Verwaltungsrecht

Keine Aufnahmekapazität der Universität für Zulassung zum Studium der Psychologie

Aktenzeichen  W 7 E 19.20092

Datum:
30.1.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 6050
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayHZG Art. 1 Abs. 2 S. 1
HZV § 59 S. 1
Zulassungszahlsatzung 2019/2020 der Julius-Maximilians-Universität Würzburg
VwGO § 123

 

Leitsatz

Tenor

I. Die vorstehend unter ihren Aktenzeichen aufgeführten Verfahren werden zur gemeinsamen Entscheidung verbunden.
II. Die Anträge werden abgelehnt.
III. Die Antragstellerinnen haben jeweils die Kosten ihres Verfahrens zu tragen.
IV. Der Streitwert wird für jedes Verfahren auf 2.500,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
1. Die Antragstellerinnen begehren ihre (einstweilige) Zulassung zum Studium der Psychologie (Bachelor) im ersten Fachsemester an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg (JMU) nach den tatsächlichen und rechtlichen Verhältnissen des Wintersemesters 2019/2020. Die Zahl der aufzunehmenden Studienanfängerinnen und Studienanfänger (Zulassungszahl) ist für diesen Studiengang für das erste Fachsemester auf 102 festgesetzt worden und für den Studiengang Psychologie (Master) auf 71 für das erste Fachsemester, 54 für das zweite, 71 für das dritte und 54 für das vierte Fachsemester (§ 1 der Satzung über die Festsetzung der Zulassungszahlen der im Studienjahr 2019/2020 an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg als Studienanfängerinnen und Studienanfänger sowie im höheren Fachsemester aufzunehmenden Bewerberinnen und Bewerber – Zulassungszahlsatzung 2019/2020 – vom 8.7.2019).
Nach einer Aufstellung der Universität vom 11. November 2019 (vier Wochen nach Vorlesungsbeginn), sind im Studiengang Psychologie (Bachelor) im Wintersemester 2019/2020 124 Studierende im ersten Fachsemester immatrikuliert – Beurlaubte liegen nicht vor – sowie – jeweils bereinigt um Beurlaubungen – im Masterstudiengang 84 Studierende im ersten Fachsemester, 61 im zweiten, 73 im dritten und 64 im vierten Fachsemester eingeschrieben.
2. Die Antragstellerinnen halten die Aufnahmekapazität mit den festgesetzten Zulassungszahlen und der Zahl der vergebenen Studienplätze für nicht ausgeschöpft. Wegen der näheren Einzelheiten wird auf die Antragsschriftsätze und das weitere Vorbringen Bezug genommen.
Sie lassen sinngemäß beantragen,
den Antragsgegner zu verpflichten, ihnen vorläufig einen Studienplatz im Studienfach Psychologie (Bachelor) im ersten Fachsemester im Wintersemester 2019/2020 außerhalb der festgesetzten Kapazität zuzuweisen bzw. sie an einem vom Gericht anzuordnenden Los- bzw. Vergabeverfahren zu beteiligen.
Der Antragsgegner lässt beantragen,
die Anträge abzulehnen.
Auf die Schriftsätze der Kanzlei Dr. F2. & Sozien wird verwiesen.
II.
1. Die zulässigen Anträge sind nicht begründet, denn das Gericht hält es nicht für glaubhaft gemacht (§ 123 VwGO, § 920 Abs. 2 ZPO), dass an der JMU über die vergebenen Studienplätze hinaus im Studiengang Psychologie (Bachelor) im Wintersemester 2019/2020 weitere freie Plätze verfügbar sind.
