Verwaltungsrecht

Kein Erfolg im Asylstreitverfahren eines gambischen Staatsangehörigen wegen Homosexualität

Aktenzeichen  AN 4 S 20.30371

Datum:
10.6.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 17548
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 3, Abs. 5 S. 1 Alt. 1
VwVfG § 51 Abs. 1, Abs. 2
AsylG § 36 Abs. 1, Abs. 4 S. 1, § 71a Abs. 1, Abs. 4, § 75 Abs. 1
AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7 S. 1
EMRK Art. 3, Art. 8

 

Leitsatz

1. Es ist deshalb auszugehen, dass einem Asylbewerber im Fall seiner Rückkehr nach Gambia nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine strafrechtliche Verfolgung oder eine Haftstrafe wegen Homosexualität droht(so auch VG Freiburg (Breisgau), U. v. 28.6.2019 – A 1 K 423/17,  BeckRS 2019, 13078 und VG Augsburg, U. v. 5.4.2018 – Au 1 K 17.35153, BeckRS 2018, 8298; VGH Mannheim, U. v. 26.10.2016 – A 9 S 908/13, BeckRS 2016, 113644 zur Situation vor dem Machtwechsel im Dezember 2016).     (Rn. 24) (redaktioneller Leitsatz)
2. Bei der Prüfung eines Antrags auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft können die zuständigen Behörden von dem Asylbewerber nicht erwarten, dass er seine Homosexualität in seinem Herkunftsland geheim hält oder Zurückhaltung beim Ausleben seiner sexuellen Ausrichtung übt, um die Gefahr einer Verfolgung zu vermeiden (EuGH, U. v. 7.11.2013 – C-199/12, C-200/12, C-201/12, BeckRS 2013, 82115). Im Rahmen der einzelfallbezogenen Gefahrenprognose ist aber zu berücksichtigen, ob der Antragsteller seine homosexuelle Veranlagung öffentlich bemerkbar auslebt oder nicht (vgl. VGH Mannheim, U.v. 26.10.2016 – A 9 S 908/13, BeckRS 2016, 113644).      (Rn. 29) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Der Antrag wird abgelehnt.
2. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

I.
Der Antragsteller ist nach eigenen Angaben gambischer Staatsangehöriger dem Volk der Mandinka zugehörig und reiste am 3. Oktober 2018 in die Bundesrepublik Deutschland ein.
Laut Meldung des Polizeipräsidiums … vom 4. Oktober 2018 habe ein Abgleich der Fingerabdrücke des Antragstellers mit EURODAC ergeben, dass der Antragsteller am 19. Januar 2018 in Italien und am 21. August 2018 in der Schweiz erfasst worden sei (Bl. 32 Gerichtsakte).
Im Erstgespräch zur Altersfeststellung beim Landkreis … am 5. Oktober 2018 gab der Antragsteller an, im Februar 2016 Gambia verlassen zu haben, ca. zwei Wochen durch Afrika gereist zu sein und sich vor seiner Einreise nach Deutschland einen Monat in Libyen, ein Jahr in Italien und zwei Monate in der Schweiz aufgehalten zu haben. Angesprochen auf die Unstimmigkeiten bezüglich der Fluchtroute habe der Antragsteller gesagt, dass er die genauen Daten vergessen habe (Bl. 36 Gerichtsakte).
Der Antragsteller stellte am 14. August 2019, vertreten durch seinen damaligen Vormund, einen Asylantrag in der Bundesrepublik Deutschland. In der persönlichen Anhörung beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) am 15. Januar 2020 führte der Antragsteller zu seinem Reiseweg aus, dass er am 14. Februar 2017 Gambia verlassen habe, sich ca. ein Jahr in Libyen aufgehalten habe, von April bis August 2018 in Italien gewesen sei und dann über die Schweiz (5 – 6 Wochen Aufenthalt) am 3. Oktober 2018 nach Deutschland gekommen sei (Bl. 68 f. Behördenakte). Der Antragsteller trug im Wesentlichen vor, nach dem Tod seiner Eltern im Jahr 2004 oder 2005 bei seinem Onkel väterlicherseits gelebt zu haben. Der Antragsteller habe einen besten Freund gehabt, mit dem er aufgewachsen sei und mit dem er sehr viel unternommen habe. Mit 12 oder 13 Jahren habe der Antragsteller gemerkt, dass er homosexuell sei. Mit 13 Jahren habe er zum ersten Mal seinen Freund geküsst und gemerkt, dass er auf Männer stehe. Er habe mit seinem Freund gespielt wie kleine Kinder dies tun würden. Dann habe er seinen Freund gefragt, ob er schon einmal einen Mann geküsst habe, was dieser verneint habe. Die Frage, ob er einmal einen Mann küssen wolle, habe der Freund bejaht und sie hätten sich geküsst. Die Initiative sei vom Antragsteller ausgegangen. Er habe seinen Freund sehr gut gekannt und gewusst, was dieser möge und wie sich dieser bewege. Sein Freund habe sich wie ein kleines Mädchen verhalten und Mädchensachen gemocht und in seinem Zimmer gehabt. Deshalb habe er mit ihm darüber reden können, dass er nur auf Männer stehe. Der erste Kuss habe sich auf dem Nachhauseweg vom Fußballspiel ereignet. Der Antragsteller und sein Freund hätten sich jede Woche getroffen, manchmal zwei- bis dreimal am Tag im Wald oder in verlassenen Häusern. Sein Freund sei auch oft bei ihm zu Hause gewesen. Dort