bl. 92). Auf Vorhalt, dass er bereits 2017 in Deutschland gewesen sei und Nachfrage, ob er irgendwelche Nachweise habe, dass er seitdem Deutschland verlassen habe, erklärte er, zu dem Zeitpunkt habe er den Onkel besucht, der in … lebte und sei nicht in … gewesen (ebenda Bl. 92). Er habe auch einen Reisepass gehabt (ebenda Bl. 92).
Auf Vorhalt, das möge 2012 so gewesen sein, aber er sei 2017 erneut hier und es bestehe die Vermutung, dass er Deutschland nicht verlassen habe, erklärte er, er habe keine Nachweise. Unmittelbar nach seinem Freispruch sei er nach Italien und von dort aus zurück in die Türkei gereist (ebenda Bl. 92). Auf Frage, was er befürchte im Falle der Rückkehr in die Türkei wollte er sich das nicht einmal vorstellen; wahrscheinlich könne er das Gefängnis im Alter von 50-60 Jahre verlassen. Eine Anklageschrift oder einen Fahndungsaufruf gebe es aber nicht; sie verfügten aber über sämtliche Bilder und Videodateien und hätten Agenten, die sich im kleinen … auskennen und jeden fänden, den sie suchten (ebenda Bl. 93).
Auf Frage, warum er nicht aus dem kleinen … irgendwo anders hingegangen sei z.B. nach… oder, erklärte er, wenn man gesucht werde, werde man überall gefunden. In … bestehe zumindest die Möglichkeit, dass man sich dagegen wehren könne. In Großstädten wisse man nicht, was einen erwarte (ebenda Bl. 93).
Der Kläger legte noch einen türkischen Behandlungsnachweis eines … Krankenhauses für die Zeit vom 9. Mai 2017 bis 23. Mai 2017 vor (BAMF-Akte Bl. 110 mit Übersetzung ebenda Bl. 112).
Das Bundesamt lehnte mit Bescheid vom 27. Dezember 2018, dem Antragsteller zugestellt am 3. Januar 2019, die Anträge auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (Ziffer 1), auf Anerkennung als Asylberechtigter (Ziffer 2) und auf Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus (Ziffer 3) jeweils als offensichtlich unbegründet ab und stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen (Ziffer 4). Es forderte den Antragsteller zur Ausreise binnen einer Woche nach Bekanntgabe der Entscheidung auf und drohte die Abschiebung in die Türkei oder einen anderen Staat an, in den er einreisen dürfe oder der zu seiner Rücknahme verpflichtet sei (Ziffer 5). Das Einreise- und Aufenthaltsverbot nach § 11 Abs. 1 AufenthG wurde auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Ziffer 6). Die Voraussetzungen für die Anerkennung als Asylberechtigter und für die Zuerkennung internationalen Schutzes lägen offensichtlich nicht vor. Eine Gruppenverfolgung von Kurden im Südosten der Türkei liege wohl nicht vor, es gebe jedenfalls interne Schutzmöglichkeiten. Auch wegen seiner Sympathie für die HDP hebe sich der Antragsteller nicht derart aus der Masse der Sympathisanten, Unterstützer und einfachen Mitglieder durch eine spezielle Position oder Aufgabe derart hervor, dass eine Verfolgung durch den türkischen Staat alleine deswegen anzunehmen wäre. Soweit er vortrage, dass er zu einem nicht genau genannten Zeitpunkt von der Polizei aufgesucht und mitgenommen und dabei auch geschlagen worden sei, begründe dies im vorliegenden Fall nicht die Annahme einer Verfolgung i.S.d. § 3 AsylG. Im Gegenteil habe der Antragsteller nicht glaubhaft dargelegt, dass eine asylrelevante Verfolgungssituation Auslöser für seine Flucht in die Bundesrepublik Deutschland war. Sein Vorbringen sei nicht substantiiert vorgetragen, er habe keine konkrete und detaillierte Verfolgungssituation oder Verfolgungshandlungen angegeben, sondern lediglich pauschal, unter Druck gesetzt und verhaftet worden zu sein.
