Verwaltungsrecht

Keine Flüchtlingsanerkennung für einen Konvertiten aus dem Iran

Aktenzeichen  B 2 K 16.30848

Datum:
14.9.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Bayreuth
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG AsylG § 3 Abs. 1

 

Leitsatz

Trotz des durch die Taufe formal vollzogenen Glaubensübertrittes und der Veröffentlichung der Taufe unter YouTube haben iranische Staatsangehörige bei einer Rückkehr in den Iran keine Verfolgungsmaßnahmen zu befürchten, da es auch den iranischen Behörden bekannt ist, dass iranische Staatsangehörige in Asylverfahren häufig zum christlichen Glauben konvertieren, um so bessere Chancen im Asylverfahren zu erhalten. (redaktioneller Leitsatz)
Gerade für einen nicht besonders religiösen Menschen bedarf es besonderer Darlegung, warum er sich einer anderen Religion zuwendet, wenn ihn schon seine bisherige nicht sonderlich interessiert hat. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerinnen tragen die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.
3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg.
Die Klägerinnen haben zum maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (vgl. § 77 Abs. 1 AsylG) keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG. Es ist ihnen auch nicht der subsidiäre Schutz nach § 4 AsylG zuzuerkennen, noch liegen nationale Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG vor. Der streitgegenständliche Bescheid der Beklagten vom 09.06.2016 ist rechtmäßig (§ 113 Abs. 1 und 5 VwGO).
1.
Die Klägerinnen haben keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 AsylG.
Nach § 3 Abs. 4 i. V. m. Abs. 1 AsylG besteht ein Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft dann, wenn sich der Ausländer aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt oder dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will und er keine Ausschlusstatbestände erfüllt. Eine solche Verfolgung kann nicht nur vom Staat ausgehen (§ 3c Nr. 1 AsylG), sondern auch von Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen (§ 3c Nr. 2 AsylG) oder nichtstaatlichen Akteuren, sofern die in Nummern 1 und 2 genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, im Sinne des § 3d AsylG Schutz vor Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht (§ 3c Nr. 3 AsylG). Allerdings wird dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt, wenn er in einem Teil seines Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung nach § 3d hat und sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt (§ 3e Abs. 1 AsylG).
Für die richterliche Überzeugungsbildung im Sinne von § 108 Abs. 1 VwGO gilt folgendes: Das Gericht muss sich die volle Überzeugung von der Wahrheit des behaupteten Verfolgungsschicksals und der Wahrscheinlichkeit der Verfolgungsgefahr bilden; eine bloße Glaubhaftmachung in der Gestalt, dass der Vortrag lediglich wahrscheinlich sein muss, ist nicht ausreichend (vgl. grundlegend BVerwG, U. v. 16.4.1985 – 9 C 109/84 – NVwZ 1985, 658 ff.). Hierbei darf das Gericht jedoch hinsichtlich der Vorgänge im Verfolgerland, die zur Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft oder der Feststellung eines Abschiebungsverbots führen sollen, keine unerfüllbaren Beweisanforderungen stellen, sondern muss sich in tatsächlich zweifelhaften Fällen mit einem für das praktische Leben brauchbaren Grad von Gewissheit begnügen, auch wenn Zweifel nicht völlig auszuschließen sind (BVerwG, U. v. 16.4.1985, a. a. O.). In der Regel kommt deshalb dem persönlichen Vorbringen des Klägers, seiner Persönlichkeit und Glaubwürdigkeit sowie der Art seiner Einlassung besondere Bedeutung zu (BayVGH, U. v. 26.1.2012 – 20 B 11.30468 – juris Rn. 19).
Gemessen an diesen Grundsätzen haben die Klägerinnen keinen Anspruch auf Gewährung des Flüchtlingsschutzes. Das Gericht verweist insofern zunächst auf die zutreffende Begründung des angefochtenen Bescheides und sieht zur Vermeidung von Wiederholungen von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 77 Abs. 2 AsylG).