hätten sie auch Geschlechtsverkehr gehabt. Der Antragsteller habe zwar gewusst, dass homosexuelle Handlungen in Gambia unter Strafe stünden, sei aber nur seinen Gefühlen gefolgt. Der Onkel des Antragstellers sei gegen Homosexualität eingestellt gewesen. Als der Antragsteller ca. 14 Jahr alt gewesen sei, sei sein Onkel zu ihm gekommen und habe gesagt, er habe Gerüchte gehört, dass der Antragsteller mit einem Jungen zusammen sei. Der Antragsteller habe dies abgestritten, aber der Onkel habe seinem Freund ein Hausverbot erteilt. Es habe eine Veranstaltung nicht weit vom Haus seines Onkels gegeben. Der Freund des Antragstellers sei am Abend zu ihm nach Hause gekommen und sie hätten Geschlechtsverkehr gehabt. Der Antragsteller habe gedacht, dass die Leute beschäftigt seien und sie nicht erwischt würden. Sein Onkel sei ins Zimmer gekommen, habe gesehen wie sich beide küssten, den Freund weggeschickt und den Antragsteller geschlagen. Die Nachbarn seien gekommen und hätten wissen wollen, was passiert sei. Der Onkel des Antragstellers habe ihnen gesagt, dass der Antragsteller sich mit mehreren Jugendlichen getroffen und mit ihnen Geschlechtsverkehr gehabt habe. Der Antragsteller sei festgehalten, geschlagen und beleidigt worden. Wie viele Leute es gewesen seien und mit was er geschlagen worden sei, wisse er nicht mehr. Sein Onkel habe ihn rausgeschmissen und der Antragsteller sei mehrere Wochen obdachlos gewesen. Er habe überall übernachtet und heimlich in der Nacht von einer alten Frau Essen bekommen. Eines Abends sei er auf eine Gruppe Jugendlicher getroffen, die er teilweise vom Fußballspielen oder aus der Nachbarschaft kannte. Diese hätten gesagt: „Kuck mal hier, da ist ja …, der Homosexuelle“ und hätten ihn geschlagen und bedroht, weil er einen Mann liebe. Insgesamt sei der Antragsteller während seiner Obdachlosigkeit drei- bis viermal verprügelt worden. Der Freund des Antragstellers habe bei dessen Eltern gewohnt. Der Vater sei gegen Homosexualität eingestellt gewesen, die Mutter aber nicht. Der Freund des Antragstellers sei zum Antragsteller gekommen und habe gesagt, sie sollten zusammen in den Senegal ausreisen. Der Freund habe von seiner Mutter viel Geld bekommen und am nächsten Tag seien sie mit einem Sammeltaxi vom Busbahnhof in den Senegal ausgereist und dann weiter nach Libyen. In Libyen habe der Antragsteller mehrere Jobs gehabt. Er sei von einem Taxifahrer an bewaffnete kriminelle Libyer verkauft worden. Diese hätten ein Lösegeld verlangt, das der Antragsteller nicht habe zahlen können. Eines Tages habe es einen Konflikt gegeben, bei dem der Antragsteller habe fliehen können und sein Freund ums Leben gekommen sei. Seitdem habe der Antragsteller keinen Partner mehr gehabt, wolle dies aber wieder. Zu einem Coming-Out habe er sich bislang nicht entschieden, da die meisten Menschen dagegen eingestellt seien. In Gambia habe er nicht mehr leben können, da sein Onkel nichts mehr mit ihm zu tun haben wolle und er sonst niemanden gehabt habe. Im Falle einer Rückkehr nach Gambia befürchte der Antragsteller, dass er umgebracht werde oder ihm etwas Schlimmes angetan werden würde, da sein Onkel, seine Nachbarn und die Jugendlichen wüssten, dass er homosexuell sei. Er könne sich nirgendwo verstecken, da Gambia klein sei. Manche Nachbarn könnten vielleicht umgezogen sein und ihm auch anderswo begegnen. Aufgrund seiner Erlebnisse in Libyen – der Antragsteller habe dort Leichen aus dem Wasser ziehen müssen – habe er psychische Probleme und sei in Behandlung beim psychologischen Fachdienst der Diakonie. Er habe Schlafstörungen, die mit Schlaftabletten behandelt würden. Manchmal könne er sich in der Schule nicht gut konzentrieren. Das Bundesamt forderte den Antragsteller zur Vorlage eines Attestes auf. Der Antragsteller legte bis zur Entscheidung des Bundesamtes kein Attest vor.
Laut EURODAC-Trefferauskunft vom 16. Januar 2020 hat der Antragsteller am 20. Mai 2016 in Vicenza (Italien) und am 11. Juli 2018 in Chiasso (Schweiz) einen Asylantrag gestellt (Bl. 134 Behördenakte).
Mit Schreiben vom 3. April 2020 teilte das italienische Innenministerium dem Bundesamt mit, dass der Antragsteller seinen Antrag auf internationalen Schutz am 2. Februar 2017 ausdrücklich zurückgenommen habe (Bl. 149 Behördenakte).
Zur Begründung seines Zweitantrages führte der Antragsteller mit Schreiben vom 28. April 2020 aus, dass er im Jahr 2017 aus Gambia geflohen und am 19. Januar 2018 in Italien angekommen sei, dort jedoch keinen Antrag gestellt habe. Einer Rückkehr nach Gambia stehe entgegen, dass dort homosexuelle Menschen wie er gefoltert und eingesperrt würden (Bl. 163 f. Behördenakte).