Offensichtlich unbegründet sei der Asylantrag nach § 30 Abs. 1 AsylG, weil der Antragsteller nicht substantiiert habe darlegen können, dass er sich in den Wintermonaten 2018 überhaupt in der Türkei aufgehalten habe, sowie er dies behauptete. Nachweislich habe er sich vom Oktober 2017 bis Ende November 2017 in der Untersuchungshaft in Deutschland aufgehalten, was er zu verheimlichen suchte. Er habe lediglich eine Bescheinigung eines Krankenhauses aus … vorgelegt, dass er dort vom 9. – 23. Mai 2017 behandelt worden sei. Weitere Nachweise über seinen erneuten Aufenthalt in der Türkei habe er nicht vorgelegt. Somit bestünden berechtigte Zweifel an der Richtigkeit seiner Angaben. Subsidiärer Schutz stehe ihm aus diesen Gründen ebenso wenig zu. Auch sonst führten die derzeitigen humanitären Bedingungen in der Türkei nicht zu der Annahme, dass bei einer Abschiebung des Antragstellers eine Verletzung des Art. 3 EMRK drohe, auch wenn die türkische Wirtschaft mit enormen Problemen zu kämpfen habe. Der Kläger sei ein junger, gesunder und arbeitsfähiger Mann, bei dem davon auszugehen sei, dass er in der Lage sei, sich zumindest ein Existenzminimum in der Türkei zu sichern. Ihm drohe auch keine individuelle Gefahr für Leib oder Leben, die zur Feststellung eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 7 AufenthG führe. Die Abschiebungsandrohung stütze sich auf § 34 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 59 AufenthG; die Ausreisefrist von einer Woche auf § 36 Abs. 1 AsylG. Die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots auf 30 Monate sei angemessen. Schutzwürdige Belange seien nicht vorgetragen.
Hiergegen erhob der Antragsteller am 8. Januar 2018 Klage (Au 6 K 19.30021) mit dem Antrag, die Bundesrepublik Deutschland zu verpflichten, den Antragsteller als Asylberechtigten anzuerkennen, hilfsweise ihm die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen, hilfsweise festzustellen, dass er die Voraussetzungen des subsidiären Schutzstatus erfüllt, hilfsweise festzustellen, dass für ihn Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG vorliegen, hilfsweise das Einreise- und Aufenthaltsverbot aufzuheben bzw. kürzer zu befristen und den Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 27. Dezember 2018 aufzuheben.
Er beantragte weiter,
die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsandrohung anzuordnen.
Der Antragsteller nimmt Bezug auf seinen Vortrag bei seiner Anhörung.
Die Antragsgegnerin hat keinen Antrag gestellt.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und die von der Antragsgegnerin am 14. Januar 2019 vorgelegte Behördenakte verwiesen.
II.
Der Antrag des Antragstellers nach § 80 Abs. 5 VwGO, § 36 Abs. 3 AsylG auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage hat keinen Erfolg.
Gegenstand des verwaltungsgerichtlichen Eilverfahrens nach § 36 Abs. 3 AsylG ist die von der Antragsgegnerin ausgesprochene Abschiebungsandrohung, beschränkt auf die sofortige Vollziehbarkeit.
Nach § 36 Abs. 4 Satz 1 AsylG darf die Aussetzung der Abschiebung nur angeordnet werden, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen. Dies bedeutet, dass die Vollziehung der aufenthaltsbeendenden Maßnahme nur dann ausgesetzt werden darf, wenn erhebliche Gründe dafür sprechen, dass die Maßnahme einer rechtlichen Prüfung wahrscheinlich nicht standhält (BVerfG, U.v. 14.5.1996 – 2 BvR 1507/93, 2 BvR 1508/93 – DVBl 1996, 729). Dabei muss das Verwaltungsgericht bereits im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes diese Prüfung auch auf das Merkmal der Offensichtlichkeit erstrecken (vgl. BVerfG, B.v. 5.2.2003 – 2 BvR 153/02 – InfAuslR 2003, 244). Denn nachdem diese Regelung und die damit verbundene Ausreisefrist von einer Woche (§ 36 Abs. 1 AsylG) die Folge aus der qualifizierten Asylablehnung sind, ist Anknüpfungspunkt der gerichtlichen Überlegungen zur Frage der Bestätigung oder Verwerfung des Sofortvollzugs die Prüfung, ob die für eine Aussetzung der Abschiebung erforderlichen ernstlichen Zweifel auch bezogen auf das Offensichtlichkeitsurteil des Bundesamtes vorliegen.
1. Im vorliegenden Verfahren bestehen keine ernstlichen Zweifel daran, dass der Asylantrag i.w.S. als offensichtlich unbegründet abzulehnen ist.
