Verwaltungsrecht

Kein Flüchtlings- oder Abschiebungsschutz bei widersprüchlichem Vorbringen eines pakistanischen Staatsangehörigen

Aktenzeichen  Au 3 K 16.30611

Datum:
19.7.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG AsylG § 3, § 4
AufenthG AufenthG § 11 Abs. 1, § 60 Abs. 1, Abs. 5, Abs. 7

 

Leitsatz

Medizinische Versorgung ist in Pakistan in staatlichen Krankenhäusern gewährleistet. Bedürftige werden kostenlos behandelt. Das gilt auch für psychische Erkrankungen. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Die Klage wird abgewiesen.
II.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.
1. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft im Sinn von § 3 AsylG und § 60 Abs. 1 Satz 1 AufenthG. Er hält sich nicht aus begründeter Furcht vor politischer Verfolgung außerhalb Pakistans auf. Sein diesbezügliches Vorbringen ist nicht glaubhaft.
Der Kläger hat zu seinem angeblichen Verfolgungsschicksal drei Versionen vorgetragen, wobei sich die dritte Version (Desertion aus der pakistanischen Armee) grundlegend von den beiden anderen (Flucht aus einem Lager der pakistanischen Taliban) unterscheidet. Nachdem das Bundesamt seinen Asylantrag mit der Begründung abgelehnt hatte, die Ausführungen in dem Schreiben vom 22. Januar 2014 wichen in großen Teilen von seinen Angaben gemäß der Niederschrift vom 17. September 2013 ab, so dass nicht nachvollziehbar sei, dass er derart gravierende Unterschiede bei der Rückübersetzung der Niederschrift nicht bemerkt haben solle, machte er erstmals mit der Klagebegründung geltend, er sei aus seiner Heimat Pakistan geflohen, weil ihm wegen Desertion aus der Armee eine lebenslange Inhaftierung durch das Militär drohe. Während er nach der schriftlichen Klagebegründung eine Freigangsphase zur Flucht genutzt hat, trug er in der mündlichen Verhandlung vor, er habe damals heimlich in der Nacht die Kaserne verlassen. Gerade wegen der guten Deutschkenntnisse des Klägers kann ausgeschlossen werden, dass es wegen Sprachschwierigkeiten zu einem derart gravierenden Widerspruch gekommen ist. Zudem steigerte er sein Vorbringen erneut erheblich, indem er angab, ein Kamerad aus seiner Einheit sei von den Taliban zerstückelt vor dem Kasernentor abgelegt worden und er selbst sei kurz darauf bei einem Kampfeinsatz durch Granatsplitter verletzt worden. Auch sind Fälle von Fahnenflucht bei der pakistanischen Armee aufgrund des Status als Freiwilligenarmee und des herrschenden Ehrenkodex extrem selten (vgl. Lagebericht Pakistan vom 30.5.2016, II. 1.6 Militärdienst S. 17). All dies zeigt, dass der Kläger mit großem Nachdruck versucht, über eine erfundene Verfolgungsgeschichte seinem Asylantrag zum Erfolg zu verhelfen.
Demgegenüber haben die vorgelegten Unterlagen keinen Beweiswert. Die zum Nachweis der Militärzugehörigkeit vorgelegten Fotos, die weder Zeit noch Ort der Aufnahme erkennen lassen, sind ersichtlich gestellt. Die im Wesentlichen vorgedruckte, in englischer Sprache abgefasste „Affirmation in lieu of oath“ (eidesstattliche Versicherung), die ebenfalls weder eine Zeit- noch eine Ortsangabe enthält, ist offenkundig eine bestellte Gefälligkeitsbescheinigung eines pakistanischen Freundes. Die angebliche „Servicecard“ (Dienstausweis), die den Tag der Ausstellung offen lässt und in der statt „41 Punjab regt“ „41 Punjab rejt“ geschrieben steht, ist augenscheinlich eine Fälschung mit einem nachträglich eingesetzten Foto des Klägers (vgl. Lagebericht Pakistan vom 30.5.2016, V. 1. Echtheit der Dokumente S. 28).
2. Des Weiteren hat der Kläger keinen Anspruch auf Anerkennung als subsidiär Schutzberechtigter im Sinn von § 4 AsylG i. V. m. § 60 Abs. 2 AufenthG. Er hat keine stichhaltigen Gründe für die Annahme vorgebracht, dass ihm nach einer Rückkehr in Pakistan ein ernsthafter Schaden droht.
3. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG. In Pakistan besteht für ihn auch unter Berücksichtigung der vorgelegten Bestätigung einer Dipl.-Psychologin und eines Oberarztes des Bezirkskrankenhauses … vom 27. Juni 2016 keine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit. In der genannten Bestätigung heißt es, der Kläger befinde sich seit dem 20. Februar 2014 aufgrund einer posttraumatischen Belastungsstörung in ambulant-psychiatrischer Behandlung im BKH …. Zusätzlich zu therapeutischen Gesprächen werde er mit Valdoxan 24 mg/Tag behandelt. Der letzte Gesprächstermin habe am 15. Januar 2016 stattgefunden. Die Diagnose einer posttraumatischen Belastungsstörung beruht jedoch auf keiner tragfähigen Grundlage, weil die angeblich die Flucht und die Traumatisierung auslösenden Ereignisse – wie dargelegt – vom Kläger erfunden wurden, um seinem Asylantrag zum Erfolg zu verhelfen. Dies gilt insbesondere für die Version, die in dem Schreiben vom 22. Januar 2014 enthalten ist. Dieses Schreiben hat der Kläger mit Hilfe einer ehrenamtlichen Betreuerin erstellt, die ihn daraufhin in das Bezirkskrankenhaus … geschickt hat. Abgesehen davon hat der letzte Gesprächstermin mit der Psychologin bereits ein halbes Jahr vor der mündlichen Verhandlung stattgefunden, in der der Kläger einen psychisch sehr stabilen Eindruck gemacht hat.
Im Übrigen ist die medizinische Versorgung in Pakistan in den staatlichen Krankenhäusern gewährleistet. Bedürftige werden dort kostenlos behandelt. Hierfür genügt bereits die Erklärung des Patienten, dass die Behandlung nicht bezahlt werden könne. Allerdings trifft dies auf schwierige Operationen, z. B. Organtransplantationen, nicht zu. Die Grundversorgung mit nahezu allen gängigen Medikamenten ist sichergestellt. Für ärztliche Versorgung und Medikamente muss in Pakistan nur ein Bruchteil der in Deutschland hierfür anfallenden Kosten aufgewendet werden, so dass sie für weite Teile der Bevölkerung erschwinglich sind. Recherchen der Deutschen Botschaft Islamabad haben zudem ergeben, dass – unter dem Vorbehalt der Finanzierbarkeit – in den modernen Krankenhäusern in den Großstädten wie Lahore die meisten Krankheiten behandelt werden können (vgl. Lagebericht Pakistan vom 30.5.2016, IV. 1.2 Medizinische Versorgung S. 27 f.). Selbst eine psychische Erkrankung des Klägers könnte demnach in Pakistan behandelt werden.
4. Die Entscheidung des Bundesamts, das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung zu befristen, ist nicht zu beanstanden. Die Länge der Frist liegt exakt in der Mitte des von § 11 Abs. 3 Satz 2 AufenthG vorgegebenen Rahmens und begegnet daher keinen Bedenken.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.


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