Verwaltungsrecht

Keine Gewährung länderübergreifender Umverteilung zu künftiger Ehefrau – Ausnahmefall liegt nicht vor, Eheschließung nicht nachgewiesen

Aktenzeichen  Au 6 K 17.1803

Datum:
14.2.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 5400
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 26 Abs. 1, § 48 Nr. 1, § 51, § 55 Abs. 1 S. 2
EGBGB Art. 13 Abs. 1, Abs. 4

 

Leitsatz

1 Ein Verlöbnis ist durch die Ausnahmeregelung des § 51 Abs. 1 AsylG nicht geschützt wie eine bereits gelebte eheliche Lebensgemeinschaft. (Rn. 14 und 18) (redaktioneller Leitsatz)
2 Die Eheschließung im Bundesgebiet zwischen Nicht-Deutschen und Deutschen kann nicht in anderer Form als in der in Deutschland üblichen, d.h. vor dem Standesbeamten, stattfinden (Vorrang des Territorialstatuts). Allenfalls bei beiderseitiger ausländischer Staatsangehörigkeit kann nach Art. 13 Abs. 1 EGBGB ein Personalstatut nach ausländischem Recht zur Anwendung kommen. (Rn. 19) (redaktioneller Leitsatz)
3 Die Eheschließung im Bundesgebiet zwischen zwei Nicht-Deutschen von einem örtlichen Imam, der nicht gemäß Art. 13 Abs. 4 EGBGB von der Regierung des Staates, dem einer der Verlobten angehört, ermächtigt ist, wäre wegen des Vorrangs des Ortsrechts für Rechtshandlungen im Inland unwirksam.   (Rn. 19) (redaktioneller Leitsatz)
4 Ein Verlöbnis erlangt ausländerrechtlichen Schutz, wenn die Eheschließung unmittelbar bevorsteht und sonst durch eine Abschiebung die geschützte Eheschließungsfreiheit beeinträchtigt würde. Eine Eheschließung im Bundesgebiet steht unmittelbar bevor, wenn der Eheschließungstermin feststeht oder jedenfalls verbindlich bestimmbar ist (OVG Hamburg BeckRS 2007, 23370; BayVGH BeckRS 2016, 54874). (Rn. 23 und 25) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens zu tragen.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch die Beklagte durch Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet. Der Kläger hat im hier entscheidungserheblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung noch keinen Anspruch auf die begehrte länderübergreifende Umverteilung von Bayern in das Land … (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
1. Der Kläger hat derzeit keinen Anspruch auf Umverteilung aus § 51 AsylG.
a) Nach § 55 Abs. 1 Satz 2 AsylG hat ein Asylbewerber keinen Anspruch darauf, sich für die Dauer des Asylverfahrens in einem bestimmten Land oder an einem bestimmten Ort aufzuhalten. Die Einhaltung der durch Gesetz oder Verwaltungsvereinbarung nach § 45 und § 50 AsylG festgelegten Schlüssel zur Verteilung der Asylbewerber genießt grundsätzlich Vorrang vor dem privaten Aufenthaltswunsch des Asylbewerbers. Nach § 51 Abs. 1 AsylG ist aber der Haushaltsgemeinschaft von Familienangehörigen i.S.d. § 26 Abs. 1 bis Abs. 3 AsylG oder sonstigen humanitären Gründen von vergleichbarem Gewicht durch länderübergreifende Umverteilung Rechnung zu tragen, sofern ein Ausländer nicht mehr verpflichtet ist, in einer Aufnahmeeinrichtung zu wohnen. Diese Vorschrift ist eine Ausnahmeregelung (VG Augsburg, U.v. 30.9.2014 – Au 1 K 14.554 – juris; VG Augsburg, U.v. 17.3.2015 – Au 6 K 14.1699 – juris) und daher eng auszulegen. Ein solcher Ausnahmefall ist hier jedoch noch nicht gegeben, die Voraussetzungen des § 51 AsylG liegen derzeit nicht vor.
b) Der Kläger ist im für die Entscheidung über seine Klage entscheidungserheblichen Zeitpunkt (§ 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG) nicht mehr verpflichtet, in einer Aufnahmeeinrichtung zu wohnen.