Ein Asylantrag ist offensichtlich unbegründet, wenn die Voraussetzungen für eine Anerkennung als Asylberechtigter und die Voraussetzungen für internationalen Schutz offensichtlich nicht vorliegen (§ 30 Abs. 1 AsylG). Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts setzt eine Abweisung der Asylklage als offensichtlich unbegründet voraus, dass im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichts an der Richtigkeit der tatsächlichen Feststellungen des Gerichts vernünftigerweise keine Zweifel bestehen können und bei einem solchen Sachverhalt nach allgemein anerkannter Rechtsauffassung die Abweisung der Klage sich dem Verwaltungsgericht geradezu aufdrängt (vgl. BVerfG, B.v. 20.9.2001 – 2 BvR 1392/00 – InfAuslR 2002, 146). Aus den Gründen muss sich klar ergeben, weshalb dieser Ausspruch in Betracht kommt, insbesondere, warum der Asylantrag nicht nur als schlicht unbegründet, sondern als offensichtlich unbegründet abgewiesen worden ist (vgl. grundlegend BVerfG, B.v. 3.9.1996 – 2 BvR 2353/95 – BayVBl 1997, 15; B.v. 2.5.1984 – 2 BvR 1413/83 – juris Rn. 27). Dieser Maßstab muss entsprechend auch für die behördliche Offensichtlichkeitsentscheidung nach § 30 AsylG gelten. Es kommt also darauf an, ob die Offensichtlichkeitsentscheidung in Bezug auf die geltend gemachten Asylgründe bei der hier gebotenen Prüfung im Eilverfahren mit der erforderlichen Richtigkeitsgewähr bestätigt werden kann.
Dies ist hier der Fall. Aus dem Vortrag des Antragstellers ergeben sich keine beachtlichen Anhaltspunkte dafür, dass ihm bei einer Rückkehr in die Türkei Verfolgung oder ein ernsthafter Schaden drohten. Auch Abschiebungsverbote sind nicht ansatzweise erkennbar.
a) Der Antragsteller hat offensichtlich keinen Anspruch auf Asylanerkennung nach Art. 16a Abs. 1 GG, da bereits die Drittstaatenregelung nach Art. 16a Abs. 2 Satz 1 und 2 GG die Asylzuerkennung ausschließt.
Nach Art. 16a Abs. 2 Satz 1 und 2 GG kann sich auf das Asylrecht nicht berufen, wer aus einem Mitgliedsstaat der Europäischen Gemeinschaft oder aus einem anderen durch Gesetz zu bestimmenden Drittstaat einreist, in dem die Anwendung des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten sichergestellt ist. Da alle Nachbarstaaten der Bundesrepublik Deutschland entweder auf Grund ihrer Mitgliedschaft in der Europäischen Gemeinschaft oder auf Grund der Anlage I zu § 26a AsylG sichere Drittstaaten sind, hat jeder Asylsuchende, der auf dem Landweg in die Bundesrepublik Deutschland gelangt ist, den Ausschlussgrund der Einreise aus einem sicheren Drittstaat verwirklicht (vgl. BVerwG, U.v. 7.11.1995 – 9 C 73/95 – BVerwGE 100, 23). Die Drittstaatenregelung nach Art. 16a Abs. 2 GG greift nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. BVerfG, U.v. 14.5.1996 – 2 BvR 1938/93, 2 BvR 2315/93 – DVBl 1996, 729) immer dann ein, wenn feststeht, dass der Ausländer nur über einen sicheren Drittstaaten in die Bundesrepublik Deutschland eingereist sein kann.
Dies ist vorliegend – die Angaben des Klägers zur Einreise hier vorläufig als wahr unterstellt – wegen der Einreise per Lkw am 25. Oktober 2018 in die Bundesrepublik Deutschland (BAMF-Akte Bl. 88) der Fall. Die Anerkennung als Asylberechtigte scheidet daher nach Art. 16a Abs. 2 Satz 1 GG aus. Ausnahmen nach § 26a Abs. 1 Satz 3 AsylG liegen nicht vor, insbesondere berechtigte ein etwaiger italienischer Aufenthaltstitel – so er im Zeitpunkt der Einreise noch nicht abgelaufen gewesen wäre – nicht zur Einreise ins Bundesgebiet.
b) Der Antragsteller hat auch materiell offensichtlich keinen Anspruch auf Asylanerkennung nach Art. 16a Abs. 1 GG oder Zuerkennung von Flüchtlingsschutz nach § 3 AsylG sowie auf subsidiären Schutz nach § 4 AsylG, da ihm nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit die dort genannten Gefahren drohen.
aa) Der konkrete Ausreiseanlass des Klägers ist trotz seiner ausführlich geführten Anhörung vor dem Bundesamt letztlich im Dunkeln geblieben und trägt offensichtlich nicht die Annahme einer mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohenden politischen Verfolgung im Sinne des Art. 16a Abs. 1 GG oder einer Verfolgungsgefahr im Sinne des § 3 AsylG.
Die Angaben des Antragstellers sind – wie vom Bundesamt bereits herausgearbeitet – in sich widersprüchlich.