Ergänzend ist zum gerichtlichen Verfahren auszuführen:
Das Gericht glaubt der Klägerin zu 1. nicht ihre vorgetragene Vorfluchtgeschichte. Zum einen ist bereits aus der Anhörung bei dem Bundesamt ersichtlich, dass die Klägerin zu 1. ihr Aussageverhalten den Fragen des Anhörenden entsprechend angepasst hat und es so zu Widersprüchlichkeiten gekommen ist. In der mündlichen Verhandlung am 14.09.2016 kam es sodann erneut zu Widersprüchlichkeiten und Ungenauigkeiten. Das Aussageverhalten der Klägerin zu 1. war zudem deutlich von Unsicherheiten geprägt, es war in wesentlichen Punkten detailarm und oberflächlich. Ferner bedurfte die Klägerin zu 1. mehrmals des unterstützenden Eingreifens ihrer Tochter zur Vervollständigung oder zur Korrektur ihres Vortrages. Insgesamt konnte die Einzelrichterin sich davon überzeugen, dass das Bundesamt zu Recht vom mangelnden Wahrheitsgehalt der Vorfluchtgeschichte ausging. Die Widersprüchlichkeiten ihres Vortrages in der mündlichen Verhandlung zu ihren bzw. zu denen ihres Sohnes beim Bundesamt gemachten Angaben zeichnen sich schon hinsichtlich des Fluchtdatums ab. Bedeutsam ist in diesem Zusammenhang, dass die Klägerin zu 1. schon nicht das genaue Datum ihrer Flucht aus Isfehan angeben konnte, welches sich mit der – angeblichen – Aufdeckung der christlichen Sitzungen decken soll. Während sie beim Bundesamt angab, es sei ein Sonntag gewesen, konnte sie in der mündlichen Verhandlung weder das genaue Datum noch den Wochentag benennen. Zum Zeitpunkt ihrer Ausreise aus dem Iran befragt, gab sie beim Bundesamt an: Mitte Februar 2016. In der mündlichen Verhandlung soll es nun der 22.01.2016 gewesen sein. Hätte sich die – angebliche – Aufdeckung der christlichen Sitzungen tatsächlich am Sonntag – also am 17.01.2016 – ereignet, so passen die Angaben des Sohnes der Klägerin zu 1. zu seinem Ausreisedatum (18.01.2016, vgl. Blatt 2 der Niederschrift über seine Anhörung) nicht, denn von einer unmittelbaren Weiterreise aus Teheran hat er gerade nicht berichtet (vgl. Blatt 4 seiner Anhörung: „Wir sind weniger als eine Woche später ausgereist“). Widersprüchlich sind die Angaben der Klägerin zu 1. im Hinblick auf die Bekanntschaft mit … Beim Bundesamt gab sie an, sie hätten sich in ihrem Lederbearbeitungskurs kennengelernt. Nachdem das Bundesamt aus dieser „kurzen Freundschaft“ schloss, dass es wohl noch kein Vertrauensverhältnis derart gegeben haben könne, dass die Frau ihr ihren christlichen Glauben anvertrauen würde, passte die Klägerin zu 1. ihre Angaben im Klageverfahren dahingehend an, dass sie … bereits seit ihrer Schulzeit gekannt habe. Ein Übersetzungsfehler bei der Anhörung kann ausgeschlossen werden, denn die Aussagen der Klägerin zu 1. sind eindeutig („Ein Jahr bevor ich ausgereist bin, habe ich eine Frau kennengelernt“, Bl. 5 und „Ich habe diese Frau ungefähr ein Jahr vor meiner Ausreise kennengelernt“, Bl. 6 der Niederschrift). Zudem hat eine Rückübersetzung stattgefunden, bei der die Klägerin die Möglichkeit der Korrektur hatte. Hinzu kommt, dass sie beim Bundesamt angab, bereits nach zwei Monaten – nach dem Kennenlernen – an den christlichen Sitzungen teilgenommen zu haben. In der mündlichen Verhandlung hingegen will sie erst nach sechs Monaten