Verwaltungsrecht

Kein Rechtsanspruch auf Übertragung der streitgegenständlichen Stelle

Aktenzeichen  M 5 E 15.5533

Datum:
25.2.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
GG GG Art. 19 Abs. 4, Art. 33 Abs. 2
VwGO VwGO § 123

 

Leitsatz

Tenor

I.
Der Antrag wird abgelehnt.
II.
Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Der Beigeladene trägt seine außergerichtlichen Kosten selbst.
III.
Der Streitwert wird auf 5.000,- EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsgegner schrieb im Mitteilungsblatt Nr. 12 vom 30. Juni 2014 für den Bereich des Bayerischen Landeskriminalamts den Dienstposten als Leiterin/Leiter des Sachgebiets 624 – Sprengstoff-/Strahlendelikte/Waffenhandel/Tatortgruppe – (A 12/13) aus. Es wurde darauf hingewiesen, dass Bewerberinnen/Bewerber eine mindestens dreijährige kriminalpolizeiliche Tätigkeit in einer entsprechenden Fachdienststelle (gemeingefährliche Delikte) nachweisen müssten, die nicht länger als fünf Jahre beendet sein dürfe. Ferner müssten Bewerberinnen/Bewerber an mindestens einem Seminar aus dem Fortbildungsprogramm der Bayerischen Polizei im Bereich gemeingefährliche Delikte (z. B. Waffen/Sprengstoff) teilgenommen haben.
Auf den Dienstposten bewarben sich seinerzeit u. a. der Antragsteller und der Beigeladene.
Der Antragsteller steht als Beamter auf Lebenszeit als Kriminalhauptkommissar (Besoldungsgruppe A 12) in Diensten des Antragsgegners. In seiner Beurteilung für den Zeitraum 1. Juni 2009 bis 31. Mai 2012 erzielte er ein Gesamtergebnis von 13 Punkten. Für den Beurteilungszeitraum 1. Juni 2012 bis 31. Mai 2015 erzielte er ein Ergebnis von 15 Punkten.
Der Beigeladene steht ebenfalls als Beamter auf Lebenszeit als Kriminalhauptkommissar (Besoldungsgruppe A 12) in Diensten des Antragsgegners. In seiner Beurteilung für den Zeitraum 1. Juni 2009 bis 31. Mai 2012 erzielte er ein Gesamtergebnis von 14 Punkten. Für den Beurteilungszeitraum 1. Juni 2012 bis 31. Mai 2015 wurde dieser Beamte mit einem Ergebnis von 16 Punkten beurteilt.
Mit Besetzungsvermerk vom 4. September 2014 wurde entschieden, dem Beigeladenen den Dienstposten zu übertragen. Ein anderer Bewerber als der Antragsteller erreiche zwar wie der Beigeladene ein Beurteilungsergebnis von 14 Punkten, sei jedoch nicht mindestens drei Jahre (bei Passage „der Jahre“ handelt es sich offensichtlich um einen Schreibfehler) bei einer Fachdienststelle (gemeingefährliche Delikte) tätig gewesen. Der Beigeladene sei seit 1. September 2010 stellvertretender Leiter des K 12 (Todesermittlungen, Selbsttötungen, Schwangerschaftsabbruch) und habe das Seminar „Tötungsdelikte“ besucht. Er erfülle damit alle in der Ausschreibung genannten Voraussetzungen.
Der Hauptpersonalrat stimmte der Stellenbesetzung mit Schreiben vom 17. September 2014 nicht zu. Im 28. Abschnitt des Strafgesetzbuches seien die gemeingefährlichen Straftaten abschließend aufgeführt. Bei Tötungsdelikten und Schwangerschaftsabbrüchen handle es sich nicht um gemeingefährliche Straftaten im Sinne des Strafgesetzbuches. Sie seien Bestandteil des 16. Abschnitts – Straftaten gegen das Leben. Nach dem Internetauftritt des Polizeipräsidiums München fielen die gemeingefährlichen Straftaten auch in den Zuständigkeitsbereich des K 13.