Zu seinen Aufenthaltszeiten gab der Antragsteller zunächst an, er sei illegal im Jahre 2007 nach Italien eingereist, habe sich von 2007-2012 dort mit einer Aufenthaltsgenehmigung für 5 Jahre aufgehalten und habe im Jahr 2012 psychische Probleme aufgrund seiner Lebensumstände gehabt, deswegen Italien verlassen und sei in die Türkei zurückgekehrt. Er habe den Onkel in Deutschland besucht. Bis ins Jahr 2018 habe er in der Türkei gelebt (BAMF-Akte Bl. 88). Er beantragte in Italien Asyl aufgrund der politischen Probleme in seiner Heimatstadt … Zu diesem Zweck habe er dann erneut die italienische Ausländerbehörde besucht, erfahren, dass ihm kein Bleiberecht zustehe und er ein neues Asylverfahren durchführen müsste. Daraufhin habe er keine Fingerabdrücke abgegeben und auch kein neues Asylverfahren beantragt. Anschließend sei er erneut illegal in die Türkei zurückgegangen, habe sich dort 6 Monate aufgehalten, dieselben Probleme gehabt, sei unter Druck gesetzt worden und aus diesem Grunde ausgereist, allerdings direkt nach Deutschland (ebenda Bl. 88). Wann er das zweite Mal in Italien gewesen sei, wisse er nicht genau, aber es müsse ca. 6 Monate gewesen sein, bevor er nach Deutschland einreiste, grob also im Winter/Frühling 2018 (ebenda Bl. 88). Dokumente aus Italien habe er keine (ebenda Bl. 88).
Erst auf Vorhalt einer Inhaftierung in Deutschland bis Ende 2017 mit Meldungen aus der JVA … und danach aus der JVA … und der Nachfrage, ob er irgendwelche Nachweise habe, dass er seitdem Deutschland verlassen habe, erklärte er, zu dem Zeitpunkt habe er den Onkel besucht, der in … lebte und er sei nicht in … gewesen (ebenda Bl. 92).
Somit sind die Angaben des Klägers zur Einreise nach Deutschland bereits zeitlich nicht nachvollziehbar; er befand sich jedenfalls im Herbst 2017 illegal in Deutschland, so dass seine Angabe, bis ins Jahr 2018 habe er in der Türkei gelebt (ebenda Bl. 88) jedenfalls in dieser Pauschalität nicht glaubwürdig ist.
Darüber hinaus beantragte er im Herbst 2017 in Deutschland offenbar kein Asyl, sondern erst am 25. Oktober 2018, was unverständlich ist, wenn – wie er angab – sein Ausreisegrund immer derselbe gewesen sei und sich in jüngerer Zeit sogar verschlimmert habe: Die Gründe, die er bei seinem ersten Asylantrag in Italien angegeben habe, seien exakt die gleichen, aber im Jahr 2007 sei die Situation gravierender gewesen; sämtliche Freunde seien damals festgenommen und inhaftiert worden. Heutzutage werde man für 15 Jahre inhaftiert, wenn man lediglich an HDP Veranstaltungen teilnehmen (ebenda Bl. 90). Sei man kein Anhänger von Erdogan, dann habe man viele Probleme zu befürchten. Man werde in und an allem, was man tue, gehindert und kontinuierlich unter Druck gesetzt. Es bestehe eine Todesgefahr im schlimmsten Fall. Aus den genannten Gründen habe er die Türkei verlassen (ebenda Bl. 91). Eine offenbar als ausweglos empfundene Drucksituation in der Türkei kann also noch im Jahr 2017 nicht bestanden haben, wenn der Antragsteller – seine Angaben hier vorläufig als wahr unterstellt – im Jahr 2017 sowohl in Italien als auch in Deutschland bewusst keinen Schutz suchte, geschweige denn förmlich Asyl beantragte. Diese Einschätzung wird auch nicht durch den vorgelegten türkischen Behandlungsnachweis eines … Krankenhauses für die Zeit vom 9. Mai 2017 bis 23. Mai 2017 (BAMF-Akte Bl. 110 mit Übersetzung ebenda Bl. 112) erschüttert, denn die Behandlung lag deutlich vor der Inhaftierung in Deutschland.
