Verwaltungsrecht

Kein vorläufiger Rechtsschutz gegen Einreise- und Aufenthaltsverbot vor Bestandskraft des Bundesamtsbescheids

Aktenzeichen  AN 4 S 16.30141

Datum:
1.3.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AufenthG AufenthG § 11 Abs. 7 S. 2, § 84 Abs. 1 S. 2
VwGO VwGO § 80 Abs. 5 S. 1

 

Leitsatz

Das Einreise und Aufenthaltsverbot nach § 11 Abs. 7 S. 1 AufenthG kann vor Eintritt der Bestandskraft des  Entscheidung über den Asylantrag nicht zum Gegenstand eines Antrags auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung gemacht werden, da die Wirksamkeit dieser Anordnung nach § 11 Abs. 7 S. 2 AufenthG in der ab 24. Oktober 2015 geltenden Fassung erst mit Bestandskraft des Bundesamtsbescheides eintritt. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Der Antrag wird abgelehnt.
2. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe

I.
Die Antragstellerin ist georgische Staatsangehörige, ethnische Georgierin und orthodoxe Christin. Laut Angabe gegenüber dem Bundesamt ist sie nicht standesamtlich mit einem Herrn … verheiratet. Sie reiste Mitte April 2013 über den Landweg in die Bundesrepublik Deutschland ein und beantragte am 22. April 2013 eine Anerkennung als Asylberechtigte.
Im Rahmen der persönlichen Anhörung beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge am 23. Mai 2013 beruft sich die Antragstellerin im Wesentlichen darauf, dass sie als Mitglied der ehemaligen Regierungspartei verfolgt werde. Mit der Ausreise habe sie ihr Leben, das ihres Kindes und ihres Lebensgefährten retten wollen. Ihre Mutter hieße …, habe damit den Namen des ehemaligen Präsidenten, sei mit diesem aber nicht verwandt. Sie seien politisch aktiv in der „Nationalen Bewegung“ gewesen. Es wäre ihnen nicht einmal erlaubt gewesen zu heiraten. Ihr Lebenspartner hätte sich mit ihrem Sohn in den Bergen versteckt. Sie wolle zusammen mit ihrem Mann und ihrem Kind sein. Sie hätte keine Arbeit gefunden, weil ihre Mutter … heiße. Für sie sei es Verfolgung, wenn man hungern müsse und kein Einkommen habe.
Mit Bescheid des Bundesamtes vom 1. Februar 2016, zugestellt am 9. Februar 2016, wurde der Antrag auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft als offensichtlich unbegründet abgelehnt (Ziffer 1) und der Antrag auf Asylanerkennung als offensichtlich unbegründet abgelehnt (Ziffer 2). In Ziffer 3 wurde der subsidiäre Schutzstatus nicht zuerkannt und in Ziffer 4 festgestellt, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen. In Ziffer 5 wurde die Antragstellerin aufgefordert, Deutschland binnen einer Woche zu verlassen und ihr die Abschiebung nach Georgien angedroht. In Ziffer 6 wird das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet. Auf den Inhalt des Bescheids wird Bezug genommen.
Die Antragstellerin erhob am 15. Februar 2016 zur Niederschrift des Urkundsbeamten an der Geschäftsstelle des Bayerischen Verwaltungsgerichts Ansbach Klage gegen die Bundesrepublik Deutschland und beantragte, den Bescheid des Bundesamts vom 1. Februar 2016 aufzuheben und die Antragstellerin als Asylberechtigte anzuerkennen und hilfsweise die Flüchtlingseigenschaft festzustellen sowie hilfsweise festzustellen, dass Abschiebungshindernisse nach § 60 Abs. 5 bis 7 Satz 1 AufenthG vorliegen. Zugleich wurde beantragt, die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen.
Die Antragstellerin trug vor, sie beabsichtige die Ehe mit Herrn … aus … einzugehen. Die Antragstellerin legte eine Kopie des Zwischenbescheids des Standesamts Erlangen vom 15. Februar 2016, die beglaubigten Übersetzungen der Eheunbedenklichkeitsbescheinigung und der Geburtsurkunde (jeweils vom 10.2.2016) sowie eine Kopie der Bestätigung der Techniker Krankenkasse vom 15. Februar 2016 vor, nach dem die Antragstellerin und ihr Sohn im Fall einer Eheschließung in die Familienversicherung aufgenommen werden könne, wenn sie keine eigenen Einnahmen bezögen.
Mit Schreiben vom 16. Februar 2016 übersendete die Antragsgegnerin die Asylakte.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und Behördenakte Bezug genommen.
II.
Der zulässige Antrag ist unbegründet.
Gemäß § 80 Abs. 5 VwGO i. V. m. § 36 Abs. 4 Satz 1 AsylG kann das Gericht die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die im angefochtenen Bescheid vom 1. Februar 2016 enthaltene Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung anordnen.
