Verwaltungsrecht

Keine Beschäftigungserlaubnis zu Ausbildungszwecken während eines Asylverfahrens

Aktenzeichen  RN 3 K 18.32144

Datum:
31.10.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 29687
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Regensburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 61 Abs. 2
AufenthG § 4 Abs. 3 S. 1

 

Leitsatz

1 Ein Asylbewerber hat nach § 61 Abs. 2 AsylG selbst bei Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen grds. keinen Anspruch auf eine Beschäftigungserlaubnis, sondern lediglich auf ermessensfehlerfreie Entscheidung. (Rn. 19) (redaktioneller Leitsatz)
2 Bei der Ermessensausübung im Rahmen des § 61 Abs. 2 S. 1 AsylG dürfen aufenthalts- und asylrechtlich relevante Zwecke verfolgt bzw. migrationspolitische Erwägungen berücksichtigt werden, um Fehlanreize zur Stellung aussichtsloser Asylanträge mit dem Ziel einer Erwerbstätigkeit in der Bundesrepublik zu vermeiden. (Rn. 21) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.
III. Der Gerichtsbescheid ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Der nach Übertragung zuständige Einzelrichter kann ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entscheiden, da die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der entscheidungserhebliche Sachverhalt geklärt ist (§ 84 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Das Gericht hörte zur Entscheidung durch Gerichtsbescheid an (§ 84 Abs. 1 Satz 2 VwGO); eine Zustimmung ist nicht erforderlich.
Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet. Der Kläger hat nämlich keinen Anspruch auf Neuverbescheidung seines Antrags auf Beschäftigungserlaubnis.
1. Die Klage ist insbesondere nicht schon deshalb unzulässig, weil der streitgegenständliche Versagungsbescheid vom 9. Juli 2018 bereits bestandskräftig geworden wäre. Bei der in diesem Bescheid enthaltenen Entscheidung auf Grundlage des § 61 Abs. 2 AsylG handelt es sich zwar um eine asylrechtliche, für die nach § 74 Abs. 1 AsylG eine zweiwöchige Klagefrist gilt; diese einzuhalten wäre mit der Klageerhebung am 9. August 2018 an sich versäumt worden. Allerdings belehrte abweichend von § 74 Abs. 1 AsylG die dem Bescheid beigefügte Rechtsmittelbelehrungfehlerhaft nicht über eine zweiwöchige, sondern über eine einmonatige Klagefrist. Die sodann unter Berücksichtigung von § 58 Abs. 2 VwGO maßgebliche Frist wurde vorliegend jedoch gewahrt, sodass der streitgegenständliche Versagungsbescheid nicht als bestandskräftig anzusehen ist.
2. Die Klage ist auf Grundlage der maßgeblichen gegenwärtigen Sach- und Rechtslage aber als unbegründet anzusehen, da der Kläger keinen Anspruch auf Neuverbescheidung hat.
Anspruchsgrundlage der begehrten Erlaubnis kann, da sich der Kläger mangels rechtskräftigem Abschluss seines anderweitigen, auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gerichteten Klageverfahrens (Az. RN 8 K 16.31403) noch im laufenden Asylverfahren befindet, derzeit nicht die von Klägerseite auch in Bezug genommene Regelung des § 60a Abs. 2 AufenthG, sondern nur die oben bereits erwähnte Regelung des § 61 Abs. 2 AsylG sein. Danach kann einem Asylbewerber, der sich seit drei Monaten gestattet im Bundesgebiet aufhält, die Ausübung einer Beschäftigung erlaubt werden, wenn die Bundesagentur für Arbeit zugestimmt hat oder durch Rechtsverordnung bestimmt ist, dass die Ausübung der Beschäftigung ohne Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit zulässig ist. Die Vorschrift regelt insofern eine Ausnahme und benennt die Voraussetzungen, unter denen einem Asylbewerber abweichend vom generellen Erwerbstätigkeitsverbot nach § 4 Abs. 3 Satz 1 AufenthG die Aufnahme einer Beschäftigung im Sinne einer nichtselbstständigen Arbeit gestattet werden kann (§ 4 Abs. 3 Satz 3 AufenthG).
Die Entscheidung über die Erlaubnis liegt jedoch im Ermessen der Behörde („kann“). Die Vorschrift des § 61 Abs. 2 AsylG eröffnet der Behörde damit mehrere Entscheidungsalternativen. Ein Asylbewerber hat also selbst bei Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen grundsätzlich keinen Anspruch auf die Erlaubnis, sondern lediglich auf ermessensfehlerfreie Entscheidung. Damit könnte sich ein zwingender Anspruch des Klägers auf Erteilung einer Beschäftigungserlaubnis nur dann ergeben, wenn das Ermessen im konkreten Einzelfall auf Null reduziert wäre. Eine solche Reduzierung des Ermessens auf Null kommt in den Fällen in Betracht, in denen die Entscheidung deshalb alternativlos ist, weil sich keine andere Entscheidung mit dem Zweck der Ermächtigung begründen ließe (Kopp/Ramsauer, VwVfG, 19. Auflage 2018, § 40 Rn. 71). Andernfalls kommt allenfalls ein – vom Kläger allein geltend gemachter – Anspruch auf Neuverbescheidung in Betracht, wenn sich die getroffene Versagungsentscheidung als ermessensfehlerhaft und rechtswidrig darstellt.
