Verwaltungsrecht

Kein Rechtsschutzbedürfnis für Eilantrag – rechtswidrige Festsetzung einer Ausreisefrist

Aktenzeichen  AN 17 S 18.50355

Datum:
12.11.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 32220
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 29 Abs. 1 Nr. 2, § 35, § 36 Abs. 1, § 37 Abs. 1, § 38 Abs. 1, § 75 Abs. 1
VwGO § 80 Abs. 5

 

Leitsatz

Der asylrechtliche Eilrechtsschutz ist nach der gesetzlichen Konzeption allein auf die Verhinderung der Vollziehung der Abschiebung beschränkt. Der Antragsteller kann sich nicht auf eine mittelbare Folge, die sich im Fall des Erfolgs des Eilantrags aus Art. 37 Abs. 1 AsylG ergäbe, berufen. (Rn. 7) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Anträge werden abgelehnt.
2. Die Antragsteller tragen die Kosten des Verfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
3. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Rechtsanwaltsbeiordnung wird für das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes, AN 17 S 18.50355, abgelehnt.

Gründe

1. Die mit Schriftsatz der Antragstellerbevollmächtigten vom 6. April 2018, Eingang beim Verwaltungsgericht Ansbach am 10. April 2018, gestellten Anträge auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klagen vom selben Tag (AN 17 K 18.50356) gegen die Abschiebungsandrohungen nach Griechenland in Ziffer 3 des Bescheides des Bundesamtes für … (Bundesamt) vom 28. März 2018 bleiben ohne Erfolg.
In Ziffer 3 des streitgegenständlichen Bescheides forderte die Antragsgegnerin die Antragsteller auf, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb von 30 Tagen nach Bekanntgabe der Entscheidung – im Fall der Klageerhebung 30 Tage nach unanfechtbarem Abschluss des Asylverfahrens – zu verlassen, drohte ihnen für den Fall der Nichtbefolgung die Abschiebung insbesondere nach Griechenland an und stellte fest, dass die Antragsteller nicht in die Arabische Republik Syrien abgeschoben werden dürfen. Dem Bescheid beigefügt war eine Rechtsbehelfsbelehrung:dahingehend, dass gegen den Bescheid innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung Klage erhoben werden kann.
Die Anträge nach § 80 Abs. 5 VwGO sind bereits unzulässig. Zwar sind sie statthaft und fristgerecht erhoben, ihnen fehlt jedoch das Rechtschutzbedürfnis, da eine Abschiebung aufgrund des antragsgegenständlichen Bescheids bis zum Ablauf der in Ziffer 3 des Bescheides genannten und hier wegen der Klageerhebung der Antragsteller maßgeblichen Ausreisefrist, nämlich 30 Tage nach unanfechtbarem Abschluss des Asylverfahrens, nicht in Frage kommt und ein weitergehendes Ziel mit dem Eilverfahren nicht durchgesetzt werden kann.
Nach § 75 Abs. 1 AsylG kommt asylrechtlichen Klagen nur in den Fällen des § 38 Abs. 1 und §§ 73, 73b und 73c AsylG aufschiebende Wirkung zu. Fälle gemäß § 35, § 36 Abs. 1 i.V.m. § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG, also die Konstellation, dass ein Asylbewerber in einem Mitgliedsstaat der Europäischen Union bereits internationalen Schutz erhalten hat und er dorthin abgeschoben werden soll, wie es vorliegend der Fall ist, gehören nicht hierzu. Das gilt auch hinsichtlich der in Deutschland nachgeborenen Antragstellerin zu 3), da das Bundesamt bezüglich ihrer, wenn auch voraussichtlich rechtswidrig (BVerwG, U.v. 23.6.2020 – 1 C 37/19 – juris), von einer Zuständigkeit Griechenlands in entsprechender Anwendung des § 29 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a AsylG i.V.m. Art. 20 Abs. 3 Dublin III-VO ausgegangen ist. Den Klagen kommt damit keine aufschiebende Wirkung zu. Die Anträge nach § 80 Abs. 5 VwGO sind deshalb statthaft.
Den Anträgen fehlt jedoch das allgemeine Rechtschutzbedürfnis, weil er den Antragstellern keinen tatsächlichen oder rechtlichen Vorteil bringt, auf den sie sich im Eilverfahren berufen können. Eine Abschiebung der Antragsteller vor Abschluss des Klageverfahrens kommt nach dem angefochtenen Bescheid vom 28. März 2018 nicht in Betracht. Vor Ablauf der in Ziffer 3 des Bescheids festgesetzten Ausreisefrist von 30 Tagen nach Rechtskraft der Entscheidung über die Klage dürfen die Antragsteller nicht abgeschoben werden. Eines Verfahrens nach § 80 Abs. 5 VwGO bedarf es zur Erreichung von – vorübergehendem – Abschiebungsschutz nicht. Mit einem Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO kann kein anderer oder längerer Abschiebungsschutz erreicht werden. Es ist auch weder substantiiert vorgetragen noch ersichtlich, dass das Bundesamt in Verkennung dieser Rechtslage von der Möglichkeit einer Abschiebung vor Rechtskraft der Hauptsacheentscheidung ausgeht. Vielmehr hat das Bundesamt die Ausreisefrist wohl bewusst abweichend von § 36 Abs. 1 AsylG festgesetzt und will vor Ablauf dieser Frist auch nicht vollstrecken (VG Ansbach, B.v. 21. Januar 2020 – AN 17 S 18.50337 – juris Rn. 5).