Das Bayerische Staatsministerium des Innern, für Bau und Verkehrs teilte dem Hauptpersonalrat darauf mit Schreiben vom 20. Oktober 2014 mit, dass der Beigeladene nicht die in der Stellenausschreibungen geforderten Voraussetzungen erfülle, da die gemeingefährlichen Delikte nicht in die Zuständigkeit des K 12 beim Polizeipräsidium München fielen. Es sei nunmehr beabsichtigt, den Antragsteller auf den Dienstposten zu bestellen. Dieser sei derzeit Sachbearbeiter Sprengstoff-/Strahlendelikte/Waffenhandel/Tatortgruppe im Sachgebiet 624 beim Bayerischen Landeskriminalamt. Er habe auch an mehreren Fortbildungsseminaren für Sprengstoffsachbearbeiter teilgenommen. Ein anderer Polizeibeamter, der sich ebenfalls auf den Dienstposten beworben habe, sei im Sachgebiet 635 des Landeskriminalamtes tätig; eine in der Ausschreibung geforderte kriminalpolizeiliche Tätigkeit werde dort aber nicht praktiziert. Die verbleibenden Bewerber lägen bei einem Leistungsvergleich anhand der dienstlichen Beurteilungen hinter dem Antragsteller.
Der Hauptpersonalrat teilte mit Schreiben vom 5. November 2014 mit, dass der beabsichtigten Besetzung der Stelle mit dem Antragsteller nicht zugestimmt werden könne. Die in der Ausschreibung geforderten Tätigkeitsmerkmale eines Bewerbers stellten eine vor dem Hintergrund der Rechtsprechung unzulässige Einschränkung des Bewerberkreises dar. Bei einer Auswahl ohne die unzulässige Einschränkung des Bewerberkreises stelle sich der Beigeladene als leistungsstärkster Bewerber dar. Der Stellenbesetzung mit dem Beigeladenen werde daher zugestimmt.
Mit Schreiben vom 2. Juni 2015 teilte das Ministerium dem Hauptpersonalrat mit, dass vom Anforderungsprofil während eines laufenden Besetzungsverfahrens nicht abgerückt werden dürfe. Es sei beabsichtigt, die Ausschreibung zu widerrufen und nach einem Vorschlag der Arbeitsgruppe „Fachspezifische Besetzung von Dienstposten“ eine mindestens vierjährige Ermittlungstätigkeit in einer kriminalpolizeilichen Ermittlungsdienststelle vorauszusetzen, in der Tötungsdelikte oder gemeingefährliche Delikte bearbeitet werden; diese dürfe jedoch nicht länger als acht Jahre beendet sein. Der Hauptpersonalrat stimmte mit Schreiben vom 11. Juni 2015 dem beabsichtigten Ausschreibungszusatz derzeit nicht zu. Es gebe noch keine abschließende Haltung der „AG FBD“ bzw. ihrer „UAG“ bzw. seien die Ausschreibungszusätze mit den Verbänden bzw. im Ministerium noch nicht konsolidiert.
Das Ministerium teilte dem Hauptpersonalrat mit Schreiben vom 7. August 2015 mit, dass der umstrittene Dienstposten entsprechend den geschilderten Vorgaben neu ausgeschrieben werde. Der Hauptpersonalrat teilte am 20. August 2015 mit, dass er das zur Kenntnis genommen habe.
Dem Antragsteller wie dem Beigeladenen wurde mit Schreiben vom 12. August 2015 mitgeteilt, dass der Dienstposten in Kürze mit einem überarbeiteten Ausschreibungszusatz erneut ausgeschrieben werde. Die erfolgte Bewerbung könne zunächst nicht weiter berücksichtigt werden.
Im Mitteilungsblatt Nr. 15/16 vom 14. August 2015 schrieb der Antragsgegner für den Bereich des Bayerischen Landeskriminalamts den Dienstposten als Leiterin/Leiter des Sachgebiets 624 – Sprengstoff-/Strahlendelikte/Waffenhandel/Tatortgruppe – (A 12/13) aus. Bewerberinnen/Bewerber müssten eine mindestens vierjährige Verwendung in Ämtern der 3. Qualifikationsebene in einer kriminalpolizeilichen Ermittlungsdienststelle aufweisen, in der Delikte gegen höchstpersönliche Rechtsgüter bearbeitet werden (Kommissariate 1 bei den Kriminalpolizeidienststellen der Polizeipräsidien, Kommissariate des Kriminalfachdezernats 1 München, Kommissariate 11, 12 und 13 des Kriminalfachdezernats 1 Nürnberg, Sachgebiet 624 – Waffen-/Sprengstoffdelikte beim Bayerischen Landeskriminalamt). Diese Verwendung dürfe nicht länger als acht Jahre beendet sein. Die in der Dienstposten-/Stellenausschreibung Nr. 12 vom 30. Juni 2014 veröffentlichte Ausschreibung des Dienstpostens als Leiterin/Leiter des Sachgebiets 624 – Sprengstoff-/Strahlendelikte/Waffenhandel/Tatortgruppe – im Bayerischen Landeskriminalamts(A 12/13) werde widerrufen.