an der ersten Sitzung teilgenommen haben. Auch ihre Angaben bezüglich des Offenbarungsgrundes des christlichen Glaubens ihrer Freundin divergieren. Bei ihrer Anhörung beim Bundesamt erläuterte sie, der Auslöser der Offenbarung sei die Freundlichkeit und Liebenswürdigkeit von … gewesen, welche die Klägerin zu 1. fasziniert hätten. In der mündlichen Verhandlung gab sie hingegen an, die Unterdrückung und die Probleme unter denen die Klägerin zu 1. gelitten habe, hätten … veranlasst ihren christlichen Glauben zu offenbaren. Wesentliche Abweichungen lassen sich jedoch auch im maßgeblichen Teil ihrer Geschichte – des angeblichen Verrates der christlichen Sitzungen – finden. So gab sowohl sie, als auch ihr Sohn, bei seiner Anhörung an, dass sie von … einen Anruf bekommen hätten, dass die Sitzungen verraten worden seien. In der mündlichen Verhandlung erklärte sie jedoch eine SMS bekommen haben. Beim Bundesamt vermutete sie lediglich, dass es eine Namensliste mit den Teilnehmern der Sitzungen gegeben habe. In der mündlichen Verhandlung konnte sie sich sichtlich auf konkrete Frage bezüglich dem Vorhandensein einer Liste zunächst nicht entscheiden. Schließlich gab sie an, dass es eine Liste gegeben hat. Wie sie von dieser Liste erfahren haben will, wenn sie jedoch nur eine SMS mit dem Inhalt: „Die Hauskirche ist entdeckt. Der Geheimdienst war da, rette dich.“ bekommen haben will, erschließt sich nicht. Hinzu kommt, dass ihr Sohn bei seiner Anhörung – abweichend zu ihr – ausgesagt hat: „Die Person, die uns immer eingeladen hat, hat es uns so erzählt. Unsere Namen waren auf dieser Liste“ (vgl. Blatt 5 der Niederschrift über die Anhörung). Schließlich sind auch Widersprüche betreffend die Ausgestaltung der christlichen Sitzungen zu ersehen. Während die Klägerin zu 1. In der mündlichen Verhandlung angab, es habe immer derselbe Prediger die Sitzungen geleitet (außer im Krankheitsfall), erklärte ihr Sohn bei seiner Anhörung, es seien immer „verschiedene Pfarrer“ gewesen (vgl. Bl. 4 seiner Anhörung). Dass der Vortrag der Klägerin zu 1. nicht der Wahrheit entspricht, ergibt sich für die Einzelrichterin ferner aus dem Umstand, dass sie gemeinsam mit ihrer Tochter über den Flughafen in Teheran ausgereist ist. Sie hat insbesondere nicht plausibel machen können, warum sie nicht sogleich mit ihrem Sohn – über den Landweg – ausgereist ist, wenn sie doch eine konkrete Gefahr für sich und ihre Kinder gesehen hat. Es mag zwar zutreffend sein, dass ihr Sohn mangels Reisepass nicht hat per Flug ausreisen können, es ist aber unglaubwürdig, dass sie – bei einer tatsächlichen Gefahr für sich und ihre Tochter – den „bequemeren“ aber deutlich gefahrenträchtigeren Ausreiseweg über den Flughafen Teheran gewählt hat. Denn nach dem aktuellen Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 09.12.2015 ist es nahezu ausgeschlossen, dass jemand, der von den iranischen Sicherheitsbehörden gesucht wird, mit eigenen Papieren über den internationalen Flughaften Iman-e Khomeini ausreisen kann. Dieser steht unter vollständiger Kontrolle der Pasdaran (vgl. Bl.32 des Lageberichts). Das Vorgehen der Klägerin zu 1. spricht vielmehr für eine geplante Ausreise, der keine Verfolgung oder drohende Verfolgung vorausging.