Die Anträge nach § 80 Abs. 5 VwGO sind weiter auch nicht mit Blick auf die Regelung des § 37 Abs. 1 AsylG zulässig. Danach wird die Entscheidung des Bundesamtes über die Unzulässigkeit nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG und die Abschiebungsandrohung unwirksam und das Asylverfahren ist durch das Bundesamt fortzuführen, wenn das Verwaltungsgericht dem Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO entspricht. Es ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zwischenzeitlich geklärt, dass eine Unwirksamkeit nach § 37 AsylG nicht zu einer inhaltlichen Prüfung des Asylantrages im nationalen Verfahren zwingt, sondern das Bundesamt nur verpflichtet, das Verfahren in dem Stadium fortzuführen, in dem es sich vor der Ablehnung befunden hat. Bei dieser Fortführung muss sich das Bundesamt mit den vom Verwaltungsgericht im Eilverfahren geäußerten ernstlichen Zweifeln auseinandersetzen, ist aber an dessen Bewertung nicht gebunden. So ist auch eine erneute Unzulässigkeitsentscheidung möglich. Zwar ist der Ansatz des Bundesamtes, einer „Endlosschleife“ im Verfahren damit zu begegnen, dass unter Rückgriff auf § 38 Abs. 1 AsylG eine 30-tägige Ausreisefrist nach unanfechtbarem Abschluss des Asylverfahrens anstatt der im Fall der Unzulässigkeit des Asylantrages nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG gesetzlich vorgeschriebenen Wochenfrist nach § 36 Abs. 1 AsylG gesetzt wird, objektiv rechtswidrig (vgl. BVerwG, U.v. 15.1.2019 – 1 C 15.18 – juris). Ein Schutzsuchender wird hierdurch jedoch nicht in seinen Rechten verletzt (vgl. BVerwG, U.v. 25.4.2019 – 1 C 51/18 – juris 21; Berlit, jurisPR-BVerwG 16/2019 Anm. 6). Eine Anfechtungsklage gegen die Abschiebungsandrohung wäre dementsprechend abzuweisen (VG Ansbach, B.v. 21. Januar 2020 – AN 17 S 18.50337 – juris Rn. 6). Soweit die in Deutschland nachgeborene Antragstellerin zu 3) betroffen ist gilt dies erst recht. Soweit das Bundesamt, was aus den Bescheidsgründen nicht eindeutig hervorgeht, die Entscheidung hinsichtlich ihrer nicht auf § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG, sondern eine entsprechende Anwendung von § 29 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a AsylG gestützt haben sollte, wäre § 37 Abs. 1 AsylG schon seinem Wortlaut nach nicht einschlägig.
Das Eilrechtsverfahren gegen die Abschiebungsandrohung muss demnach erfolglos bleiben. Der asylrechtliche Eilrechtschutz ist nach der gesetzlichen Konzeption allein auf die Verhinderung der Vollziehung der Abschiebung beschränkt, die Antragsteller können sich nach Ansicht der Kammer nicht auf eine mittelbare Folge, die sich aus Art. 37 Abs. 1 AsylG ergäbe, berufen (vgl. VG Ansbach, B.v. 8.5.2018 – AN 17 S 18.50410 – juris Rn. 19, B.v. 28.11.2019 – AN 18 S 19.50363 – juris). Ein dauerhafter und echter (mittelbarer) Rechtsvorteil (etwa im Sinne einer Entscheidung im nationalen Verfahren) ergibt sich für die Antragsteller nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, U.v. 15.1.2019 und U.v. 25.4.2019, a.a.O.) aus der Umgehung der Regelung des § 37 Abs. 1 AsylG nicht (vgl. VG Ansbach, U.v. 12.9.2019 – AN 17 K 18.50204 – juris Rn. 40, B.v. 28.11.2019 – AN 18 S 19.50363 – juris).
Die Kostenentscheidung der erfolglosen Anträge beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylG.
2. Der Antrag auf Prozesskostenhilfe und Rechtsanwaltsbeiordnung war mangels hinreichender Erfolgsaussichten gemäß § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO, § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO für das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nach § 80 Abs. 5 VwGO abzulehnen.


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