Offensichtlich widersprüchlich sind auch seine Angaben zum Besitz eines Reisepasses. Während er zunächst angab, er habe vor 10 Jahren einen Reisepass gehabt, der abgelaufen und entsorgt worden sei; er habe das Dokument der Polizei gegeben und sei gefragt worden, ob er den Pass verlängern wolle, was er verneinte; dann sei der Pass gelocht und anschließend entsorgt worden; auf Nachfrage antwortete er, dass es vor ca. 10 Jahren passiert sei (ebenda Bl. 87), gab er später auf Vorhalt seines Aufenthalts in Deutschland im Jahr 2017 an, zu dem Zeitpunkt habe er den Onkel besucht, der in … lebte und sei nicht in … gewesen (ebenda Bl. 92). Er habe auch einen Reisepass gehabt (ebenda Bl. 92). Dann hätte er allerdings nicht nur einmal – zuletzt vor zehn Jahren – sondern auch bis vor einem Jahr einen Reisepass besessen. Dass eine der beiden Angaben unwahr sein muss, liegt auf der Hand. Der Antragsteller will offensichtlich seine wahren Aufenthaltszeiten in Italien, Deutschland und der Türkei verschleiern, wozu beiträgt, dass die Ermittlungen der Beklagten in den europäischen Datenbanken zu keinen Hinweisen auf Voraufenthalte des Antragstellers in Italien geführt haben.
Unglaubwürdig weil widersprüchlich sind auch seine Angaben zu angeblichen Verfolgungshandlungen: Auf Frage nach konkreten Maßnahmen erklärte er, es sei nach ihm gesucht worden, er sei unter Druck gesetzt, auf das Polizeipräsidium gebracht und dort für 2-3 Tage ins Gewahrsam genommen worden. Ihm seien sämtliche Fotos gezeigt und er nach der Identität der Personen gefragt sowie als Staatsverräter beschimpft worden, wenn er gesagt habe, dass er diese Personen nicht kenne. Er sei weiter unter Druck gesetzt und auch geschlagen und mit dem Tod bedroht worden (ebenda Bl. 91). Auf Frage nach konkreten Daten konnte er diese nicht nennen. Jedes Mal, wenn er mitgenommen worden sei, habe man ihn dort für 2 bis 3 Tage behalten; er könne sich daran erinnern, dass es im Winter war, also Februar oder März 2018. Da sei er sicher (ebenda Bl. 91). Dass er sich zu diesem Zeitpunkt überhaupt in der Türkei aufgehalten hat, ist wegen der oben aufgeführten Widersprüche hinsichtlich der Aufenthaltszeiten nicht nachvollziehbar, denn auf Frage, wann er das zweite Mal in Italien gewesen sei, erklärte er, er wisse es nicht genau, aber es müsse ca. 6 Monate gewesen sein, bevor er nach Deutschland einreiste, grob also im Winter/Frühling 2018 (ebenda Bl. 88). Dann kann er aber nicht in demselben Zeitraum in der Türkei gewesen und dort Verfolgungsmaßnahmen erlitten haben. Der Widerspruch ist offensichtlich.
Dies zusammengenommen ist nach Aktenlage bereits von der massiven Widersprüchlichkeit des Vorbringens des Antragstellers zu seiner angeblichen Verfolgung bzw. Gefährdung in der Türkei auszugehen. Dies trägt nach § 30 Abs. 1 und Abs. 3 Nr. 1 AsylG offensichtlich keinen Schutzanspruch nach den o.g. Schutznormen.
bb) Auch ein Anspruch auf subsidiären Schutz kommt wegen der Unglaubwürdigkeit des Klägers angesichts seiner massiv widersprüchlichen Angaben (vgl. soeben) nicht in Betracht. Sein Vorbringen trägt offensichtlich nicht die Annahme einer mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohenden Gefahr im Sinne des § 4 AsylG.
c) Auch Abschiebungsverbote liegen offensichtlich nicht vor. Der Antragsteller ist arbeitsfähig und verfügt über Schulbildung sowie über Arbeitserfahrung. Zur Sicherung seines Lebensunterhalts sind ihm auch Tätigkeiten wie zuvor als Arbeiter oder Inhaber einer Autowaschanlage – seine Angaben weichen selbst hierzu voneinander ab (BAMF-Akte Bl. 115: Er habe zuletzt in … selbständig gearbeitet, er habe eine Autowaschanlage gehabt; ebenda Bl. 89: Er sei Arbeiter in einer Autowaschanlage gewesen und habe von seinem Lohn gelebt) – zumutbar.
2. Es bestehen auch keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheids, soweit das Nichtvorliegen von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und § 60 Abs. 7 AufenthG festgestellt wurde. Auch insoweit wird auf die Ausführungen im angefochtenen Bescheid in vollem Umfang Bezug genommen (§ 77 Abs. 2 AsylG).
3. Die Abschiebungsandrohung und die Ausreisefrist folgen aus § 34 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 59 AufenthG und aus § 36 Abs. 1 AsylG.
4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 80 AsylG.

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