Der Antragsteller bewarb sich frist- und formgerecht auf den ausgeschriebenen Dienstposten. Der im Verwaltungsverfahren bevollmächtigte Vertreter des Beigeladenen teilte dem Ministerium mit Schreiben vom 18. September 2015 mit, dass sich der Beamte um den umstrittenen Dienstposten bemühe und daher davon ausgegangen werde, dass dessen Bewerbung auch bei der erneuten Ausschreibung berücksichtigt werde.
Mit Besetzungsvermerk vom 23. Oktober 2015 entschied das Ministerium, dass der Beigeladene der leistungsstärkste Beamte aus dem Kreis der Beförderungsbewerber sei, die gemäß der Ausschreibung eine mindestens vierjährige Ermittlungstätigkeit in einer kriminalpolizeilichen Ermittlungsdienststelle, in der Tötungsdelikte oder gemeingefährliche Delikte bearbeitet werden, aufweisen. Denn er habe mit 16 Punkten das beste Gesamturteil in der aktuellen Beurteilung erreicht.
Der Hauptpersonalrat stimmte der Besetzung am 13. November 2015 zu.
Dem Antragsteller wurde mit Schreiben vom 23. November 2015 mitgeteilt, dass beabsichtigt sei, die Stelle mit dem Beigeladenen zu besetzen.
Am 9. Dezember 2015 hat der Antragsteller Klage gegen den Bescheid vom 23. November 2015 erhoben mit dem Ziel, den Antragsgegner zu verpflichten, über seine Bewerbung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden. Über dieses Klageverfahren, das unter dem Aktenzeichen M 5 K 15.5534 geführt wird, ist noch nicht entschieden.
Mit Schriftsatz vom 9. Dezember 2015, eingegangen bei Gericht am 10. Dezember 2015, hat der Antragsteller einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt und beantragt,
dem Antragsgegner im Wege einer einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 S. 1 VwGO zu untersagen, die im Mitteilungsblatt vom 14. August 2015 unter Ziff. 11.1 ausgeschriebene Stelle als Leiterin/Leiter des Sachgebiets 624 – Sprengstoff-/Strahlendelikte/Waffenhandel/Tatortgruppe – (A 12/13) mit einem Mitbewerber des Antragstellers zu besetzen, solange über dessen Bewerbung nicht bestandskräftig entschieden ist.
Es habe keinen sachlichen Grund für den Abbruch des vorangegangenen Auswahlverfahrens gegeben. Der Beigeladene habe sich auch nicht wirksam beworben. Dem Antragsteller seien die Anforderungen des ausgeschriebenen Dienstpostens seit Jahren bekannt, er nehme die Sachgebietsleitung seit längerer Zeit tatsächlich wahr. Er sei auch ausgewiesener Sprengstoffexperte. Daher könne er aufgrund seiner besonderen Sachkunde den Vorsprung des Beigeladenen im Gesamtergebnis der Beurteilung ausgleichen. Bei einem Gleichstand der Bewerber sei klar, dass der Antragsteller speziell für den ausgeschriebenen Dienstposten über wesentlich bessere Kenntnisse verfüge.
Das Bayerische Staatsministerium des Innern, für Bau und Verkehr hat für den Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Das erste Besetzungsverfahren sei aus einem sachlichen Grund abgebrochen worden. Denn der zunächst verwendete Ausschreibungstext werde den aktuell bestehenden Bedürfnissen an den Dienstposteninhaber nicht mehr gerecht. Daher sei die Stelle mit den neu gefassten Anforderungen erneut auszuschreiben gewesen. Sowohl der Antragsteller wie der Beigeladene erfüllten die in der Ausschreibung statuierten Voraussetzungen. Bei einem Leistungsvergleich anhand des Gesamtergebnisses der aktuellen dienstlichen Beurteilungen erweise sich der Beigeladene als der leistungsstärkere Beamte.
Mit Beschluss vom 19. Januar 2016 wurde der ausgewählte Beamte zum Verfahren beigeladen. Dieser hat bislang weder einen Antrag gestellt noch sich sonst im Verfahren geäußert.
Bezüglich weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichts- und vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.
II.
Der zulässige Antrag hat keinen Erfolg.
