Verwaltungsrecht

Keine Anerkennung förderlicher hauptberuflicher Beschäftigungszeiten

Aktenzeichen  M 5 K 18.4942

Datum:
23.6.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 30722
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayBesG Art. 30 Abs. 1 S. 1, Art. 31 Abs. 2

 

Leitsatz

Tenor

I. Soweit die Klage zurückgenommen wurde, wird das Verfahren eingestellt. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

1. Soweit die Klage in der mündlichen Verhandlung zurückgenommen worden ist, also hinsichtlich einer Anerkennung des Grundwehrdienstes vom *. Juli 2003 bis … August 2003 sowie des Zivildienstes vom … Januar 2004 bis … September 2004, war das Verfahren einzustellen, § 92 Abs. 3 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Zwar sieht das Gesetz insoweit eine Einstellung durch Beschluss vor. Bei einer nur teilweisen Klagerücknahme kann diese Entscheidung aber auch im Urteil getroffen werden (Rennert in: Eyermann, VwGO, 15. Auflage 2019, § 92 Rn. 24).
2. Hinsichtlich der im Schriftsatz vom 2. Mai 2019 enthaltenen Haupt- und Hilfsanträge auf Anerkennung der Zeiten des Jurastudiums vom … Oktober 2004 bis … September 2012 und der Ausbildung zum Rettungsassistenten vom … Januar 2004 bis … Dezember 2004 – hinsichtlich derer in der mündlichen Verhandlung weder eine Modifizierung noch eine Klagerücknahme erfolgt ist – ist die Klage unzulässig. Insoweit ist der Bescheid vom … Oktober 2017 – der mit einer ordnungsgemäßen Rechtsbehelfsbelehrung:versehen war – in Bestandskraft erwachsen, weil der Kläger im Schreiben vom … März 2018 ausdrücklich erklärt hat, dass die Nichtanerkennung von Ausbildungszeiten nicht Bestandteil des Widerspruchs und damit unstrittig sei. Davon war auch der Widerspruchsbescheid vom … August 2018 ausgegangen, weshalb die Zurückweisung des Widerspruchs sich hierauf nicht erstreckte. Mit der am *. Oktober 2018 erhobenen Klage konnte insoweit die Klagefrist nach § 74 Abs. 2, Abs. 1 VwGO bezogen auf den Bescheid vom … Oktober 2017 nicht eingehalten werden.
3. Im Übrigen ist die Klage in sämtlichen weiteren Haupt- und Hilfsanträgen unbegründet. Der Bescheid des Landesamtes für Steuern vom … Oktober 2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom … August 2018 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf eine weitere Anerkennung förderlicher hauptberuflicher Beschäftigungszeiten über den bisher erfolgten Umfang hinaus und damit weder auf Verpflichtung des Beklagten hierzu noch darauf, dass der Beklagte erneut unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts über die Anerkennung von Beschäftigungszeiten entscheidet (§ 113 Abs. 5 VwGO).
a) Nach Art. 30 Abs. 1 Satz 1 Bayerisches Besoldungsgesetz (BayBesG) wird das Grundgehalt in Besoldungsgruppen der Besoldungsordnung A nach Stufen bemessen. Bei der erstmaligen Begründung eines Beamtenverhältnisses mit Anspruch auf Grundbezüge erfolgt grundsätzlich die Zuordnung zur ersten mit einem Grundgehaltsbetrag ausgewiesenen Stufe der maßgeblichen Besoldungsgruppe (Anfangsstufe), Art. 30 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1 BayBesG. Nach Art. 31 Abs. 2 Satz 1 BayBesG kann der Zeitpunkt des Dienstantritts auf Antrag mit Wirkung vom Ersten des Antragsmonats um sonstige für die Beamtentätigkeit förderliche hauptberufliche Beschäftigungszeiten fiktiv vorverlegt werden.