Der Kläger war wegen seines laufenden Asylverfahrens zwar nach § 47 AsylG längstens bis zu sechs Monate verpflichtet, in einer Aufnahmeeinrichtung zu wohnen. Diese Verpflichtung hat hier – soweit ersichtlich – mit der Ersteinreise am 2. Juli 2015 zu laufen begonnen und nach § 48 Nr. 1 AsylG mit der Zuweisung an die Gemeinschaftsunterkunft mit Bescheid vom 7. Juli 2017 geendet.
c) Der Kläger begehrt die Umverteilung nach § 51 Abs. 2 Satz 1 AsylG zu seiner künftigen Ehefrau.
Diese ist jedoch derzeit noch keine Familienangehörige i.S.d § 26 Abs. 1 bis Abs. 3 AsylG i.V.m. nach § 51 Abs. 1 Alt. 1 AsylG, weil hierzu nur Ehegatten, Lebenspartner, minderjährige ledige Kinder oder Eltern eines minderjährigen Kindes zählen. Das vorliegende Verlöbnis ist nicht in gleicher Weise geschützt wie eine bereits gelebte eheliche Lebensgemeinschaft. Hinzu kommt, dass der nicht gemeinsam mit seiner Verlobten eingereiste Kläger ihr erst im Bundesgebiet die Ehe versprochen hat, eine eheliche Lebensgemeinschaft bisher nicht bestanden hat und er daher auch nicht darauf vertrauen kann, hier bereits einem Ehemann gleich gestellt zu werden, da die Ehe durch eine Trauung durch einen Imam im Wohnzimmer des Onkels rechtlich noch nicht geschlossen ist:
Die Eheschließung kann nicht in anderer Form als in der in Deutschland üblichen stattfinden und nachgewiesen werden. Erstens haben nicht beide Verlobte die afghanische Staatsangehörigkeit, sondern nur der Kläger, wie sich entgegen seinem Umverteilungsantrag erst in der mündlichen Verhandlung herausgestellt hat, da seine Verlobte deutsche Staatsangehörige ist. Allenfalls bei beiderseitiger afghanische Staatsangehörigkeit wäre nach Art. 13 Abs. 1 EGBGB ihrem Personalstatut nach möglicherweise überhaupt afghanisches Recht auf sie anwendbar (OLG Frankfurt am Main, B.v. 2.5.2013 – 20 W 248/12 – juris Rn. 18). Zweitens haben sie sich von einem örtlichen Imam und nicht – als Ausnahme vom Vorrang des Ortsrechts (Territorialstatut) – von einer von der Regierung des Staates, dem einer der Verlobten angehört, ordnungsgemäß ermächtigten Person trauen lassen. Eine derartige Ermächtigung, die der deutschen Regierung förmlich angezeigt worden sein muss (vgl. AG Groß-Gerau, B.v. 8.6.2017 – 76 F 1057/16 S – juris Rn. 12 f.), hat der Kläger nicht nachgewiesen.
Daher kann ihre Eheschließung im Bundesgebiet wegen des Vorrangs des Ortsrechts für Rechtshandlungen im Inland nach Art. 13 Abs. 3 EGBGB nur in den hier vorgesehenen Formen (OLG Frankfurt am Main, B.v. 2.5.2013 – 20 W 248/12 – juris Rn. 19) und damit vor dem Standesbeamten stattfinden. Eine solche Eheschließung ist nicht nachgewiesen, auch nicht das unmittelbare Bevorstehen eines Eheschließungstermins in dieser Form.
d) Auch liegen derzeit noch keine sonstigen humanitären Gründe nach § 51 Abs. 1 Alt. 2 AsylG von vergleichbarem Gewicht vor. Solche sind weder ersichtlich noch aufgezeigt.
aa) Keiner der Verlobten ist derzeit auf eine Lebenshilfe des jeweils anderen so angewiesen, dass er nicht wie bisher auch alleine leben könnte.
bb) Auch steht die Eheschließung in Deutschland nicht so sachlich konkret und zeitlich unmittelbar bevor, dass dieser Belang – ungeachtet seines bisher nicht erfolgten Vollzugs – entsprechendes humanitäres Gewicht nach § 51 Abs. 1 Alt. 2 AsylG erlangte. Ein Verlöbnis erlangt ausländerrechtlichen Schutz, wenn die Eheschließung unmittelbar bevorsteht und sonst durch eine Abschiebung die aus Art. 6 Abs. 1 GG (auch für Ausländer) geschützte Eheschließungsfreiheit (BVerfG, B.v. 4.5.1971 – 1 BvR 636/68 – BVerfGE 31, 58/67 ff.; B.v. 30.11.1982 – 1 BvR 818/81 – BVerfGE 62, 323/329; B.v. 12.5.1987 – 2 BvR 1226/83 – BVerfGE 76, 1/42) beeinträchtigt würde. Art. 6 Abs. 1 GG schützt auch das Recht, eine Ehe zu schließen und ist bei Aufenthaltsentscheidungen mit zu würdigen.