Hiervon ist vorliegend auf Grundlage der aktuellen Sach- und Rechtslage gegenwärtig jedoch nicht auszugehen. Gründe, die im vorliegenden Fall zugunsten des Klägers zu einer Ermessensreduzierung auf Null führten, hat der Kläger weder vorgetragen noch sind solche Gründe sonst ersichtlich. Eine wirtschaftliche Notlage existenzieller Art ist auszuschließen, da der Kläger im Falle keiner Erwerbstätigkeit hinreichende öffentliche Leistungen beziehen kann. Die Erhaltung einer menschenwürdigen Existenz des Klägers auch ohne Beschäftigung ist durch Sozialleistungen (in Form des Asylbewerberleistungsgesetzes – AsylbLG) gesichert. Gravierende Nachteile in sozialer und beruflicher Hinsicht sind nicht erkennbar. Ein besonderer Härtefall ist beim Kläger ebenfalls nicht ersichtlich, vielmehr findet er sich in einer Lage, die mit derjenigen vieler anderer Asylbewerber vergleichbar ist. Dies gilt beispielsweise in Bezug auf seine bisherige Aufenthaltsdauer wie auch hinsichtlich des Umstands, dass sein Asylantrag von der dafür zuständigen Behörde bereits abgelehnt und mittlerweile auch die diesbezügliche Klage vom erstinstanzlich angerufenen Gericht abgewiesen wurden; allein der Umstand, dass die Klageabweisung noch nicht rechtskräftig geworden ist, vermag daran nichts zu ändern. Vom Kläger wurden auch keine Gesichtspunkte geltend gemacht, die zu einer Alternativlosigkeit der behördlichen Entscheidung führen würden. Die Interpretation der zitierten Schreiben des Bayerischen Staatsministeriums des Innern durch die Klägerseite gehen teilweise an der Sache vorbei; insbesondere lässt sich den Schreiben nicht entnehmen, dass die Versagung einer Beschäftigungserlaubnis nur in Betracht komme, wenn der Asylantrag als offensichtlich unbegründet abgelehnt worden sei.
Die Behörde hat im streitgegenständlichen Bescheid Gründe für und wider die Erteilung der Beschäftigungserlaubnis abgewogen – gegen den Kläger sprachen aus Sicht der Behörde der abgelehnte Asylantrag und die geringe Bleibeperspektive. Die daraus resultierende Gefahr der Aufenthaltsverfestigung überwiegt nach Auffassung des Beklagten letztlich das persönliche Interesse des Klägers an der Berufsausbildung. Damit wurde eine Ermessensentscheidung getroffen, wobei die erkennbaren und zulässigen Erwägungen eingestellt wurden. Den Ermessenserwägungen des Beklagten lässt sich darüber hinaus nicht entnehmen, dass eine unzulässige Verhinderung von Fernzielen bei der Abwägung eingestellt worden wäre. Bei der Ermessensausübung im Rahmen des § 61 Abs. 2 Satz 1 AsylG dürfen jedenfalls aufenthalts- und asylrechtlich relevante Zwecke verfolgt bzw. migrationspolitische Erwägungen berücksichtigt werden. Um Fehlanreize zur Stellung aussichtsloser Asylanträge mit dem Ziel einer Erwerbstätigkeit in der Bundesrepublik zu vermeiden, sind solche Erwägungen zulässigerweise in die Entscheidung nach § 61 Abs. 2 AsylG miteinzubeziehen (VG Augsburg, B.v. 9.5.2017 – Au 1 K 17.75 Rn. 23; U.v. 13.6.2017 – Au 1 K 17.101; Neundorf in Kluth/Heusch, Beck´scher Online Kommentar Ausländerrecht, Stand: 1.2.2017, § 61 Rn. 12).
Gegen die Erteilung der begehrten Beschäftigungserlaubnis spricht vorliegend daher durchaus der Aspekt, dass das asylrechtliche Verfahren des Klägers beim Bundesamt nicht erfolgreich war (Bescheid vom 23.6.2016) und er eine Ausbildung beginnen will, die erst im August 2021 abgeschlossen sein würde. Denn hierbei kann davon ausgegangen werden, dass sein Asylverfahren einschließlich des Klageverfahrens vor dem Jahr 2021 abgeschlossen sein wird. Sollte die asylrechtliche Klage des Klägers rechtskräftig abgewiesen werden, besteht für diesen die Pflicht, das Bundesgebiet zu verlassen, wobei eine Abschiebung in sein Heimatland möglich wäre. Somit würde durch die Ausbildung der Aufenthalt im Bundesgebiet (prognostisch) über das Asylverfahren hinaus verlängert. Demgegenüber entspricht es migrationspolitischen öffentlichen Belangen, die Verfestigung des Aufenthalts bei Asylbewerbern zu verhindern, solange ihr endgültiges Bleiberecht nicht feststeht (vgl. VG München, U.v. 21.1.2016 – M 10 K 15.5366 – beck-online). Eine Ermessensreduzierung ergibt sich gemessen daran auch nicht aus dem Vorbringen der Klägerseite insbesondere zur bisherigen Integrationsleistung des Klägers.
Vorliegend steht dem Kläger daher gegenwärtig auch nicht wegen eines Ermessensfehlers ein Anspruch auf Verpflichtung zur Neuverbescheidung über den Antrag auf die begehrte Beschäftigungserlaubnis für die Berufsausbildung zu, sodass die Klage erfolglos bleibt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Das Verfahren ist gemäß § 83b AsylG gerichtskostenfrei.
Die Entscheidung im Kostenpunkt war gemäß § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO für vorläufig vollstreckbar zu erklären.


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen


Nach oben