Im Hinblick auf die von den Klägerinnen vorgetragene Konversion zum Christentum in Deutschland hat die Klage ebenfalls keinen Erfolg.
Nach der Auskunftslage ist die Situation von Konvertiten im Iran als kritisch einzustufen (vgl. Lagebericht des Auswärtigen Amtes zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der islamischen Republik Iran vom 9.12.2015, Bl.4,16). Im Einzelfall können einem zum Christentum übergetreten Muslim im Iran mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Repressionen wegen seiner Religionsausübung drohen.
Die begründete Furcht einer Verfolgung wegen der Religion ist gegeben, wenn unter Berücksichtigung der persönlichen Umstände des Schutzsuchenden vernünftigerweise anzunehmen ist, dass er nach Rückkehr in sein Herkunftsland religiöse Betätigungen vornehmen wird, die ihn der tatsächlichen Gefahr einer Verfolgung aussetzen. Das Verbot der Teilnahme an religiösen Riten im öffentlichen Bereich kann hierbei eine Verfolgungshandlung darstellen, wenn der Betreffende tatsächlich Gefahr läuft, infolgedessen verfolgt oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung unterworfen zu werden. Es ist dem Antragsteller nicht zumutbar, diese Gefahr durch Verzicht auf bestimmte religiöse Betätigungen zu vermeiden (vgl. EuGH, U. v. 5.9.2012 – C-71/11 und C-99/11 – Rn. 79 f.; juris). Beruft sich der Schutzsuchende auf eine Verfolgungsgefährdung mit der Begründung, er sei zu einer in seinem Herkunftsland bekämpften Religion übergetreten, muss er die inneren Beweggründe glaubhaft machen, die ihn zur Konversion veranlasst haben. Es muss festgestellt werden können, dass die Hinwendung zu der angenommenen Religion auf einer festen Überzeugung und einem ernst gemeinten religiösen Einstellungswandel und nicht auf Opportunitätserwägungen beruht und der Glaubenswechsel nunmehr die religiöse Identität des Schutzsuchenden prägt (vgl. BVerwG, U. v. 20.1.2004 – BVerwG 1 C 9.03 -, Rn. 22; BayVGH, U. v. 23.10.2007 – 14 B 06.30315 – B. v. 29.4.2010 – 14 ZB 10.30043, B. v. 4.2.2013 – 14 ZB 13.3002 -; alle juris). In besonderer Weise gilt dies, wenn der Schutzsuchende erstmals nach erfolglosem Abschluss des behördlichen Asylverfahren behauptet, er habe seine religiöse Überzeugung in der Folgezeit geändert. Er muss dann auch dafür gute Gründe anführen, um den Verdacht auszuräumen, der behauptete Glaubenswechsel sei nur vorgeschoben, um die Voraussetzungen für eine Flüchtlingsanerkennung zu schaffen (VGH Baden-Württemberg, U. v. 16.3.2012 – A 2 S 1419/11 -, Rn. 24; juris).
Wann eine Prägung im Sinne einer ernstlichen Glaubensüberzeugung anzuerkennen ist, lässt sich nicht allgemein beschreiben. Maßgeblich sind die Umstände des Einzelfalls. Nach dem aus der Gesamtheit des Verwaltungs- und gerichtlichen Verfahrens gewonnenen Eindruck muss sich der Schutzsuchende aus voller innerer Überzeugung von seinem bisherigen Bekenntnis gelöst und dem anderen Glauben zugewandt haben. Dazu sind die Persönlichkeit des Asylbewerbers und dessen Motive für den angeblichen Wechsel der religiösen Überzeugung vor dem Hintergrund seines bisherigen Vorbringens und seines Vorfluchtschicksals einer Gesamtwürdigung zu unterziehen. Hat er eine christliche Religion angenommen, genügt es im Regelfall nicht, dass der Schutzsuchende lediglich formal zum Christentum übergetreten ist, indem er getauft wurde (BVerwG, B. v. 25.8.2015 – 1 B 40/15 -; BayVGH, B. v. 16.11.2015 – 14 ZB 13.30207- beide juris). Von einem Erwachsenen, der sich zum Bekenntniswechsel entschlossen hat, darf unter anderem im Regelfall erwartet werden, dass er mit den wesentlichen Grundzügen seiner neuen Religion vertraut ist. Welche Anforderungen im Einzelnen zu stellen sind, richtet sich vorwiegend nach seiner Persönlichkeit und seiner intellektuellen Disposition. Überdies wird regelmäßig nur dann anzunehmen sein, dass der Konvertit ernstlich gewillt ist, seine christliche Religion auch in seinem Heimatstaat auszuüben, wenn er seine Lebensführung bereits in Deutschland dauerhaft an den grundlegenden Geboten der neu angenommenen Konfession ausgerichtet hat (vgl. BVerwG, U. v. 20.2.2013 – 10 C 23/12 – juris).