1. Gemäß § 123 Abs. 1 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) kann das Gericht auch schon vor Klageerhebung eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung des Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Nach Satz 2 des § 123 Abs. 1 VwGO sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, notwendig erscheint, um insbesondere wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern. § 123 Abs. 1 VwGO setzt daher sowohl einen Anordnungsgrund, d. h. ein Bedürfnis für die Inanspruchnahme vorläufigen Rechtsschutzes in Form der Gefährdung eines eigenen Individualinteresses, als auch einen Anordnungsanspruch voraus, d. h. die bei summarischer Überprüfung der Sach- und Rechtslage hinreichende Aussicht auf Erfolg oder zumindest auf einen Teilerfolg des geltend gemachten Begehrens in der Hauptsache. Der Antragsteller hat die hierzu notwendigen Tatsachen glaubhaft zu machen.
2. Ein Anordnungsgrund ist glaubhaft gemacht, da die vom Antragsteller angestrebte Stelle als Leiterin/Leiter des Sachgebiets 624 – Sprengstoff-/Strahlendelikte/Waffenhandel/Tatortgruppe – (A 12/13) ausweislich des Schreibens vom 23. November 2015 mit dem Beigeladenen besetzt werden soll. Nach herrschender Auffassung in der Rechtsprechung (BVerwG, U.v. 4.11.2010 – 2 C 16/09 – NVwZ 2011, 358 und U.v. 25.8.1988 – 2 C 62/85 – NVwZ 1989, 158; VG München, B.v. 28.4.2014 – M 5 E 14.1466) ist mit der endgültigen anderweitigen Besetzung einer Stelle das Besetzungsverfahren grundsätzlich abgeschlossen mit der Folge, dass dem Begehren des Antragstellers, die Auswahlentscheidung zu seinen Gunsten vorzunehmen, nicht mehr entsprochen werden könnte, weil der Antragsgegner die Stellenbesetzung mit dem Beigeladenen in der Regel nicht mehr rückgängig machen könnte.
3. Der Antragsteller hat jedoch keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht.
Einen Rechtsanspruch auf Übertragung der streitgegenständlichen Stelle hat der Antragsteller nicht. Ein solcher lässt sich nach herrschender Rechtsprechung nicht aus der Fürsorgepflicht ableiten, die sich auf das vom Beamten bekleidete Amt beschränkt und somit amtsbezogen ist. Der Antragsteller hat aber einen Bewerbungsverfahrensanspruch, d. h. einen Anspruch darauf, dass der Dienstherr den Dienstposten unter Berücksichtigung des in Art. 33 Abs. 2 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland (GG), Art. 94 Abs. 2 Satz 2 der Verfassung für den Freistaat Bayern (BV), § 9 des Beamtenstatusgesetzes (BeamtStG) und Art. 16 Abs. 1 des Gesetzes über die Leistungslaufbahn und die Fachlaufbahnen der Bayerischen Beamten und Beamtinnen (Leistungslaufbahngesetz – LlbG) normierten Leistungsgrundsatzes vergibt und seine Auswahlentscheidung nur auf Gesichtspunkte stützt, die unmittelbar Eignung, Befähigung und fachliche Leistung der Bewerber betreffen (vgl. BVerfG, B.v. 26.11.2010 – 2 BvR 2435/10 – NVwZ 2011, 746 und vom B.v. 2.10.2007 – 2 BvR 2457/04 – NVwZ 2008, 194).
Anhand dieser Vorgaben hat der Dienstherr unter mehreren Bewerbern den am besten Geeigneten ausfindig zu machen. Diese Vorgaben dienen zwar vornehmlich dem öffentlichen Interesse an einer bestmöglichen Besetzung von Beamtenstellen, berücksichtigen aber zugleich das berechtigte Interesse eines Beamten an einem angemessenen beruflichen Fortkommen. Ein Bewerber hat daher Anspruch auf rechtsfehlerfreie Anwendung (BVerwG, U. v. 25.8.1988 – 2 C 28/85 – juris; BayVGH, B.v. 25.5.2011 – 3 CE 11.605 – BayVBl 2011, 565; VG München, B.v. 24.10.2012 – M 5 E 12.2637 – juris). Aus der Verletzung dieses Anspruchs folgt zwar regelmäßig nicht ein Anspruch auf Beförderung oder auf Vergabe des begehrten Dienstpostens. Der unterlegene Bewerber kann aber eine erneute Entscheidung über seine Bewerbung beanspruchen, wenn seine Auswahl möglich erscheint (BVerfG, B. v. 26.11.2010 – 2 BvR 2435/10 – NVwZ 2011, 746).
