Verwaltungsrecht

Kein Verstoß gegen Gleichbehandlungsgrundsatz bei pandemiebedingtem Verzicht auf wissenschaftlich fundiertes Auswahlverfahren

Aktenzeichen  3 CE 20.2182

Datum:
30.9.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 28309
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
LlbG Art. 70a Abs. 1 S. 1 Nr. 5
VwGO § 123
GG Art. 3 Abs. 1
BayVerf Art. 118

 

Leitsatz

Die faktische Besserstellung von Bewerbern, die unter Verzicht auf ein wissenschaftlich fundiertes Auswahlverfahren in den Vorbereitungsdienst übernommen wurden, gegenüber einem Bewerber, dessen Nichteignung in einem solchen Verfahren festgetellt wurde, verstößt nicht gegen den allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz. (Rn. 7) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

AN 1 E 20.1974 2020-09-30 Bes VGANSBACH VG Ansbach

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 8.189,10 Euro festgesetzt.
IV. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird abgelehnt.

Gründe

Die zulässige Beschwerde des Antragstellers bleibt ohne Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat den Antrag,
die Antragsgegnerin zu verpflichten, den Antragsteller zum 1. Oktober 2020 in den Vorbereitungsdienst der 3. Qualifikationsebene der Fachlaufbahn Verwaltung und Finanzen – Schwerpunkt Steuer – als Steuerinspektoranwärter einzustellen,
zu Recht abgelehnt und einen Anordnungsanspruch verneint. Die vom Antragsteller hiergegen fristgerecht vorgetragenen Beschwerdegründe, auf deren Prüfung der Senat nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, führen zu keiner anderen Beurteilung.
Das Verwaltungsgericht ist in seinem Beschluss vom 30. September 2020 davon ausgegangen, dass dem Antragsteller die für die Übernahme in den Vorbereitungsdienst notwendige Eignung fehlt. Anlässlich seiner Bewerbung für die Einstellung als Steuerinspektoranwärter nahm er am 10. März 2020 an einem strukturierten Interview am Finanzamt N.-N. teil, in dem er sich als nicht geeignet für die Übernahme in den Vorbereitungsdienst erwiesen habe. Es sei rechtlich nichts dagegen zu erinnern, dass ab Mitte März 2020 als Folge der Corona-Pandemie keine strukturierten Interviews durch die Finanzverwaltung mehr durchgeführt worden seien, Bewerber jedoch gleichwohl in den Vorbereitungsdienst zugelassen wurden, sofern sie die sonstigen Anforderungen für die Einstellung erfüllten. Der Bayerische Landesgesetzgeber habe durch Gesetz zur Anpassung leistungslaufbahnrechtlicher Regelungen an die Notwendigkeiten in der Corona-Pandemie vom 24. Juli 2020 (GVBl S. 368) mit Wirkung vom 15. März 2020 den Art. 70a LlbG neu in das Leistungslaufbahngesetz eingefügt, wonach auf das wissenschaftlich fundierte Auswahlverfahren ganz oder teilweise verzichtet werden kann.
Der Antragsteller meint, ohne dies näher zu begründen, dass er ohne Berücksichtigung des strukturierten Interviews unstreitig die persönliche Eignung für die Aufnahme in den Vorbereitungsdienst aufweise. Damit dringt er schon deshalb nicht durch, weil dem Dienstherrn hinsichtlich der Geeignetheit eines Bewerbers für die Einstellung zum Beamtenanwärter ein Einschätzungsspielraum verbleibt; mit seinem Vortrag setzt der Antragsteller letztlich lediglich seine eigene Einschätzung anstelle des Dienstherrn.
Mit seiner Rüge, das Verwaltungsgericht verstoße gegen Denkgesetze, wenn es ausführt (BA S. 13 f.), der vorliegend praktizierte teilweise Verzicht auf die Durchführung eines wissenschaftlich fundierten Auswahlverfahrens nach Ausbruch der Corona-Pandemie stelle sich aus der Sicht eines unbefangenen Beobachters nicht als eine Bevorzugung oder aktive Unterstützung eines Teils der Bewerber für den Vorbereitungsdienst dar, um diesen Bewerbern Vorteile zu verschaffen, die andere nicht hätten, dringt der Antragsteller nicht durch. Denn Sinn und Zweck der Einführung des Art. 70a LlbG ist es, den Beeinträchtigungen der durch den Virus SARS-CoV 2 ausgelösten Pandemie hinsichtlich der Auswahlverfahren für die Einstellung in den öffentlichen Dienst, die verwaltungsinternen Ausbildungen und Prüfungen sowie Ausbildungs- und modulare Qualifizierungen entgegenzuwirken. Art. 70a Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 LlbG erlaubt den vollständigen Verzicht wissenschaftlich fundierter Auswahlverfahren, weil ansonsten ggf. keinerlei Einstellungen möglich wären (LT-Drs. 18/8327 S. 5 f.).
Soweit der Antragsteller in der Einstellung anderer (späterer) Bewerber eine Bevorzugung im Sinne eines Verstoßes gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 GG, Art. 118 BV) sieht, kann dem schon deshalb nicht gefolgt werden, weil der allgemeine Gleichheitssatz es nur gebietet, wesentlich Gleiches gleich zu behandeln, wesentlichen Unterschieden hingegen normativ Rechnung zu tragen. Im Unterschied zum Antragsteller wurden bei denjenigen Bewerbern, die unter Verzicht auf ein wissenschaftlich fundiertes Auswahlverfahren in den Vorbereitungsdienst übernommen wurden, deren Nichteignung aber gerade nicht positiv festgestellt. Bei ihnen muss im Rahmen der weiteren Ausbildung die notwendige persönliche Eignung überprüft werden (LT-Drs. 18/8327 S. 7). Auch im Hinblick auf § 9 BeamtStG liegt damit ein sachlicher Grund vor, den Antragsteller im Gegensatz zu den nachfolgenden Bewerbern nicht in den Vorbereitungsdienst zu übernehmen.
Die Beschwerde war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 2 VwGO zurückzuweisen.
Die Streitwertfestsetzung für das Beschwerdeverfahren folgt aus §§ 40, 47 Abs. 1 i.V.m. §§ 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 GKG, wobei im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nur die Hälfte des Streitwerts im Hauptsacheverfahren anzusetzen ist (vgl. Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit).
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe war aus vorgenannten Gründen mangels hinreichender Erfolgsaussichten abzulehnen (§ 166 VwGO i.V.m. § 114 Abs. 1 Satz 1, § 121 Abs. 1 ZPO). Insoweit ist eine Kostenentscheidung entbehrlich, weil im Verfahren auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe Gerichtskosten nicht anfallen und Kosten nicht erstattet werden (§ 118 Abs. 1 Satz 4 ZPO).


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