Als Aspekt der Gesamtwürdigung ist auch zu berücksichtigen, dass der Vortrag iranischer Staatsangehöriger zu Flucht- und Nachfluchtgründen sich seit langen Jahren durch außerordentliche Homogenität auszeichnet. Der Welle monarchietreuer Schah-Anhänger folgte die Welle exilpolitischen Engagements an öffentlichen Büchertischen, wiederum gefolgt von massiven exilpolitischen Profilen im Internet. Gegenwärtig ist der asylsuchende iranische Staatsangehörige ohne Konversion zum Christentum bei Gericht der deutliche Ausnahmefall. Gab es in den letzten Jahren eine gewisse Tendenz zur Taufe (einzelner) iranischer Asylbewerber in freikirchlichen Gemeinden, zeichnet sich mittlerweile mehr und mehr ab, dass iranische Asylbewerber speziellen Taufkursen der evangelisch-lutherischen Kirche zustreben, bei denen muttersprachlich nach Taufmodulen unterrichtet wird. Die Organisation dieser Kurse erfolgt überregional und Fahrtkosten für den einzelnen Taufbewerber werden aus Kirchenmittel übernommen. Die Sogwirkung dieses Angebots ist so groß, dass sich einzelne Gemeinden mittlerweile einer Überforderung ausgesetzt fühlen und weitere Gemeinden um Hilfe bei der Betreuung iranischer Taufbewerber bitten (http://www… iranern/kurs-infos/, wo schon Mitte Juli 2016 von 86 Taufbewerbern – nur in dieser Gemeinde – und einem „unglaublichen Zustrom“ die Rede ist).
Die vollzogen Taufen werden, worauf auch kirchenamtlicherseits verwiesen wird, in das Internet (z. B. YouTube) gestellt.
Als weiterer Aspekt der Gesamtwürdigung ist festzuhalten, dass die Abschiebung eines iranischen Asylbewerbers, gegen seinen Willen, „nahezu unmöglich“ ist (vgl. Lagebericht des Auswärtigen Amtes betreffen Iran vom 09.12.2015, Bl.31). Iranische Asylbewerber wissen, dass sie einen Pass nur dann erhalten werden, wenn sie ihn persönlich im iranischen Generalkonsulat in Deutschland – unter Vorlage einer Freiwilligkeitserklärung und von iranischen Identitätsnachweisen – beantragen (Auskunft der zentralen Ausländerbehörde, Regierung von Oberfranken, 13.07.2016).
Gemessen an voranstehenden Maßstäben und tatsächlichen Umständen, konnte sich das Gericht, insbesondere auch aufgrund der mündlichen Verhandlung nicht davon überzeugen, dass die Klägerinnen bei einer Rückkehr in ihr Heimatland wegen eines Religionswechsels mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit verfolgungsgefährdet wären.
Die Einzelrichterin kommt vielmehr zu dem Entschluss, dass die Klägerinnen bei einer Rückkehr in den Iran keine religiösen Betätigungen vornehmen werden, die sie der tatsächlichen Gefahr einer Verfolgung aussetzen würden oder dass der Verzicht auf solche Handlungen eine unzulässige Einschränkung ihrer religiösen Identität bedeuten würde.