Feststellungen über Eignung, Befähigung und fachliche Leistung von Bewerbern um eine Beförderungsstelle sind in erster Linie auf die aktuellen dienstlichen Beurteilungen zu stützen, denn sie bilden den gegenwärtigen bzw. zeitnah zurückliegenden Stand ab und können somit am besten als Grundlage für die Prognose dafür dienen, welcher der Konkurrenten die Anforderungen der zu besetzenden Stelle voraussichtlich am besten erfüllen wird. (BVerwG, B.v. 27.9.2011 – 2 VR 3/11 – NVwZ-RR 2012, 71; vgl. zum Ganzen auch: BayVGH, B.v. 18.6.2012 – 3 CE 12.675 – juris; VG München, B.v. 26.10.2012 – M 5 E 12.3882 – juris; B.v. 24.10.2012 – M 5 E 12.2637 – juris).
Abweichend von diesem Grundsatz kann der Dienstherr über die Eignung des Bewerberfeldes auch in einem gestuften Auswahlverfahren befinden. Bewerber, die zwingende Vorgaben eines rechtmäßigen Anforderungsprofils nicht erfüllen, können zwar in einer ersten Auswahl ausgeschlossen werden und müssen nicht mehr in den Leistungsvergleich einbezogen werden. Erst wenn es darum geht, ggf. eine Auswahl unter mehreren das Anforderungsprofil erfüllenden Bewerbern zu treffen, kommt den dienstlichen Beurteilungen (wieder) Bedeutung zu. Dieser absolut wirkenden Ausschlussfunktion entspricht es aber, dass konstitutive Anforderungsprofile nur aus besonderem Grund in ein Auswahlverfahren eingeführt werden dürfen (BayVGH, B.v. 4.2.2009 – 3 CE 08.2852 – juris Rn. 44). Außerdem ist der Dienstherr bei der Bestimmung des Anforderungsprofils an die gesetzlichen Vorgaben gebunden und damit, soweit eine an Art. 33 Abs. 2 GG zu messende Dienstpostenvergabe in Rede steht, auch zur Einhaltung des Grundsatzes der Bestenauswahl verpflichtet (BVerwG, B.v. 20.6.2013 – 2 VR 1/13 – juris Rn. 23 f.). Bereits das Bewerberfeld einengende konstitutive Anforderungsmerkmale sind folglich nur ausnahmsweise zulässig, wenn die Wahrnehmung der Dienstaufgaben des ausgeschriebenen Dienstpostens zwingend besondere Kenntnisse oder Fähigkeiten voraussetzt, die ein Laufbahnbewerber regelmäßig nicht mitbringt und sich in angemessener Zeit und ohne unzumutbare Beeinträchtigung der Aufgabenwahrnehmung auch nicht verschaffen kann. Diese Voraussetzungen hat der Dienstherr darzulegen, sie unterliegen voller gerichtlicher Kontrolle (BVerwG, B.v. 20.6.2013, a. a. O., juris Rn. 31; VG München, B.v. 25.3.2014 – M 21 E 13.5890 – juris Rn. 71).
4. Der Abbruch des mit Ausschreibung vom 30. Juni 2014 eingeleiteten Stellenbesetzungsverfahrens ist rechtlich nicht zu beanstanden.