Selbst wenn mit Blick auf den Schutz eines Verlöbnisses die gewünschte Umverteilung im Bundesgebiet einer drohenden Entfernung aus dem Bundesgebiet gleichstünde, wogegen erhebliche Bedenken bestehen, da die Verlobten hier nur im Inland getrennt sind und in absehbarer Zeit nach Abschluss der Trauungsformalitäten zusammengeführt werden können, während die räumlichen und rechtlichen Folgen (vgl. § 11 AufenthG) einer Aufenthaltsbeendigung weit gravierender wären, steht jedenfalls eine Eheschließung im Bundesgebiet nicht unmittelbar bevor.
Eine Eheschließung im Bundesgebiet steht unmittelbar bevor, wenn der Eheschließungstermin feststeht oder jedenfalls verbindlich bestimmbar ist (ausführlich OVG Hamburg, B.v. 4.4.2007 – 3 Bs 28/07 – juris Rn. 8; BayVGH, B.v. 2.11.2016 – 10 CE 16.1965 – juris Rn. 7): Sind die Vorbereitungen in dem Verfahren der Eheschließung bereits so weit vorangeschritten, dass die Anmeldung der Eheschließung vorgenommen wurde, die Verlobten die von dem Standesbeamten geforderten Urkunden beschafft haben und bei der Prüfung der Ehefähigkeit von ausländischen Verlobten ein Antrag auf Befreiung von der Beibringung eines Ehefähigkeitszeugnisses gestellt wird, so kommt die Annahme einer unmittelbar bevorstehenden Eheschließung in Betracht, wenn dem Standesbeamten im Hinblick auf den gestellten Befreiungsantrag alle aus seiner Sicht erforderlichen Unterlagen vorliegen (vgl. BayVGH, B.v. 14.10.2015 – 10 CE 15.2165 – juris Rn. 18; B.v. 28.11.2016 – 10 CE 16.2266 – juris Rn. 11 m.w.N). Für das Vorliegen einer solchen Situation kann es sprechen, wenn der Standesbeamte die Antragsunterlagen an den für die Entscheidung über den Antrag auf Befreiung von der Beibringung eines Ehefähigkeitszeugnisses zuständigen Präsidenten des Oberlandesgerichts weitergeleitet hat, da dem Standesbeamten die Vorbereitung dieser Entscheidung obliegt und er die hierfür notwendigen Nachweise von den Verlobten anzufordern hat. Umgekehrt ist nicht von einer unmittelbar bevorstehenden Eheschließung auszugehen, wenn der Standesbeamte einen Termin zur Eheschließung aus Gründen nicht festsetzen kann, die in die Sphäre der Verlobten fallen (vgl. VGH BW, B.v. 13.11.2001 – 11 S 1848/01 – InfAuslR 2002, 228 ff.). Gleiches gilt, wenn sich im weiteren Verfahrensgang herausstellt, dass eine Entscheidung des Präsidenten des Oberlandesgerichts deshalb nicht ergehen kann, weil es noch an Unterlagen fehlt oder sonst Zweifel oder Unklarheiten bestehen, die in den Zurechnungsbereich der Verlobten fallen; dann ist bis zu dem Zeitpunkt, in dem die für die Entscheidung über den Antrag noch fehlenden Unterlagen nachgereicht bzw. die Zweifel oder Unklarheiten beseitigt worden sind, von einer unmittelbar bevorstehenden Eheschließung nicht auszugehen (SächsOVG, B.v. 16.5.2006 – 3 Bs 61/06 – AuAS 2006, 242 f.).
Daran fehlt es hier; der Kläger hat zum Stand der Vorbereitungen für eine Eheschließung im Bundesgebiet eingeräumt, dass seine Unterlagen wegen der Namensabweichung erst noch geprüft werden und das Ende der Prüfung zeitlich noch nicht absehbar ist, so dass bisher kein Termin für eine Trauung festgelegt werden konnte. Damit steht eine Eheschließung nicht unmittelbar bevor.
2. Die auf § 51 Abs. 1 AsylG gestützte ablehnende Ermessensentscheidung des beklagten Landes ist vor diesem Hintergrund nicht zu beanstanden, so dass auch seine Verpflichtung zur Neuverbescheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts (§ 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO) als Minus zum Verpflichtungsantrag nicht ausgesprochen werden kann.
3. Daher war die Klage mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG). Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.


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