Verwaltungsrecht

Kein Flüchtlings- oder Abschiebeschutz für einen Maidan-Aktivisten

Aktenzeichen  Au 2 K 16.30426

Datum:
19.5.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG AsylG § 4, § 77 Abs. 1 S. 1, Abs. 2,
AufenthG AufenthG § 60 Abs. 1, Abs. 5, Abs. 7
EMRK EMRK Art. 3

 

Leitsatz

Aktivisten von Oppositionsparteien oder -gruppen unterliegen in der Ukraine keinen staatlichen Restriktionen. Meinungs- und Versammlungsfreiheit sind gewährleistet. (redaktioneller Leitsatz)
Zum Schutz gegen unberechtigte Strafverfolgung steht der Rechtsweg offen. Strafverfolgung und -zumessung orientieren sich an westlichen Standards. (redaktioneller Leitsatz)
Die Existenzbedingungen sind in der Ukraine knapp ausreichend, die Nahrungsmittelversorgung der Bevölkerung ist gewährleistet. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Die Klage wird abgewiesen.
II.
Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Kläger hat weder einen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG noch auf die Zuerkennung subsidiären Schutzes im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 bis 3 AsylG oder die Feststellung eines nationalen Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 AufenthG hinsichtlich seines Herkunftslands. Der insoweit angefochtene Bescheid des Bundesamts ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 5 Satz 1 VwGO).
Maßgeblich für die Entscheidung des Gerichts ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG). Von Seiten des Klägers ist im Laufe des gerichtlichen Verfahrens kein weiterer Sachvortrag erfolgt.
Ein individuelles Verfolgungsschicksal hat der Kläger nicht substantiiert geltend gemacht. Er stammt nicht aus einem der Konfliktgebiete in der Ostukraine, sondern er hat vor seiner Ausreise im westlichen bzw. zentralen Teil der Ukraine gelebt. Das Gericht folgt der zutreffenden Begründung der Beklagten im angegriffenen Bescheid, auf die verwiesen wird, und sieht von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 77 Abs. 2 AsylG).
Ergänzend ist auszuführen, dass sich auch in Bezug auf die aktuelle Erkenntnislage (vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Ukraine, Stand: 11. Februar 2016 – Lagebericht; Amnesty International, Amnesty Report 2016 Ukraine; U.S. Department of State, 2015 Country Reports on Human Rights Practices – Ukraine, vom 13. April 2016) keine Änderungen in der rechtlichen Bewertung ergeben.
Aktivitäten von Oppositionsparteien oder -gruppen unterliegen keinen staatlichen Restriktionen (vgl. Lagebericht, S. 5 und 7). Die Meinungsfreiheit ist ebenso wie die Versammlungsfreiheit in den Gebieten unter Kontrolle der ukrainischen Regierung gewährleistet (vgl. Country Reports, Ziffer 2.a. und b.; Amnesty Report, Recht auf freie Meinungsäußerung). In den Gebieten unter Kontrolle der ukrainischen Regierung konnten Journalisten 2015 im Allgemeinen frei arbeiten. Angesichts der russischen Besetzung und Annexion der Krim 2014 und des andauernden Konflikts in der Ostukraine wurden allerdings Medien schikaniert, deren Ausrichtung als pro-russisch oder pro-separatistisch wahrgenommen wurde (Amnesty Report, Recht auf freie Meinungsäußerung). Von Verfassungs wegen ist das Recht auf freie und gleiche Wahl garantiert (vgl. Country Reports, Ziffer 3.). Der Kläger ist eigenen Angaben zufolge weiterhin Mitglied der Vaterlandspartei sowie Sympathisant der Partei „Samopomitsch“, welche bis zum Ausscheiden aus der Regierungskoalition Anfang des Jahres 2016 an der prowestlich orientierten Regierung beteiligt waren. Es erschließt sich dem Gericht nicht, weshalb der Kläger – selbst wenn eine Anklageschrift weiterhin existieren sollte und die Behörden darauf bestehen würden, dass der Kläger der Vorladung Folge leiste – eine diskriminierende Strafverfolgung zu befürchten hätte. Dem Kläger steht zum Schutz gegen eine unberechtigte Strafverfolgung der Rechtsweg offen. Die Ukraine ist Vertragsstaat der meisten Menschenrechtskonventionen. Strafverfolgung und Strafzumessung orientieren sich zunehmend an westeuropäischen Standards. Untersuchungshaft wird nach umfassender Reform des Strafverfahrensrechts (mit Unterstützung des Internationalen Stiftung für Rechtliche Zusammenarbeit und ausgerichtet an deutschen Vorbildern) erkennbar seltener angeordnet als früher (vgl. Lagebericht, S. 7). Die Verfassung garantiert eine unabhängige Justiz, auch wenn die Gerichte als anfällig für politische Einflussnahme, Korruption und als ineffizient eingeschätzt werden und das Vertrauen in die Justiz weiterhin gering sein soll (vgl. Country Reports, Ziffer 1. e.). Insofern ist aber auch zu berücksichtigen, dass das Augenmerk auf der schleppenden strafrechtlichen Aufarbeitung und Verfolgung von Angehörigen der Sicherheitskräften wegen exzessiver, unnötiger und unrechtmäßiger Gewaltanwendung im Zusammenhang mit dem Euromaidan liegt (vgl. Amnesty Report, Folter und andere Misshandlungen). Von Gesetzes wegen werden alle wesentlichen verfahrensrechtlichen Garantien gewährleistet (vgl. Country Reports, Ziffer 1. e. Trail Procedures). Extralegale Tötungen sind nach den Ereignissen auf dem Euromaidan zwischen November 2013 und Februar 2014 außerhalb der Konfliktgebiete im Osten des Landes nicht mehr bekannt geworden (vgl. Lagebericht S. 12). Es sind keine Berichte bekannt, wonach in die Ukraine abgeschobene oder freiwillig zurückgekehrte ukrainische Asylbewerber wegen der Stellung eines Asylantrags im Ausland behelligt worden wären (vgl. Lagebericht, S. 14).
Die Existenzbedingungen sind im Landesdurchschnitt knapp ausreichend. Die Versorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln ist gesichert. Es sind keine Anhaltspunkte dafür erkennbar, dass dem Kläger bei seiner Rückkehr ernsthafter Schaden droht. Gefahren, die im Falle einer Rückkehr die Annahme eines Abschiebungsverbotes rechtfertigen würden, sind ebenfalls weder ersichtlich noch vorgetragen.
Die Klage war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Das Verfahren ist gemäß § 83b AsylG gerichtskostenfrei.


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