Die Vergabe von Studienplätzen an der JMU richtet sich nach dem Gesetz über die Hochschulzulassung in Bayern (Bayerisches Hochschulzulassungsgesetz – BayHZG vom 9.5.2007, GVBl S. 320, zuletzt geändert durch V. v. 26.3.2019, GVBl S. 98). Übersteigt die Zahl der Bewerberinnen und Bewerber für einen Studiengang die Kapazitäten der Hochschule, werden die Studienplätze gemäß Art. 1 Abs. 2 Satz 1 BayHZG im Auswahlverfahren der Stiftung für Hochschulzulassung oder – wie hier – in einem örtlichen Auswahlverfahren nach Art. 5 BayHZG vergeben (vgl. Art. 5 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1 BayHZG).
Die Ermittlung der Aufnahmekapazität richtet sich nach Art. 4 BayHZG und der hierzu aufgrund Art. 8 Abs. 2 BayHZG erlassenen Verordnung über die Hochschulzulassung an den staatlichen Hochschulen in Bayern (Hochschulzulassungsverordnung – HZV vom 18.6.2007, GVBl S. 401, zuletzt geändert durch V.v. 28. 4. 2018, GVBl S. 277).
Gemäß § 59 Satz 1 HZV gelten bei der Berechnung der Aufnahmekapazität von Studiengängen mit örtlichem Auswahlverfahren die Bestimmungen der §§ 38 bis 58 HZV mit der Maßgabe, dass bei Bachelor- und Masterstudiengängen anstelle von Curricularnormwerten Curricularwerte zu verwenden sind. Danach wird die Aufnahmekapazität der Lehreinheit Psychologie (vgl. § 44 HZV) – wie bei jeder anderen Lehreinheit auch – nach § 39 Abs. 2 Satz 1 HZV als jährliche Kapazität gemäß § 43 i.V.m. § 59 Satz 1 HZV aufgrund der personellen Ausstattung nach Anlage 5 unter Anwendung von Curricularwerten berechnet und nach den Kriterien des § 51 HZV überprüft.
Die Universität hat ausweislich der vorgelegten Kapazitätsunterlagen auf der Basis von 50,022 Planstellen ein Lehrangebot von 441,9 Deputatstunden ermittelt. Im Berechnungszeitraum 2018/2019 waren es 426,9 Deputatstunden auf der Basis von 48,522 Planstellen. Die Einzelheiten können Blatt 3a Berechnung der von der JMU vorgelegten Berechnungsmappe entnommen werden. Der Umfang der Deputatsverminderungen in Höhe von 14,5 SWS gemäß Blatt 3a Berechnung der vorgelegten Berechnungsmappe ist im Vergleich zum vergangenen Berechnungszeitraum unverändert. Gegen die so ermittelten Zahlenwerte bestehen keine Bedenken. Diese wurden bereits in einem Verfahren betreffend das Wintersemester 2017/2018 überprüft. Auf den entsprechenden Beschluss des Gerichts vom 1. März 2018 im Verfahren W 7 E 17.20149 u.a. wird verwiesen.
Gemäß § 47 Satz 1 HZV werden als Lehrauftragsstunden diejenigen Lehrveranstaltungsstunden (LVS) in die Berechnung einbezogen, die der Lehreinheit für den Ausbildungsaufwand nach § 50 Abs. 1 HZV in den dem Berechnungsstichtag vorausgehenden beiden Semestern im Durchschnitt je Semester zur Verfügung gestanden haben und nicht auf einer Lehrverpflichtung beruhen. Dies waren ausweislich Blatt 3a Berechnung der vorgelegten Berechnungsmappe durchschnittlich nach § 47 Satz 1 HZV 5 LVS (im Vergleich: 9,5 LVS im vergangenen Berechnungszeitraum, 18,5 LVS im vorvergangenen Berechnungszeitraum, davor 2,786 LVS).
Der Dienstleistungsbedarf für nicht zugeordnete Studiengänge (Dienstleistungsexport) nach § 48 Abs. 1 HZV beträgt 98,2782 Semesterwochenstunden – SWS – (vgl. ebenfalls Bl. 3a Berechnung der vorgelegten Berechnungsmappe) und damit 4,1535 Stunden mehr als im vergangenen Berechnungszeitraum. Dabei sind lediglich Curricularanteile aufgeführt, die zusätzliche Lehrveranstaltungen erfordern. Vorlesungen, die in den eigenen Studiengängen der betrachteten Lehreinheit bereits angeboten werden, bleiben unberücksichtigt (vgl. das Schreiben der JMU „Kapazitätsermittlung und Festsetzung von Zulassungszahlen für das Wintersemester 2019/2020 und das Sommersemester 2020“ vom August 2019, Seite 2, vorletzter Absatz). Die Lehreinheit Psychologie erbringt im Berechnungszeitraum Dienstleistungen für die ihr nicht zugeordneten Lehramtsstudiengänge gemäß den geltenden fachspezifischen Bestimmungen für Erziehungswissenschaften in den Lehramtsstudiengängen.