Vielmehr lassen bereits die zur Überzeugung des Gerichts unwahren Angaben der Klägerin zu 1. im Hinblick auf die Vorfluchtgeschichte erkennen, dass sie es von vornherein darauf angelegt hat, eine positive Asylentscheidung zu erhalten.
Die Klägerinnen haben sich – zeitnah nach ihrer Einreise – in Deutschland taufen lassen und besuchen ausweislich der vorgelegten Bescheinigungen Bibelkurse und christliche Gottesdienste. Die Klägerin zu 1. wirkt ferner bei der Organisation der weiteren Taufen von iranischen Staatsangehörigen mit, indem sie die Zubereitung von Speien für die Tauffeiern übernimmt. Die Klägerinnen haben ersichtlich den Weg gewählt, wie ihn derzeit nahezu alle iranischen Asylbewerber gehen. Das heißt: Teilnahme an Bibelkursen, Gottesdiensten, Taufvorbereitungskursen, Taufe, aktive Teilnahme am Gemeindeleben (vgl. hierzu die Ausführungen oben). Bei der Befragung der Klägerin zu 1. in der mündlichen Verhandlung zu ihrem „neuen Glauben“ war jedoch lediglich zu hören, dass sie aus dem christlichen Glauben eine „bessere Lebensqualität“ schließe. Ihr gefalle „die Liebe und der Frieden“. Sie fühle sich als Teil von Christus. Sie fühle sich frei. Jesus habe sie gerettet. Es sei der einzige Weg, wie sie ihre Seele wieder finden könne. Sie fühle sich befreit von ihren Fehlern, die sie gemacht habe. Diesen Äußerungen ist jedoch nicht entnehmbar, dass sich die Klägerin aus ernster, innerer Überzeugung dem christlichen Glauben zugewandt hat. Vielmehr sind ihre Äußerungen unter dem o.g. Blickwinkel zu sehen und zeigen Pauschalität und mangelnde Reflexion der Klägerin hinsichtlich ihrer Schritte von einer „nicht gläubigen Muslimin“ zu einer Christin. Denn gerade für einen nicht besonders religiösen Menschen bedarf es besonderer Darlegung, warum er sich einer anderen Religion zuwendet, wenn ihn schon seine bisherige nicht sonderlich interessiert hat. Auf Frage, wie die Klägerin zu 1. ihren Glauben lebt, brachte sie lediglich die Taufe und die Gottesdienstbesuche sowie die Teilnahmen bei dem … e.V. dar. Sie nannte also lediglich Aktivitäten für die sie ohnehin schon Bescheinigungen vorgelegt hat. Ihre innere Überzeugung und wie sie für sich persönlich ihren neuen Glauben lebt hat sie nicht dargetan. Sie schien vielmehr bemüht ihren Religionswechsel auf Bestätigungen ihrer Aktivitäten zu gründen, die jedoch letztlich keine Prognose zulassen, wie sich die Klägerin im Fall einer Rückkehr in ihr Heimatland in religiöser Form verhalten wird. Die Einzelrichterin konnte sich – insbesondere auch durch den persönlichen Eindruck den sie von der Klägerin zu 1. erlangt hat – davon überzeugen, dass sie das christliche Leben als modern und zum freiheitlichen Leben dazugehörig ansieht. Sie sprach selbst von einer „besseren Lebensqualität“. Für sie mag das Christentum zur hiesigen Kultur dazugehören und sie schätzt sicherlich die Unterstützung und Zuwendung der Kirchengemeinde, den Kontakt zu iranischen Landsleuten und zu Gemeindeangehörigen der Kirche. Auch gefällt es ihr sicherlich Aufgaben bei der Organisation weiterer Taufen zu übernehmen. Wenn sie jedoch erklärt, sie würde im Fall der Rückführung in den Iran – sofort bereits am Flughafen – mitteilen, dass sie Christin ist und maßgeblich auf das Taufvideo unter YouTube verweist, um ihre Verfolgungsgefährdung darzulegen, zeigt sie ganz deutlich, dass sie ihr Verhalten an den bestmöglichen Chancen ihres Asylverfahrens ausrichtet und ihre angegebene Konversion als ein geeignetes Mittel dazu hält.