Mit Bescheid vom 4. Mai 2020, dem Antragsteller zugestellt am 15. Mai 2020, lehnte das Bundesamt den Antrag als unzulässig ab (Ziffer 1) und stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen (Ziffer 2). Der Antragsteller wurde unter Androhung der Abschiebung nach Gambia aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe der Entscheidung zu verlassen (Ziffer 3). Das Einreise- und Aufenthaltsverbot nach § 11 Abs. 1 AufenthG wurde auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Ziffer 4). Zur Begründung führte das Bundesamt aus, dass der Antragsteller bereits in einem sicheren Drittstaat gemäß § 26a AsylG ein Asylverfahren erfolglos betrieben habe, sodass es sich beim erneuten Asylantrag in der Bundesrepublik Deutschland um einen Zweitantrag gemäß § 71a AsylG handele. Laut Schreiben des italienischen Innenministeriums vom 3. April 2020 habe der Antragsteller seinen Asylantrag am 2. Februar 2017 zurückgenommen. Nach Art. 23 des Legislativdekrets Nr. 25/2008 (Verfahrensdekret) werde das Verfahren im Fall der Antragsrücknahme für beendet erklärt. Die Möglichkeit einer Wiederaufnahme auf Antrag des Asylbewerbers sei nicht vorgesehen. Der Folgeantrag unterliege einer Zulässigkeitsprüfung hinsichtlich neuer Elemente nach Art. 29 Abs. 1 Buchst. a, Abs. 2 Satz 1 Verfahrensdekret. Es sei daher insgesamt von einem erfolglos abgeschlossenen italienischen Asylverfahren ohne Möglichkeit einer Wiederaufnahme auszugehen. Der Antrag sei gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 5 AsylG unzulässig, da mangels Vorliegens von Wiederaufnahmegründen nach § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG ein weiteres Asylverfahren nicht durchzuführen sei. Den Sachverhalt – seine Homosexualität und die damit verbundenen Gefahren in Gambia – hätte der Antragsteller bereits im Asylverfahren in Italien vorbringen können, sodass dieser Vortrag als verfristet anzusehen sei. Im Übrigen sei in der Gesamtschau dem Vorbringen des Antragstellers nicht zu glauben, dass er aufgrund seiner Homosexualität in Gambia verfolgt (worden) sei. Selbst bei Wahrunterstellung des Vortrags wäre aufgrund der Homosexualität im Fall einer Rückkehr nach Gambia nicht mit einer flüchtlingsrelevanten Verfolgung des Antragstellers zu rechnen. Bezüglich weiterer Einzelheiten wird auf die Begründung verwiesen.
Der Antragsteller hat mit bei Gericht am 17. Mai 2020 eingegangenem Schriftsatz Klage gegen den Bescheid des Bundesamts vom 4. Mai 2020 erhoben. Die Prozessbevollmächtigte des Antragstellers beantragt mit bei Gericht am 20. Mai 2020 eingegangenem Schriftsatz im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes,
die aufschiebende Wirkung der Klage gegen Ziffer 3 des streitgegenständlichen Bescheides anzuordnen.
Zur Begründung führte die Prozessbevollmächtigte des Antragstellers aus, dass ernsthafte Zweifel an der Rechtsmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestünden. Das Bundesamt müsse zu der gesicherten Erkenntnis gelangen, dass das Asylerstverfahren mit einer für den Asylbewerber negativen Sachentscheidung abgeschlossen wurde. Das Bundesamt begründe den streitgegenständlichen Bescheid im Wesentlichen damit, dass der Antragsteller einen Antrag auf internationalen Schutz am 20. Mai 2016 in Italien gestellt und am 2. Februar 2017 zurückgenommen habe. In Wirklichkeit habe der Antragsteller in Italien keinen Asylantrag gestellt, sondern lediglich seine Fingerabdrücke abgegeben. Der Antragsteller sei im Jahr 2017 aus Gambia geflüchtet und sei erst am 19. Januar 2018 in Italien angekommen. Dies decke sich mit der Mitteilung des Polizeipräsidiums … vom 4. Oktober 2018. Demnach sei es unmöglich, dass der Antragsteller bereits 2017 einen Asylantrag in Italien zurückgenommen habe, da er zu diesem Zeitpunkt noch nicht einmal in Italien erfasst gewesen sei. Der unanfechtbare erfolglos Abschluss des Asylverfahrens des Antragstellers in Italien stünde nicht mit ausreichender Sicherheit fest, zumindest stehe das Schreiben des italienischen Innenministeriums in Widerspruch zur Mitteilung des Polizeipräsidiums Freiburg. Hilfsweise trug die Prozessbevollmächtigte vor, dass der vom Antragsteller geschilderte Sachverhalt stimmig sei und im Fall der Wahrunterstellung eine mögliche Verfolgungsgefahr nahelege. Es genüge schon die Möglichkeit einer günstigeren Entscheidung aufgrund des geltend gemachten Wiederaufnahmegrundes. Die Gesetze zur Bestrafung von Homosexualität in Gambia seien noch nicht revidiert worden, Homosexuelle seien nach wie vor Diskriminierung und Bedrohung ausgesetzt. Mit Schriftsatz vom 27. Mai 2020 legte die Prozessbevollmächtigte ein ärztliches Attest des Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten … … vom 20. Mai 2020 mit der Diagnose Posttraumatische Belastungsstörung (F 43.1) vor.
Die Antragsgegnerin beantragt
mit Schriftsatz vom 22. Mai 2020, den Antrag abzulehnen.
Zur Begründung verwies sie auf den angefochtenen Bescheid.
Ergänzend wird auf die Gerichts- und die beigezogene Behördenakte Bezug genommen.
II.
Der zulässige Antrag ist unbegründet.