Bei Abzug des Dienstleistungsbedarfs für die nicht zugeordneten Studiengänge ergibt sich damit aus den obigen Zahlenwerten ein bereinigtes Lehrangebot von (441,9 – 14,5 + 5 – 98,2782 =) 334,1218 (im vergangenen Berechnungszeitraum: 327,7753).
Der Curricularwert des Studiengangs Psychologie (Bachelor) wurde von der Universität mit 3,53 berechnet, für den Masterstudiengang beträgt er 2,24. Der Curricularwert (§ 59 Satz 1 i.V.m. § 50 HZV) bestimmt den in Deputatstunden gemessenen Aufwand aller beteiligten Lehreinheiten, der für die ordnungsgemäße Ausbildung eines Studierenden in dem jeweiligen Studiengang erforderlich ist, und wird von der Hochschule auf der Grundlage des Studienplans berechnet und festgesetzt. Bei der Festsetzung der Curricularwerte für Bachelor-Studiengänge darf die in der Anlage 8 zur Hochschulzulassungsverordnung festgelegte Bandbreite für die Studienfelder weder über- noch unterschritten werden. Bei der Festsetzung der Curricularwerte für Masterstudiengänge gelten in der Regel die Bandbreiten gemäß Anlage 8 je nach Studiendauer anteilig. Die Zuordnung zu den Studienfeldern erfolgt durch die Hochschule. Die Bandbreite beträgt nach Anlage 8 I im Studienfeld Medizin, Pharmazie und Psychologie 3,35 bis 4,5. Der von der Universität errechnete Curricularwert liegt innerhalb dieser Bandbreite.
Was die Frage der „Festsetzung“ gemäß § 59 Satz 3 HZV anbelangt, hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung (vgl. B.v. 23.10.2009 – 7 CE 09.10567 – und zuletzt B.v. 28.5.2013 – 7 CE 13.10105 mit ausführlicher Begründung) entschieden, dass es weder nach bayerischem Landesrecht noch verfassungsrechtlich geboten ist, dass die Hochschulen bei zulassungsbeschränkten Studiengängen, die nicht in das zentrale Vergabeverfahren einbezogen sind, Curricularwerte durch Satzung festsetzen, sondern es vielmehr genügt, wenn die Hochschule den für zutreffend erachteten Curricularwert ihrer Kapazitätsberechnung erkennbar zugrunde legt und die jeweilige Zulassungszahl darauf stützt. Der Verordnungsgeber hat in der Anlage 8 zur HZV Curricularwertbandbreiten vorgeschrieben, die bei der hochschulspezifischen Festsetzung der Curricularwerte einen normativ verbindlichen Rahmen billigen (§ 59 Sätze 3 und 4 HZV). Der danach verbleibende individuelle Festsetzungsspielraum ist eine notwendige Folge der in den letzten Jahren vollzogenen grundlegenden Umstrukturierung des Hochschulsystems (insbesondere die Umstellung auf Bachelor- und Masterabschlüsse), in deren Verlauf den einzelnen Hochschulen und Fakultäten eine größere Autonomie bei der inhaltlichen Ausgestaltung der Studiengänge und damit auch bei der Bestimmung der jeweiligen Betreuungsintensität eingeräumt wurde.