Abschließend ist davon auszugehen, dass die Klägerin zu 1. ihr religiöses Leben – im Falle einer Rückkehr – nicht anders ausgestalten wird, als sie es bislang als nichtgläubige Muslimin im Iran getan hat.
Trotz des durch die Taufe formal vollzogenen Glaubensübertrittes und der Veröffentlichung der Taufe unter YouTube hat die Klägerin zu 1. bei einer Rückkehr in den Iran keine Verfolgungsmaßnahmen zu befürchten. Es ist auch den iranischen Behörden bekannt, dass iranische Staatsangehörige in Asylverfahren häufig zum christlichen Glauben konvertieren, um so bessere Chancen im Asylverfahren zu erhalten. Hinzu kommt, dass sich iranische Staatsangehörige in der Bundesrepublik Deutschland „im Feindesland“ befinden, und dort ist es durchaus erlaubt, durch Täuschungshandlungen den Feind zu überlisten. Der rein formale Glaubensübertritt und eventuelle Veröffentlichungen im Internet werden bei einer Rückkehr in den Iran somit keine nachteiligen Folgen für die Klägerin zu 1. haben (vgl. VG Ansbach, U. v. 23.3.2016, – AN 1 K 16.30035 – juris).
Die oben genannten Gründe gelten für die Klägerin zu 2. entsprechend, die sich dem Vorgehen ihrer Mutter (verständlicherweise) angepasst hat.
2.
Den Klägerinnen steht auch kein Anspruch auf Gewährung subsidiären Schutzes nach § 4 Abs. 1 AsylG bzw. auf die Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG zu. Das Gericht verweist insoweit auf die Ausführungen im streitgegenständlichen Bescheid.
3.
Auch gegen die gegenüber den Klägerinnen erlassene Ausreiseaufforderung mit Abschiebungsandrohung begegnet keinen rechtlichen Zweifeln (§ 34 Abs. 1 AsylG i. V. m. § 59 AufenthG).
4.
Gründe, die gegen die Rechtmäßigkeit des von der Beklagten festgesetzten Einreise- und Aufenthaltsverbots sprechen, wurden nicht vorgebracht und sind auch nicht ersichtlich.
Die Klage war nach alledem insgesamt abzuweisen.
5.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 159 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83 b AsylG nicht erhoben. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit stützt sich auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. ZPO.
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zugelassen wird. Die Zulassung der Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils beim Bayerischen Verwaltungsgericht Bayreuth,
Hausanschrift: Friedrichstraße 16, 95444 Bayreuth, oder
Postfachanschrift: Postfach 110321, 95422 Bayreuth,
schriftlich zu beantragen.
Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für die Stellung des Antrags auf Zulassung der Berufung beim Verwaltungsgericht erster Instanz. Als Prozessbevollmächtigte zugelassen sind neben Rechtsanwälten und Rechtslehrern an den in § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO genannten Hochschulen mit Befähigung zum Richteramt die in § 67 Abs. 4 Sätze 4 und 7 VwGO sowie in den § 3 und § 5 des Einführungsgesetzes zum Rechtsdienstleistungsgesetz bezeichneten Personen und Organisationen.
Der Antrag muss das angefochtene Urteil bezeichnen. In dem Antrag sind die Gründe, aus denen die Berufung zuzulassen ist, darzulegen.
Es wird darauf hingewiesen, dass die Berufung nur zugelassen werden kann,
1. wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2. wenn das Urteil von einer Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der Obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3. wenn ein in § 138 der Verwaltungsgerichtsordnung bezeichneter Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt.
Der Antragsschrift sollen vier Abschriften beigefügt werden.


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