1. Der Antrag ist zulässig, insbesondere gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 VwGO statthaft. Die in der Hauptsache erhobene Anfechtungsklage hat gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i.V.m. § 75 Abs. 1 AsylG keine aufschiebende Wirkung, da kein Fall des § 38 Abs. 1 AsylG vorliegt, sondern sich die Ausreisefrist aus § 71a Abs. 4 i.V.m. § 36 Abs. 1 AsylG ergibt. Der Antrag und die Klage wurden gemäß § 71a Abs. 4 i.V.m. § 36 Abs. 3 Satz 1, § 74 Abs. 1 HS. 2 AsylG fristgerecht innerhalb einer Woche gestellt bzw. erhoben.
2. Der Antrag ist unbegründet. Es bestehen keine ernstlichen Zweifel an der angegriffenen Entscheidung.
a) Gegenstand des gerichtlichen Eilverfahrens ist die Abschiebungsandrohung (Ziffer 3) als aufenthaltsbeendende Maßnahme, beschränkt auf die Frage ihrer sofortigen Vollziehbarkeit. Die sofortige Beendigung des Aufenthalts eines Asylbewerbers im Bundesgebiet stützt sich auf die Ablehnung seines Asylantrags als unzulässigen Zweitantrag und ist deren Folge. Anknüpfungspunkt der gerichtlichen Prüfung im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes muss daher die Frage sein, ob das Bundesamt den Asylantrag zu Recht als unzulässigen Zweitantrag abgelehnt hat, ohne dass deshalb der Ablehnungsbescheid selbst zum Verfahrensgegenstand wird (vgl. BVerfG, U.v. 14.5.1996 – 2 BvR 1516/93 – BVerfGE 94, 166 – juris Rn. 93 zur Ablehnung als offensichtlich unbegründet).
Nach § 71a Abs. 4 i.V.m. § 36 Abs. 4 Satz 1 AsylG darf die Aussetzung der Abschiebung nur angeordnet werden, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist der Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts (§ 77 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 AsylG). Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes liegen vor, wenn erhebliche Gründe dafürsprechen, dass die Abschiebungsandrohung einer rechtlichen Prüfung wahrscheinlich nicht standhält (BVerfG, U.v. 14.5.1996 – 2 BvR 1516/93 – BVerfGE 94, 166 – juris Rn. 99).
Das Gericht hat im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes auch die Feststellung des Bundesamtes, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen, zum Gegenstand der Prüfung zu machen. Dies ist zwar § 71a Abs. 4 AsylG i.V.m. § 36 AsylG nicht ausdrücklich zu entnehmen, jedoch gebieten die verfassungsrechtlichen Gewährleistungen der Art. 19 Abs. 4 GG und Art. 103 Abs. 1 GG die diesbezügliche Berücksichtigung auch im Verfahren nach § 36 AsylG (vgl. BVerfG, U.v. 14.5.1996 – 2 BvR 1516/93 – BVerfGE 94, 166; VG Augsburg, B.v. 8.12.2016 – Au 3 S 16.32229 – juris Rn. 20; VG München, B.v. 5.7.2016 – M 16 S 16.31362 – juris Rn. 15 zur Ablehnung als offensichtlich unbegründet).
b) Es bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Entscheidung des Bundesamtes bezüglich der Ablehnung des Antrags als unzulässiger Zweitantrag (Ziffer 1). Zur Vermeidung von Wiederholungen wird zunächst auf die Ausführungen im angefochtenen Bescheid verwiesen, denen das Gericht folgt (§ 77 Abs. 2 AsylG). Das Gericht ist aufgrund der EURODAC-Trefferauskunft vom 16. Januar 2020 und des Schreibens des italienischen Innenministeriums vom 3. April 2020 davon überzeugt, dass der Antragsteller bereits am 20. Mai 2016 in Vicenza in Italien einen Asylantrag gestellt und diesen am 2. Februar 2017 ausdrücklich zurückgenommen. Infolgedessen wurde das Asylverfahren nach italienischem Recht endgültig eingestellt und damit erfolglos abgeschlossen. Die Voraussetzungen für ein Wiederaufgreifen des Asylverfahrens gemäß § 71a Abs. 1 AsylG i.V.m. § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG liegen nicht vor. Insbesondere hat sich die Sach- oder Rechtslage seit dem Erstverfahren nicht verändert (vgl. § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG), da sich der vom Antragsteller in seiner persönlichen Anhörung am 15. Januar 2020 vorgetragene Sachverhalt bereits vor seiner Einreise nach Europa ereignet hat. Des Weiteren wäre der Antrag nach § 51 Abs. 2 VwVfG unzulässig, da der Antragsteller nicht daran gehindert war, die von ihm geschilderten Asylgründe in einer Anhörung in Italien vorzubringen. Durch die freiwillige Rücknahme seines in Italien gestellten Asylantrags hat sich der Antragsteller selbst um die Möglichkeit gebracht, seine Asylgründe im Erstverfahren geltend zu machen.
c) Ebenfalls keine ernstlichen Zweifel bestehen an der Feststellung des Bundesamtes, dass ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG nicht vorliegt (Ziffer 2).