Der Lehreinheit Psychologie sind der Bachelor- und der Masterstudiengang Psychologie zugeordnet. Der CAp-Wert (Curriculareigenanteil) des Studiengangs Psychologie (Bachelor) beträgt 3,0600, der des Masterstudiengangs 2,1263. Die Anteilquote des Bachelorstudiengangs beträgt 0,5142. Daraus errechnet sich nach Formel 5 der Anlage 5 Abschnitt II zu § 43 HZV eine jährliche Aufnahmekapazität von (2 x 334,1218 =) 668,2436 : 2,6064 = 256,38. Bei einer Anteilquote von 0,5142 ergibt sich daraus ein Wert von 131,83 für den Bachelorstudiengang. Unter Berücksichtigung des nach dem sog. Hamburger Modell ermittelten Schwundausgleichsfaktors von 0,8946 ergibt dies eine Zulassungszahl von gerundet 147 Studienplätzen, wovon 102 auf das Wintersemester 2019/2020 entfallen. Die Zahl der aufzunehmenden Studienanfängerinnen und Studienanfänger (Zulassungszahl) ist für diesen Studiengang für das erste Fachsemester auf 102 festgesetzt worden.
2. Nachdem im ersten Fachsemester 124 Studierende immatrikuliert sind, ist die Kapazität erschöpft, die Anträge waren daher abzulehnen.
Anderes ergibt sich auch nicht aus § 5 Abs. 1 der Zulassungszahlsatzung 2019/2020. Im Masterstudiengang Psychologie ist im ersten Fachsemester die festgesetzte Zulassungszahl von 71 mit einer Belegung von 84 – bereinigt um Beurlaubungen – überschritten. Auch überschreitet die Belegung mit 282 Studierenden in den vier Fachsemestern mit Zulassungsbeschränkungen des Studiengangs Psychologie (Master) die Summe der insoweit festgesetzten Zulassungszahlen von 250, so dass eine Erhöhung der Zulassungszahl im Bachelor-Studiengang nicht erfolgt.
3. Auch aus der vorliegenden Überbuchung der Zulassungszahl von 102 mit 124 Studierenden ergibt sich kein Anspruch auf Zulassung über die errechnete Kapazität hinaus. Die Universität hat den Hintergrund der Überbuchung mit Stellungnahme vom 20. Dezember 2019, vorgelegt mit Schriftsatz des Antragsgegnerbevollmächtigten vom 22. Januar 2020, nachvollziehbar erläutert. Demnach ist die Belegungszahl von 124 im Wintersemester 2019/2020 im ersten Fachsemester Bachelor Psychologie auf die deutlich erhöhte Annahmequote im Zulassungsverfahren von 0,77 zurückzuführen. Für die ausgesprochenen Zulassungsangebote wurde eine Annahmequote von 0,65 prognostiziert. Die Zahl der für die Besetzung der in der Zulassungszahlsatzung ausgewiesenen Studienanfängerplätze erforderlichen Zulassungsangebote wird zu jedem Hauptverfahren aus dem Annahmeverhalten der vergangenen Jahre bestimmt. Dazu wird in der Regel das arithmetische Mittel der vergangenen drei Jahre gebildet. In der Psychologie lag diese Datenbasis zum Wintersemester 2019/2020 allerdings noch nicht vor, nachdem die JMU erstmals mit dem Sommersemester 2017 an dem sogenannten Dialogorientierten Serviceverfahren teilgenommen hat. Es wurde prognostiziert, dass die Annahmequote etwas unterhalb der gemittelten Annahmequote liegt. Tatsächlich lag die Annahmequote sehr viel höher, was weder voraussehbar noch gewollt war. Weitere Zulassungsansprüche oder Ansprüche auf kapazitätserhöhende Maßnahmen ergeben sich aus den Zulassungen über die Kapazität hinaus nicht. Auf die Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (B.v. 15.12.2015 – 7 CE 15.10251 – juris – Rn. 11 m.w.N.) wird verwiesen.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung über den Streitwert auf §§ 52 Abs. 1 und 2, 53 Abs. 3 Nr. 1, 63 Abs. 2 GKG.


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