Aktenzeichen 15 ZB 14.1788
Leitsatz
Kommt in dem Bebauungsplan der Planungswillen zum Ausdruck, dass im Bebauungsplangebiet – ohnehin beschränkt auf Teile des Gebietes, die bereits überwiegend durch gewerbliche Nutzungen geprägt sind – lediglich Vergnügungsstätten im Sinne des § 4a Abs. 3 Nr. 2 BauNVO (= nichtkerngebietstypische Vergnügungsstätten) errichtet werden, ist für die Zulassung kerngebietstypischer Vergnügungsstätten kein Raum. Eine Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplans würde dem Planungswillen des Satzungsgebers grundlegend zuwiderlaufen. (Rn. 10) (redaktioneller Leitsatz)
Verfahrensgang
Au 5 K 13.1789 2014-06-26 Urt VGAUGSBURG VG Augsburg
Tenor
I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 3.600,- Euro festgesetzt.
Gründe
I.
Der Kläger begehrt die Erteilung eines positiven Bauvorbescheids zur Frage der planungsrechtlichen Zulässigkeit der Erweiterung der Nettonutzfläche seiner Spielhalle (von 108 m² auf 120 m²).
Der Beklagte hat den Antrag des Klägers auf Erteilung eines positiven Bauvorbescheids mit streitgegenständlichem Bescheid vom 31. Oktober 2013 abgelehnt. Die geplante Spielhalle sei bei einer Erweiterung der Nettonutzfläche auf 120 m² eine kerngebietstypische Vergnügungsstätte, die nach den Festsetzungen des Bebauungsplans nicht zulässig sei. Eine Befreiung von den Festsetzungen (§ 31 Abs. 2 BauGB) komme nicht in Betracht, weil diese die Grundzüge der Planung berühre. Wegen der Einzelheiten wird auf den Bescheid verwiesen.
Das Verwaltungsgericht Augsburg hat die gegen den Bescheid der Beklagten und auf Erteilung des positiven Bauvorbescheids, hilfsweise auf erneute Bescheidung des Antrags, gerichtete Klage mit Urteil vom 26. Juni 2014 abgewiesen. Wegen der Einzelheiten wird auf das Urteil Bezug genommen.
Mit seinem Antrag auf Zulassung der Berufung macht der Kläger geltend, an der Richtigkeit des Urteils bestünden ernstliche Zweifel (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Bei der bestehenden Spielhalle – mit einer zuletzt im Jahr 2010 genehmigten Erweiterung der Nettonutzfläche auf 108 m² – handele es sich entgegen der Ansicht der Beklagten bereits um eine kerngebietstypische Vergnügungsstätte. Die beantragte Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplans (§ 31 Abs. 2 BauGB) sei vorliegend zu erteilen. Die Grundzüge der Planung würden dadurch nicht berührt. Die Erweiterung der Nettonutzfläche der Spielhalle um 12 m² ändere den bauplanungsrechtlichen Charakter der Spielhalle nicht. Bodenrechtliche Spannungen würden nicht hervorgerufen, zumal vorhandene gewerbliche Einrichtungen bereits auf einen „überregionalen“ Einzugsbereich abzielten. Nachbarbeschwerden bezüglich der Spielhalle habe es in der Vergangenheit nicht gegeben. Auch seien durch deren Betrieb keine sonstigen „Störungen“ bekannt geworden. Ein möglicher „Bezugsfall“ liege in der Erweiterung der Nettonutzfläche nicht, weil im Bereich des Bebauungsplans schon aus glücksspielrechtlichen Gründen keine neue (andere) Spielhalle errichtet werden könne. Im Fall einer Funktionslosigkeit des Bebauungsplanes, welche durch die Zulassung der schon bisher als kerngebietstypische Vergnügungsstätte anzusehenden Spielhalle bereits eingetreten sei, sei die beabsichtigte Erweiterung der Spielhalle auch nach Maßgabe des § 34 BauGB planungsrechtlich zulässig. Wegen der Einzelheiten wird auf den Schriftsatz des Bevollmächtigten des Klägers vom 12. September 2014 verwiesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten zum Sach- und Streitstand wird auf die Gerichtsakten und die vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.
II.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Der vom Kläger geltend gemachte Zulassungsgrund liegt nicht vor.
1. An der Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts bestehen keine ernstlichen Zweifel (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Der Kläger hat keinen Anspruch auf Erteilung eines positiven Bauvorbescheids zur Frage der planungsrechtlichen Zulässigkeit der Erweiterung der Nettonutzfläche seiner Spielhalle (von 108 m² auf 120 m²). Der Senat folgt den ausführlichen Gründen des angefochtenen Urteils und nimmt hierauf Bezug (§ 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO). Lediglich ergänzend ist im Hinblick auf das Vorbringen des Klägers im Zulassungsverfahren zu bemerken:
a) Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass sich das Bauvorhaben im Geltungsbereich eines Bebauungsplanes befindet, der (u.a.) für das Baugrundstück als Art der baulichen Nutzung ein Mischgebiet (§ 6 BauNVO) festsetzt. Der Bebauungsplan setzt außerdem – auf der Grundlage des § 6 Abs. 2 Nr. 8 BauNVO – ausdrücklich fest, dass nur in den Teilen des Gebietes, die überwiegend durch gewerbliche Nutzungen geprägt sind, Vergnügungsstätten im Sinne des § 4a Abs. 3 Nr. 2 BauNVO (= nichtkerngebietstypische Vergnügungsstätten) zulässig sind. Zwischen den Parteien ist ferner unstreitig, dass es sich bei der vom Kläger beabsichtigten erweiterten Spielhalle (120 m²), die eine Erhöhung der Anzahl der vorhandenen Geldspielautomaten ermöglicht, um eine kerngebietstypische Vergnügungsstätte handelt. Unstreitig ist schließlich, dass die vom Kläger geplante kerngebietstypische Vergnügungsstätte ihrer Art der baulichen Nutzung nach somit nicht den Festsetzungen des Bebauungsplans entspricht.