Nach Nummer 31.1.1.9 Bayerische Verwaltungsvorschriften zum Besoldungsrecht und Nebengebieten (BayVwVBes, Bekanntmachung vom 28.12.2011, FMBl 2012, 3, zuletzt geändert durch Bekanntmachung vom 14.1.2014, FMBl 2014, 14) ist der Tatbestand der „Hauptberuflichkeit“ dann als erfüllt anzusehen, wenn die fragliche Beschäftigung entgeltlich erbracht wird, nach den Lebensumständen des oder der Betroffenen den beruflichen Tätigkeitsschwerpunkt darstellt und die Beschäftigung mindestens in den im Beamtenverhältnis zulässigen Umfang abgeleistet wurde.
Bei der Prüfung der Förderlichkeit hat die oberste Dienstbehörde bzw. die von ihr bestimmte Stelle einen Beurteilungsspielraum (so die Gesetzesbegründung zu Art. 31 Abs. 2 BayBesG, LT-Drs. 16/3200, S. 382; VG München, U.v. 8.2.2017 – M 5 K 15.3979 – juris Rn. 25; Kuhlmey in Schwegmann/Summer, Besoldungsrecht des Bundes und der Länder, Stand: Juni 2020, Art. 31 BayBesG Rn. 45; so auch Nummer 31.2.5 BayVwVBes). Nach Nummer 31.2.3 BayVwVBes ist der Begriff der Förderlichkeit weit auszulegen (VG München, U.v. 8.2.2017 – M 5 K 15.3979 – juris Rn. 25; VG Bayreuth, U.v. 14.4.2015 – B 5 K 13.712 – juris Rn. 24). Die Förderlichkeit bezieht sich auf die künftig auszuübende Beamtentätigkeit und die mit dem Amt verbundenen Aufgaben. Dementsprechend kommen als förderliche Zeiten insbesondere Tätigkeiten in Betracht, die mit den Anforderungsprofilen möglicher Tätigkeiten der betreffenden Qualifikationsebene in sachlichem Zusammenhang stehen oder durch die Kenntnisse, Fertigkeiten und Erfahrungen erworben wurden, die für die auszuübenden Tätigkeiten von Nutzen oder Interesse sind.
Diesbezüglich ist in der Rechtsprechung geklärt, dass die Förderlichkeit von Vortätigkeiten nicht die ganze Bandbreite der späteren Verwendung umfassen muss. Vielmehr sind die inhaltlichen Anforderungen mehrerer Ämter einer Fachrichtung oder auch nur die Anforderungen eines bestimmten Dienstpostens in den Blick zu nehmen (VG München, U.v. 8.2.2017 – M 5 K 15.3979 – juris Rn. 25; VG Bayreuth, U.v. 14.4.2015 – B 5 K 13.712 – juris Rn. 24).
Die Entscheidung, ob und in welchem Umfang eine Anerkennung hauptberuflicher förderlicher Zeiten erfolgt, ist nach pflichtgemäßem Ermessen zu treffen. Die Ermessensentscheidung ist einzelfallbezogen und unter Abwägung aller einschlägiger Gesichtspunkte des konkreten Falles zu begründen; der bloße Verweis auf Verwaltungsvorschriften oder den Antrag des Beamten bzw. der Beamten ist nicht ausreichend (Nummer 31.2.5 BayVwVBes). Nach Art. 31 Abs. 2 BayBesG ist sowohl eine vollständige als auch eine nur teilweise Anerkennung möglich. Eine nur teilweise Anerkennung kommt insbesondere in Betracht, wenn die Vordiensttätigkeit nur bedingt förderlich für die künftige Tätigkeit ist. Bei einer teilweisen Anerkennung ist der (erstmalige) Diensteintritt entsprechend zeitanteilig vorzuverlegen (Nummer 31.2.6 BayVwVBes).
b) Das bedeutet vorliegend Folgendes:
Der Beklagte ist nicht verpflichtet, die Zeit als Assistent der Rettungsdienstleitung in Vollzeit vom 1. September 2013 bis … August 2014 über die bereits erfolgte Anerkennung zu 50% hinaus um weitere 50% und somit im Ergebnis zu 100% anzuerkennen.
Das Landesamt für Steuern hat insoweit das Tatbestandsmerkmal einer förderlichen hauptberuflichen Beschäftigungszeit anerkannt und damit den ihm zustehenden Beurteilungsspielraum im Sinne des Klägers ausgeübt. Die vom Kläger angeführte „Klassifikation der Berufe“ ist damit rechtlich nicht relevant.
