Verwaltungsrecht

Kein internationaler Schutz für Kurden aus dem Irak

Aktenzeichen  M 4 K 16.35642

Datum:
9.1.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 7833
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 3, § 3e, § 4
AufenthG § 60 Abs. 1, Abs. 5, Abs. 7

 

Leitsatz

Für sunnitische Kurden aus dem Irak besteht in den kurdischen Autonomiegebieten eine innerstaatliche Fluchtalternative. (Rn. 14) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Kläger haben die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Über die Klage konnte aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 9. Januar 2018 entschieden werden, obwohl auf Beklagtenseite niemand erschienen ist, da in der Ladung zur mündlichen Verhandlung darauf hingewiesen wurde, dass auch im Fall des Nichterscheinens der Beteiligten verhandelt und entschieden werden kann (§ 102 Abs. 2 VwGO). Die Beklagte ist form- und fristgerecht geladen worden.
Die Klage bleibt ohne Erfolg.
I.
Die Kläger haben zum Zeitpunkt der Entscheidungsreife keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 60 Abs. 1 AufenthG, §§ 3 ff. AsylG. Nach § 3 AsylG ist ein Ausländer Flüchtling, wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb des Landes befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will. Nach § 3a Abs. 1 AsylG gelten als Verfolgung Handlungen, die auf Grund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen nach Art. 15 Abs. 2 der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten keine Abweichung zulässig ist, oder in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher Weise betroffen ist.
Dabei setzt die unmittelbar drohende Verfolgung eine Gefährdung voraus, die sich schon so weit verdichtet hat, dass der Betroffene für seine Person ohne weiteres mit dem jederzeitigen Verfolgungseintritt aktuell rechnen muss (vgl. BVerwG, Urteil vom 24. November 2009 – 10 C 24.08 – juris, Rn. 14). Soweit eine Vorverfolgung eines Schutzsuchenden im Sinne von Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes -Qualifikationsrichtliniefestzustellen ist, kommt ihm die Beweiserleichterung gemäß dieser Vorschrift zugute. Danach ist die Tatsache, dass ein Antragsteller bereits verfolgt wurde oder einen sonstigen ernsthaften Schaden erlitten hat bzw. von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden unmittelbar bedroht war, ein ernsthafter Hinweis darauf, dass die Furcht des Antragstellers vor Verfolgung begründet ist, bzw. dass er tatsächlich Gefahr läuft, ernsthaften Schaden zu erleiden, es sei denn, stichhaltige Gründe sprechen dagegen, dass der Antragsteller erneut von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden bedroht wird (vgl. BVerwG, Urteil vom 24. November 2009, a.a.O., Rn. 18).
Nach diesen Maßstäben haben die Kläger keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft. Sie haben den Irak nicht vorverfolgt verlassen. In ihrem Heimatdorf ist ihnen nichts passiert. Eine individuelle Verfolgung liegt nicht vor. So glaubt das Gericht schon die vorgetragene Geschichte nicht. Es ist nicht nachvollziehbar, wenn die Klägerin zu 1 und ihr Ehemann erklären, dass sie nach ihrer Heirat niemals in Z. waren und gleichzeitig alle vorgelegten Ausweise/Urkunden der Kinder Z. als Geburtsort angeben. Jedenfalls hatten die Kläger eine innerstaatliche Fluchtalternative; sie hätten sich in einen anderen Ort in den kurdischen Autonomiegebieten niederlassen können. Für die kurdischen Autonomiegebiete, in denen sich die Kläger vor ihrer Ausreise aufgehalten haben, ist geklärt, dass keine Gruppenverfolgung vorliegt (VGH, B.v. 21.11.2017 – 5 ZB 17.31653 – Rn. 12 ff.). Auch für das Heimatdorf der Kläger ist aktuell keine Gruppenverfolgung ersichtlich. Aus der aktuellen Berichterstattung in den Medien geht hervor, dass der IS im Irak nur noch in vereinzelten Gebieten nicht vertrieben wurde (http://www.spiegel.de/politik/ausland /syrienundirakkampfgegendeniswettlaufumdiewuestea-1164569.html; http://
www.spiegel.de/politik/ausland/irakischearmeeerobertantikenstadtnimruda-1121061.html jeweils aufgerufen am 7.12.2017).
Im Übrigen wird auf die Begründung im streitgegenständlichen Bescheid verwiesen.
II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylG. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung stützt sich auf § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.


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