Nicht Gegenstand einer Anordnung der aufschiebenden Wirkung kann das in Ziffer 6 des Bescheids geregelte Einreise- und Aufenthaltsverbot sein. Obwohl die Klage gegen die Anordnung insoweit nach § 84 Abs. 1 Satz 2 AufenthG keine aufschiebende Wirkung hat, sieht § 11 Abs. 7 Satz 2 AufenthG in der ab 24. Oktober 2015 geltenden Fassung vor, dass das Einreise- und Aufenthaltsverbot erst mit Bestandskraft des Bescheides wirksam wird. Da die Antragstellerin den Asylbescheid vom 1. Februar 2016 gerichtlich angegriffen hat, kommt es zu keiner Bestandskraft bis zur Entscheidung über die Klage, so dass kein gesondertes Interesse an der aufschiebenden Wirkung des Einreise- und Aufenthaltsverbots besteht (Hofmann, Ausländerrecht, § 11 AufenthG, Rn. 111). Zusätzlich darüber hinaus hat die Antragsgegnerin in Ziffer 6 des Bescheids gleichlautend mit dem gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbot angeordnet. Die Antragsgegnerin hat im Ergebnis nur eine Entscheidung über die Frist des Verbots getroffen. Hinsichtlich der Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots besteht im konkreten Fall keine Beschwer. Allein an einer Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Befristungsentscheidung hätte die Antragstellerin kein rechtliches Interesse, da sonst das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot unbefristet gelten würde (ähnlich VG Oldenburg, B.v. 18.1.2016, 5 B 4568/15).
Das Gericht ordnet die aufschiebende Wirkung der Klage an, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen. Diese Voraussetzungen sind nach Auffassung des Gerichts im vorliegenden Verfahren nicht gegeben. Der angefochtene Bescheid des Bundesamts ist aller Voraussicht nach rechtmäßig und verletzt den Antragsteller nicht in seinen Rechten. Zur Begründung wird auf die Gründe des angefochtenen Bescheids verwiesen (§ 77 Abs. 2 AsylG).
Auch die Klage- und Antragsbegründung führen zu keinem anderen Ergebnis. Die Antragstellerin hat ersichtlich weder einen Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigte noch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft. Ein entsprechender Anspruch wird von ihr auch nicht substantiiert begründet. Auch für das Vorliegen eines subsidiären Schutzanspruches nach § 4 AsylG liegen keine Anhaltspunkte vor. Im vorliegenden Fall liegt ferner auch kein Abschiebungsverbot vor. Insbesondere liegt keine hinreichend konkrete Gefahr für Leib oder Leben vor.
Es besteht auch kein Anlass, die Antragstellerin ausnahmsweise im Eilverfahren persönlich anzuhören. Sie hatte ausreichend Gelegenheit, ihre Asylgründe bei der Anhörung im Bundesamt darzulegen, wie die Antragstellerin auch selbst bestätigt hat. Im Übrigen trifft sie die Verpflichtung zur vollständigen Darlegung ihrer Asylgründe. Auch die Antragsbegründung legt keine konkreten Mängel der vom Bundesamt getroffenen Entscheidung dar.
Nichts anderes ergibt sich aus dem erst im Klageverfahren erhobenen Vortrag, nach dem die Antragstellerin beabsichtige die Ehe einzugehen. Zu den Voraussetzungen für den Erlass der Abschiebungsandrohung gehört nach § 34 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AsylG, dass der Ausländer keinen Aufenthaltstitel besitzt. Ein möglicher Anspruch auf Erlass eines Aufenthaltstitels genügt hingegen nicht (Bergmann, in: Renner, Ausländerrecht, 10. Aufl. 2013, § 34 Rdnr. 8). Die Antragstellerin trägt selbst nicht vor, Inhaberin eines formalen Aufenthaltstitels zu sein. Eine Prognose über zukünftige Sachverhalte muss das Gericht nicht treffen. Vielmehr ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts maßgeblich (Kopp/Schenke, Kommentar zu § 80 VwGO, 20. Auflage 2014, Rn. 147).
Ob nach der tatsächlichen Eheschließung die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels aus familiären Gründen vorliegen, wird die zuständige Ausländerbehörde anhand des Sachverhalts kritisch prüfen müssen. § 11 Abs. 4 AufenthG ermöglicht dann ggf. auch die Beseitigung der Titelsperrwirkung eines wirksamen Einreise- und Aufenthaltsverbots.
Damit war der Antrag abzulehnen. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 83b AsylG, § 154 Abs. 1 VwGO.
Dieser Beschluss ist nach § 80 AsylG unanfechtbar.


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