b) Entgegen der Ansicht des Klägers kommt eine Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplans (§ 31 Abs. 2 BauGB) vorliegend nicht in Betracht.
Das Verwaltungsgericht hat in seiner angefochtenen Entscheidung zutreffend ausgeführt, dass die begehrte Befreiung die Grundzüge der Planung berührt und damit die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 31 Abs. 2 BauGB für eine Befreiung nicht gegeben sind. In diesem Zusammenhang kommt es – wie das Verwaltungsgericht ebenfalls zu Recht ausführt – nicht darauf an, ob es sich bei der vom Beklagten – zuletzt mit einer Nettonutzfläche von 108 m² – bereits zugelassenen Spielhalle schon um eine kerngebietstypische Vergnügungsstätte handelt oder nicht. Denn nach dem im Bebauungsplan der Beklagten deutlich zum Ausdruck kommenden Planungswillen dürfen im Bebauungsplangebiet – ohnehin beschränkt auf Teile des Gebietes, die bereits überwiegend durch gewerbliche Nutzungen geprägt sind – lediglich Vergnügungsstätten im Sinne des § 4a Abs. 3 Nr. 2 BauNVO (= nichtkerngebietstypische Vergnügungsstätten) errichtet werden. Für die Zulassung kerngebietstypischer Vergnügungsstätten ist nach diesem Planungswillen kein Raum. Die vom Kläger beantragte Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplans würde demnach dem Planungswillen der Beklagten grundlegend zuwiderlaufen. Der Bauwunsch des Klägers erfordert deshalb eine der Beklagten obliegende Änderung des Bebauungsplans und kann nicht im Rahmen einer einzelfallbezogenen Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplans verwirklicht werden (vgl. hierzu z.B. BayVGH, B.v. 17.11.2016 – 15 ZB 15.468 – juris Rn. 9). Auf die Frage, ob andere gewerbliche Einrichtungen im Bebauungsplangebiet bereits auf einen „überregionalen“ Einzugsbereich abzielen oder es Nachbarbeschwerden in Bezug auf die bestehende Spielhalle oder sonstige „Störungen“ durch deren Betrieb gegeben hat, kommt es in diesem Zusammenhang nicht entscheidungserheblich an. Ebenso wenig fällt ins Gewicht, ob sich andere Vergnügungsstätten auf den Betrieb einer (erweiterten) Spielhalle als Bezugsfall berufen könnten oder nicht.
c) Schließlich kann auch von einer vom Kläger behaupteten Funktionslosigkeit des Bebauungsplans keine Rede sein. Das Verwaltungsgericht geht zutreffend davon aus, dass eine bauplanerische Festsetzung erst dann funktionslos wird, wenn die tatsächlichen Verhältnisse vom Planinhalt so massiv und offenkundig abweichen, dass der Bebauungsplan die städtebauliche Gestaltungsfunktion nicht mehr zu erfüllen vermag und dieser Mangel so offenkundig ist, dass ein in die Fortgeltung der Festsetzung gesetztes Vertrauen nicht mehr schutzwürdig ist. Dabei kommt es nicht auf die Verhältnisse der einzelnen Grundstücke an, entscheidend ist vielmehr, ob die jeweilige Festsetzung – weiterhin – geeignet ist, die städtebauliche Ordnung im Geltungsbereich des Bebauungsplans zu steuern (vgl. z.B. BayVGH, B.v. 12.07.2010 – 15 ZB 09.3214 – juris Rn. 17). Letzteres ist auch dann der Fall, wenn es sich bei der vom Beklagten zugelassenen Spielhalle des Klägers tatsächlich um eine an sich im Bebauungsplangebiet schon nicht mehr zulässige Vergnügungsstätte handeln sollte. Denn jedenfalls einer Erweiterung der vorhandenen Vergnügungsstätte stehen die streitgegenständlichen Festsetzungen des Bebauungsplans auch weiterhin – der Planungskonzeption der Beklagten entsprechend – entgegen.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung für das Zulassungsverfahren ergibt sich aus § 47 Abs. 3 und § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 9.1.2.2 und 9.2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der 2013 aktualisierten Fassung (abgedruckt in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, Anhang) und entspricht der Streitwertfestsetzung im erstinstanzlichen Verfahren.
3. Dieser Beschluss, mit dem die Entscheidung des Verwaltungsgerichts rechtskräftig wird (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO), ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).