Der Dienstherr darf ein eingeleitetes Auswahlverfahren jederzeit beenden, wenn ein sachlicher Grund vorliegt. Das für den Abbruch des Auswahlverfahrens maßgebliche organisations- und verwaltungspolitische Ermessen ist ein anderes als das bei einer Stellenbesetzung zu beachtende Auswahlermessen (vgl. BVerwG; U.v. 22.7.1999 – 2 C 14/98 – NVwZ-RR 2000, 172, juris Rn. 26). Ein sachlicher Grund liegt beispielsweise dann vor, wenn sich der Dienstherr entschließt, mit dem Ziel der bestmöglichen Besetzung der Beförderungsstelle einen breiteren Interessentenkreis anzusprechen, weil er den einzigen Bewerber nicht uneingeschränkt für geeignet hält (vgl. BVerwG, U.v. 25.4.1996 – 2 C 21/95 – BVerwGE 101, 112, juris Rn. 23; U.v. vom 22.7.1999, a. a. O., juris Rn. 29) oder wenn seit der ersten Ausschreibung ein erheblicher Zeitraum verstrichen ist und der Dienstherr den Bewerberkreis aktualisieren und vergrößern will (vgl. NdsOVG, B.v. 14.9.2006 – 5 ME 219/06 – NVwZ-RR 2007, 404, juris Rn. 15) oder wenn der Dienstherr aufgrund der während des Auswahlverfahrens gewonnenen Erkenntnisse funktionsspezifische Differenzierungen des Anforderungsprofils vornimmt, um den Bewerberkreis sachbezogen einzugrenzen (vgl. OVG NRW, B.v. 15.1.2003 – 1 B 2230/02, DÖD 2004, 205, juris Rn. 12). Darüber hinaus sind weitere Fallgestaltungen für den Abbruch eines Stellenbesetzungsverfahrens denkbar (vgl. zum Ganzen auch BayVGH, B.v. 5.11.2015 – 3 CE 15.1606 – juris Rn. 23 ff.; B.v. 24.10.2012 – 3 CE 12.1645 – juris Rn. 30; B.v. 18.2.2011 – 3 CE 10.2443 – juris Rn. 38; B.v. 1.2.2012 – 3 CE 11.2725 – BayVBl 2012, 408). Zudem muss der Abbruch des Besetzungsverfahrens mit den wesentlichen Gründen in den Akten dokumentiert sein, sofern er sich nicht evident aus dem Vorgang selbst ergibt, und die Bewerber über den Abbruch des Verfahrens in Kenntnis gesetzt werden (BVerwG, B.v. 27.10.2015 – 1 WB 56/14 – juris Rn. 31 ff.; U.v. 3.12.2014 – 2 A 3/13 – BVerwGE 151, 14, juris Rn. 19; U.v. 26.1.2012 – 2 A 7/09 – BVerwGE 141, 361, juris Rn. 27 ff.).
In formaler Hinsicht wurde den dargestellten Anforderungen an den Abbruch eines Stellenbesetzungsverfahrens Rechnung getragen. Die Bewerber wurden mit Schreiben vom 12. August 2015 über den Abbruch des Besetzungsverfahrens informiert. Als Grund wurde angegeben, dass im personalvertretungsrechtlichen Mitbestimmungsverfahren verschiedene Fragestellungen zu den in der Ausschreibung geforderten Voraussetzungen hätten erörtert werden müssen. Zwischenzeitlich habe auch die bayernweite Arbeitsgruppe „Fachspezifische Besetzung von Dienstposten“ den Ausschreibungszusatz überarbeitet. Aufgrund des eingetretenen Zeitablaufs wie auch der geänderten Anforderungen sei eine Aktualisierung des Bewerberkreises geboten. Das deckt sich mit der Korrespondenz zwischen Ministerium und Hauptpersonalrat, wobei das Element des Zeitablaufs im Schreiben vom 7. August 2015 in der Formulierung angelegt ist, dass der Dienstposten seit einiger Zeit vakant sei. Auch im Mitteilungsblatt Nr. 15/16 vom 14. August 2015 wurde die ursprüngliche Stellenausschreibung vom 30. Juni 2014 widerrufen.
Materiell liegt ein sachlicher Grund vor, der einen Abbruch des Stellenbesetzungsverfahrens rechtlich begründet. Die Entscheidung des Dienstherrn, das Anforderungsprofil für den streitbefangenen Dienstposten nach den Stellungnahmen des Hauptpersonalrats neu zu fassen, führte zu einer Verzögerung der Stellenbesetzung von über einem Jahr. Bereits diese zeitliche Komponente stellt einen sachlichen Grund für einen Abbruch dar. Hinzu kommt der Umstand, dass das Ministerium das Anforderungsprofil für die Stelle neu fassen und einen breiteren Bewerberkreis ansprechen wollte. Auch das stellt eine entsprechende sachliche Erwägung dar.
5. Die Festlegung des Anforderungsprofils in der Ausschreibung vom 14. August 2015 war rechtswidrig. Das kann sich jedoch im vorliegenden Fall nicht auswirken, da sowohl der Antragsteller wie der Beigeladene das Anforderungsprofil erfüllt haben und einem Leistungsvergleich unterzogen wurden.
