Verwaltungsrecht

Kein Flüchtlingsschutz für kurdische Volkszugehörige aus dem Irak

Aktenzeichen  AN 2 K 16.30543

Datum:
1.12.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG AsylG § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1

 

Leitsatz

Die Abwendung vom islamisch-sunnitischen Glauben bzw. die nicht Ausübung des Glaubens führt im Irak nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit zu relevanten Schwierigkeiten. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Die Klage, die nicht auf die Anerkennung als Asylberechtigter im Sinne von Art 16 a GG gerichtet ist, ist zulässig, aber unbegründet. Der Bescheid des BAMF vom 22. März 2016 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 und Abs. 5 VwGO. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 Abs. 1 AsylG, auf Zuerkennung subsidiären Schutzes im Sinne von § 4 AsylG und auf Erstellung des Vorliegens von Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Auch die in Ziffern 4 und 5 getroffenen Nebenentscheidungen begegnen keinen Bedenken.
Das Gericht nimmt zur Begründung des Urteils gemäß § 77 Abs. 2 AsylG vorab Bezug auf die ausführliche und zutreffende Begründung des streitgegenständlichen Bescheides des BAMF vom 22. März 2016 und führt ergänzend aus:
Auch im für die Entscheidung maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 AsylG) stellt sich die Situation für den Kläger als kurdischen Volkszugehörigen angesichts der allgemeinen Lage im Irak und in seiner Herkunftsregion nicht anders dar.
Die Stadt Sulaimaniya, aus der der Kläger stammt, ist mit ca. 800.000 Einwohnern die fünftgrößte Stadt des Irak. Sie befindet sich in der (teil-)autonomen Region Kurdistan in der Provinz As-Sulaimaniyya die insgesamt rund 2.000.000 Einwohner umfasst. Die Mehrheit der Bevölkerung dort besteht aus Kurden, während landesweit die kurdische Bevölkerung etwa 15 bis 20% ausmacht. Die Bevölkerung in der Provinz As-Sulaimaniyya ist zu 99% muslimisch. Die kurdische Bevölkerung ist wie der Kläger überwiegend sunnitisch-muslimischen Glaubens. In der Region Kurdistan halten sich derzeit außerdem ca. 900.000 der rund 3,2 Mio Binnenvertriebenen aus anderen Landesteilen auf. Auch Minderheiten sind nach den Ausführungen des Auswärtigen Amtes im Lagebericht vom 18. Februar 2016 in der Region Kurdistan-Irak und in weiten Gebieten, die unter Kontrolle der kurdischen Regionalregierung stehen, weitgehend vor Gewalt und Verfolgung geschützt.
Politisch herrscht zwischen der Zentralregierung des Irak und der Region Kurdistan zwar ein gespanntes Verhältnis und auch innenpolitisch ist die Alle-Parteien-Koalition in Kurdistan im August 2015 zusammengebrochen. Im Kampf gegen die Terrororganisation IS kämpft das irakische Militär mit schiitischen Milizen und der kurdischen Peschmerga sowie der international geführten Anti-IS-Koalition jedoch in einem, wenn auch brüchigen Bündnis.
Angesichts dieser Lage in der Herkunftsregion des Klägers ist nicht davon auszugehen, dass dem Kläger dort bei einer Rückkehr Verfolgungshandlungen nach § 3 a AsylG bzw. eine Behandlung aufgrund von Verfolgungsgründen nach § 3 b AsylG durch Akteure im Sinne des § 3 c AsylG drohen. Eine Situation im Sinne von § 4 AsylG, die zur Anerkennung subsidiären Schutzes führen würde, findet er dort nicht vor. Ein bewaffneter innerstaatlicher Konflikt im Sinne von der § 4 Abs. 1 AsylG liegt in der Region Kurdistan-Irak nach Auswertung der zum Verfahren beigezogenen Erkenntnisquellen nicht vor. Einzelne terroristische Anschläge und Gewaltakte, zu denen es auch in der Herkunftsregion des Klägers gekommen ist, genügen hierfür nicht. Nach den dargelegten Erkenntnissen kann der Kläger als kurdischer Volkszugehörige sunnitischen Glaubens in die Region Kurdistan ohne größere Probleme zurückkehren.
Auch sein persönliches Vorbringen bei der Anhörung vor dem BAMF nach § 25 AsylG und in der mündlichen Verhandlung vom 1. Dezember 2016 lässt keine Umstände erkennen, die asylrechtlich relevante Gefahren bei einer Rückkehr gerade bei ihm befürchten lassen. Seine kurzzeitige Teilnahme an Kampfhandlungen auf Seite der kurdischen Peschmerga gegen den IS, der in der Region As-Sulaimaniyya keine Macht ausübt, bietet kein gesteigertes Gefahrenpotenzial.
Auch sein Distanzieren vom islamisch-sunnitischen Glauben begründen nicht die Annahme einer konkreten individuellen Gefährdung.
Die Abwendung vom islamischen Glauben bzw. die nicht Ausübung des Glaubens führt nach den dargelegten Erkenntnissen ebenfalls nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit zu relevanten Schwierigkeiten. Die Verfassung des Irak erkennt das Recht auf Religions- und Glaubensfreiheit weitgehend an und garantiert Religionsfreiheit inklusive der Freiheit ihrer Ausübung. Sie bestimmt zwar den Islam zur Staatsreligion und zur Hauptquelle der Gesetzgebung. Das Strafgesetzbuch kennt jedoch keine aus dem islamischen Recht übernommenen Straftatbestände wie zum Beispiel den Abfall vom Islam oder die Beleidigung des Propheten. Die seit September 2015 im Irak eingeführten neuen Personalausweise enthalten auch keine Angabe zur Religionszugehörigkeit mehr.
Nach dem Vortrag des Klägers hat im Übrigen nicht einmal sein als Sachbeschädigung zu qualifizierendes Vorgehen im Zusammenhang mit der Trennung von Kabeln der Moschee zu nennenswerten Maßnahmen geführt. Bei einer Rückkehr hat der Kläger diesbezüglich allenfalls mit Sanktionen wegen kriminellen Vorgehens – als solches muss ein derartiges Tätigwerden eingestuft werden – zu rechnen. Dies ist asylrechtlich ohne Bedeutung.
Der Vortrag des Klägers und die Lage in seiner Heimat bieten auch keine Anhaltspunkte für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Seine Betroffenheit im Hinblick auf das Schicksal seines Bruders, seine Sorge um seine Mutter und sein angeschlagener psychischer Zustand, dem aber kein Krankheitswert zukommt, führen zu keinem Abschiebungshindernis.
Die Abschiebungsandrohung in Ziffer 4 des Bescheids vom 22. März 2016 beruht auf § 34 Abs. 1 AsylG i. V. m. § 59 AufenthG und ist rechtmäßig, da die entsprechenden gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen.
Die im Rahmen von der § 11 Abs. 3 AufenthG zutreffende Ermessensentscheidung über die Dauer des Einreise-und Aufenthaltsverbotes gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG ist nicht zu beanstanden, § 114 Abs. 1 VwGO.
Die Kostenentscheidung der damit abzuweisenden Klage beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83 b AsylG nicht erhoben.


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