Nach § 60 Abs. 5 AsylG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist. Das Gericht vermag nach derzeitigem Erkenntnisstand im Eilverfahren den Zweifeln des Bundesamtes an der Glaubwürdigkeit des Vortrags des Antragstellers nicht zu folgen und geht deshalb im Folgenden zu Gunsten des Antragstellers von dessen tatsächlicher Homosexualität aus.
aa) Ein Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG ergibt sich nicht aus einer Verletzung des Art. 8 EMRK, der das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens garantiert. Die von Art. 8 EMRK geschützte Privatsphäre erfasst auch die sexuelle Ausrichtung und das Sexualleben (Hofmann in BeckOK, Ausländerrecht, 25. Ed., Stand: 01.03.2020, Art. 8 EMRK Rn. 20). Die Verhängung einer Freiheitsstrafe wegen Verstoßes gegen eine Rechtsvorschrift, die homosexuelle Handlungen unter Strafe stellt, verstößt gegen Art. 8 EMRK (EuGH, U.v. 7.11.2013 – C-199/12, C-200/12, C-201/12 – NVwZ 2014, 132 Rn. 57). Für ein Abschiebungsverbot muss dem Ausländer im Zielstaat die Gefahr einer Art. 8 EMRK widersprechenden Handlung drohen. Der Begriff der Gefahr i.S.d. § 60 Abs. 5 AufenthG entspricht dem asylrechtlichen Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit, wobei zusätzlich eine einzelfallbezogene, individuell bestimmte und erhebliche Gefährdungssituation vorliegen muss (BVerwG, B.v. 17.4.2008 – 10 B 28.08 – juris Rn. 6 m.w.N.). Eine Verfolgung ist beachtlich wahrscheinlich, wenn bei einer zusammenfassenden Würdigung des zur Prüfung gestellten Lebenssachverhalts die für eine individuelle Verfolgung sprechenden Umstände ein größeres Gewicht besitzen und deshalb gegenüber den dagegensprechenden Tatsachen überwiegen (BVerwG, U.v. 4.7.2019 – 1 C 33/18 – NVwZ 2020, 161 – juris Rn. 15 zur beachtlichen Wahrscheinlichkeit einer Verfolgung i.S.d. § 3 Abs. 1 AsylG). Entscheidend ist letztlich, ob aus der Sicht eines besonnenen und vernünftig denkenden Menschen in der Lage des Ausländers nach Abwägung aller bekannten Umstände eine Rückkehr in den Heimatstaat als zumutbar erscheint (BVerwG, U.v. 4.7.2019 – 1 C 33/18 – NVwZ 2020, 161 – juris Rn. 15 unter Verweis auf BVerwG, U.v. 7.2.2008 – 10 C 33/07 – juris Rn. 37).
Es ist nicht beachtlich wahrscheinlich, dass dem Antragsteller im Fall seiner Rückkehr nach Gambia die Verhängung einer Freiheitsstrafe aufgrund seiner Homosexualität droht. Homosexualität steht in Gambia unter Strafe. Art. 144 des Strafgesetzesbuches von Gambia sieht für Homosexualität eine Freiheitsstrafe bis zu 14 Jahren vor (Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Gambia, Stand: Juli 2019, S. 6). Am 9. Oktober 2014 trat ein Gesetz in Kraft, das bei „schwerer Homosexualität“ (u.a. homosexuelle „Wiederholungstäter“, homosexuelle Handlungen mit Minderjährigen unter 18 Jahren, Schutzbefohlenen, Behinderten, drogenabhängigen bzw. HIVinfizierten Personen) die Verhängung einer lebenslangen Freiheitsstrafe vorsieht (Österreichisches Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Gambia, Stand: 25.7.2017, S. 20). Der ehemalige Präsident Yahya Jammeh hat mehrfach LGBT-Personen öffentlich verurteilt, z.B. beschrieb er 2014 Homosexuelle als Ungeziefer, mit denen die Regierung genauso umgehen würde wie mit Mücken, die Malaria übertragen (EASO, Country of Origin Information Report, The Gambia – Country Focus, Dezember 2017, S. 66 f.). Im Dezember 2016 gewann der amtierende Präsident Adama Barrow die Wahlen und erklärte nach seinem Amtsantritt im Januar 2017, Gambia zur „Hauptstadt der Menschenrechte in Afrika“ zu machen. Seine Regierung versprach, gleichgeschlechtliche Paare nicht wegen einvernehmlicher sexueller Handlungen zu verfolgen, was in scharfem Gegensatz zu Jammehs hasserfüllter Rhetorik gegenüber Lesben, Schwulen, Bisexuellen und Transgender-Personen (LGBT) steht (Human Rights Watch, World Report 2018, Gambia, https://www.hrw.org/world-report/2018/country-chapters/gambia, abgerufen am 27.5.2020). Präsident Barrow erklärte, dass Homosexualität eine persönliche Angelegenheit und unter Verweis auf dringlichere Prioritäten kein Thema in Gambia sei (EASO, Country of Origin Information Report, The Gambia – Country Focus, Dezember 2017, S. 70; United States Departement of State, Human Rights Report, The Gambia 2019, S. 13). Trotz dieser Ankündigungen erklärte im Juli 2018 die Delegation des Landes im UN-Menschenrechtsrat, die Regierung habe nicht vor, das Gesetz zu revidieren oder zu ändern (United States Departement of State, Human Rights Report, The Gambia 2019, S. 13). Eine Entkriminalisierung ist nicht absehbar (Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Gambia, Stand: Juli 2019, S. 6). Die letzten bekannt gewordenen Verhaftungen wegen Homosexualität erfolgten im Jahr 2015, zu Verurteilungen kam es nicht (Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Gambia, Stand: Juli 2019, S. 6). Nach derzeitiger Erkenntnislage gibt es keine objektiven Anhaltspunkte für die Annahme, dass die Gesetze zur Sanktionierung von Homosexualität tatsächlich noch angewandt werden. Seit mehreren Jahren sind weder Verhaftungen, noch Anklagen oder gar strafrechtliche Verurteilungen im Zusammenhang mit dem Vorwurf homosexueller Handlungen bekannt geworden. Es ist deshalb davon auszugehen, dass dem Antragsteller im Fall seiner Rückkehr nach Gambia nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine strafrechtliche Verfolgung oder eine Haftstrafe wegen Homosexualität droht, zumal der amtierende Präsident Barrow im Gegensatz zu seinem Amtsvorgänger Jammeh keine persönliche Hetzkampagne gegen Homosexuelle betreibt (vgl. so auch VG Freiburg (Breisgau), U.v. 28.6.2019 – A 1 K 423/17 – juris Rn. 29 und VG Augsburg, U.v. 5.4.2018 – Au 1 K 17.35153 – juris Rn. 32; VGH BW, U.v. 26.10.2016 – A 9 S 908/13 – juris Rn. 49 zur Situation vor dem Machtwechsel im Dezember 2016).