Mit der Aufstellung des Anforderungsprofils einer mindestens vierjährigen Verwendung in Ämtern der 3. Qualifikationsebene in einer kriminalpolizeilichen Ermittlungsdienststelle, in der Delikte gegen höchstpersönliche Rechtsgüter bearbeitet werden (Kommissariate 1 bei den Kriminalpolizeidienststellen der Polizeipräsidien, Kommissariate des Kriminalfachdezernats 1 München, Kommissariate 11, 12 und 13 des Kriminalfachdezernats 1 Nürnberg, Sachgebiet 624 – Waffen-/Sprengstoffdelikte beim Bayerischen Landeskriminalamt), die nicht länger als acht Jahre beendet sein darf, wurde ein konstitutives Anforderungsprofil aufgestellt. Denn sowohl von der Formulierung als strikte Voraussetzung als auch der Handhabung als Ausscheidungskriterium der Bewerber, die dieses Merkmal nicht erfüllen, vor dem eigentlichen Leistungsvergleich stellt sich die vorausgesetzte Eignung als Filter vor dem Vergleich anhand der dienstlichen Leistungen dar (vgl. nur BayVGH, B.v. 25.5.2011 – 3 CE 11.605 – BayVBl 2011, 565, juris Rn. 33 ff.).
Ein konstitutives Anforderungsprofil ist jedoch nur zulässig, wenn die Wahrnehmung der Aufgaben eines Dienstpostens zwingend besondere Kenntnisse oder Fähigkeiten voraussetzt, die ein Laufbahnbewerber regelmäßig nicht mitbringt und sich in angemessener Zeit und ohne unzumutbare Beeinträchtigung der Aufgabenwahrnehmung auch nicht verschaffen kann. Diese Voraussetzungen hat der Dienstherr darzulegen, sie unterliegen voller gerichtlicher Kontrolle. Solche dienstpostenbezogene Ausnahmeanforderungen können sich insbesondere aus dem Erfordernis bestimmter Fachausbildungen oder spezieller fachspezifischer Vorkenntnisse für die Wahrnehmung eines Dienstpostens ergeben (BVerwG, B.v. 20.6.2013 – 2 VR 1/13 – BVerwGE 147, 20, juris Rn. 31, 34). Die von der jüngsten obergerichtlichen Rechtsprechung geforderte Darlegung des Dienstherrn für ein konstitutives Anforderungsprofil soll eine unangemessene Verengung des Bewerberfeldes (im Extremfall auf einen einzigen Bewerber) ausschließen (vgl. BVerwG, B.v. 20.6.2013, a. a. O., Rn. 32 ff.; ThürOVG, B.v. 10.1.2012 – 2 EO 293/11 – LKV 2013, 38, juris Rn. 43 ff.). Das bedingt, dass die tragenden Gründe für die Aufstellung eines konstitutiven Anforderungsprofils in Besetzungsakten festzuhalten sind. Denn die entscheidende „Vorauswahl“ kann anhand dieses Profils erfolgen.
Den vorgelegten Akten lassen sich die Gründe für die Änderung des konstitutiven Anforderungsprofils auch nicht ansatzweise entnehmen. Aus dem Aufgabengebiet des ausgeschriebenen Dienstpostens mag sich zwar ergeben, dass der Dienstherr davon ausgeht, dass hier eine Spezialfunktion wahrgenommen wird, die eine spezifische berufliche Erfahrung bedingt. Warum gerade das vorliegende Anforderungsprofil gewählt wurde und nicht ein spezifisch anderes – enger wie weiter -, wobei der Dienstherr nach dem Ausschreibungstext vom 30. Juni 2014 noch eine andere Fassung im Auge gehabt hatte, erschließt sich nicht. Das ist nicht ohne weitere Erläuterungen ersichtlich. Es scheint sich um komplexe Erwägungen gehandelt zu haben, da sich mit dieser Frage die Arbeitsgruppe „Fachspezifische Besetzung Dienstposten“ sowie die betroffenen Sachgebiete der Abteilung IC des Ministeriums befasst haben. Dem Gericht ist es auch nicht ansatzweise möglich zu prüfen, ob der Dienstherr bei der Festlegung des Anforderungsprofils im vorliegenden Fall seine Organisationshoheit sachgerecht ausgeübt hat. Das bedingt die Rechtswidrigkeit dieses Anforderungsprofils, da der Begründungspflicht auch nicht ansatzweise entsprochen wurde. Ob und auf welchen sachlichen Gesichtspunkten die statuierten Anforderungen beruhen, ist in keiner Weise begründet.