Das dem Landesamt für Steuern danach eröffnete Ermessen hatte es in rechtlich nicht zu beanstandender Weise dahingehend ausgeübt, diese Zeiten für die fiktive Vorverlegung des Dienstantritts zu 50% anzuerkennen. Es hat dies in seinem Widerspruchsbescheid vom … August 2018 anhand des konkreten Einzelfalls des Klägers damit begründet, dass die vom Kläger damals tatsächlich ausgeübten Tätigkeiten mit denen eines Personalsachbearbeiters der 2. Qualifikationsebene vergleichbar seien und im Hinblick auf einen Einsatz in der Personalverwaltung als Sachbearbeiter der 3. Qualifikationsebene mit 50% als förderlich angesehen werden könnten. Dagegen ist rechtlich nichts zu erinnern.
Der diesbezüglich gestellte Hilfsantrag auf Anerkennung der in Vollzeit abgeleisteten Tätigkeit als Rettungsassistent in der Zeit vom *. Juli 2014 bis … August 2014 zu 50%, der ersichtlich auf das Ziel gerichtet ist, die für diesen Zeitraum bereits erfolgte Anerkennung in Höhe von 50% aus anderem Grunde auf insgesamt 100% anzuheben, hat ebenfalls keinen Erfolg. Das Landesamt für Steuern ist insbesondere in seinem Widerspruchsbescheid vom … August 2018 insgesamt ersichtlich davon ausgegangen, dass die ausgeübten Tätigkeiten als Rettungssanitäter und als Rettungsassistent das Tatbestandsmerkmal der Förderlichkeit nicht erfüllen, auch wenn es die Tatbestandsvoraussetzungen für eine Anerkennung insoweit teilweise mangels Hauptberuflichkeit verneint hat. Es hat damit von seinem diesbezüglichen Beurteilungsspielraum Gebrauch gemacht. Ein Beurteilungsfehler ist insoweit weder vom Kläger substantiiert dargetan noch sonst ersichtlich.
Aus diesem Grunde fehlt auch den Tätigkeiten als Rettungssanitäter vom *. April 2002 bis … Februar 2005 (ehrenamtlich) und als Rettungsassistent vom … Februar 2005 bis … Oktober 2008 (ehrenamtlich) sowie vom … September 2007 bis … August 2013 (nebenberuflich) nach nicht zu beanstandender Rechtsauffassung des Landesamts für Steuern bereits die Förderlichkeit. Auf die Frage der Hauptberuflichkeit kommt es insoweit nicht mehr an, weswegen auch die vom Kläger geforderte Gleichstellung von Zeiten im Ehrenamt mit solchen einer hauptberuflichen Tätigkeit nicht vertieft erörtert zu werden braucht. Allein schon die vom Gesetzgeber gewählte Begrifflichkeit einer „hauptberuflichen“ Beschäftigungszeit stellt die Grenze einer Auslegung der hier maßgeblichen Rechtsnorm dar. Ein „Hauptberuf“ und ein „Ehrenamt“ sind etwas Grundverschiedenes. Wollte der Gesetzgeber auch bei ehrenamtlichen Tätigkeiten – um diese zu fördern – eine fiktive Vorverlegung des Dienstantritts ermöglichen, so hätte er dies ausdrücklich zu regeln.
Der in Zusammenhang mit den Verpflichtungsbegehren zusätzlich gestellte Antrag, den Beklagte zu verpflichten, den Diensteintritt des Klägers unter Berücksichtigung der vorgenannten Zeiten entsprechend fiktiv vorzuverlegen, geht ins Leere und kann daher auch keinen Erfolg haben.
Der hilfsweise gestellt Verbescheidungsantrag ist unbegründet, weil Voraussetzung für einen Erfolg dieses Hilfsantrags entweder eine fehlerhafte Ausübung des Beurteilungsspielraums oder ein Fehler bei der Ermessensausübung durch das Landesamt für Steuern wäre. Beides ist nach obigen Ausführungen nicht der Fall.
4. Soweit die Klage zurückgenommen worden ist, hat der Kläger die Kosten des Verfahrens zu tragen, § 155 Abs. 2 VwGO. Im Übrigen hat der Kläger als unterlegener Beteiligter nach § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des Verfahrens zu tragen.
5. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 711 der Zivilprozessordnung (ZPO).
Soweit das Verfahren aufgrund der Klagerücknahme einzustellen war, ist das Urteil unanfechtbar, § 92 Abs. 3 Satz 2 VwGO. Im Übrigen ergeht folgende


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