bb) Ein Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG ergibt sich auch nicht daraus, dass dem Antragsteller im Fall seiner Rückkehr nach Gambia mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine gegen Art. 3 EMRK verstoßende erniedrigende Behandlung droht.
Eine Behandlung ist vom EGMR als erniedrigend angesehen worden, wenn sie im Opfer Gefühle der Angst, Beklemmung und Unterlegenheit weckt, die geeignet sind, das Opfer zu demütigen und zu erniedrigen (EGMR, U.v. 26.10.2000 – Kudla/Polen – 30210/96 – NJW 2001, 2694 Rn. 92). Die erniedrigende Behandlung muss ein Mindestmaß an Schwere aufweisen (BVerwG, U.v. 4.7.2019 – 1 C 45/18 – NVwZ 2020, 158 Rn. 12; EGMR, U.v. 28.6.2011 – Sufi und Elmi/Vereinigtes Königreich – 8319/07 – NVwZ 2012, 681 Rn. 213; EuGH, U.v. 16.2.2017 – C-578/16 – NVwZ 2017, 691 Rn. 68). Sie muss nicht zwingend von staatlicher Seite ausgehen, sondern kann auch durch Dritte erfolgen, sofern sie dem Staat zugerechnet werden kann, weil dieser sie veranlasst, bewusst duldet oder den betreffenden Personen keinen Schutz gewährt, obwohl er hierzu in der Lage wäre (BVerwG, U.v. 13.2.2014 – 10 C 6/13 – NVwZ-RR 2014, 487 – juris Rn. 27; U.v. 15.4.1997 – 9 C 38/96 – NVwZ 1997, 1127 – juris Rn. 13). Für das Bestehen eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 5 AufenthG muss die Gefahr einer erniedrigenden Behandlung beachtlich wahrscheinlich sein, wobei zusätzlich eine einzelfallbezogene, individuell bestimmte und erhebliche Gefährdungssituation vorliegen muss (BVerwG, B.v. 17.4.2008 – 10 B 28.08 – juris Rn. 6 m.w.N).
Homosexuelle sind in Gambia starker gesellschaftlicher Diskriminierung und Drohungen vonseiten nichtstaatlicher Akteure ausgesetzt (Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Gambia, Stand: Juli 2019, S. 6; United States Departement of State, Human Rights Report, The Gambia 2019, S. 13; Amnesty International, Amnesty International Report Gambia 2017/2018, Stand: 23.5.2018; Home Office, Country Policy and Information Note, The Gambia: Sexual orientation ans gender identity or expression, August 2019, S. 7). Homosexualität ist in der breiten Öffentlichkeit in Gambia verpönt (Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Gambia, Stand: Juli 2019, S. 6). Gleichgeschlechtliche Beziehungen sind in Gambia als unnatürlich, unmoralisch und gegen den Islam – die Hauptreligion im Land – stigmatisiert. Eine Studie der Johns-Hopkins-Universität aus dem Jahr 2013 zu Erfahrungen homosexueller Männer in Gambia kam zu dem Ergebnis, dass ein Drittel der Befragten Opfer von Menschenrechtsverletzungen in Form von verbaler, körperlicher oder sexueller Gewalt von verschiedenen Akteuren, inklusive Arbeitgeber, Gesundheitsversorger, Familien und Gemeindemitglieder waren (Arnold-Bergstraesser-Institut für kulturwissenschaftliche Forschung e.V. an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, Auskunft zur Lage von Homosexuellen in Gambia, 6. August 2019, S. 5). Im Country of Origin Information Report 2017 wird auf einen Bericht aus dem Jahr 2004 Bezug genommen, laut dem es Aggressionen und sexuelle Gewalt gegen LBGT-Personen gibt, wobei die Täter häufig Familienmitglieder sind (EASO, Country of Origin Information Report, The Gambia – Country Focus, Dezember 2017, S. 70). Von konkreten Übergriffen auf Homosexuelle ausgehend von der Zivilbevölkerung wird in den Erkenntnismitteln nicht berichtet (vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Gambia, Stand: Juli 2019, S. 6; Österreichisches Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Gambia, Stand: 25.7.2017, S. 20; United States Departement of State, Human Rights Report, The Gambia 2019, S. 13; Home Office, Country Policy and Information Note, The Gambia: Sexual orientation and gender identity or expression, August 2019). Es gibt in Gambia keine bekannten LGBTQ-Organisationen (United States Departement of State, Human Rights Report, The Gambia 2016, S. 27) und auch keine Hauptsitze für internationale Organisationen wie Amnesty International, die sich für die Rechte von LGBTQ-Menschen einsetzen könnten (Arnold-Bergstraesser-Institut für kulturwissenschaftliche Forschung e.V. an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, Auskunft zur Lage von Homosexuellen in Gambia, 6. August 2019, S. 5).