Im vorliegenden Fall erfüllen jedoch sowohl der Antragsteller wie der Beigeladene das geforderte Anforderungsprofil, so dass beide einem Leistungsvergleich unterzogen wurden. Die Aufstellung eines unzulässigen konstitutiven Anforderungsprofils konnte sich daher im Verhältnis zwischen dem Antragsteller und dem Beigeladenen nicht auswirken. Denn die rechtsfehlerhafte Verengung des Bewerberkreises vor der Durchführung eines Leistungsvergleichs kommt im vorliegenden Fall nicht zum Tragen, da beide Konkurrenten den „Filter“ des Anforderungsprofils überwunden haben und danach die Beurteilungen einem Leistungsvergleich unterzogen wurden.
6. Da der Beigeladene gegenüber dem unterlegenen Beamten einen Leistungsvorsprung nach dem Gesamtergebnis der dienstlichen Beurteilungen hat, erweist sich die Auswahl des Beigeladenen als rechtlich nicht zu beanstanden.
Bei einem Leistungsvergleich zwischen dem Antragsteller und dem Beigeladenen besitzt der ausgewählte Beamte einen Leistungsvorsprung um einen Punkt, auf den das Ministerium zu Recht abgestellt hat (BayVGH, B.v. 5.11.2015 – 3 CE 15.1606 – juris Rn. 36). Zwar kann einem Bewerber, der nicht das beste Gesamturteil des Bewerberfeldes aufweist, der Vorrang eingeräumt werden, wenn er spezifische Anforderungen des Dienstpostens voraussichtlich am besten erfüllt. Dieser Bewerber muss in Bezug auf bestimmte leistungsbezogene Gesichtspunkte, die für die Wahrnehmung der Aufgaben des Dienstpostens von herausragender Bedeutung sind, in besonderem Maße geeignet sein (BayVGH, B.v. 29.10.2014 – 3 CE 14.2073 – RiA 2015, 889, juris Rn. 27). Der Dienstherr hat eine Kompensation bzw. Überkompensation des schlechteren Gesamturteils in der Beurteilung des Antragstellers (15 Punkte zum Stichtag 31.5.2015) gegenüber dem besseren Ergebnis des Beigeladenen (16 Punkte zum Stichtag 31.5.2015) im Leistungsvergleich nicht angesprochen (Auswahlvermerk vom 23.10.2015). Damit bringt er zum Ausdruck, dass es für den Leistungsvergleich nicht auf die bessere Erfüllung spezifischer Anforderungen des zu besetzenden Dienstpostens ankommt und es beim Vergleich der aktuellen dienstlichen Beurteilungen der Konkurrenten bleibt. Diese Argumentation wird auch in der Antragserwiderung durch den Antragsgegner im Rahmen des vorliegenden Verfahrens wiederholt. Unterstrichen wird das auch dadurch, dass das Ministerium das Anforderungsprofil im Verlauf der beiden Besetzungsverfahren weiter fassen wollte. Damit wird zum Ausdruck gebracht, dass auf die Stelle zugeschnittene spezifische Kenntnisse und Fähigkeiten als weniger bedeutend angesehen wurden. Für die Argumentation, dass der Antragsteller als Stellvertreter des zu besetzenden Postens mit den damit verbundenen Aufgaben besonders vertraut sei, gilt nichts anderes.
Der Beigeladene hat sich auf den ausgeschriebenen Dienstposten auch wirksam beworben. Mit Schreiben vom 18. September 2015, eingegangen beim Ministerium am selben Tag, hat der im Verwaltungsverfahren bevollmächtigte Vertreter des Beigeladenen das Interesse des Beamten an diesem Dienstposten bekräftigt. Auch wenn der Beigeladene die Bewerbungsfrist versäumt hat, ist es dem Dienstherrn nicht verwehrt, eine – wie hier um wenige Tage – verspätete Bewerbung zu berücksichtigen. Denn Bewerbungsfristen sind keine Ausschluss-, sondern Ordnungsfristen (BayVGH, B.v. 30.4.2013 – 3 CE 12.2176 – juris Rn. 31). Entsprechend dem Zweck einer Bewerbung ist auch rechtlich nichts dagegen zu erinnern, dass das Interesse des Beigeladenen nicht auf dem Dienstweg, sondern sogleich an das Ministerium herangetragen wurde.
7. Der Antragsteller hat als unterlegener Beteiligter nach § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des Verfahrens zu tragen. Es entspricht der Billigkeit, dem Beigeladenen, der keinen Antrag gestellt und sich insoweit keinem Prozesskostenrisiko ausgesetzt hat, seine außergerichtlichen Kosten aufzuerlegen. Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 1 und 2 des Gerichtskostengesetzes (GKG).


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