Gesetzt den Fall, dass der Antragsteller wirklich homosexuell ist – was das Gericht im Eilverfahren zu seinen Gunsten unterstellt – könnte ihm bei Bekanntwerden seiner Homosexualität die in den Erkenntnismitteln beschriebene gesellschaftliche Diskriminierung drohen. Es ist nicht davon auszugehen, dass der gambische Staat willens ist, Homosexuelle vor Diskriminierungen aus der Bevölkerung zu schützen (Home Office, Country Policy and Information Note, The Gambia: Sexual orientation and gender identity or expression, August 2019, S. 8), denn auch wenn die Gesetze zur Bestrafung von Homosexualität momentan zumindest bekanntermaßen nicht zur Anwendung kommen, existieren sie nach wie vor und ist nicht klar, worauf die momentane Nichtvollziehung der Strafgesetze gegen Homosexuelle zurückzuführen ist. Insofern kann es dem Antragsteller zumindest nicht zugemutet werden, sich mit einem Ersuchen um Schutz vor homophoben Übergriffen an die Behörden zu wenden, wenn er dadurch strafrechtliche Ermittlungen gegen sich selbst riskiert (vgl. Home Office, Country Policy and Information Note, The Gambia: Sexual orientation and gender identity or expression, August 2019, S. 8).
Jedoch fehlt es bereits an der beachtlichen Wahrscheinlichkeit dafür, dass die Homosexualität des Antragstellers bekannt wird und er infolgedessen Opfer der beschriebenen Diskriminierung durch die Bevölkerung wird. Das Bekanntwerden der sexuellen Orientierung des Antragstellers hängt davon ab, wie er diese auslebt. Der Antragsteller kann zwar nicht pauschal darauf verwiesen werden, seine sexuelle Orientierung zu verbergen, um das Risiko homophober Diskriminierungen zu reduzieren. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes können bei der Prüfung eines Antrags auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft die zuständigen Behörden von dem Asylbewerber nicht erwarten, dass er seine Homosexualität in seinem Herkunftsland geheim hält oder Zurückhaltung beim Ausleben seiner sexuellen Ausrichtung übt, um die Gefahr einer Verfolgung zu vermeiden (EuGH, U.v. 7.11.2013 – C-199812, C-200/12, C-201/12 – NVwZ 2014, 132 Rn. 76). Im Rahmen der einzelfallbezogenen Gefahrenprognose ist aber zu berücksichtigen, ob der Antragsteller seine homosexuelle Veranlagung öffentlich bemerkbar auslebt oder nicht (vgl. VGH BW, U.v. 26.10.2016 – A 9 S 908/13 – juris Rn. 51). Der Antragsteller hat nach eigenen Angaben seine Beziehung zu seinem Freund in Gambia geheim gehalten. Auch in Deutschland hat er bislang nur mit drei Personen über seine Homosexualität gesprochen, obwohl ihm von seinem Betreuer in der Unterkunft mitgeteilt wurde, dass er in Deutschland machen könne, was er wolle und hier mit Homosexualität anders umgegangen werde. Es scheint dem Antragsteller also kein dringendes Bedürfnis zu sein, seine Homosexualität offen zu kommunizieren. Dass er sich bei einer Rückkehr nach Gambia anders verhalten wird, ist nicht erkennbar. Zudem kann der Antragsteller die Gefahr homophober Diskriminierung dadurch weiter reduzieren, dass er sich nach seiner Rückkehr nach Gambia in der Stadt … niederlässt, die 362.000 Einwohner zählt (Berechnung für das Jahr 2013 laut https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_der_Ortschaften_in_Gambia). In einer Großstadt ist ein Leben in Anonymität ohne Beobachtung seitens der Nachbarn ohne weiteres möglich.
Selbst wenn die Homosexualität des Antragstellers einzelnen seiner Mitmenschen bekannt werden sollte und diese ihn deshalb diskriminieren, ist es nicht beachtlich wahrscheinlich, dass diese Diskriminierungen einen Schweregrad erreichen, der für eine Verletzung des Art. 3 EMRK erforderlich ist. In den Erkenntnismitteln werden keine konkreten Übergriffe auf Homosexuelle ausgehend von der Zivilbevölkerung beschrieben, vielmehr ist allgemein von Diskriminierung, Drohungen und Gewalt die Rede. Soweit der Antragsteller vorgetragen hat, von seinem Onkel, den Nachbarn und ihm bekannten Jugendlichen aufgrund seiner Homosexualität verprügelt worden zu sein, kann der Antragsteller sich der Gefahr einer Wiederholung solcher Attacken durch diese Personen dadurch entziehen, dass er nicht in seine Heimatstadt … zurückkehrt, sondern sich in einem anderen Landesteil, insbesondere der Großstadt …, niederlässt und den Kontakt zu ehemaligen Bekannten nicht wiederaufnimmt.
cc) Eine Verletzung des Art. 3 EMRK und ein daraus resultierendes Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG ergibt sich nicht aus den derzeitigen humanitären Bedingungen in Gambia. Schlechte humanitäre Bedingungen im Abschiebezielstaat können nur in besonderen Ausnahmefällen ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK begründen (BVerwG, U.v. 31.1.2013 – 10 C 15/12 – NVwZ 2013, 1167 – juris Rn. 23). Ein solcher Ausnahmefall liegt hier nicht vor. Gambia ist eines der ärmsten und am wenigsten entwickelten Länder der Welt und die Grundversorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln ist vor allem in ländlichen Gegenden nur beschränkt gewährleistet (Österreichisches Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Gambia, Stand: 25.7.2017, S. 21). Der Antragsteller ist jedoch ein junger Mann, der neun Jahre in Gambia zur Schule gegangen ist (Bl. 35 Gerichtsakte) und dem es daher zuzumuten ist, sich nach seiner Rückkehr in sein Heimatland um eine Arbeit zu bemühen und damit seinen Lebensunterhalt zu finanzieren. Die vom Antragsteller vorgetragenen gesundheitlichen Beschwerden lassen nicht erkennen, dass der Antragsteller durch sie in seiner Leistungs- oder Arbeitsfähigkeit nennenswert beeinträchtigt würde. Ergänzend wird auf die Ausführungen des Bundesamtes im angefochtenen Bescheid Bezug genommen (§ 77 Abs. 2 AsylG).
c) Schließlich bestehen auch keine ernstlichen Zweifel an der Feststellung des Bundesamtes, dass ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegt (Ziffer 2). Insoweit wird zunächst auf die zutreffende Begründung des streitgegenständlichen Bescheides Bezug genommen (§ 77 Abs. 2 AsylG). Auch nach der für die gerichtliche Entscheidung maßgeblichen Sach- und Rechtslage im jetzigen Zeitpunkt (§ 77 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 AsylG) besteht kein Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG.
Nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von der Abschiebung eines Ausländers abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden (§ 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG). Der Ausländer muss eine Erkrankung, die die Abschiebung beeinträchtigen kann, durch eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung glaubhaft machen (§ 60 Abs. 7 Satz 2 i.V.m. § 60a Abs. 2c Satz 2 AufenthG). Diese ärztliche Bescheinigung soll insbesondere die tatsächlichen Umstände, auf deren Grundlage eine fachliche Beurteilung erfolgt ist, die Methode der Tatsachenerhebung, die fachlich-medizinische Beurteilung des Krankheitsbildes (Diagnose), den Schweregrad der Erkrankung, den lateinischen Namen oder die Klassifizierung der Erkrankung nach ICD 10 sowie die Folgen, die sich nach ärztlicher Beurteilung aus der krankheitsbedingten Situation voraussichtlich ergeben, enthalten (§ 60 Abs. 7 Satz 2 i.V.m. § 60a Abs. 2c Satz 3 AufenthG). Die Rechtsprechung stellt bestimmte inhaltliche Anforderungen an die Substantiierung des Vorbringens einer Erkrankung an einer Posttraumatischen Belastungsstörung (im Folgenden PTBS). Dazu gehört angesichts der Unschärfen des Krankheitsbildes sowie einer vielfältigen Symptomatik regelmäßig die Vorlage eines gewissen Mindestanforderungen genügenden fachärztlichen Attests. Aus diesem muss sich nachvollziehbar ergeben, auf welcher Grundlage der Facharzt seine Diagnose gestellt hat und wie sich die Krankheit im konkreten Fall darstellt. Dazu gehören etwa Angaben darüber, seit wann und wie häufig sich der Patient in ärztlicher Behandlung befunden hat und ob die von ihm geschilderten Beschwerden durch die erhobenen Befunde bestätigt werden. Des Weiteren sollte das Attest Aufschluss über die Schwere der Erkrankung, deren Behandlungsbedürftigkeit sowie den bisherigen Behandlungsverlauf (Medikation und Therapie) geben (BVerwG, B.v. 26.7.2012 – 10 B 21/12 – juris Rn. 7; BVerwG, U.v. 11.9.2007 – 10 C 17/07 – juris Rn. 15; BayVGH, B.v. 17.10.2012 – 9 ZB 10.30390 – juris Rn. 7).
Der Antragsteller hat ein Attest des Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten … … vom 20. Mai 2020 vorgelegt, das eine Posttraumatische Belastungsstörung (F 43.1) diagnostiziert. Unabhängig davon, ob das ärztliche Attest den Anforderungen des § 60 Abs. 7 Satz 2 i.V.m. § 60a Abs. 2c Satz 2 und 3 AufenthG und den von der Rechtsprechung gestellten Anforderungen an die Substantiierung einer PTBS genügt, ist diese Erkrankung grundsätzlich auch in Gambia behandelbar. Nach § 60 Abs. 7 Satz 4 AufenthG ist es nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist und nach § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG liegt eine ausreichende medizinische Versorgung in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Laut Lagebericht des Auswärtigen Amtes existiert eine staatliche psychiatrische Einrichtung, in der es allerdings oft an Medikamenten und gelegentlich an Lebensmitteln fehlt. Die Einrichtung wird von kubanischen Ärzten betreut wird, die nicht ständig anwesend sind (Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Gambia, Stand: Juli 2019, S. 10). Der gelegentliche Mangel an Medikamenten spielt für den Antragsteller keine Rolle, da ihm solche nicht verordnet wurden. Das Österreichische Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl nennt das Edward Francis Small Teaching Hospital in Banjul, in dem stationäre und ambulante Behandlungen von PTBS und Nachuntersuchungen durch einen Psychiater oder Psychologen verfügbar sind (Österreichisches Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Anfragebeantwortung der Staatendokumentation, Gambia, Posttraumatische Belastungsstörung vom 20. März 2018, S. 1). Eine MedCOI-Auskunft vom 19. Mai 2020 nennt daneben das Tanka Tanka Psychiatric Hospital in Banjul als Einrichtung, in der eine stationäre oder ambulante Behandlung von PTBS und eine Nachsorge durch einen Psychiater oder Psychologen möglich ist (Medical Country of Origin Information vom 19. Mai 2020). Damit existieren mindestens zwei Einrichtungen in Banjul, in denen eine Behandlung von PTBS möglich ist.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen


Nach oben